Von Landschaftsschutz und Denkmalpflege
Ein Verein stellt sich vor
Dr. Josef Ruland
Als Ende September 1973 die Nachricht durch die Zeitungen des Ahrtals ging, der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz wende sich mit Entschiedenheit gegen die damals befürwortete Lösung, zur Entlastung von Altenahr die Bundesstraße von Meckenheim nach Adenau durch das Vischelbachtal zu legen, da haben gewiß viele Ahrbewohner zum erstenmal den Namen des Vereins gehört. Mehr noch. Sie mögen erstaunt gefragt haben: „Wat will der denn? Gibt es nicht genug Stellen, die sich mit Straßen und Straßenplanung befassen müssen?“
Diesen also Fragenden zuvor einige Auskünfte. Dieser Verein war 1973 runde 67 Jahre alt, also nicht mehr der jüngste und auch nicht mehr grün hinter den Ohren. Nur wenige Ahrtalbewohner kannten ihn, diese aber um so besser. Beschäftigte sich doch der Verein seit seiner Gründung ausgiebig‘ mit Denkmalpflege, und manche Mark ist vor dem Krieg auch in den Kreis gewandert, wenn es galt, besondere Baudenkmäler zu erhalten. Leider hat die Währungsreform von dem ehemaligen Vermögen so gut wie nichts übrig gelassen. Außerdem veröffentlichte der Verein einführende Schriften zu Baudenkmälern, und wer den Weg fand etwa nach Altenahr, nach Kirchsahr, nach Pützfeld, nach St. Peter in Sinzig oder nach Bad Breisig, der konnte und kann dort kleine, sehr gut bebilderte Schriften sehen, welche diesen Orten und ihren Schätzen gewidmet sind. Für wenig Geld will man mithelfen, die Kunstwerke richtig zu sehen, ihren Erhalt zu befürworten und zu sichern.
Als 1975 das Jahr des europäischen Denkmalschutzes begangen wurde, da wußte der Verein, daß endlich, endlich ein Teil auch seiner Saat aufgegangen war, die er immerhin seit 1906 unermüdlich ins rheinische Land gelegt hatte.
Aber es ging dem Verein nicht nur um die Denkmäler, sondern auch um die Landschaft. Was nutzt uns das schönste Altenahr, was der herrliche Kegel von Kreuzberg, wenn die Landschaft drumherum im Sommer und im Winter vom Verkehr oder was auch immer restlos zerstört wird?
Und der Verein besann sich, daß er von Beginn an nicht nur ein Verein für Denkmalpflege, sondern auch für Heimatschutz sei. Als 1970 das europäische Jahr des Umweltschutzes begangen wurde, benannte er sich auf seiner großen Jahresversammlung in Trier „Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz“. Damit wollte er abermals seine Absichten auf den Erhalt der Landschaft besonders herausstellen. Auch darin hatte der Verein seine Tradition, denn wenn heute, sehr zur Freude unzähliger Besucher, noch weite Teile des Mittelrheintales richtig romantisch zu erleben sind — am besten per Schiff —, dann geht dies auf das Konto des Vereins, der seinerzeit einmal alle Behörden und einflußreichen Stellen auf einen Rheindampfer geladen hatte, um sehr eindringlich das Rheintal in seiner ganzen Schönheit zu demonstrieren.
Als nun der Ruf nach einer Umgehung Alten-ahrs mit wachsendem Verkehr und unerträglichen Bedingungen für die Bewohner immer
lauter wurde, überlegten engagierte Mitglieder im Verein, was man da tun könne. Protestieren allein nützte nichts. Das sahen alle sehr klar. Denn unbestreitbar muß der Durchgangsverkehr aus Altenahr. Aber dafür des Vischeltal zu opfern, wie es die ersten Pläne der Straßenbauverwaltung vorsahen, das war nun auch wieder nicht recht. Denn jeder, der auch nur ein bißchen Gespür für Natur hat, weiß um die einmalige Schönheit dieses kleinen Ahrseitentales, in dessen Mittelpunkt die alte Kirche Vischel mit den wenigen Häusern steht. Hier stand also der Schutz des Menschen auf der einen und der Schutz der Natur auf der anderen Seite. Was tun? Es mußte überlegt werden, denn nur mit Überlegung konnte ein Ausweg aus dieser Zwickmühle gefunden werden. In dieser Lage nahm der Verein Fühlung auf mit dem Institut für Städtebau, Siedlungswesen und Kulturtechnik an der Universität Bonn, dessen stellvertretender Leiter, Professor Dr. Strack, für die Entwicklung larid-schaftsschonender Alternativen ein echtes Gespür hat. Mit seiner Alternative zum Elt-ville-Plan der Hessischen Landesregierung hatte er von sich reden gemacht. Diesem trug der Verein das Anliegen vor und die Sorgen, die damit verbunden waren. In der Zwischenzeit kamen aus allen Kreisen der Bevölkerung, Hilferufe an den Verein, daß er sich einschalten müsse. Zu Ehren unserer Landsleute muß das gesagt sein. Diese Rufe kamen sowohl aus der engsten Umgebung Altenahrs wie auch aus weit entfernt liegenden Orten. Und alle Hinweise, auch das muß gesagt sein, alle Angebote auf Mitarbeit geschahen selbstlos. Niemand war darunter, der irgendwie durch persönliche Interessen gebunden sein konnte. So begannen dann die Verhandlungen mit den einschlägigen Stellen, um zunächst einmal zuverlässige Zahlen über Verkehr, Dichte, Forderungen an Zufluß und Abfluß, Zukunftsmöglichkeiten und dergleichen zu erhalten.
