Vor gut 300 Jahren begann der Mineralwasserversand in Steinzeugkrügen von Tönisstein aus

Vor gut 300 Jahren begann der Mineralwasserversand in Steinzeugkrügen von Tönisstein aus

Maria Gromke

Wer von Brohl kommend die Landstraße 413 in Richtung Wassenach fährt, sieht nach etwa hundert Metern rechts die zu Andernach gehörende Fachklinik. In der Kurve lugt die welsche Haube eines Brunnentempels hervor, den der Kölner Kurfürst Josef Clemens 1700 erbauen ließ. War doch Bad Tönnisstein vom ausgehenden 16. bis 18. Jahrhundert Heilbad und Sommerresidenz der Kurfürsten von Köln. 

Bereits 1565 rühmte der in Andernach geborene Arzt Johannes Günther die Heilquellen von Tönisstein, ihre Wirkung bei Verstopfung der Eingeweide, Nieren- und Blasenleiden, Verdauungsschwäche und Wassersucht. Gut 100 Jahre später wurde auf ihren heilsamen Einfluß bei Gicht und Lahmigkeit der Glieder hingewiesen. Der Versand des Tönissteiner Wassers „den Rhein auf und ab gar weit in steinernen Krügen so wol wider den Durst von wohlhabenden Leuten unter Wein gemischt als auch von vielen so selbst zum Brunnen nicht reisen können, zu unterschiedlichen Zuständen zur Cur gebraucht“ begann im 17. Jahrhundert. 

Herstellung der Krüge 

Um Frachtkosten zu sparen, legte man gerne, dort wo es sich wegen Rohstoffvorkommen anbot, in unmittelbarer Nähe eines Mineralbrunnens eine Krugbäckerei an. So auch im 18. Jahrhundert in Tönisstein. „Die weiße Pfeifenerde“, der Ton, wurde am Ostufer des Laacher Sees abgebaut und auf beschwerlichem Wege zur Krugbäckerei transportiert.

„Meister Peter Gerard“, so heißt es in einem Bericht von 1785, „der jetzogegen dem Schlosse ein schönes Haus hat, ist der Besitzer dieser Fabrike“. (Standort: rechts neben der Fachklinik, wo sich heute ein kleiner Parkplatz befindet.) Die Krüge wurden auf der Töpferscheibe gedreht. Sobald sie etwas angetrocknet waren, setzte man die Henkel an. „Ein einziger Mensch kann 150 auch 175 in einem Tag verfertigen. Zu einem Gebäcke nimmt man meist 4000 Stück Krüge. Den Ofen zu heitzen werden vier bis fünf Klafter (1 Klafter – 3,338 cbm) Holz erfordert.“

Abfüllung des Mineralwassers

Und so vollzog sich die Abfüllung: Nach dem Spülen, Füllen, Verpfropfen der Krüge erfolgte das Verpichen, das Eintauchen des Korkens in geschmolzenes Pech. Anschließend wurde der Pfropf mit weißem Schaffell überzogen, noch einmal ins Pechbad gehalten und versiegelt. Ein Arbeiter versiegelte auf diese Weise etwa 100 Krüge pro Tag.

Ein versiegelter Mineralwasserkrug kostete 1785 am Tönnissteinerbrunnen 3 ¼ Stüber. Brachte man sein Leergut mit, sank der Preis auf ¾ Stüber. Die Nachbarn konnten kostenlos Wasser in eigenen Krügen abfüllen.

Doch das Tönissteiner Mineralwasser kam nicht nur in die speziell für diesen Brunnen gefertigten und mit dessen Stempel versehenen Krügen in den Handel. Vielfach wurde es in Selterswasser-Ausschußkrüge abgefüllt und mit einer weitaus höheren Rendite ins Ausland, meistens nach Holland, verkauft.

Nachdem Bad Tönisstein 1816 in Staatsbesitz überging, stellte die preußische Regierung eine Reihe von Bedingungen; z.B.:

„1. Während der zum Füllen der Krüge günstigen Jahreszeit muß der Brunnen wenigstens jeden Samstag rein ausgeschöpft werden.

2. Jeder Krug muß ein Quart Preußisch Maas (1 Liter) enthalten. Es können indeß auch halbe Quart-Krüge zum Verkauf angeschafft werden.

3. Auf dem Brunnensiegel muß die Jahreszahl der jedesmaligen Füllung angegeben werden.

4. Armen, die mit gehörigen Zeugnissen ihrer Obrigkeit versehen sind, muß das zu ihrem persönlichen Bedarf nötige Wasser unentgeltlich gegeben werden.

5. Den Einwohnern von Kell, Andernach und Namedy muß das zu ihrem Bedarf nötige Wasser zu einem Dutzend Krüge für 5 Pfennige und zu je zwei Krüge über das erste Dutzend für 3 Pfennige verabreicht werden.“ 1819 verkaufte der Pächter Elias Dhal 84.000 Krüge mit Tönissteiner Wasser, 10.000 davon nach Berlin.

Toenisstein.gif (55682 Byte)

Ansicht von Tönisstein um 1910.

Ab 1832 wurde zeitweilig auch ein anderer Brunnen, der zum ehemaligen Kloster St. Antoniusstein gehörte, unter der Bezeichnung „Tönissteiner Kloster Brunnen“ genutzt und Dominicus Zervas und von Mengershausen füllten den Wassenacher Brunnen mit dem Stempel „Tönissteiner Stahlquelle“ ab. Sie verlangten 1865 für 100 Krüge Tönissteiner Wasser 5 Thaler. Die Krugbäckerei in Bad Tönisstein aber existierte um diese Zeit wahrscheinlich nicht mehr. Tönissteiner Wasser wurde jedoch noch von August Thyssen, der 1886 Bad Tönisstein und den Heilbrunnen erwarb, bis 1891 in Krügen versandt. Übrigens waren damals auch schon Glasflaschen im Handel.

Heute bleiben die Tönissteiner Quellen „Kurfürstenbrunnen“ und „Angelika-Heilquelle“ ungenutzt. Dafür gehen viele, viele Flaschen gefüllt mit dem Wasser des „Heilbrunnens“ bei Schweppenburg unter der Bezeichnung „Tönissteiner“ in die Welt.

Literatur:
Bernd Brinkmann: „Der Mineralwasserversand in Steinzeugflaschen.“ F.G. Wegeier: „Einige Worte über die Mineralquelle zu Tönnisstein.“