Vom Wein – zwei Anekdoten

VON FRANZ SCHOLZ

Der Schwätzer

In einer Schenke zu Rech saßen vor Jahren zwei alte Zecher beisammen und probierten eine Weinsortc, die der Wirt eben aus dem Keller geholt hatte. Bedächtig führten sie das volle Glas an die Lippen, schlürften das edle Naß hörbar ein, kauten es bedächtig im Munde, zerdrückten den Schluck auf der Zunge und ließen ihn langsam die Kehle hinabgleiten. Dabei schlössen sie die Augen, ein Beweis, daß der Tropfen etwas Vorzügliches war. Und doch stand er, wie der Wirt sagte, gar nicht so hoch im Preis. Dann saßen sie im andächtigen Schweigen beieinander. Nach geraumer Zeit wiederholten sie die Kostprobe. „Hm „, meinte der eine bedächtig, „hm, der Wein is jut.“ Der andere nickte zustimmend mit dem Kopf. Bald folgte ein neuer Schluck. Wieder saßen sie versonnen da. Jetzt bemerkte der andere: „Un bekömmlich.“ Abermals gab es eine Pause. Darauf wieder eine Schluckprobe in der beschriebenen Art. Schließlich räusperte sich der erste: „Un jar nich so teuer.“ Abermals lag die Sonne der Behaglichkeit über den weinfrohen Gesichtern der beiden Alten. Da wünschte ein Gast, der bisher schweigend an einem Nebentisch gesessen und das Tun der zwei beobachtet hatte, von dem Wirt ein Glas von diesem süffigen Wein. Zugleich bat er nach rheinischer Art, sich zu den Trinkern setzen zu dürfen: „Sie gestatten doch! Und ein freundliches Pröstchen!“ Dabei trank er das Glas mit einem Zuge leer, strich sich den Mund ab und erklärte: „Ja, ja, Sie haben recht. Der Wein ist gut, der Wein ist bekömmlich und auch gar nicht so teuer.“ Da blickte er erste Zecher böse auf und sprach unwirsch zu seinem Freunde: „Nä, Pitter! Wat hamme do nen Schwätzer und Söffer am Desch setze!“

Acht Etiketten und der gleiche Wein

Vor etwa 80 Jahren kehrten in einem Weinort an der Ahr an einem durstigen Sommerabend etliche müde Wanderer in einer etwas abseits gelegenen Straußwirtschaft ein. Nur ein altes Mütterchen war zugegen und holte auf Bestellung mehrere Flaschen selbstgezogenen Weines aus dem Keller. Die Gäste probierten, probierten und lobten den Tropfen, bemängelten aber, daß die Flaschen kein Etikett trügen, woraus man Name,

Lage, Jahrgang und Qualität des Weines feststellen könne. Ein solches Etikett, so belehrten sie die Alte, mache erst Flasche und Wein zu dem, was sie seien. „Wenn dat esu es“, meinte da die Wirtin, „dann luurt ens do en de Deschschublad noh! Do sen en janze Meng von allerlei unjebrauchte, frohere Etikette drin. Sökt Üch welche rus un klevt se selve drop!“