Weniger bekannte gesundheitlich wertvolle Wirkungen moderaten Weingenusses
Dr. Gerhard Kreuter
Über die positiven Wirkungen moderaten Weingenusses bei den großen Volkskrankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes mellitus Typ 2 und Demenz/Alzheimer haben wir in früheren Heimatjahrbüchern ausführlich berichtet (siehe 2004, 2005, 2009, 2014 und weiteren Ausgaben). Aber der moderate Weingenuss hat auch positive Einflüsse auf andere Organsysteme bzw. Erkrankungen des Körpers.
Wein und Verdauungsorgane: Weingenuss zum Essen regt die Tätigkeit sämtlicher Verdauungsdrüsen an, erhöht die Darmaktivität und fördert die Aufnahme wichtiger Nahrungsstoffe, Mineralien und Vitamine in den Körper. Der beim älteren Menschen oft gestörte Appetit wird angeregt. Zudem schützt der Weingenuss vor Darminfekten. So gab Cäsar seinen Soldaten beim Feldzug gegen die Gallier und Germanen in unserer Region am Rhein täglich 1 Liter Wein, da das Wasser verschmutzt und infektiös war. Auch Infektionen des Magens mit Helicobacter werden vermindert.
Neueste Forschungen zeigen, dass der Wein unsere Darmflora – heute Mikrobiom – positiv beeinflusst und somit weniger schädliche Produkte im Darm entstehen. Die Wirkung der Polyphenole im Körper wird verstärkt, sie und ihre positiven Spaltprodukte werden besser resorbiert. Weiterhin stärkt ein gesundes Mikrobiom unser Immunsystem. Moderater Weingenuss vermindert das Risiko der Gallensteinbildung. Wein und Nieren und Harnwege: Die Nierendurchblutung und der Harnfluss werden gesteigert, somit Schlackenstoffe besser ausgeschieden und weniger Nierensteine gebildet. Prostataleiden – sowohl Adenome als auch Karzinome – treten seltener auf.
Moderater Weingenuss, vitalstoffreiche Vollwertkost und körperliche Bewegung: An diese Grundsätze hat sich der „Ahrdoktor“ des Künstlers Hanns Matschulla offensichtlich nicht gehalten.
Wein und Bewegungsapparat: Wein verlangsamt die Knochenentkalkung im Alter und beugt so der vor allem für Frauen gefährlichen Osteoporose vor. Eine Reihe von Studien aus aller Welt wie USA, Schweden und Taiwan zeigen, dass verschiedene rheumatische Krankheitsbilder, insbesondere das echte chronische Rheuma – rheumatoide Arthritis – und die so häufige quälende Fibromyalgie, deren Ursachen unbekannt sind, bei moderatem Weingenuss seltener auftreten bzw. bei bestehender Krankheit sich bessern. Meist sind hier Frauen betroffen. Die Forscher führen diese positiven Ergebnisse auf die wissenschaftlich eindeutig nachgewiesene antientzündliche Wirkung des Weines zurück.
Wein und Haut: Der Stoffwechsel der Haut wird angeregt, die Wundheilung wird durch die adstringierende und bakterizide Wirkung des Weines gefördert („Der barmherzige Samariter: Er goss Öl und Wein in die Wunden“). Weintrinker haben im Alter eine glatte Haut und wirken jünger.
Da der Wein das Blut verdünnt, erkranken Weintrinker weniger häufig an Venenthrombose und damit seltener an der gefährlichen Lungenembolie, an der in Deutschland jährlich mehr als 40.000 Menschen sterben.
Wein und Auge: Nach entsprechenden Hinweisen in Tierversuchen laufen zurzeit wissenschaftliche Forschungen über positive Wirkungen von Rotwein bzw. Resveratrol auf die altersbedingte Makuladegeneration AMD des Auges, der häufigsten Ursache der Erblindung jenseits des 50. Lebensjahres. Für die wichtigste Form der AMD, die „trockene“, gibt es bisher weder Prävention noch Therapie. Hier scheinen Resveratrol bzw. moderater Rotweingenuss (ca. ein Viertelliter täglich) erste Ansätze zu bieten. Weitere Forschungen laufen.
Wein und Gehirn: So sehr übermäßiger Alkoholgenuss unser Gehirn schädigt, so sehr beugt mäßiger, aber regelmäßiger Weingenuss gerade im Alter Gehirnerkrankungen vor. Durch die Zunahme der Hirndurchblutung kommt es zu einer Verbesserung der Nährstoff- und Sauerstoffversorgung im Gehirn. Altersbedingter Abbau wird gebremst, die geistige Leistungsfähigkeit erhöht. Auch Depressionen – nicht nur im Alter – wird durch moderaten Weingenuss vorgebeugt, wie eine kürzlich erschienene internationale Studie zeigte. Ein gutes Glas Wein fördert gerade auch beim betagten Menschen die Kontaktfreude und Kontaktfähigkeit. Die Ursache liegt darin, dass Wein die Konzentration unseres Wohlfühlhormons Serotonin im Gehirn anhebt, besonders beim Genuss am späten Nachmittag und frühen Abend. Über Schlaganfall und Demenz haben wir in früheren Heimatjahrbüchern berichtet (siehe oben). Erste Ansätze zeigen Studien, dass der Verlauf der multiplen Sklerose positiv beeinflusst werden kann, ebenso die Parkinson’schen Krankheit. Der sogenannte essentielle Tremor (Körperzittern ohne bekannte Ursache) wird durch ein Viertelliter Rotwein täglich eindeutig gebessert. Bei diesen Krankheiten sind weitere Forschungen angezeigt.
Blauer Spätburgunder an der Ahr
Zusammenfassend bleibt als entscheidende und lebensverlängernde Faustregel festzuhalten: ein gesunder Lebensstil mit Wein, d. h. der moderate Weingenuss mit täglich 0,2 Liter für die Damen und 0,3 Liter für die Herren; eine gesunde vitalstoffreiche Vollwertkost („Mediterrane Kost“); körperliche Bewegung, mindestens 5- bis 6-mal eine halbe Stunde in der Woche. Hieran hat sich offensichtlich der „Ahrdoktor“ von Hanns Matschulla nicht gehalten.
Literatur: beim Verfasser und bei der Deutschen Weinakademie, Platz des Weines, 55294 Bodenheim