Waldorf ist fast 1350 Jahre alt
Waldorf ist fast 1350 Jahre alt
Wilfried Dünchel
Alteste Urkunde
Die älteste Urkunde, die Waldort betrifft, datiert vom 1. Juni 960. Nach dieser Urkunde von 960 schenkte König Sigibert III. (633/34 – 656) den Ort der von ihm gegründeten Abteil St. Martin bei Metz. Sigibert III. starb am 1. Februar 656 im jugendlichen Alter von rund 25 Jahren und wurde in St. Martin begraben. Die Abtei besaß 960 noch die Schenkungsurkunde, die wohl bei der Gründung des Klosters um 650 ausgestellt wurde. Die schriftliche Überlieferung für Waldort reicht also bis in diese Zeit, d.h. um 650 zurück. Waldorf ist damit fast 1350 Jahre alt. „Der Kopist, der sie im 13. Jahrhundert abschrieb, übersprang zwar die Zeile, in der der Ortsname stand, aber der Bezug auf Waldorf im Kreis Ahrweiler ist eindeutig und unbestritten“ (Prof. Eugen Ewig, Bonn).
Der Ortsname ist zuerst bezeugt zum Jahr 1033 inderFormWalendorp.d.h. Dorf der Walen (W. Kaspers, Band 8 S. 157 der Rheinischen Vierteljahresblätter).
Die Angehörigen des Römischen Reichs, die lateinisch sprachen und sich Romani (Römer) nannten, wurden von den Franken, die im späten 5. Jahrhundert einwanderten, als Walen (Welschen) bezeichnet. Im Lauf der Merowin-ger- und Karolingerzeit nahmen die rheinischen Walen oder Romanen die fränkische Sprache an. „Nach dem Zeugnis der Urkunde von 960 (Verschiedenheit der Sprache) sprachen die Waldorfer damals nicht mehr romanisch, sonder fränkisch/deutsch. Man hätte sie zu dieser Zeit also nicht mehr Walen genannt. Auch dies spricht dafür, daß Waldorf Jahrhunderte älter ist als die erste namentliche Erwähnung von 1033″ (Prof. Ewig).
Anläßlich der damaligen „900-Jahr-Feier“ fand 1934 in Waldorf ein großer Festzug statt.
Waldorf liegt auf der nördlichen Seite des Vinxt-bachws, der in römischer Zeit die Grenze zwischen den Provinzen Obergermanien (Mainz) und Niedergermanien (Köln) und von der fränkischen Zeit bis zur Französischen Revolution die Grenze zwischen den Kirchenprovinzen Köln und Trier bildete (Vinxt aus lateinisch fines = Grenze). Waldorf lag also auf der kölnischen Seite im Herzogtum der ribuarischen Franken (Ribuarim), das von Sinzig bis Neuß reichte, im Bonn/Ahrgau und im königlichen Fiscalbezirk (fiscus) Sinzig. Der Fiscus Sinzig erstreckte sich ahraufwärts bis nach Kesseling. „Die Einwohner des Bezirks, die auf Königsgut saßen und dem König zu Steuern und Diensten verpflichtet waren, wurden fiscalini genannt. Zu ihnen gehörten nach dem Zeugnis der Urkunde von 960 auch die Waldorfer“ (Prof. Ewig). Durch die Schenkung von Waldorf an die Metzer Abtei St. Martin gingen die Königsrechte an das Kloster über, d.h. die Einwohner entrichteten die üblichen Abgaben und Dienste nun dem Kloster. „Das ging so lange gut, wie Ordnung in Reich und Kirche herrschte – man kann annehmen bis in die Zeit um 850/60. In den Wirren der späten Karolingerzeit verfiel nicht nur die kirchliche Zucht, sondern auch die kirchliche Verwaltung. Die Rechte von St. Martin in Waldorf gerieten in Vergessenheit, und als die Abteil im 10. Jahrun-dert von der Reform erfaßt wurde und ihre Verwaltung reorganisierte, waren die Waldorfer natürlich nicht bereit, die alten Steuer- und Dienstverpflichtungen zu akzeptieren“ (Prof. Ewig).
