Was „verdiente“ man als Magd oder Knecht vor 100 Jahren?
,,Dienen“ anstelle von „Verdienen“
VON PETER WEBER
Wenn man die Lebensverhältnisse vergangener Zeiten betrachtet, so kann man immer wieder feststellen, daß das ehemalige „Dienen“ mehr und mehr dem „Verdienen“ der Gegenwart Platz gemacht hat. Dafür gibt es mancherlei Gründe. Doch machen sich heute die negativen Auswirkungen dieser Entwicklung schon bemerkbar. Es geht halt nicht ohne eine Bereitschaft zum Dienen, ganz gleich, um welchen Beruf oder welche Tätigkeit es sich handelt.
In einem handgeschriebenen Gebetbuch fand ich neben Meß- und Gebetstexten auch Rezepte, Schuldscheine sowie Zeugnisse und Abrechnungen für Knecht und Magd aufgeführt. Die Abrechnungen geben nicht nur Aufschluß über die Höhe des Jahreslohncs, sondern auch über den Zeitpunkt oder den Anlaß und die Verwendung von Abschlagszahlungen, die teilweise auch in Naturalien erfolgten. Wir dürfen dabei nicht übersehen, daß Knechte und Mägde in vergangenen Zeiten zu bestimmten Terminen auch Kleidungsstücke (Arbeitskleidung, Schuhe u. a.) als Entgelt erhielten.
Einige Auszüge solcher Entlohnungen sollen uns ein Bild vermitteln.
„1849 Ferdinand Udelhofen, Kuhhirt, hat erhalten 1Mülfaß Korn, 6 Thaler 4 Sgn. Witwe Oth, Schweinhirt hat an Naturalien erhalten 1849 im Februar siebeneinhalb Pfd. Brot, den 2, März 2 Mülfaß Korn.
Für das Jahr 1853 (für 6 Thaler) hat Anna Gertrud Klaesgen auf Abschlag erhalten zwei Thaler, ferner 1 Thaler 10 Sgn., später zwei Thaler 20 Sgn.
Gertrudis Klaesgen für das Jahr 1854 (7 Thaler) hat 5 Thaler erhalten für den Halbfasten-Markt, ferner i Thaler 15 Sgn. am 21. Mai 1854, am 8. Oktober 1854 1 Thaler und im Winter 1 Thaler.
Dieselbe hat für das Jahr 1855 (7 Thaler 15 Sgn.) auf Abschlag erhalten: 2 Thaler, herausgezahlt von Münster 22 Sgn. 6 Pfg. zu Pfingsten, 2 Thaler 2 Sgn. 6 Pfg., macht eine Summe von 5 Thaler 2 Sgn. 6 Pfg. Margarete Kläsgen hat als Magd bei mir 1859 auf Abschlag erhalten: 4 Thaler den 22. Mai, auf Johannes Markt 2 Thaler 2 Sgn, 2 Pfg., den 16. Juli 12 Sgn., zu Michaeli Markt 2 Thaler, ferner 15 Sgn.
Maria Katharina Hansen, Dienstmagd für das Jahr 1860: als Abschlag erhalten: 1 Thaler 15 Sgn., ferner 1Thaler, später 1 Thaler 15 Sgn., noch 5 Sgn. für Kürsten Sybilla, zu Michaeli Markt 3 Thaler 10 Sgn., ferner i Thaler erhalten.
Anna Katharina Kläsgen für das Jahr 1861 auf Abschlag erhalten: 2 Thaler und zu Michaeli 7 Thaler, ferner 3 Thaler, macht i Thaler Überschuß auf das Jahr, Johann Huck in W., Knecht bei mir für das Jahr 1862 auf Abschlag erhalten: 4 Thaler den 13. Juli, ferner 3 Thaler auf Abschlag und noch i Thaler erhalten in kurzem. Johann Huck in S., Knecht von 1863 bis 1864, zu Michaeli 63 1 Thaler, zu Martini 5 Thaler und ferner eine Zeit danach 6 Thaler seiner Mutter auf seinen Antrag gezahlt. Das Jahr 1865 Peter Josef Schmitten, Knecht zu Seh. bei J. Michael Schneider, hat auf Abschlag erhalten l Thaler auf Maiabend, 1 Thaler vorschläglich (zwischen Adenau), ferner nach Münstereifel und Maimusik 5 Thaler 15 Sgn., den 16. Juli 1865 ferner erhalten 2 Thaler und zusammen 1 Thaler 25 Sgn.; den i. Januar 15 Sgn. erhalten. Kaspar Jakelen, für das Jahr 1866: auf Abschlag erhalten: l Thaler 15 Sgn., ferner i Thaler 20 Sgn. und noch l Thaler 10 Sgn., weiter erhalten vor und nach 2 Thaler, zu Martini 2 Thaler und noch vor und nach erhalten 3 Thaler.
