Zeugen der Vergangenheit – Die erzählenden Steine, betrachtet im östlichen Stadtgebiet

Zeugen der Vergangenheit

Die erzählenden Steine, betrachtet im östlichen Stadtgebiet

VON DIETHARD BAHLES

In den neuen Stadtteilen ahrabwärts finden wir zum Teil noch gänzlich unbekannte Zeugen unserer Vorgeschichte, überwiegend römischen Ursprungs, die es verdienen, veröffentlicht zu werden. In einem Zeitraum von über 20 Jahren wurden sie wie ein Mosaik zusammengesetzt, meist ohne schriftliche Hinweise. Machen wir eine historische Wanderung, die uns von der Idienhöhe über Heimersheim, Green, Ehlingen, Lohrsdorf, Landskron, Kirchdaun, Heppingen hin nach Bad Neuenahr führt! Idienbach und -tal sind für die Stadtteile Heimersheim des guten kohlensäurehaltigen Quellwassers wegen auch heute noch ein Begriff! Dieser bestand auch zur Römerzeit offen sichtlich schon, da eine Wasserleitung vom oberen Drittel des Tales zu der römischen Ziegelei führte. Die Baulichkeiten, zu denen auch allem Anschein nach ein römisches Landhaus gehörte, befanden sich zwischen Idienmühle und -höhe und wurden leider nie ganz erkannt bzw. ausgegraben! Südlich der Ahr könnten Ausgrabungen an diesem Platze zu einem wichtigen Schlüssel römischer Geschichte im engeren Heimatbereich werden. Dieses kleine Tal wurde 1398 erstmals erwähnt, als „Ydegarrebach“!

Talabwärts kommen wir an ein altes Basalthochkreuz! Der Heiligsten Dreifaltigkeit war unweit dessen, zwischen Teich und Ahrbrücke eine durch Hochwasser zerstörte kleine Kapelle geweiht. In der Karte des unteren Ahrtals, der Landskrone Land- und Mühlenkarte aus dem Jahre 1570, ist diese noch vorhanden. Dort soll das wertvolle Vesperbild von Heimersheim ursprünglich gestanden haben (heute in der Heimersheimer Pfarrkirche).

Foto: Diethard Dahles
Lohrsdorfer Doppelkreuz aus dem Jahre 1754 mit dreifachem Sockel