Neues Ortsrecht durch Urkunde von 960
Nach der von Prof. Ewig übersetzten Urkundenabschrift wandte sich der Abt von St. Martin, Berhardus, an die höchste Autorität, König Otto den Großen, fand sich aber schließlich bereit, im Einvernehmen mit dem Grafen Udo und dem Vogt Bernhard, der die weltlichen Interessen der Abtei vertrat, das Ortsrecht neu festzusetzen: „Die Abtei behält sich vor: einen Mansus (Wirtschaftshof unterschiedlicher Größe, etwa 30 ha) bei der Kirche; einen Forst, der Liethforst genannt wird und alle Weinberge. Die Einwohner zahlen für ihre Ländereien jährlich an St. Martin 4 Pfund Kölner Pfennige; sie bewirtschaften alle Weinberge und erhalten dafür 1/3 der Lese.“
Die Urkunde ist unterzeichnet vom Abt und 6 weiteren Geistlichen, dem Grafen Udo und dem Vogt Bernhard, ferner von den Honoratioren des Ortes (wahrscheinlich Dorfschöffen), die sich für den Zins verbürgen: dem Meier (Meier = Verwalter des Abteilhofes) Rambert, sowie Wido, Werenzo, Albero und Ekezo.
In Waldorf stand bereits 960 eine Kirche
Die Übersetzung der Urkunde von 960 dokumentiert auch Sensationelles für die Kirchengeschichte Waldorfs. In der Urkunde behält sich die Abtei einen Mansus bei der Kirche vor. Hierdurch ist eine Kirche bezeugt, die demnach offenbar von der Abtei St. Martin bei Metz gegründet wurde und nicht erst von Stavelot-Mal-medy, dessen Remacluspatrozinum sie heute führt. Vielleicht war sie ursprünglich St. Martin geweiht?
Vom Kloster St. Martin bei Metz zu Stavelot
Die Übersetzung der Urkunden-Aufzeichnung von ca. 1089 durch Prof. Ewig verdeutlicht, daß das Ortsrecht von 960 offenbar nicht vorgehalten hat. Abt Nanther von St. Martin wandte sich wiederholt an Kaiser Konrad II. (1024 – 1039), um die Rechte des Klosters durchzusetzen. Schließlich entschloß er sich zu einem Tausch mit Abt Poppo von Stavelot-Malmedy, der gegen Medernach (Canton Diekirch, Luxemburg) Waldorf für seine Abtei erwarb. Der Tausch wurde Ende Mai 1033 bei einer Zusammenkunft des Kaisers mit dem König von Frankreich abgeschlossen und vom Kaiser bestätigt.
Die Aufzeichnung von ca. 1089 enthält einige interessante Nachrichten:
1. Waldorf lag damals in der Grafschaft Ochtendung
2. zu St. Martin (Metz) gehörten in Waldorf mehr als 30 Mansen (Wirfschaftshöfe)
3. die Metzer Abtei bezog davon nur 8 Solidi (Schillinge)
Über 30 Mansen gehörten zur Abtei sicher schon 960, da das Metzer Kloster seinen Besitz in den 73 Jahren bis zum Tausch sicherlich nicht sonderlich vergrößern konnte. Dies bedeutet, daß in Waldorf um 960 mindestens 30 Familien wohnten.
Unter den Motiven Poppos von Stavelot-Malmedy für den Erwerb von Waldorf wird auch genannt, daß die Remaclusabteien in der Nähe begütert waren. Dr. Manfred van Rey ist diesen Besitzungen nachgegangen (Derdeutsche Fernbesitz der Klöster und Stifte der alten Diözese Lüttich an Rhein, Mosel, Ahr und in Rheinhessen, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 186, 1983, Seite 19 – 80). Die Zentren der Güterverwaltung lagen danach in Remagen und in Andernach, wo die Äbte sogar eine Probstei errichteten. Waldorf war Remagen zugeordnet, der Verwaltungsstelle der Hauptabtei Stavelot.
Die Äbte der Remaclusklöster haben in der Folge ihre Rechte an Waldorf nicht mehr selbst ausgeübt, sondern Lehensleuten überfragen. Sie bezogen aus Waldorf vor allem Wein. „1255 lieferte der dorfige Lebensraum jährlich 2 Fuder Wein … Die Höhe der Abgaben übertrifft alle anderen Weinlieferungen an den Hof zu Remagen …“ (van Rey). Waldorf bleib bei der Abtei Stavelot (Stablo) bis 1780, war aber spätestens seit dem 14. Jahrhundert Lehen der Herren von Eich auf der Olbrück in ihrer Nachfolger als Vögte (weltliche Sachwalter) der Abtei.
Hauptstraße von Waldorf, Zeichnung von W. Holzapfel (1994)