Wegekreuze im Vinxtbachtal
Wegekreuze im Vinxtbachtal
Hiltrud Hermsen
Wie hat es denn eigentlich angefangen – daß ich auf die Spur der Wegekreuze in der Eifel kam? Es hatte nicht nahegelegen, da ich, ein richtiger Stadtmensch, nur im Urlaub durch ländliche Gegenden wanderte. Doch 1978 zog ich ins Vinxtbachtal und fing an, nach und nach die Umgebung zu „erobern“. Auf den Wanderungen um den neuen Standort atmete ich nicht nur die frische Luft und genoß den weiten Blick über Wiesen und Felder hin, sondern es fiel mir auch Naheliegendes auf: Kreuze am Wegesrand, die in dieser Gegend besonders gehäuft vorzukommen schienen. Eine Jahresgabe des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Land schaftsschutz machte dann mit dem Standardwerk „Mittelrheinische Steinkreuze aus Basaltlava“ von Kurt Müller-Veltin bekannt. Hierfindet man, wissenschaftlich erforscht und in vielen Photos dokumentiert, alles, was man über diese Kreuze wissen möchte.
Wegekreuz mit dem Bassenheimer Wappen bei Königsfeld.
Basaltlavakreuz an der Kapelle zu Vinxt.
So will ich mit diesem Artikel keine wissenschaftliche Abhandlung schreiben, sondern Interessierte an meiner Freude teilhaben lassen, daß es auch hier in dieser Eifelecke, im Vinxt-bachtal, Wegekreuze aus Basaltlava gibt, von einfachen Kreuzen bis zu solchen, die einen Vergleich mit manchem bekannten Kreuz an markanteren Orten nicht zu scheuen brauchen. Das erste Kreuz, an dem der Weg vorbeiführte, stand-und steht, Gott sei Dank, immer noch-an einer Gabelung von drei Wegen in der Nähe des Gewerbegebietes von Schalkenbach. Es ist aus dem Jahre 1661 und weist eine einfache Kreuzesform mit kurzen Querbalken auf. Wie viele Kreuze nennt es in seiner Inschrift den Vor- und Zunamen eines Mannes und „SEIN HAVSFRAV“ (V=U). Auf anderen Kreuzen ist auch der Name der Frau angeführt, wie auf einem am Weg von Schalkenbach zum Steinebüschelchen und einem anderen in Mittelvinxt. Während das erste-re mit vier fast gleichen Kreuzbalken auf einem schweren Sockel ruht, ist das in Mittelvinxt nur noch ein Relikt des oberen Teiles mit Inschrift, das aber liebevoll auf einen vielleicht von einem anderen Kreuz stammenden Sockel aufgesetzt ist.
Ein weiteres Zeichen, daß Wegekreuze in dieser Gegend nicht vergessene Überbleibsel aus längst vergangenen Tagen sind, sind kleine Beete, die um einige Kreuze herum angelegt wurden, wie zum Beispiel im Ortskern von Schalkenbach. Ebenso werden oft frische Blumensträuße in die Nischen der nach diesem Ausstattungsmerkmal benannten Nischenkreuze gestellt. Zwei solcher Kreuze, deren Nischen im Schnittpunkt der Kreuzbalken liegen, sind in Königsfeld zu finden. Das eine Königsfelder Kreuz steht exponiert an der Gabelung von fünf Wegen und trägt die Inschrift „S.MARCUS ORPN“ (Sankt Markus, ora pro nobis. Die Abkürzungen auf den Kreuzen sind im übrigen so vielfältig, daß sie einen eigenen Beitrag wert wären.) Das andere steht südlich des Ortes in den Feldern. Auf dem Schaft ist das Wappen derervon Bassenheim, Herren zu Olbrück, als Relief hervorgehoben. In den Nischen stellte man bei Flurprozessionen die mitgeführte Hostie ab, was später, als man die Hostien in großen Monstranzen trug, nicht mehr möglich war, da die Tiefe der Nische nicht mehr reichte. Wir finden in zwei schönen Beispielen unterschiedliche Lösungen für die Aufnahme des Sanctissimum während der Zeit. in der eine Prozession vor dem Kreuz verharrte. So hat ein Kreuz von 1786 an der L 83 zwischen Schalkenbach und Königsfeld eine große, mit einer Muschelform ausgeschmückte Nische, die sich mit ihrem äußeren Schmuck fast über den ganzen Schaft erstreckt und deren Boden in einem Halbrund vorkragt, um der Monstranz noch mehr Standfläche zu bieten. Ähren ziehen sich über das gewölbte „Dach“ der Nische, und eine Weintraube ziert das vorragende Halbrund nach unten hin, Zeichen für Brot und Wein, für Leib und Blut Christi. Dieses Kreuz trägt übrigens zusätzlich einen Corpus und am oberen Ende das Inschriftschild INRI. Es bestand noch lange der Brauch, daß die Schalkenbacher mit einem Toten, der auf dem Königsfelder Friedhof beerdigt werden sollte, zum Gebet dort anhielten. Das zweite in diesem Zusammenhang angesprochene Beispiel steht an der Kapelle in Königsfeld. Es besitzt am untern Teil des Schaftes einen kleinen Expositionstisch mit volutenartiger Stütze.
