Westum hatte eine Befestigung

VON HEINZ SCHMALZ

Viele menschliche Ansiedlungen waren in der Frühzeit mit einer Befestigung versehen. Heute sind noch der Rundbau eines bäuerlichen Hofes, die wehrhaften Kirchbauten in kleineren Orten und die Ummauerung der Städte bekannt.

Sinzig, der Nachbarort von Westum, war seit 1305 mit einer Stadtmauer umgeben, zu deren Kosten die Bewohner von Westum wesentlich beigetragen haben. Dafür genossen sie in Not- und Kriegszeiten denselben Schutz wie die Bürger innerhalb der Ringmauern. Doch weil die Entfernung nach Sinzig bei einem plötzlichen Überfall oder sonstigen Gefahren nicht schnell zu überbrücken war, hatten die Bewohner von Westum ihr Dorf mit einem eigenen Schutz umgeben. Ein Schutzwall hatte die Aufgabe, wilde Tiere dem Dorf fernzuhalten. Der letze Wolf des Rheinlandes wurde 1000 bei Wallerfangen (Saar) gestreckt. Im Ahrtal erlegte man den letzten Wolf 1885 bei Blankenheim. Um räuberisches Gesindel nicht in das Dorf eindringen zu lassen und bei einem plötzlichen kriegerischen Überfall eine wenn auch geringe Verteidigung möglich zu machen, war Westum wegen seiner hügeligen Lage, die sich von Natur aus nicht allzusehr für eine wehrhafte Befestigung eignet, schwer zu verteidigen. Trotzdem war der Dorfkern mit einem breiten Graben umgeben (heute noch Gemarkungsbezeichnung: Auf dem alten Graben), der zum Teil mit Bachläufen (der Hellen- und Hengstbach) durchzogen war. An der Ortsgrenze war zusätzlich eine Pallisade errichtet, die durch vier Tore eine Einlaß- oder Durchfahrtsmöglichkeit bot. Im Osten war ein Tor (Gemarkungsbezeichnung heute „Am Pörzgen“, Richtung Sinzig), nach Süden passierte man das Höckgestor (Richtung Koisdorf), nach Südwesten das Falltor (Gemarkungsbezeichnung heute: Am Falder, Richtung Krechelheim und Königsfeld) und nach Norden das Heckemichstor (nach dem Mühlenberg und auch nach Löhndorf).

Luftaufnahme aus dem Ardiiv des Kreises Ahrweiler Freigegeben unter Nr. 2576=2 Bezirksregierung für Rheinhessen
Westum

Daß wirklich eine Befestigung um Westum vorhanden war und auch die Tore bestanden, ergibt sich aus den nachstehenden Ausführungen: Eine Kölner Chronik aus dem Jahre 1364 besagt u. a., daß Westum gewonnen wurde. Hieraus folgert man, das Westum zur Verteidigung eingerichtet war und der Ort durch kriegerische Handlungen erobert wurde. Eine Karte des unteren Ahrtals aus dem Jahre 1571 zeigt Westum als einen Ort, der gleich Sinzig, Heimersheim, Löhndorf usw. eine Befestigung und Tore hat.

Aus alten Gemeinderechnungen ersehen wir, daß 1684 dem Dorfboten wegen einer Pallisadenangelegenheit ein Lohn gegeben wurde, 1685 mußten für die Höckgesbrücke, die vor dem Tore lag, für 6 Mark große Nägel gekauft werden, und 1688 erhielt ein Friedrich Schwüfel, der für das Dorf Pallisadenholz anfuhr, einen Lohn von 3 Reichstaler (= etwa einem Wochenlohn für Leistungen mit Fuhrwerk). 1685 wurde in Sinzig bei dem Vogt ein Streit wegen der Pallisade beigelegt.

Für die Durchfahrt durch das Dorf wurden von Gemeindefremden zu bestimmten Zeiten Gebühren erhoben, die allerdings nur eine sehr geringe Einnahme von Sinzig bildeten, obwohl alle, die von Sinzig aus nach Löhndorf oder Königsfeld wollten, das Dorf passieren mußten. Für jedes Tor hatten die für den betreffenden Ortsteil zuständigen Parteimeister (Steuererheber) von den dazu Beauftragten die eingezogenen Gebührengelder entgegenzunehmen und zu verrechnen,

Für das Schließen der Tore war stets jemand von der Bürgerschaft bestimmt worden, der für diese Leistungen aus der Gemeindekasse eine Entschädigung erhielt (1604): Mathias Fuchs erhielt zwölf halbe Gulden „pforten-geld“).

1695 wurden die vorhandenen Dorftore ausgebessert und verstärkt. Im gleichen Jahre wurde auch die Stelle des Pförtners für Westum im Hause des Vogts zu Sinzig neu vergeben.

1696 wurde neues Pallisadenholz (Eichenstämme) angeliefert und die Pallisade ausgebessert.

Der letzte Nachweis über eine Befestigung von Westum besagt, daß 1737 der Dorfpförtner ein Jahresgehalt von 4 Reichstaler 32 AIbus hatte.

Nach mündlichen Überlieferungen sollen vor dem Wallgraben noch ein dichtes Dornengestrüpp und mächtige Eichbäume gestanden haben. Die letzte Eiche soll gegen 1850 gefällt worden sein.

Wann die Befestigungen und Tore verfallen sind, ist nicht mehr festzustellen. Auch sind keine Anhaltspunkte über den genauen Verlauf der Pallisade mehr gegeben. Lediglich aus der Urkarte des Katasteramtes Sinzig für den Ort Westum aus dem Jahre 1827 kann man noch genau den Gemeindegraben und die ringförmige Abgeschlossenheit des Dorfes erkennen. Bei Kanalisierungsarbeiten im März 1968 konnte man den Graben in der Höhe der Einfahrt zum Hof des Pfarrhauses gut erkennen. Die Sohle des Grabens lag etwa 4 m unter der Straßendecke. An der Innenseite des Grabens fand man einen Stumpf von einer Eiche, bei dem es sich vermutlich um den Rest eines Pallisadenstammes handelte. In dem Graben wurde eine Kanonenkugel aus Granit (etwa 17. Jh.) gefunden. Diese wurde dem Heimatmuseum in Sinzig übergeben.