Wein und Gesundheit – Neue Erkenntnisse der medizinischen Forschung

Wein und Gesundheit

Neue Erkenntnisse der medizinischen Forschung 

Dr. med. Gerhard Kreuter

Zur Medizingeschichte des Weines

Seit Jahrtausenden istderWein mit dem Thema Gesundheit verknüpft. Im Gilgamesch-Epos (3. bis 1. Jahrtausend v. Chr.) wird berichtet, Noah habe den Zimmerleuten zur Anhebung ihrer Arbeitskraft beim Bau der Arche Wein gereicht. Hippokrates(460 bis 377 vor Christus), der berühmteste Arzt der Antike und seine Schüler haben auf Kos umfassende Studien über die Wirkung des Weines auf den gesunden und kranken Organismus unternommen. Der Wein wurde eingesetzt in der Wundbehandlung, als Anregungsmittel, gegen Depressionen, kräftigend und auch zur Entwässerung.

Die Römer übernahmen die Erkenntnisse von Hippokrates und seinen Schülern. Cäsar verordnete seinen Soldaten einen täglichen Weinkonsum von 1 Liter zur Vermeidung von Darmkrankheiten, zugleich nutzte er auch die positiven Wirkungen auf Seelenlage und Stimmung der Soldaten. Die Wunden der römischen Gladiatoren wurden mit weingetränkten Tüchern verbunden. Die christliche Liturgie spricht dem Wein geistig-symoblische Bedeutung zu. In der Bibel werden der Wein bzw. die Reben über 450 mal erwähnt, davon mehr als an 200 Stellen die Anwendung von Wein in der Heilkunst zum innerlichen Gebrauch und für die Wundbehandlung. (Der barmherzige Samariter goß Öl und Wein in die Wunden.)

Der Heilige Augustinus (354 bis 430 nach Chr.) äußert:
In vielen Fällen braucht der Mensch den Wein. Er stärkt den schwachen Magen, erfrischt die ermatteten Kräfte, heilt Wunden an Leib und Seele, bringt Freude und entfacht unter Freunden die Lust am Gespräch.

Der Heilige Benedikt (480 bis 550 n. Chr.) gestand in seinen Ordensregeln den Kranken eine Hemina, gleich 0,4 Liter Wein täglich zu.

 Hildegard von Bingen (1089 bis 1179 n. Chr.), die berühmte Heilige und Heilkundige, sprach dem Wein große Heilkräfte zu. In der Klostermedizin hatte der Wein insgesamt eine zentrale Stellung. In Weingegenden erschienen von Ärzten geschriebene Bücher über die Heilkraft des Weines; Doktorarbeiten wurden über dasselbe Thema verfaßt.

Obwohl im 19. Jahrhundert berühmte Forscher wie Justus von Liebig und Pasteur den Wein sehr schätzten und Dichter wie Goethe ihn priesen, verlor er in der Medizin zunehmend an Bedeutung. Man stellte die negativen Wirkungen des Alkohols in den Vordergrund, verdammte den Alkoholismus. Parallel dazu wurden zunehmend wirksamere Medikamente entwickelt, die die Krankheiten immer besser bekämpften. Das uralte Wissen von den Heilkräften des Weines drohte bei uns verloren zu gehen. Erst in den letzten Jahren feiern wir die Wiederauferstehung dieser Erkenntnisse um die Heilkraft des Weines, zum Teil gestützt durch neuere wissenschaftliche Untersuchungen. Die moderne Chemotherapie hat den Wein als Arznei zwar weitgehend verdrängt, aber seine Heilkräfte nicht widerlegt. Wir erkennen, daß gerade heute Wein im richtigen Maß, zur richtigen Zeit und in angenehmer Gesellschaft genossen, ein freudebringendes, lebensbejahendes, sorgenbrechendes, entspannendes, gesundheitsförderndes und heilkräftiges Getränk ist. Auch an der Ahr sind von altersher die positiven gesundheitlichen Wirkungen moderaten Weingenusses, insbesondere des Rotweins bekannt. Zusammengefaßt ist dies in dem Spruch im Keller der Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr: Gegen alle Kränk und Pest ist der Rotwein das Best.

