Weinbergzusammenlegung an der Ahr
Von Peter Hoffmannn
Der Ahrweinbau mit 800 ha Rebengelände ist von großer volkswirtschaftlicher Bedeutung nicht nur für zweitausend Winzer, sondern auch für den Weinhandel, für das Gaststättengewerbe, für Handwerker und Kaufleute und für den ganzen Fremdenverkehr. Um Krisen zu überwinden und um die wirtschaftliche Lage des Winzers zu verbessern, gründeten aufgeschlossene Winzer die Winzervereine, baten die Winzer 1901 den Staat, die „Weinbauschule“ als Landeslehr- und Versuchsanstalt für Weinbau, Gartenbau und Landwirtschaft zu gründen, was schon 1902 geschah. Der Aufbau der staatlichen Weinbaudomäne Marienthal im Jahre 1925 trug ferner durch großzügig angelegte Beispiele im Weinberg und Keller dazu bei, die wichtigsten Fragen des Rotweinbaues und der Rotweinbereitung zu klären.
Die Not der Zeit fordert dringend eine weitere Maßnahme: die Flurbereinigung auch innerhalb des Rebengeländes, also eine Zusammenlegung der Weinberge. Die Winzerschaft ist beruflich sehr aufgeschlossen, sie ist mit ihrem Weinbau seit vielen Generationen verbunden und bietet die Gewähr, daß der Winzerberuf erhalten bleibt. Es ist daher Aufgabe des Staates und aller verantwortlichen Stellen, den Weinbau und den Fremdenverkehr zu erhalten.
Das Existenzminimum unserer Winzerbetriebe kann jedoch in Zukunft nur gesichert werden, wenn eine Steigerung der Erträge und der Güte der Weine sowie eine Verbilligung der Bewirtschaftungskosten möglich ist. Dieses Ziel ist unter den augenblicklichen Verhältnissen trotz größter fachlicher und wirtschaftlicher Anstrengungen der einzelnen Betriebe nicht zu erreichen, weil die wichtigsten Voraussetzungen hierfür fehlen.
Die stark verzweigte Parzellierung, das Fehlen befahrbarer Weinbergswege, die umfangreichen kostspieligen Stützmauern gestatten es nicht, ohne weiteres Maschinen und Geräte für die Bodenbearbeitung und Schädlingsbekämpfung anzuwenden. Ein großer Teil der Weinberge liegt abseits eines Weges und erschwert das Heranbringen von Düngemitteln, Spritzbrühe und das Einbringen der Ernte erheblich. An den einzelnen Winzer werden große körperliche Anstrengungen und an den Betrieb sehr hohe finanzielle Belastungen gestellt. Diese Tatsache wird vom Landesfinanzamt bestätigt durch die Anerkennung der jährlichen Bebauungskosten von 5500,— DM je Hektar Weinbergsfläche.
Die Voraussetzungen für eine Vereinfachung und Verbilligung der weinbaulichen Bewirtschaftungskosten können nur durch eine großzügige Zusammenlegung mit allen ihren Nebenaufgaben geschaffen werden. Dabei wäre ein Wegenetz einzubauen, das jedem Winzer gestattet, an sein Grundstück heranzufahren. Durch die Bildung größerer zusammenhängender Rebflächen wurde der derzeitige Leerlauf (Zeitverlust für Wege zu und von der Arbeitsstelle, An- und Abfahren von Maschinen u. a. m.) auf ein Minimum eingeschränkt werden. Die Handarbeit würde im Zeitalter der Motorisierung und Mechanisierung nur sehr geringen Zeitaufwand und Kosten erfordern. Dem Einsatz von Seilwinden bei der Bodenbearbeitung und bei der Schädlingsbekämpfung würde nichts mehr im Wege stehen. Die Wirtschaftlichkeit wäre sicherlich durch planvolle Gemeinschaftsarbeit, vielleicht im Genossenschaftswesen, gegeben. Ein weiterer Vorteil der Zusammenlegung mit einer nachfolgenden Neubepflanzung wäre dadurch gewährleistet, daß letztere nach den neuesten Erfahrungen bzgl. der Rebsorten, der Erziehungsarten und der Schaffung einheitlicher Sortenquartiere erfolgen könnte. Auch der Bau größerer Wasserbehälter in den hochgelegenen Weinbergen müßte erwogen werden. Wasser stünde aus der Ahr genügend zur Verfügung. Dadurch wäre die gemeinsame Spritzbrühherstellung und eine Berieselung der Rebkulturen möglich. Die Bewässerung unserer wasserarmen Rebfläche, deren Trockenheit durch die starke Sonnenbestrahlung bedingt ist, würde sehr häufig die Menge und Güte der Trauben bestimmen. Mit der Wasserversorgung der Weinberge könnte auch gleichzeitig die Berieselung gegen Spätfröste verbunden werden.
