Vom Leben und Wirken der Gesellschaft Jesu in Maria Laach (1863 – 1892) – Wissenschaft, Ausstrahlung, Aufhebung
Das Leben der damaligen Zeit trug den Hauch friedvoller Gemächlichkeit, die man mit Fug und Recht als gut bürgerlich bezeichnen könnte, die man aber im Vergleich mit dem nüchternen und schnellen Lebensrhythmus unserer Gegenwart gern als „spießbürgerlich“ belächelt.
Würdevolle Sonntagsspaziergänge im feierlichen Gehrock und „Vatermörder“, die Damen in langen, spitzenverzierten Schleppkleidern unter schattigem Sonnenschirm, umgeben von Pfeifenduft, umweht von Fächerkühlung, „Picknick“ im stillen Walde oder vornehmer in versteckten Gartenlauben mit Debatten über die Probleme der Zeit, das gefühlsbetonte Verhältnis zur Natur als dem Raum für romantische Träumereien, eine Kunst ohne schöpferische, eigenständig geformter Richtungen, bedrückende Staffagen in Plüsch, Porzellan, gefärbtem Holz und imitiertem Marmor, „höhere Töchterschulen“, aufkommendes Proletariat und subalternes Preußentum, das war – in kurzen Streiflichtern angedeutet – die Atmosphäre von damals, eine Epoche gärender Entwicklung zwar, doch ohne eigenes Gesicht, ohne bleibende Kraft und Geltung.
Welch ein Gegensatz dazu offenbart die Welt unserer Tage! Vergangen sind die idyllischen Formen familiäre Gemeinschaft, weit gespannt die Denkstrukturen und Verhaltensweisen der heutigen, pluralistischen Gesellschaft. Raketenhaft ist die Wirtschaft emporgestiegen mit ihren Superlativen Angebot und Nachfrage und den damit gegebenen menschlichen Überforderungen. Die Natur dient nicht so sehr als Spiegel des Unendlichen mit einem für den Menschen bedeutsamen, existentiellen Aussagewert, sondern hat vielmehr eine technische und ökonomische Zweckfunktion. Man möchte Umsatz und Gewinn machen. Die moderne Kunst hat die Klischees jener Tage überwunden und ringt in ihren Darstellungen um letzte Ehrlichkeit. Sie zeigt zwar auch deutlich, dass der Mensch „unterwegs“ bleibt, ja in unserer Zeit sogar von Innen her bedroht und entwurzelt ist. Dies gerade mag dartun, wie sehr sich der Mensch vor über 100 Jahren noch trotz seiner Fragen und Probleme weithin in einer geistigen Geborgenheit fühlte. Sein Lebensstil war befriedet, still, dem Alltäglichen zugewandt.
Die Hauptpforte von Maria Laach zur Zeit der Jesuiten
Laacher Jesuiten
Dies mag auch in dem günstig gelegenen Maria Laach das nötige Klima gelassener Unbeschwertheit geschaffen haben, die das Werk der Gesellschaft Jesu in Laach überhaupt möglich machte und die Lebenswege gar mancher, junger „Laacher Jesuiten“ mit großen Leistungen befruchten sollte. Im Vordergrund des Kolleg-Lebens in Laach stand natürlich die Wissenschaft. Mit welchen Fragen hat sich die Gesellschaft Jesu hier befasst?
Schon im Jahre 1864 wurde der Plan einer Zeitschrift entworfen, die sich mit der katholischen Lehre, dem kirchlichen Leben und mit akuten Zeitproblemen befassen sollte. Die „Stimmen aus Maria Laach“ waren entstanden, die erst um das Jahr 1911 in die heute noch publizierten „Stimmen der Zeit“ umgewandelt wurden.
Ein Werk hervorragender Gelehrsamkeit begründete P. Gerhard Schneemann (1829-1885), der in Maria Laach als Professor für Kirchenrecht und Kirchengeschichte wirkte und durch seine Schriften viel zur Klärung des Dogmas von der Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubens und Sittenfragen beitrug, was ihm manche heftige Feindschaft einbrachte. Sein Hauptwerk wurde die sogenannte „Collectio Lacensis“, an der er seit 1869 intensiv arbeitete und von der er bis zu seinem Tode 6 Bände veröffentlichte. Den 7. Band dieses Werkes publizierte später P. Theodor Granderath, zu jener Zeit noch Scholastiker in Laach. 1874 wurde P. Granderath als aber Professor für Kirchenrecht und Dogmatik in Ditton Hall und später in Rom.
