Westenergie AG sorgte für Neuaufbau der Stromversorgung
1.000 Netzstationen und Umspannanlagen zerstört – 900 Mitarbeiter wochenlang im Einsatz
Fabian Vocktmann
Im Juli 2021 verursachte das Tiefdruckgebiet Bernd eine Hochwasserkatastrophe in Teilen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Dabei wurde auch die Infrastruktur des Netzbetreibers Westnetz zerstört bzw. stark beschädigt. Nach der schnellen Wiederversorgung der Flutgebiete ging es anschließend um den zukunftsgerichteten Neuaufbau der Energieinfrastruktur. Dafür gründete die Westenergie-Tochter Westnetz eine eigene Taskforce. Ihr Ziel: die Netze hochwasserfest, smart und resilient zu machen.
Wiederversorgung: Zentraler Knotenpunkt in Sinzig
Unmittelbar nach der Überflutung waren bis zu 200.000 Einwohnerinnen und Einwohner im Versorgungsgebiet der Westnetz ohne Strom. Besonders stark traf es das westliche Rheinland und das Ahrtal. Mehr als 1.000 Netzstationen und mehrere Umspannanlagen wurden beschädigt oder vollkommen zerstört. Darunter war auch die Umspannanlage in Sinzig, ein zentraler Knotenpunkt für die Stromversorgung in der Region. Hier hatte das Hochwasser die Schaltanlage vollständig zerstört. Mit der provisorischen mobilen Anlage einer Schwestergesellschaft im Konzern überbrückte Westnetz die Instandsetzungsarbeiten. Ende Juli war die Umspannanlage wieder voll einsatzbereit.
Wie dieses Beispiel zeigt, konnte die Stromversorgung nur durch den massiven Einsatz von Notstromaggregaten und Ersatzmaterialien aus dem gesamten E.ON-Konzern, zu dem Westenergie/Westnetz gehören, schnell wieder hergestellt werden. So hatte der Großteil der Haushalte nach zwei Wochen wieder Strom. Rund 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Westenergie/Westnetz und weiterer Gesellschaften des E.ON-Konzerns waren dafür wochenlang rund um die Uhr bis zur Leistungsgrenze im Einsatz.
Bohrungen unter der Ahr zur Energieversorgung: Fabian Vocktmann, Regionalmanager der Westenergie AG Rauschermühle (rechts), mit Andreas Geron, Bürgermeister der Stadt Sinzig.
Zusätzlich zu den unermüdlichen Arbeiten für die Stromversorgung verteilten Mitarbeitende Trinkwasserbehälter und Powerbanks an die betroffenen Menschen. Von den Auszubildenden, die Baustromverteiler zusammenbauten, über Kolleginnen und Kollegen, die Trocknungsgeräte zur Verfügung stellten, bis hin zur Aufnahme Betroffener in unserem Kongresszentrum in Wanderath – alle Mitarbeitenden der Westenergie/Westnetz packten mit an, um den Menschen in den Hochwassergebieten zu helfen. Denn das Unternehmen fühlt sich der Region sehr verbunden.
Erfolgsfaktor: Enge Zusammenarbeit mit den Kommunen
Wichtig war in der Krise der ständige Austausch zwischen Westenergie/Westnetz und den Kommunen. Tagesaktuelle Informationen wurden schnell kommuniziert, und die Bedürfnisse und Nöte der Kommunen wurden sofort an die richtigen Ansprechpartner adressiert. Auch die Präsenz von Kolleg*innen der Westnetz und Westenergie in regionalen und überregionalen Krisenstäben half bei schnellen Entscheidungen für Maßnahmen vor Ort. So wurde zum Beispiel binnen kürzester Zeit eine Mittelspannungsfreileitung von Rech nach Mayschoß verlegt. Dabei waren Höhenunterschiede von über 100 Metern zu überwinden. Ein Kilometer Freileitung musste komplett neu gebaut werden. Die enge Zusammenarbeit zwischen Netzbetreiber und Kommunen ermöglichte hier eine schnelle Lösung für die Stromversorgung.
Viele Bautrockner als besondere Belastung – Stabilisierung mit Hilfe moderner Technik
Nach der schnellen Wiederversorgung stabilisierte Westnetz die Netze vor Ort in den Gemeinden. Dabei stand die Winterfestigkeit der Netze im Fokus. Eine besondere Belastung waren die vielen Bautrockner in den betroffenen Häusern. Damit Licht und Wärme in der dunklen Jahreszeit möglichst durchgängig zur Verfügung standen, verstärkte Westnetz ihre Netze, stellte Ersatzbetriebsmittel bereit und erhöhte ihre Bereitschaften.