In Heimersheim angekommen, war kurz vor dem Ortskern eine größere Besiedlungsspur zu erkennen, fränkische Holzsärge, und bisher völlig unbekannt, wurden bei Ausschachtungsarbeiten Brandgräber der Hallstattzeit vorgefunden. Tonschalen als Totenurnen mit Knochen und Brandresten aus der Zeit um 500 v. Chr. sind hier Zeichen frühester Besiedlung. Der etwa um 600 n. Chr. entstandene Ortskern wurde 893 erstmals urkundlich erwähnt.. In der nahegelegenen Ziegelgrube soll sich ein römischer Ziegelbrandofen befunden haben, der abgerissen wurde. Wir gehen weiter, vorbei am mittelalterlichen Mühldorf Green, der ehemaligen Wasserburg, und gelangen nach Ehlingen. Hier wurde in jüngster Zeit interessantes fränkisches Grabmaterial gefunden, nahe dem früheren Ehlinger Burgbereich. Römisch war sicher der eisenhaltige, gefaßte Thermalbrunnen, welcher — schon sehr früh schriftlich erwähnt — in der örtlichen Bevölkerung noch bekannt ist. Im Steilhang des Ahrbetts kam das Wasser, seiner rötlichen Färbung dem Bodendorfer und Neuenahrer Quellwasser gleich, deutlich über eine Tonschicht zum Austritt. Die altgefaßte Anlage wurde mit Rücksicht auf das Quellenschutzgebiet zugeschüttet, was in heutiger Zeit sicherlich überholt ist. Über die Greener Ahrbrücke gelangen wir nach Lohrs-dorf, an den Fuß des Lohrsdorfer Kopfes. Hier lag zur Römerzeit am Straßenrand ein kleines römisches Heiligtum, das durch den Lagennamen „An der Heinsch“ Mauer“ (Heidnische Mauer) im Sprachgebrauch erhalten geblieben ist. Durch die erfolgte Flurbereinigung wurde die Vermutung tatsächlich wahr, es kam römischer Grund ans Tageslicht, so daß verschiedene Steine an der Lohrsdorfer Kapelle erst jetzt mit Bestimmtheit als römisch identifiziert werden können. Der Fundort des kleinen Heiligtums römischer Art war markiert durch Balkenreste, Nägel, Dach- und Bodenziegel sowie Terra sigillata. Ganz in der Nähe wurden römische Wassergefäße gefunden und alles deutet auf eine römische Wassergott-Opferstätte hin. Die Ahr floß zur Römerzeit dicht an der Lohrsdorfer Bergseite vorbei. Ob die im Dorfbereich angeblich zu Tage getretenen Römergräber Wirklichkeit sind, wird die künftige Grabungsarbeit ans Tageslicht bringen. Münzfunde aus der Zeit scheinen die Erzählungen zu bestätigen. Im nahen „Sonnenberg“ im Lohrsdorfer Bachtal, auf der westlichen Seite gelegen, so sagt man, hätten die Römer den ersten Weinbau im Ahrtal betrieben. An diesem geschützten Platze, der leicht südlich ausgeprägt ist, gedieh bis vor drei Jahren noch ein ganz vorzüglicher Wein. Eine kleine ortsbekannte Erzählung von Anton Söller, sei hier, ob wahr oder nur Sage, kurz erwähnt.

Als Ludwig der Fromme um 814 auf der nahen Römerstraße Sinzig—Aachen zur Krönung zog, habe er oberhalb von Lohrsdorf Soldaten seiner Begleitung entlohnt und entlassen. Das Ziel war ja bald erreicht, und so ließ er diese, mit den Reliquien der beiden Lohrsdorfer Patrone Petrus und Marcellinus als Geschenk, im Tale siedeln. Die dankbaren Lctitc benannten den Ort „Ludovesdorf“ (Ludwigsdorf). Tatsächlich kommt in der Geschichtsschreibung dieser Zeit zwischen Ludwig L, dem Frommen und dem Orte Lohrsdorf ein Zusammenhang zustande, den die Leute nach Ludwig benannten. Gleich neben der z. T. gotischen Kapelle stellt ein höchst interessantes Doppelkreuz von 1754 mit den beiden Titelheiligen Petrus und Marcellinus und der Inschrift S.P.S.M. (St. Petrus, St. Marcellinus: Söller, Peter, Söller, Margarete) sowie „Godt Allein Die Ehr“.

Röm. Wasserleitung aus Traß-Beton, innerer Kotstein-Abdichtung und Grünschiefer-Abdeckung. Die Leitung führte zu der 1959 entdeckten Ansiedlung aus dem 3. Jh. n. Chr. an der Idienmühle.
Foto: Diethard Bahles