Eine wesentliche Unterstützung fand P. Schneemann in seinem Mitbruder P. Josef Esseiva, einem Schweizer, der viele Jahre hindurch als Sozius des P. Provinzial in Laach lebte und als gewandter Latinist die landessprachlichen Urkunden ins Lateinische übertrug.
P. Tilmann Pesch, der in Laach studierte und dort auch zwei Jahre Philosophie dozierte, sah seine Aufgabe in der Neubelebung der christlich-scholastischen Philosophie. Er schuf sein bekanntestes Werk in den Sammelbänden der „Philosophia Lacensis“, zu denen er selbst 8 Bände lieferte.
Einen Gelehrten von ungewöhnlicher Leistungskraft besaß das Laacher Kolleg in P. Rudolf Cornely, der hier als Dozent für Exegese lebte. Er beteiligte sich am Aufhau der „Stimmen aus Maria Laach“, deren Schriftleiter er von 1872 bis 1879 war, und gab zugleich nach eingehender Planung während seines Aufenthaltes in Laach ab 1873 die Missionszeitschrift „Die Katholischen Missionen“ heraus. In Laach legte er auch den Grund für den „Cursus Scripturae Sacrae“, eine wissenschaftliche Erklärung der Heiligen Schrift, ein recht bedeutendes Werk.
P. Rudolf Cornely S. J.
P. Petrus Roh (1811-1872) gab in Laach neben seiner ausgedehnten Wirksamkeit als Volksmissionar Dogmatik. Als Interner war er am Jesuitenkolleg in Brig/Schweiz aufgewachsen und hatte sich nach seinem Eintritt in den Orden als Lehrer in Freiburg/Schweiz und nach der Flucht 1847 in Löwen einen Namen gemacht. Auch als Prediger war er durch seine Klarheit, seine „gemütvolle Urwüchsigkeit“ und seinen Sinn für Humor beliebt. Noch heute gehen manche Anekdoten von ihm um. Er gehörte im übrigen mit P. Provinzial Roder zu jenen sieben Jesuiten, deren Predigten in Luzern den letzten Anstoß zum sogenannten Sonderbundskrieg 1847 in der Schweiz gaben und die Ausweisung aller Jesuiten aus der Schweiz im Gefolge hatten. Als Konzilstheologe begleitete er den Erzbischof von Paderborn Konrad Martin (1856-79) zum Ersten Vatikanischen Konzil.
P. Wilhelm Wilmers, ein gebürtiger Westfale, war ebenfalls in Brig eingetreten. Er blieb während seines langen Lebens Dozent für Philosophie und Theologie und Schriftsteller. Von 1864 bis 1869 war er Lehrer für Dogmatik in Laach. Sein geistiger Einfluss war bedeutend. Schon 1860 hatte ihn Kardinal Geissel als theologischen Fachberater zum Kölner Provinzialkonzil berufen. Beim Ersten Vatikanischen Konzil diente er seinem ehemaligen Schüler, dem Erzbischof Leo Meurin SJ von Bombay als Begleiter. P. Kleutgen und P. Wilmers weilten in Rom als führende Theologen. Innerhalb weniger Tage verfasste P. Wilmers auf Wunsch des Papstes anonym eine längere Schrift in lateinischer Sprache, die die Einwände gegen die Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubens-und Sittenfragen entkräften sollte, was nach dem Bericht P.A. Sträters SJ weithin gelang. Die Konstitution über dieses Thema soll von beiden Patres gemeinsam entworfen sein, die entscheidende Formulierung am Schluss jedoch von P. Wilmers herrühren. Interessant mag sein, dass P. Wilmers von P. Provinzial Meschler in den achtziger Jahren die Anregung erhielt, eine Theologia Lacensis zu verfassen. Dazu ist es jedoch nicht gekommen, obwohl das umfangreiche, literarische Schaffen des verdienten Paters bis ins hohe Alter währte.
Einen weithin reichenden Ruf besaß P. Augustinus Lehm-kuhl (1829-1918), der zunächst Exegese und Dogmatik lehrte und ab 1871 zu seinem eigentlichen Lebenswerk fand, zur Moraltheologie. Er wurde bekannt durch sein zweibändiges, lateinisch verfasstes Werk Theologia Moralis (1883), das bis 1914 zwölf Auflagen erlebte. P. Lehmkuhl betätigte sich aber auch als Sozialethiker. Seine entsprechenden Studien veröffentlichte er als Beiträge zu den Stimmen aus Maria Laach, ferner machte er sich als Herausgeber und Bearbeiter früherer Werke seiner Mitbrüder und als asketischer Schriftsteller verdient. Trotz seiner schwachen Gesundheit war der lautere und begabte Mann von erstaunlicher Leistungsfähigkeit.