Wein – seine Inhaltsstoffe und ihre Wirkungen

Wein ist das Ergebnis der natürlichen alkoholischen Vergärung des Zuckers im frischen Saft von Weintrauben mit Hilfe der Hefe.

Im Wein wurden mehrere hundert verschiedene Substanzen zum Teil in feinsten Spuren nachgewiesen, die alle zusammen das spezifische Getränk Wein und seine besonderen Wirkungen auch auf die Gesundheit ausmachen.

Der Aethylalkohol (Aethano!) ist neben dem Hauptbestandteil Wasser (85 %) nach Menge und Wirkung die zweitwichtigste, wenn auch nicht gesundheitlich wertvollste Substanz. Aethanol entsteht bei der alkoholischen Gärung aus Dextrose und Fructose. Sein Gehalt liegt zwischen 60 und 120 g/l Wein. Aethanol wird nach Aufnahme im Magen und oberen Dünndarm resorbiert, der erste Abbau erfolgt in der Magenwand, dann jedoch 90% in der Leber durch im Wesentlichen zwei Abbausysteme.

Die maximale Abbaukapazität liegt beim Mann bei 7 bis 9 g/Std., bei der Frau zwischen 5 und 6 g/Std. Vorheriges oder gleichzeitiges Essen, besonders von Fett, Eiweiß, sauren oder scharf gewürzten Speisen, geringe Alkoholkonzentration im Getränk, langsames Trinken sowie kühle Getränke vermindern die Geschwindigkeit der Alkoholaufnahme, so daß die Leber besser abbauen kann und geringere Alkoholblutspiegel erreicht werden. Trinken auf nüchternen Magen, hohe Alkoholkonzentration im Getränk, schnelles Trinken, kohlensäurehaltige (Sekt) und warme Getränke (Glühwein) fördern eine rasche Alkoholaufnahme und machen hohe Blutspiegel. Des weiteren spielen andere Faktoren wie Körpergewicht, Alter und Geschlecht eine Rolle. Es dauert 9 bis 10 Stunden, bis ein gesunder Mann eine Flasche Wein mit 70 bis 80 g Alkohol abgebaut hat. Ausdrücklich soll an dieser Stelle auf die Gefahren eines dauernden übermäßigen Alkoholkonsumshingewiesen werden. Zahlreiche, zum Teil schwere, ja tödliche Erkrankungen im gesamten Organismus können hierdurch hervorgerufen werden.

Gerade hier und ganz besonders gilt der Spruch von Paracelsus, dem berühmtesten Arzt des Mittelalters: Jedes Ding kann Gift sein. Allein die Menge macht, daß ein Ding kein Gift ist. Deshalb bereits hier ein Wort zur täglichen Weinmenge, die nach heutiger Erkenntnis das Optimum an positiven Wirkungen des Weines, insbesondere auf die Gefäße ohne schädliche Nebenwirkungen erbringt. Dies ist in etwa eine knappe halbe Flasche Wein für den Mann, entsprechend etwa 30 g Alkohol sowie 0,2 Liter Wein für die Frau, entsprechend 20 g Alkohol. Diese Angaben gelten für den Gesunden, ggf. auch nach Rücksprache mit dem Hausarzt.

Blauer Spätburgunder – König der Rebsorten an der Ahr.

Weitere Alkohole

Methylakohol kann bei einzelnen Menschen Ursache für schlechte Verträglichkeit eines Rotweins sein, spielt in der Regel jedoch keine Rolle. Höhere Alkohole wie Propanol und Buta noi können Indikatoren für den Verderb eines Weines sein. Amylalkohole und andere sind die Hauptkomponenten der sogenannten Fuselöle, die einerseits das spezifische Aroma eines Weines ausmachen und in hochwertigen Auslesen stärker konzentriert sind. Sie können in größerer Menge zu Kopfschmerzen, Verdauungs- und Kreislaufstörungen führen. Glyzerin trägt gerade in hochwertigen Weinen zu deren öligen Beschaffenheit, Körper und Fülle bei und ist in kleineren Mengen unbedenklich.