Mit diesen Daten und Angaben versehen, zog dann ein junger Geodät, Herr Woltering, oft genug hinaus ins Gelände, um an Ort und Stelle eine neue Trasse für die B 257 Mek-kenheim—Adenau im Bereich zwischen Altenahr und Kreuzberg zu suchen. Seine Route war klar. Das Vischeltal mußte weitgehend geschont werden, eine Forderung,
die der Verein selbst erhoben hatte. Das Ortsbild Kreuzbergs durfte auf keinen Fall von irgendwelchen Anschlußteilen gestört werden, unti natürlich war man gegen die Opferung auch nur eines Hauses. Das hatten Besprechungen mit Vertretern der Kreuz-berger Bürgerschaft klar ergeben. Eine Umgehung Altenahrs mit einem Tunnel durch den Berg an der Seilbahn kam wegen der Kosten nicht in Frage. Jeder Leser wird zugeben müssen, daß da also Hindernisse bestanden. Das war aber nicht alles. Schließlich kann man eine befahrene, vor allem vom Schwerverkehr befahrene Straße nicht einfach einen Berg hochziehen. Die Steigungsverhältnisse müssen in den angegebenen Grenzen bleiben, damit die Straße auch vom Verkehr angenommen wird.
Die Fragen nach den Wassereinzugsgebieten mußten ebenso berücksichtigt werden wie Fragen der Landwirtschaft und solche des Forstes.
Nach einem guten Jahr war es dann soweit, daß der Verein die von ihm angeregte und getragene Initiative, ausgearbeitet am Institut in Bonn, der Öffentlichkeit vorlegen, konnte. Alle einschlägigen Stellen erhielten ein Exemplar der Arbeit und konnten nun überprüfen, ob der Vorschlag technisch und finanziell durchführbar sei.
Im Februar 1976 hatte der Verein dann die große Freude, daß bei einer Veranstaltung in Altenahr Staatsminister Holkenbrink persönlich diese vom Verein vorgeschlagene Alternativlösung als verbindliche Arbeitsunterlage anerkannte und dem Verein öffentlich dafür dankte. Leider hat nun der Verein keinen Einfluß darauf, zu welchem Zeitpunkt der Bau der Umgehung begonnen und vor allem, wann er beendet wird. Die lokale Presse notierte damals, das Jahr 1985 sei für den Beginn vorgesehen. Darf ich noch etwas von der übrigen Vereinsarbeit erzählen, wenigstens soweit sie den Kreis Ahrweiler betrifft? Da ist vor allem unsere Sorge um die Ahrmündung. Von allen Flüssen und größeren Bächen, die auf deutschem Boden in den Rhein münden, hat die Ahr die einzige, von Menschenhand nicht beeinträchtigte Flußmündung. Das Wasser sucht sich hier immer noch je nach Wasserstand den Weg in den Rhein. Mal liegen viele Kiesbänke bloß, mal reißen die Fluten viel Erdreich mit.
Ahrmündung
Foto: Luftbild, Archiv Kreis Ahrweiler, freigegeben Nr. 8371-3, Bez.Reg. Rheinhessen
Das Areal des Mündungsgebietes ist ein Paradies für Vögel und Pflanzen, sofern nicht Unverständnis und Faulheit ausgediente Autos und Kühltruhen in das Flußbett werfen. Alle Fachleute und Fachbehörden sind der Ansicht, daß dieses Areal zum Naturschutzgebiet erklärt werden sollte. Den Edelstein, den man besitzt, sollte man auch leuchten lassen. Schade wäre es, würden kleinliche Gruppeninteressen ihren Ehrgeiz dareinsetzen, das Gelände unbedingt einer anderen Nutzung zuzuführen. Und die Petri-Jünger, die in diesem Ahrabschnitt ihr Fischrecht haben, werden ebensowenig behelligt wie die Landwirte, die rechts und links des vorgesehenen Gebietes Land besitzen. Aber der Verein will einem schwebenden Verfahren nicht vorgreifen, sondern noch einmal ganz klar hinstellen, daß hier ein Stück Natur bewahrt werden wird, das zwar keine „aufgeräumte“ Landschaft zeigt mit Kieswegen und Ruhebänken und Schwänen, dafür aber, in sich betrachtet, so richtig gesund ist. Es ist nach Meinung der Fachleute so gesund, daß es von seiner Gesundheit noch Einflüsse in den Umraum ausstrahlen kann, die zum Schluß vor allem den Bewohnern von Sinzig und Remagen-Kripp zugute kämen. Solche urgesunden Zellen braucht eine Landschaft. Wehe, wenn sie diese Regenerationszellen verliert. Das Gebiet der gesamten Ahrmündung, etwa von Bad Neuenahr-Heimersheim an stark belastet, denken wir nur an die Autobahn mit ihren Folgebauten, Brücke, An-und Abfahrten und Sinziger Kreisel, hat eine solche Zelle dringend nötig. Darf der Verein noch ein paar Sorgen ausbreiten? Vielleicht findet sich in der Leserschaft jemand, der helfen kann.