Von diesem alten Ort gehen wir hoch zum Lohrsdorfer Kopf, genau oberhalb des kleinen Heiligtums „Heinsch‘ Mauer“. Bei der erfolgten Flurbereinigung wurde hier ein Gebäudegrundriß freigelegt bzw. angeschnitten. Art und Anordnung nach zu urteilen, eine römische Glasschmelze. Nach den Bodenerkundungen hatte diese mögliche Glasschmelze jedoch nur etwa 50 Jahre bestanden. Entweder wurde sie nach der Erbauung bald wieder zerstört oder der Quarz des Lohrsdorfer Kopfes war nicht in der besten Qualität für die bekanntlich hochqualifizierten Glasproduktionen der Römer. Die beachtliche Größe der rechteckigen Halle, deren Ausginge nördlich und südlich erkennbar sind, deutet auf ein ehemals großes Vorhaben hin, dessen Überreste in Form von Quarizbrocken um die Halle verstreut liegen. Gruben verschiedenster Ausmaße weisen auf Abbau hin. Sollte ich an dieser Stelle wieder einmal eine Erzählung aus der Bevölkerung einfügen, ohne daß alles „sagenhaft“ wird? Ich glaube jedoch, durch Bestätigungen in der Form von Bodenfunden werden diese „Sagen“ belegt, wie ich schon so oft von der Überlieferung zur Wirklichkeit fand. Das Gebiet der o. g. Glasschmelze nennt man im Ort Lohrsdorf „Pitter’s Stuff“ (Peter’s Stube) und war angeblich die Fluchtstätte bei Überfällen und in Kriegswirren. Nahe der Glasschmelze in einer größeren Grube, soll sich dieser Fluchtort befunden haben. Sicher ist, wenn es sich bewahrheitet, evtl. durch Ausgrabungen, daß dann hier eine dörfliche Fliehburg liegt, eine der wenigen, die überliefert sind. Ganz in der Nähe stehen Grenzsteine mit drei Herzen, deren Ursprünge im Dunkel liegen. Auf der Höhe weiter, in Richtung Remagen, kommen, wir zu einem alten Heiligtum an der Römerstraße Sinzig—Aachen, der kleinen Kapelle „St. Gierds‘ Heck“ (St. Gertrud’s Hecke). Dieses kleine Gebäude und der Ort, an dem es steht, gab und gibt Rätsel auf. Vermutungen von Kennern aus dem vergangenen Jahrhundert, es handele sich um das christliche Abbild einer einstigen römischen Tempelanlage, konnten sich bis heute nicht bestätigen. Man sollte eher vermuten, es sei ein, kleines römisches „Reichsheiligtum“, ähnlich dem am Fuße des Lohrsdorfer Kopfes. Es ist nicht unbekannt, daß römische Reisende und Krieger nach geglückter Heimkehr vielfach kleine und auch größere Heiligtümer und Weihestätten irgendeiner Gottheit heidnischer Prägung errichteten. Die heutige kleine Kapelle wird liebevoll gepflegt von der Bodendorfer Bevölkerung und dient dem Wanderer als Rast- und Andachtsstätte. Unweit dieser Römerstraße liegt der Steinbruch „Scheid’s-Kopf“, der in unserer engeren Heimat als gewaltiges römisches und naturwissenschaftliches Denkmal bezeichnet werden kann. Es ist bekannt, daß wesentliche historische Gebäude unserer Gegend z. B. die Landskrone und das römische Remagen aus dem Basaltgestein dieses Bruches erbaut waren und sind. Wir haben nun in südlicher Richtung das Lohrsdorfer Tal vor uns und gelangen, vorbei an einem barocken Basaltkreuz an den Köhler Hof, ein 1209 erstmals erwähntes, jedoch als sehr viel älter anzusehendes Rittergut. Nordwestlich sehen wir „Duna“, das heutige Kirchdaun, dessen römischer Grund kaum jemand unbekannt ist. Vor das heidnische „Duna“ wurde in der Zeit der Christianisierung einfach ein ,,Kirch“ vorgesetzt, da schon sehr früh hier ein christlicher Mittelpunkt vorzufinden ist (etwa 600 n. Chr.).