Das Kirchenrecht war in Laach außer durch P. Schneemann später auch durch den Konvertiten P. Ludwig von Hammerstein (1832-1905) vertreten; schon vor seinem Eintritt in den Orden hatte er Rechtswissenschaft studiert. Neben seiner Lehrtätigkeit trat er auch als Schriftsteller hervor. Als vielbeachteter Fachmann auf dem Gebiet der geistlichen Beredsamkeit lehrte in Laach der Schweizer P. Nikolaus Schleiniger (1817-1884).
Aber nicht nur die Geisteswissenschaften kamen in Laach zur Auswirkung, sondern auch die Naturwissenschaften. Als Nestor der Laacher Forschung und Lehrtätigkeit in diesem Bereich mag P. Theodor Wolf gelten. Dozent für Naturgeschichte und ein leidenschaftlicher Sammler. Sein Interesse war offenbar weit gespannt. Zwei Jahre hatte er in Bonn Mineralogie, Geologie, Zoologie und Botanik studiert, bevor er 1864 in Laach seine Dozentenlaufbahn begann. Auf seine Anregung hin entstanden die verschiedensten Sammlungen im Laacher Kolleg:
Schmetterlinge und Insekten, Muscheln, eine zoologische Sammlung mit präparierten und ausgestopften Tieren, eine Münzsammlung, eine ethnographische Kollektion indischer Trachten, ein Herbarium mit Laacher Flora und vor allem eine reichhaltige Sammlung der Laacher Gesteinsarten. Ein physikalisches Laboratorium, dessen Grundbestand wohl schon in den Jahren 1856/57 in Bonn erworben worden war, diente der Forschung und dem Unterricht.
Leider fanden die lehrreichen Sammlungen nach der Ausweisung der Patres nicht mehr die richtige Pflege. Denn das meiste musste in Laach bleiben. Vieles verdarb, einiges wurde dem Orden zurückerstattet, anderes an wissenschaftliche Institute und Schulen abgegeben. Die Gesteinssammlung, die schon P. Wolf über den engeren Laacher Bezirk ausgedehnt hatte, wurde von dem bekannten und allseits beliebten Minera-logen und Petrographen der vorderen Eifel, P. Michael Hopmann OSB, für den Bereich des Seegebietes mit rührender Treue weitergeführt. Als er im Frühjahr 1962 starb, fand sich unter den Laacher Benediktinern niemand, der sein Werk fortsetzen konnte. So ging seine Sammlung mit den letzten Resten des von P. Wolf Zusammengetragenen an das mineralogisch-petrographische Institut der Universität Bonn und in privates Eigentum über.
Auswirkungen des Laacher Kollegs
Es dürfte wohl auch interessant sein, welche Auswirkungen das Laacher Kolleg unter den Patres der Gesellschaft Jesu für die Zukunft hatte. Wer war als Student in Laach? Unter den Seelsorgern, die in ers-ter Linie für den eigenen Orden wirken sollten, sind vor allem zwei zu nennen: P. Moritz Meschler, ein Schweizer, der über Jahre hin als Novizenmeister den Nachwuchs der deutschen Provinz heranbildete und sich als Provinzial und deutscher Assistent in Rom bewährte, erlebte in Laach seine theologischen Abschlussjahre; dort schrieb er auch sein Buch Gaben des Pfingstfestes.
Fast seine gesamten Ordensstudien absolvierte P. Wilhelm Eberschweiler im Laacher Kolleg. Zugleich mit seinem jüngeren Bruder Fried-rich, der Indianermissionar wurde und in Nordamerika starb, war er 1858 in Münster ins Noviziat eingetreten. Noch zwei seiner Brüder folgten. Besonders P. Karl Eberschweiler wurde ein geschätzter Missionar in Indien und zuletzt ebenfalls in Nordamerika. Die drei älteren Brüder erlebten glückliche, stille Studienjahre in Laach. Auf P. Wilhelm Eberschweiler hatte der Laacher Spiritual, P. Alois Geoffroy, einen entscheidenden Einfluss. In Laach wurde er 1864 zum Diakon und 1868 zum Priester geweiht. Die Priesterweihe empfing er aus der Hand des Erzbischofs von Köln, Kardinal Paul Melchers, der kurz vor seinem Tode insgeheim auch noch in Rom Jesuit wurde. Mit besonderer Erlaubnis Papst Leos XIII. Iegte er in Gegenwart seines Beichtvaters, P. A. Stellbrink SJ, die Ordensgelübde in die Hände P. Steinhubers SJ ab, der drei Jahre später zum Kardinal ernannt wurde. Als Oberer, Beichtvater, Novizenmeister, Exerzitienmeister und Seelenführer hat P. Wilhelm Eberschweiler vielen seiner Ordensbrüder und manchem Laien den Weg zu Gott gewiesen. Als er 1921 in Exaeten starb, war er schon zu einem Beispiel selbstloser Gottes- und gütiger Menschenliebe geworden. Heute ruhen seine Gebeine in der Seminarkirche in Trier, da im Jahre 1951 der bischöfliche Informativprozess zur Seligsprechung eingeleitet und im Jahre 1958 glücklich abgeschlossen wurde. Die Akten befinden sich zur weiteren Prüfung durch die Ritenkongregation in Rom.