Nischenkreuz an der L 83 zwischen Königsfeld und Schalkenbach
„Engelkreuz“ in Königsfeld
Dieses Kreuz gehört aber auch schon zu einer Gruppe, die statt eines Corpus nur Symbole aufweist, nämlich drei Ährenkränze. Ein ganz anderes Beispiel für diese Gruppe findet sich an der Vinxter Kapelle, wo auf einem Kreuz von 1800 drei Nägel in einem Herzen stecken, das zudem noch die Seitenwunde des Lanzenstiches aufweist.
Die Wunden Jesu und damit die Verehrung des Erlöserblutes werden ganz besonders an den sogenannten Engelkreuzen hervorgehoben. In einer Bestandsaufnahme von 1971 führtK.Mül-ler-Veltin („Die Kreuze mit den Engeln – Eine Volkskunst in Eifeler Basalt“, Eifeljahrbuch 1972.) 32 über die Kreise Ahrweiler und Mayen verteilte Engelkreuze auf. Zwei von ihnen aus den Jahren 1646 und 1647 stehen in Waldort und Königsfeld. Unter den Wunden an den Händen und Füßen des nur reliefartig aus dem Stein hervorgehobenen Corpus schweben kelchtragende Engel, die das Blut Jesu auffangen sollen. Während das Waldorfer Kreuz eine Inschrift mit Namen trägt, zeigt das in Königsfeld nur die Jahreszahl, Initialen und ein Hauszeichen, doch der Schaft ist kunstvoller gestaltet mit einer flachen, fast quadratischen Nische und Kanneluren. Schließlich sei noch überein letztes Kreuz berichtet, unterhalb des Steinebüschelchens. Es ist von 1768 und trägt die Inschrift
IOHANES
KIEST.V.S,
H.F.LVCIA
HAVSMANS
(Johannes Kiest und seine Hausfrau Lucia Hausmans)
Wegekreuz mit Darstellung der Pieta am Weg von Königsfeld nach Dedenbach.
Das Besondere und Schöne ist, daß unterhalb des Corpus eine Pieta dargestellt ist, Maria mit dem toten Jesu auf dem Schoß, so fein gearbeitet, daß man meint, im Gesicht der Maria sogar Trauer erkennen zu können. An der Pieta-Figur hafteten 1982 Farbreste, was ich sonst nirgendwo gefunden habe. Unterhalb der Pieta läuft der Sockel, auf dem sie sitzt, wieder in eine Weintraube aus, die sich hier an eine Blüte anschließt.
Viel wäre noch über weitere Entdeckungen zu schreiben – zum Beispiel vom Kreuz, das in den Feldern lag und durch Privatinitiative in Königsfeld wieder aufgerichtet wurde, oder vom Kreuz-Relikt, das für kurze Zeit sichtbar war und nun wieder vollkommen überwachsen ist. Doch vielleicht werden Sie selber auf einer Ihrer nächsten Wanderungen in der Eifel nicht nur die herrlichen Fernblicke genießen, sondern auch den Kreuzen am Wege Ihre Aufmerksamkeit schenken. Gerade in den Kreisen Ahrweiler und Mayen sind sie sehr zahlreich, da das Material, die Basaltlava, ja aus den nahen Mayener und Mendiger Steinbrüchen stammt. Ich wünsche Ihnen ebensolche Entdeckerfreuden, wie ich sie erlebt habe.