Zucker

Glucose und Fructose sind in unterschiedlicher Menge in trockenen, halbtrockenen bzw. milden Weinen vorhanden und prägen neben dem Energiegehalt auch den Geschmack. Wichtig ist der Gehalt an Glukose für den Diabetiker (Diabetikerwein).

Säuren

Zahlreiche Säuren werden in unterschiedlichen Mengen im Wein gefunden. Sie beeinflussen den Geschmack, schützen vor bakteriellem Verderb und erhöhen die Lagerfähigkeit. Sie tragen auch zur Bekömmlichkeit bei. Der Säuregrad des Weines liegt in der Regel ähnlich dem des Magensaftes und wirkt dadurch unterstützend in der Verdauung. Zu viel Säure ist wegen des Geschmacks, aber auch wegen der Bekömmlichkeit unerwünscht. Sie wird heute zum Teil daher biologisch abgebaut. Riesling besitzt viel, Spätburgunder und Portugieserwenig Säure, was sich in der unterschiedlichen individuellen Magenverträglichkeit auswirkt.

Schwefelsäure

Stammt aus der Kellerbehandlung und ist auch heute noch unverzichtbar. Selten machen die heute verwandten, geringen Mengen Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Übelkeit oder Durchfälle.

Biogene Amine

z. B. Histamin können Blutdruckabfall, Asthma, Allergie und Magenbeschwerden auslösen.

Mineralstoffe und Spurenelemente

Die Menge wird bestimmt von Rebsorten, Boden, Klima, Reifegrad und Kellerbehandlung. Mineralstoffe und Spurenelemente sind Grundlage aller Lebensvorgänge und des Stoffwechsels, sie sind zum Teil im Wein in nicht geringer Menge enthalten. Bei den lebenswichtigen Elementen wie Kalium, Magnesium, Eisen und Kupfer, Mangan und Phosphor kann ein Glas Wein zur Mahlzeit wesentlich zur Versorgung beitragen, insbesondere beim älteren Menschen, der ja oft unter Appetitmangel leidet. Zudem fördert der Alkohol im Wein die Aufnahme dieser Stoffe.

Vitamine

Auch zahlreiche Vitamine, insbesondere der B-Gruppe sind im Wein vorhanden. Sie können ebenso wie Vitamin C positiv in die Vitaminbilanz des Körpers eingehen.

Polyphenole, Gerbstoffe und Weinfarbstoffe

Durch moderne Nachweismethoden wurden in den letzten Jahren viele in Trauben und Wein vorkommende phenolische Substanzen identifiziert. Es sind Zuckerverbindungen der Gerbsäure, die vor allem in der Beerenhaut, den Kernen und Traubenstielen vorkommen. Ihr Gehalt liegt im Rotwein bei 1 bis 2,5 g/l, im Weißwein bei 50 bis 400 mg/l. Möglicherweise wirken allerdings die Phenole im Weißwein etwas intensiver als die im Rotwein. Es sind dies die Farbstoffe wie die Anthozyane aus dem Rotwein, aber auch Flavanoide, Quercetin, Catechine sowie die Gerbstoffe wie Tannine und andere. Sie haben in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen, und zwar durch ihre antioxydativen Eigenschaften, die bis zu 50 mal stärker sind als die von Vitamin E. Wie man heute weiß, spielen diese Substanzen eine große Rolle in der Verhinderung von Herz- und Gefäßkrankheiten sowie von zahlreichen anderen Erkrankungen, darunter auch möglicherweise in der Vorbeugung von Krebs.

Eine Weinverkostung in geselliger Runde spendet Lebensfreude.

Durch die Maischegärung werden beim Rotwein erheblich mehr Phenole aus den Bestandteilen der Traube gelöst als bei der Weißweinherstellung. Die Traubensorten enthalten unterschiedliche Mengen an diesen Substanzen, hier wären Untersuchungen auch bei unserem Spätburgunder und Portugieser sicherlich hochinteressant. Auf trockenen Standorten werden mehr Phenole gebildet. Bei später Ernte ist ihre Konzentration ebenfalls höher. Desgleichen gilt:

Je niedriger der Ertrag, desto höher die Konzentration an Polyphenolen im Wein, besonders bei Spätburgunder. Auch verbesserte Belüftung und Belichtung sowie höhere Temperaturen an der Traubenzone durch Entblätterung steigert die Konzentration an diesen so wichtigen Substanzen!