Die Stromnetze wurden laufend beobachtet, um Belastungsspitzen schnellstmöglich zu erkennen. Dabei half moderne Technik wie zum Beispiel eine Wärmebildkamera. Denn viele Anlagenteile erwärmen sich, bevor sie ausfallen. Sie geben Wärmestrahlungen im Infrarotbereich ab, die das menschliche Auge nicht sehen kann. Mit einer Wärmebildkamera kann man diese Strahlung in klare Bilder umwandeln, aus denen Temperaturen abgelesen werden. Diese berührungsfreien Temperaturdaten lassen sich auf einem Monitor in Echtzeit anzeigen und können auch zur Analyse an ein digitales Speichermedium gesendet werden.
Eine weitere Herausforderung waren die zahlreichen beschädigten oder teils fehlenden Straßenlaternen. Damit die Anwohnerinnen und Anwohner nachts nicht in völliger Dunkelheit leben mussten, stellten Westnetz und das Technische Hilfswerk vorerst mobile Lichtmasten im gesamten Ahrtal auf. Sie beleuchten zum Beispiel Bushaltestellen, Baustellen, Marktplätze oder Brücken – und das geräuschlos, weil sie nicht diesel-, sondern strombetrieben sind. Dies erhöht geleichzeitig auch das Sicherheitsgefühl für die Bürgerinnen und Bürger.
In Sinzig hatte das Hochwasser die Schaltanlage vollständig zerstört. Mit der provisorischen mobilen Anlage überbrückte Westnetz die Instandsetzungsarbeiten.
Westnetz und das Technische Hilfswerk stellten zunächst mobile Lichtmasten im gesamten Ahrtal auf, hier eine Aufnahme aus Mayschoß.
Im Januar 2022 war dann erstmals im Ahrtal ein Auto mit einem smarten optischen Messsystem im Einsatz. Mit diesem Fahrzeug konnte die zerstörte Infrastruktur digital erfasst werden. Bei dem sogenannten „Mobile Mapping“ werden mittels Kamera und Laser Bilder aus verschiedenen Winkeln sowie Panoramabilder erzeugt. Die Fotos liefern neben dem optischen Zustand der Umgebung wichtige Geodaten, die bei der Planung und dem Bau von Versorgungsleitungen und neuer Straßenbeleuchtung helfen.
Neuaufbau als Modellregion
Schnelle Wiederversorgung, Stabilisierung, Neuaufbau – dieser Dreiklang ist das Leitmotiv der Westenergie und der Westnetz für die Arbeit in den Hochwassergebieten. Nach der erfolgreichen Bewältigung der ersten beiden Schritte liegt unser Fokus jetzt auf dem langfristigen, zukunftsgerichteten Neuaufbau des Ahrtals. Unser Ziel ist es, mit resilienten und smarten Netzen widerstandsfähiger gegenüber Auswirkungen des Klimawandels wie Hitze, Erosionen oder Starkregen zu werden.
Dazu gehören auch weitere neue Bauweisen und Technologien. Die Netze werden beispielsweise mit intelligenten Ortsnetzstationen und Messsystemen digitalisiert. So ist die permanente Beobachtbarkeit der Netze gewährleistet und damit ein schnelles Steuern und Eingreifen bei außergewöhnlichen Situationen. Bei der Entwicklung nutzt Westenergie Technologien und Know-how des gesamten Konzerns ebenso wie Forschungsergebnisse aus gemeinsamen Studien mit Universitäten. Darunter ist die „KlimaNetz“-Studie, mit der die Auswirkungen klimatischer Veränderungen je Region bestimmt werden sollen. Zusätzlich sind wir im ständigen Austausch mit den Kommunen, dem Landesbetrieb Mobilität, der Deutschen Bahn und weiteren „Playern“, um gemeinsam Synergien beim Thema Neuaufbau zu nutzen. Für Gebiete, die hochwassergefährdet sind, hat Westnetz bereits Veränderungen für Netze und Anlagen beschlossen. So werden Netzteile, die während des Hochwassers nicht zugängig waren, neu geplant. Hausanschlüsse sollen zum Beispiel nicht mehr im Keller installiert werden, Verkabelungen von Leitungen sollen den Vorzug vor Freileitungen erhalten.
Aus Sicht der Westenergie/Westnetz könnten das Ahrtal und die angrenzenden Kommunen eine Modellregion für die Energieinfrastruktur der Zukunft werden. „Wir können hier bereits jetzt die energiewirtschaftliche Entwicklung der nächsten Jahre vorwegnehmen, beispielsweise in der Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität“, unterstreicht Dr. Johannes Stürmer, Leiter der Taskforce Neuaufbau der Westnetz. Westenergie und Westnetz stehen den Kommunen und allen weiteren Akteuren gerne als kompetenter Partner für moderne Energieinfrastrukturen im Bereich Strom, Wärme, Konnektivität, Mobilität, Wasserstoff und Beleuchtung zur Verfügung.