Foto: Diethard Bahles 
Gedenkkreuz von Lohrsdorf des „Wilberts Schuts und seiner Hausfrau Anna“

Nehmen wir den Weg über die Landskrone, so kommen wir am Fuß der Kuppe an einer über zwei Meter hohen Basaltsäule mit Bruchsteinfußplatte vorbei. Dieses war die seit dem 15. Jahrhundert bekannte Landskroner Gerichtsstätte. Es handelt sich hierbei um einen Seitenteil eines Türrahmengalgens. Kreuz und Mauern der ehemaligen und beschriebenen Gerichtsstätte sind nicht mehr da, sie wurden oftmals als Grenzsteine benutzt. Die Bodenplatte des Galgens hat seitlich eine kleine Vertiefung und man hat hier früher, bei Wallfahrten zur Marienverehrungsstatte auf der Landskrone, in dem angesammelten Regenwasser die Augen ausgewaschen. Diesem sprach man Heilkräfte zu mit einem frommen Gebet auf den Lippen.

Zur Landskrone hin kommen wir an hohen alten Eichen vorbei, die als Insel zwischen den Wegen stehen. Hier hat der alte Landskroner Hof gestanden. Die Kuppe, die zur Römerzeit den römischen Wacht- und Leuchtturm trug, birgt noch vielerlei Geheimnisse in sich. Die ehemalige Kaiserpfalz, vormals beim früheren Gasthaus gelegen, hat sicherlich nicht alles freigegeben, was zu erforschen -wäre. An den vielen Schürfversuchen, die leider die Reste auch noch zerstören, kann man die Aktivität vieler Privatarchäologen erkennen. Man hat von hier oben einen herrlichen Blick über das Tal, der jeden stark beeindruckt. Die kleine Kapelle, das ehemalige Matronenheiligtum, nächst der sogenannten Bernsteinstraße gelegen, hat auch in heutiger Zeit nichts von der Anziehungskraft verloren, die das Marienheiligtum gerade heute noch hat. Die kostbare Flora der Landskrone hier einzuflechten, wäre nicht angebracht, da sie sehr umfangreich ist.

Unterhalb, am Fuße der Kuppe, finden wir die sogenannte „Hexenquelle“, die anhand der römischen Wasseropfergaben in Form von Münzen eine römische Heilquelle ist. Das klassizistische Brunnenhaus ist ein seltenes Bild in Stil und Art für das gesamte Ahrtal. Einer Restaurierung durch den Eigentümer, die Apollinaris Brunnen AG, dürfte in den kommenden Jahren nichts im Wege stehen. Leider wurde der dazugehörige Brunnen vor Jahren zugeschüttet.

Von dieser Quelle gehen wir vorbei an einer vierten., der Apollinarisquelle, die eigenartigerweise recht viele Zeugen der Geschichte in Form von römischen Münzen sowie zahlreicher verschiedener Grabanlagen in nächster Nähe aufweist. Sollte diese relativ spät entdeckte Quelle eventuell früher schon einmal offen vorhanden gewesen sein? Dann hätte Georg Kreuzberg diese nur wiederentdeckt! Zur fünften Quelle kommen wir nun, der des Bades Neuenahr, Es ist der Ausgangspunkt unserer historischen Wanderung und man sollte festhalten, daß rund um diese heilenden Quellen historischer, ja römischer Grund vorzufinden ist. Vier römische Quellen säumen die Neuenahrer: Idienbachtal, Ehlingen, Aeppingen und Apollinaris; römisch, so finde ich, ist sicher auch die fünfte Quelle. Es ist bekannt, wie sehr in der Römerzeit Thermalquellen geschätzt wurden. Sollte nicht doch bei aufmerksamer Beobachtung einmal etwas zu Tage treten, was zur Bestätigung einer „Römerquelle“ beiträgt? Sicher wurde dem nicht sehr viel Beachtung bisher geschenkt und man sollte bei Bautätigkeit bzw. Grabung in dem Gebiet um die Quellen darauf verstärkt achten. Das Gebiet des alten Pfarrhauses birgt in dieser Richtung sicherlich manches Geheimnis. Es scheint mir für die Zukunft wichtig genug zu sein, auf diese Dinge zu achten, um die Geschichte des Bades weiter zu lüften. Der Berg jedenfalls, der dem Bade den Namen, gab, hat römischen Grund: Er war römischer Leucht- und Wachtturm!

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