Wein- und Herzkreislaufsystem

Bereits zu Beginn dieses Jahrhunderts äußerten Ärzte in Deutschland und Frankreich, daß unter Weintrinkern seltener Gefäßverkalkungen beobachtet wurden, besonders betraf dies die Herzkranzgefäße. Ähnliche Beobachtungen machte man in den USA. Geradezu sensationell wirkte in den USA die Fernsehsendung:

French Paradox am 17.11.91. Hier wurde festgestellt, daß in Frankreich trotz hohem Fettverzehr und Rauchens die niedrigste Herzinfarktrate in Europa zu beobachten sei. Dies wurde durch den regelmäßigen Rotweingenuß zum Essen erklärt. Ähnliche Beobachtungen machte man in den übrigen Mittelmeerländern. Heute weiß man, daß nicht nur der regelmäßige Rotweinkonsum zum Essen entscheidend ist, sondern auch die mediterrane Kost mit reichlich frischem Obst, Salat, Gemüse und pflanzlichen Ölen. Weiter gehören hierzu die entsprechende Lebenseinstellung und eine ausreichende körperliche Bewegung.

Die nächste überraschende Studie war die Kopenhagen-Herzstudie, die 1995 veröffentlicht wurde: Über einen Zeitraum von 12 Jahren wurden 13.000 Menschen in diese Studie eingebunden. Diejenigen, die täglich 0,3 bis 0,5 Liter Wein tranken, zeigten eine signifikant reduzierte Gesamtsterblichkeit um 50 % im Vergleich zu denjenigen, die nicht Wein tranken. Bierkonsum zeigte keinen Einfluß, Spirituosen erhöhten das Sterberisiko. Die Herzkreislauf-

Sterblichkeit lag bei Weinkonsum sogar um 56%, bei entsprechendem Bierkonsum um 28 % niedriger. Bei gleichen Mengen Spirituosen war sie aber um 35 % erhöht – jeweils im Vergleich zu den Abstinenzlern.

Aktuell laufen eine Reihe von Untersuchungen, die für moderaten Weingenuß den positiven Einfluß auf Arteriosklerose und Herzinfarkt untersuchen bzw. beweisen sollen. Dies gilt in erster Linie für Rotwein, aber auch für Weißwein.

So sehr kleine Mengen Wein – 30 g Weinalkohol für Männer und 20 g für Frauen – positive Wirkungen auf das Herz-Kreislauf-System, die Gefäße und insbesondere auf die Verhinderung von Herzinfarkt haben, so sehr wirken regelmäßig große Mengen Alkohol negativ auf diese Systeme und haben schädliche Auswirkungen. Gesicherte Risikofaktoren für coronare Herzkrankheit und Herzinfarkt sind: Rauchen, Hochdruck, erhöhtes Cholesterin mit zu niedrigem gutem HDL und zu hohem bösem LDL, Zuckerkrankheit, Übergewicht, hektische Lebensweise, psychischer Streß und andere. Hier kann der Wein – in entsprechend moderater Menge genossen – an verschiedenster Stelle korrigierend und helfend eingreifen. Nach heutiger wissenschaftlicher Erkenntnis schützt der Wein vor Verkalkung und Infarkt durch folgende Wirkungen: Dämpfung und Beruhigung des vegetativen Nervensystems, Abbau von Streß, Förderung der Entspannung. Hebung des guten HDL-Cholesterins, das die Gefäße schützt, und Senkung des bösen LDL-Cholesterins, das die Verkalkung fördert. Blutverflüssigung durch Wirkung auf die Blutplättchen, Verminderung der Gerinnbarkeit des Blutes, Gefäßerweiterung, dadurch besserer Blutfluß und bessere Sauerstoffversorgung des Gewebes.