Wenn bisher keine Zusammenlegung im Weinbaugebiet der Ahr erfolgt ist, so gibt es dafür verschiedene Gründe. Die meisten anderen, insbesondere die reblausverseuchten Weinbaugebiete haben damit schon vor Jahrzehnten begonnen und die besten Erfahrungen gemacht. Große Rebflächen, die schon durch bessere klimatische Bedingungen uns weit überlegen sind, haben heute bereits die wirtschaftlichen Vorteile eines modernen, rationellen Weinbaues.
Es ist mir klar, daß Zusammenlegungen an der Ahr nach dem Vorbild anderer deutscher Weinbaugebiete große Schwierigkeiten bereiten werden. Die Kleinparzellierung, die umfangreichen Stützmauern sowie die großen Unterschiede der Weinbergsböden und nicht zuletzt der unterschiedliche Wert des derzeitigen Rebbestandes werden in einigen Fällen derartig großzügige Pläne unmöglich erscheinen lassen. Es gibt aber auch sehr viele Gemarkungsteile an der Ahr, in denen eine Zusammlung leichter durchzuführen wäre. Hier müßte der Anfang gemacht werden.
Ohne wirtschaftliche Schwierigkeiten der beteiligten Winzer wird es natürlich nicht möglich sein, eine Umstellung unseres Weinbaues auf lange Sicht vorzunehmen. Die Lebensgrundlage der beteiligten Winzer während eines jahrelangen Umbaues (auf Jahre fällt die Ernte aus) muß in irgendeiner Form gesichert werden. Staatliche Beihilfen wäre eine wichtige Voraussetzung. Dadurch könnten der einheitliche Wille und die Geschlossenheit der Winzerschaft für die Umgestaltung des Ahrweinbaues entscheidend beeinflußt werden.
Die weltpolitischen Pläne, große Wirtschaftsräume zu schaffen, zwingen uns, an die Neuplanung und Zusammenlegung des Ahrweinbaus zu denken. Wir haben keine Zeit zu verlieren; je früher wir uns an dieses nicht leichte Problem heranwagen, umso sicherer wird der Erfolg sein.
Der Winter 1955 56 hat mit seinen katastrophalen Auswirkungen eine neue Situation geschaffen. In vielen Weinbergslagen sind die Rebstöcke stark befroren, sie haben nicht mehr oder nur mangelhaft ausgetrieben. Ganze Gemarkungsteile fallen auf Jahre hinaus im Ertrag aus, weil sie neu bepflanzt werden müssen. Die Winzer sind deshalb durch die entstandenen Frostschäden und ihre Folgen leichter für eine Beteiligung an der Zusammenlegung zu gewinnen; es ist also hierfür eine günstige Gelegenheit gekommen. Eine Wiederbepflanzung der frostgeschädigten Weinbergslagen ohne vorherige planvolle Zusammenlegung würde den bisherigen unwirtschaftlichen Zustand von neuem schaffen.
Es ist daher ein Gebot der Stunde, die jetzt gegebene Lage wahrzunehmen; wird die Gelegenheit verpaßt, dann steht die Existenz des Ahrweinbaues auf dem Spiel. Dem für den Kreis Ahrweiler zuständigen Kulturamt fällt im Rahmen dieses hier angeschnittenen Problems eine sehr hohe, bedeutungsvolle Aufgabe zu. Die Planung für eine Zusammenlegung — wenn auch nur gemarkungsweise durchführbar — und alle damit im Zusammenhang stehenden Einzelheiten können nur dann gelöst werden, wenn Kulturamt, Gemeinde, Kreis und Landesbehörden einschließlich der zuständigen Weinbaufachstelle Hand in Hand das Werk beginnen.