Jeder, der das Ortsbild von Bodendorf kennt, ist begeistert, wie sich von der Burg aus die Straße in den Ort hineinschwingt, an schönen Fachwerkhäusern vorbei — vielen Dank den Besitzern, die ihr Haus so in Schuß halten! — auf das ehemalige Pfarrhaus zu, das wie eh und je dieses Straßenbild beherrscht. Die Kirche liegt erhöht links davon, und mit einer leichten Rechtsschwingung läuft die Straße wieder aus dem Dorfkern hinaus. Seit Jahren wird dieses Pfarrhaus nicht mehr recht genutzt. Wäre es nicht ein Jammer, wenn es eines Tages abbruchreif wäre und abgerissen würde? Wäre das nicht eine „Sünde“ gegenüber den vielen Anliegern, die ihr Anwesen schmücken und gepflegt halten? Wer weiß, welcher Bau an die Stelle des Hauses träte?
Pfarrhaus In Sinzig-Bad Bodendorf
Foto: Kreisbildstelle
Schöner als der jetzige kann er nicht werden, das wissen wir, denn das jetzige Pfarrhaus richtete sich in Größe und Bauform nach den Anliegern und diese wieder nach dem Pfarrhaus. Man stelle sich vor, es würde ganz verschwinden und ein kleiner Parkplatz träte an seine Stelle. Der „Blechladen“ zu Füßen der Kirche täte den Augen weh. Verlören die Bodendorfer nicht ein höchst vertrautes Bild, ihre Heimat, auf die sie ein Anrecht haben? Würde es für. ihre Häuser nicht eine Art Wertminderung bedeuten, wenn der echte Dreh- und Angelpunkt verschwände? Man braucht aus der Hauptstraße Bodendorf nicht eine Fußgängerzone zu machen wie aus der Niederhutstraße in Ahrweiler. Aber jeder wird doch zugeben müssen, wie in Ahrweiler gleichsam über Nacht eine Wärme und Gemütlichkeit in die Niederhutstraße eingezogen ist, um die viele, viele Besucher Ahrweiler beneiden.
Wenn in Heppingen das leerstehende ehemalige Hotel zur Landskrone wegen des Saus der Ortsumgehung Heppingen vom Verkehr nicht mehr berührt und nicht mehr ständig erschüttert wird, kann es doch wieder zu einem Blickfang im Ortsbild werden, der dem Pfarrhaus von Bodendorf gleichkommt. Ist das aber verwirklicht, und Ahrweiler hat es bewiesen, zieht sofort ein anderer Geist ein. Selbst die jungen Leute, die übrigens gar nicht unbedingt das Moderne wollen, empfinden die Harmonie, die von einem solchen Ortsbild ausgeht Der Verein hatte sich vor einigen Jahren in Adenau sehr dafür eingesetzt, den Durchgangsverkehr aus dem Ortskern mit dem Marktplatz herauszuhalten. Leider entschied man damals anders. Die Fachleute sind heute schon mit dem Verein der Meinung, daß der weiter durch die Stadt fließende Verkehr Adenau auf die Dauer mehr nimmt als gibt.
Mein Gott, wird mancher fragen, haben die Leute in diesem Verein Sorgen! Weshalb tun die das alles? Und noch ehrenamtlich dazu? Wenn darauf eine Antwort gegeben werden soll, ist das gar nicht so einfach. Aber ich darf offen sprechen, weiß ich doch, daß meine Landsleute diese Sprache richtig verstehen. Daher die Antwort: Weil es bei Gott Leute geben muß, die sich nicht nur um ihr bißchen Jetztzeit sorgen, sondern, die weiterdenken, an morgen, an übermorgen. Die sich für unsere rheinischen Denkmäler und Ortsbilder verantwortlich fühlen, weil das unser aller Besitz ist, den wir nicht verlieren dürfen. Die als Wenige das tun, was eigentlich alle tun sollten. Die für ihr rheinisches Land schreiben, werben, Vorschläge machen und manche Mark auf den Tisch legen, damit überhaupt Pläne gemacht werden können, die Aussicht auf Realisierung haben, Menschen, die, scharf gesagt, unsere Heimat zu schön und zu liebenswert finden, als daß man sie nur Egoisten und Profitjüngern zur Ausbeutung überlassen darf. Wenn nämlich unsere Heimat nur noch unter der Frage gesehen wird: „Was nützt mir dieser Streifen Land? Was nützen mir die Menschen, die darin wohnen?“, dann brauchen wir von Heimat und Zuhause gar nicht mehr zu sprechen.