Entscheidend: Antioxydative Wirkungen der Polyphenole

Die Polyphenole wie Resveratrol, Quercetin, Tannine und andere, vergl. oben, verhindern die Oxydation des bösen LDL-Cholesterins in der Gefäßwand, der bei der Entstehung der Arteriosklerose eine Schlüsselstellung zukommt. Es gibt inzwischen zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen, die diese antioxydative und somit gegen Arteriosklerose und Infarkt gerichtete Wirkung kleiner Mengen Rotwein beweisen. Diese Polyphenole sind auch in zahlreichen Pflanzen- und Gemüsesorten nachgewiesen, aber gerade im Wein ist durch den Alkohol eine bessere Verfügbarkeit und Aufnahme dieser Phenole in den Körper gegeben. Zudem zeigen wissenschaftliche Untersuchungen, daß bei Genuß von Rotwein zum Essen vor allem zu Fleisch, die Alkoholkonzentration im Blut nur langsam ansteigt, die wertvollen und gefäßschützenden antioxydativen Substanzen werden ebenfalls langsam in den Körper aufgenommen, so daß ihre Wirkung im Blut über viele Stunden anhält.

Bezüglich der Wirkung von Wein bzw. Alkohol auf den Blutdruck, der ebenfalls ein Risikofaktor für Herz- und Gefäßkrankheiten darstellt, gilt:

Einerseits ist wissenschaftlich ganz klar erwiesen, daß regelmäßiger übermäßiger Alkoholkonsum blutdrucksteigernd wirkt. Andererseits zeigen verschiedene Studien, daß mäßiger Alkoholkonsum bis 30 g täglich eher einen leicht blutdruckabsenkenden Effekt hat.

Ähnliches gilt für die Gefahr, einen Schlaganfall zu erleiden: Exzessiver Alkoholkonsum erhöht die Gefahr für Hirnblutung und Schlaganfall, geringe Alkoholmengen wirken auch hier leicht protektiv, wie neuere Studien zeigen. Zusammenfassend läßt sich heute auf Grund der verschiedenen Studien feststellen, daß moderater Weingenuß eine Abnahme der Sterblichkeit an Herzinfarkt und coronarer Herzkrankheit um 20 bis 40 % bewirkt!

Moderater Weingenuß und zentrales Nervensystem

Alkohol in größeren Mengen regelmäßig genossen hat sicherlich schädliche Auswirkungen auf das Nervensystem sowie auch auf unsere seelische Verfassung. Es kann insbesondere zu Nervenentzündung, Gehirnschrumpfung und Abbau sowie Wahnvorstellungen führen.

Andererseits gibt es eine Reihe Untersuchungen und Beobachtungen aus dem Alltag, die folgende positive Wirkungen moderaten Weingenusses auf das Gehirn zeigen: Vorbeugung des altersbedingten Abbaues von Gehirnfunktionen, Erhöhung der geistigen Frische und Leistungsfähigkeit, Förderung der sozialen Kontakte. Ursächlich liegt eine Zunahme der Hirndurchblutung und Sauerstoffversorgung durch kleine Mengen Wein zugrunde. Eine Untersuchung aus den USA bei 4.000 Zwillingspaaren über 65 Jahre hat ergeben, daß diejenigen, die regelmäßig kleine Mengen Wein getrunken haben, eine bessere geistige Leistungsfähigkeit zeigen als Abstinente. Auch in unseren Altenheimen wird diese Beobachtung von den dort tätigen Ärzten immer wieder bestätigt. Ein Dämmerschoppen baut seelische Spannungen und Ängste ab, fördert die Gemütlichkeit und die menschlichen Kontakte und auch den Schlaf. „Rotwein ist für alte Knaben eine von den besten Gaben“(Wilh. Busch).