Jakobus Leuer, für das Jahr 1868: 23 Thaler, 1 Hemd, 1 Pfund Wolle, 1 Paar Sohlen für Schuhe, den 9. März 2 Thaler auf Abschlag erhalten, ferner 3 halb Scheffel Korn auf Rechnung, weiter Brandkassenkurant 14 Sgn., 5 dazu macht 19Sgn., und noch 20 Sgn. Ferner vor und nach erhalten 3 Thaler 3 Groschen, a Mülfaß Weizen, 13 Groschen, 6 Groschen und i Thaler auf Abschlag gegeben, ferner 2 Thaler 20 Groschen.
Notiz für das Jahr 1870: Gottfried Frinsch, Dienstknecht bei Johann Michael Schneider, hat auf Abschlag erhalten: 4 Thaler 22 Sgn., den i. Mai wieder erhalten i Thaler, ferner 1 Thaler, noch ein Thaler zu Martini, ferner 1 Thaler 5 Sgn., ferner 1 Thaler 15 Sgn., und von meiner Frau 5, macht -l Thaler 20 Sgn., ebenso auf die Ziehung zu Adenau l Thaler und noch i Thaler 26 Sgn. 8 Pfg.“ Ein Knecht erhielt jährlich 30—60 Taler, eine Magd 20—30 Taler. Tagelöhner erhielten neben Kost im Sommer täglich 8 Silbergroschen, im Winter 7 Silbergroschen; Tagelöhnerinnen empfingen i Silbergroschen weniger.
Die Zeugnisse lauteten etwa: „Anna Maria Krauß, von Gronau gebürtig, hat bei mir 3 Jahre als Hausmagd gedient und sich jederzeit treu, ehrlich, fleißig und gehorsam betragen. Dies bezeuge ich hiermit.“
„Daß Johann Andreas Kopf aus Alsbach 3 Jahre als Knecht bei mir in Diensten gestanden und sich während dieser Zeit fleißig, ordentlich und rechtschaffen betragen habe, wird hiermit auf sein Verlangen bezeugt.“
Was konnte man damals für den Jahreslohn kaufen? Es wird ja immer wieder von der „guten alten Zeit“ gesprochen. Und wir weisen besonders darauf hin, daß es auf die Kaufkraft des Geldes ankomme.
Nach dem Amtsblatt der Königl. Regierung zu Koblenz vom Jahre 1845 betrugen die Vik-tualienpreise (Lebensmittelpreise) im Juni 1845 (angegeben ist der Durchschnittspreis) in den fünf Hauptstädten des Reg.-Bezirks Koblenz (Andernach, Koblenz, Kreuznach, Simmern, Wetzlar) für einen Berliner Scheffel Weizen 2 Rtlr. 8 Sgn. 7 Pfg.; Roggen l Rtlr. 25 Sgn. 9 Pfg.; Gerste 1 Rtlr. 9 Sgn. 8 Pfg.; Kartoffeln 12 Sgn. 10 Pfg.; Gerstengrütze 3 Rtlr. i Sgn.; Graupen 3 Rtlr. 2 Sgn. 8 Pfg.; Erbsen i Rtlr. 25 Sgn. 6 Pfg.; Linsen 1 Rtlr. 26 Sgn. 4 Pfg.; Bohnen z Rtlr. 13 Sgn. 2 Pfg.; Hafer 10 Rtlr. 4 Pfg.
Das Berliner Pfund Rindfleisch kostete 2 Sgn. 9 Pfg.; Kalbfleisch 1 Sgn. 9 Pfg.; Schweinefleisch 3 Sgn.; Hammelfleisch 2 Sgn. 11 Pfg. Der Oxhoft (je 180 Berliner Quart) Rheinwein kostete damals etwa 25 Rtlr., Moselwein etwa 23 Rtlr., Nahewein etwa 30 Rtlr. Für das Berliner Quart Branntwein zahlte man 5 Sgn. und für Bier i Sgn. 2 Pfg. Butter nach Berliner Pfund kostete durchschnittlich 5 Sgn. 1 Pfg., Heu pro Ztr. je 110 Pfd. etwa 27 Sgn. und Stroh per Schock oder 1200 Pfd. 6 Rtlr. 10 Sgn. 6 Pfg.
Wenn man diese Ausgaben und Einnahmen gegenüberstellt, kann man wohl zu der Feststellung kommen, daß wirtschaftlich gesehen nicht alles mit unseren Vorstellungen von der „guten alten Zeit“ übereinstimmt. Vergessen wir hierbei nicht, daß Genügsamkeit, Bescheidenheit und sonstige Verhältnisse einen gewissen Ausgleich schafften.