Wein und Verdauungsorgane

Der Duft des Weines und der Wein selbst mit seinem Geschmack, Aroma und zahlreichen Inhaltsstoffen wie Säuren, Alkohol und Mineralstoffe regen die Produktion von Speichel und Magensaft an. Die verbesserte Durchblutung der Magenschleimhaut und die vermehrte Sekretion von Säure und Pepsin regen wiederum den Gallefluß und die Bauchspeicheldrüse an. Da mit zunehmendem Alter oft zu wenig Magensäure produziert wird, ist gerade ein säurereicher Wein, wie z. B. der Riesling, beim Essen bei älteren Menschen sehr gut wirksam und fördert die Aufnahme wichtiger Nahrungsstoffe, insbesondere auch der Vitamine, Mineralien und der oben genannten Phenole. Die Magenentleerung wird verbessert, die Verdauung von Fett und Eiweiß im Dünndarm gefördert. Insgesamt ist der Wein, besonders der Weißwein unsere r Regionen, appetitanregend, verbessert die Funktion des Magens und wirkt somit ver-dauungsfördernd. Rotweine werden von Menschen mit empfindlichen Magen und Neigung zur verstärkten Darmtätigkeit bis hin zu Durchfällen besser vertragen, man kann ihn sogar zur Therapie von Durchfällen einsetzen.

Die seit Jahrtausenden bekannte desinfizierende Wirkung des Weines, inbesondere des Rotweines, die ja bereits die Römer genutzt haben, wird durch moderne Untersuchungen bestätigt. In Wien hat ein Forscher Ende des vorigen Jahrhunderts nachgewiesen, daß der Wein auch in Verdünnung Cholerabakterien abtötet. Neueste wissenschaftliche Untersuchungen aus England und USA zeigen, daß Wein ähnliche antibakterielle Wirkungen hat wie ein Wismut-Salz, das in der Durchfalltherapie eingesetzt wird. Schließlich gibt es Untersuchungen, daß täglicher mäßiger Weingenuß das Risiko der Gallensteinbildungmindert.

Wein, Immunsystem, Krebs

Moderator Weingenuß hat zahlreiche positive Wirkungen auf das Immunsystem. Alkoholmiß-örauc/ljedoch schwächt das Immunsystem und erhöht das Krebsrisiko. Alkoholiker neigen vermehrt zu Infektionen, z. B. Lungentuberkulose. Bei moderatem Weingenuß ist entscheidend für die positive Wirkung neben dem Gehalt an Vitaminen, Mineralien, Milchsäure, Phosphor, der hohe Gehalt des Weines an den erwähnten Polyphenolen, die als sogenannte Antioxydan-tien wirken, d. h. freie, gleich aktivierte Sauerstoffradikale im Körper abfangen. Letztere sind normalerweise und in regelrechter Menge wertvoll bei der Abwehr von Bakterien, Viren und Pilzen. Sie zerstören kranke Zellen und geschädigtes Körpergewebe, räumen sie sozusagen ab. Diese positive Wirkung verkehrt sich allerdings in ihr Gegenteil, wenn die Konzentration der freien Sauerstoffradikale im Körpergewebe überhand nimmt, etwa durch Umweltgifte wie Nikotin, Ozon, Autoabgase, Pestizide, weiterhin übertriebene UV-Strahlung, Fehlernährung, zu starker Streß. Sie greifen dann auch gesunde körpereigene Strukturen an und führen zu zahlreichen Erkrankungen wie z. B. Arterienverkalkungen und Krebs.

Antioxydantien fangen diese freien Sauerstoffradikale ab, z. B. Vitamin E, Vitamin C, Carotino-ide, Selen und Zink. Dies bewirken insbesondere auch die Polyphenole des Weines, deren Aufnahme in den Körper durch die Vergärung und auch durch den Weinalkohol gefördert wird. Diese Phenole aus dem Rotwein sowie aus reichlich genossenem frischem Gemüse und Obst erklären die niedrige Herzinfarktrate in den Mittelmeerländern.

Interessant in diesem Zusammenhang ist, daß in der Mistel, die zunehmend in der biologischen Krebstherapie an Bedeutung gewinnt, unter anderem auch Phenole und Flavanoide als wirksame Bestandteile nachgewiesen wurden. Hier dürfte sich in Zukunft für die Wissenschaft noch ein weiteres Forschungsgebiet eröffnen, zumal bei uns 3/^ der Menschen an Herz- und Gefäßerkrankungen sowie Krebs sterben.

Wein und weitere Wirkungen auf den menschlichen Organismus

Hormonsystem und Stoffwechsel

In der Regel werden durch kleinere Mengen Wein sämtliche Drüsen des Körpers in ihrer Funktion angeregt. Sexualdrüsen, Schilddrüse, Nebenschilddrüse, Bauchspeicheldrüse und Nebennieren. Es kommt zu einer Erhöhung der Widerstandskraft gegen Infekte, Rheuma und Streß sowie’Zunahme der allgemeinen Arbeitskapazität.

Bei Frauen wird die Östrogenproduktion und Wirkung verstärkt, was einerseits sicherlich nach den Wechseljahren gut ist, andererseits bei größerem Alkoholgenuß auch Gefahren mit sich bringt (gesteigertes Risiko für Brustkrebs). Bezüglich des Zuckerstoffwechsels hat Alkohol eine insulinartige, blutzuckersenkende Wirkung. Eine große englische Studie an 42.000 Männern zeigte kürzlich, daß Männer mit mäßigem Alkoholgenuß unter 50 g Alkohol pro Tag ein geringeres Risiko hatten, an Diabetes mellitus zu erkranken. Hingegen förderte Tabakrauchen die Entwicklung der Zuckerkrankheit.

Bewegungsapparat

Moderator Weingenuß senkt nach verschiedenen Studien in den USA das Risiko einer rheumatischen Arthritis bei Frauen nach den Wechseljahren und auch einer Osteoporose im Alter.

Haut

Wein, mäßig genossen, wirkt auf die Haut lokal entzündungshemmend, fördert Wundreinigung, Heilung und Vernarbung und bewirkt auch im Alter eine glatte, jugendliche Haut.

Bronchien und Lungen

Durch Wein wird die Atmung vertieft, der Körper wird besser mit Sauerstoff versorgt, die Immunabwehr der Bronchien gegen Erkältung und Bronchitis wird gestärkt. Auch dies haben uns die Amerikaner in einer Studie gezeigt.

Niere und ableitende Harnwege

Es kommt zu einer Gefäßerweiterung in den Nieren und Steigerung des Harnflusses, die Giftstoffe werden mit dem Urin verstärkt ausgeschieden. Der Wein ist allerdings nur mit Vorsicht zu genießen bei Prostataerkrankungen, in der Regel verboten bei akuten Nierenleiden.

Schlußbetrachtung

Das uralte Wissen von den Heilkräften des Weines wurde in den letzten Jahren durch zahlreiche wissenschaftliche Studien in aller Welt glänzend bestätigt. Das Naturprodukt Wein unterscheidet sich von allen anderen Alkoholika durch seine spezifische und einzigartige Zusammensetzung mit über 400 bisher nachgewiesenen, zum Teil gesundheitlich sehr wertvollen Inhaltsstoffen. Voraussetzung für die positiven Auswirkungen des Weines auf die Organe und Organsysteme des Menschen ist der regelmäßige, aber mäßige Weingenuß. Dies bedeutet 20 g Weinalkohol täglich für Frauen – entspricht 200 bis 250 ml Wein -und 30 g Weinalkohol täglich für Männer -entspricht 300 bis 375 ml Wein. Optimal ist zusätzlich eine vitalstoffreiche Vollwertkost mit reichlich frischem Obst, Gemüse, Eiweiß und Ballaststoffen.

Wein mit Maß und unter den genannten Bedingungen genossen, entspannt, baut Streß ab, steigert Lebensgefühl und Zufriedenheit, erhöht Schaffensfreude und Kraft, löst körperliche und seelische Mißstimmungen, dient der Geselligkeit, beugt gegen Arteriosklerose, Herzinfarkt, vorzeitiger Alterung und wahrscheinlich auch Krebs und andere Erkrankungen vor und wirkt somit lebensverlängernd.

Die Tatsache, daß jedoch nur der moderate Weingenuß diese positiven Wirkungen hat, zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Medizingeschichte des Weines bis zu den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Theodor Heuss, erster Präsident der Bundesrepublik Deutschland, hat dies wie folgt ausgedrückt:

Wer Wein trinkt, betet. Wer Wein säuft, sündigt.

Fröhliche Zecher auf einem Gemälde des 19. Jahrhunderts.