Von Maria Laach aus gingen viele opferfreudige Seelsorger hinaus in die Weltmission. Drei von ihnen wurden Bischöfe. P. Theodor Dalhoff wurde 1891 Erzbischof von Bombay, P. Hermann Jürgens 1907 sein Nachfolger, P. Bernhard Beiderlinden 1886 Bischof von Poona in Indien. Die Patres Friedrich Dreckmann, Karl Piscalar und Otto Ehrle, der jüngere Bruder des Kardinals, gingen von Laach aus in die Indienmission. P. Athanasius Zimmermann dozierte in Bombay Geschichte und Sanskrit, nachdem er in Laach seine Ordensstudien beendet hatte.
Nach seiner Rückkehr aus Indien wurde er als Schriftsteller für kirchengeschichtliche Fragen der anglistischen Welt bekannt.
Nach Nordamerika wandten sich außer den erwähnten Brüdern Eberschweiler von Laach aus die Patres Leo Aschenbrenner, Franz X. Delhez, Wilhelm Kockerols, Ignatius Koerling, Antonius von Haza-Radlitz und Theodor van Rossum. P. Jakob Grönings weilte in Toledo und Buffalo als Beichtvater, Lehrer und Prediger.
Auch in Brasilien bewährten sich „Schüler vom Laacher See“, so etwa die Patres Adolf Minkenberg, Ludwig Sarrazin und Jakob Rathgeb. Seit 1890 arbeitete dort als Seminarleiter und Missionsoberer P. Jakob Fäh, vordem Erzieher und Großstadtseelsorger in Berlin, auch er ein Laacher.
In Dänemark erwarb sich P. Paulus Wehrhahn aus Neuß einen Ruf als Lehrer am An-dreaskolleg in Ordrupshoj, das unter ihm staatlich anerkannt und den Staatsschulen gleichgestellt wurde. Seine ganze Schaffenskraft für Dänemark setzte P. August Sträter ein, der entscheidende Phasen beim Aufbau der Knutschule leitete, einige Jahre danach aber wieder in Deutschland als Volksmissionar wirkte. Beide hatten in Maria Laach zuvor studiert.
Eine sehr schwierige Missionsaufgabe übernahmen die Patres August Brinkmann und Johannes Bapt. Lohmann. Sie versuchten, den katholischen Glauben auf den Faröerinseln heimisch zu machen, was aber trotz ihrer gu-ten Sprachkenntnisse und größter Mühe ohne nennenswerten Erfolg blieb. Die Mission wurde nach einigen Jahren abgebrochen, die wenigen Katholiken wurden dort nur einmal im Jahr seelsorglich betreut. Dieser beschwerlichen und gefahrvollen Arbeit unterzogen sich die Patres Paul Rosenlächer und Heinrich Klene. Sie alle und ebenfalls P. Albert von Geyr-Schweppenburg hatten in Laach ihre Studien gemacht. Letzterer unternahm mehrfach eine Reise zu den Faröer-Inseln, die er in lebendiger Anschaulichkeit beschrieb. P. von Geyr-Schweppenburg wirkte in Kopenhagen als Jugenderzieher und Konvertitenseelsorger.
Die leidvollen Anfänge der katholischen Mission in Süd-ostafrika wurden entscheidend von zwei Patres mitgetragen, die einstmals ihre Ordensjugend in Laach erlebt hatten. Unter der Leitung des belgischen Missionsoberen P. Heinrich Delpechin SJ, der schon in Kalkutta segensreich gearbeitet hatte, wurde nach langen Vorbereitungen 1879 ein Bekehrungsversuch der Eingeborenenstämme am Sambesi unternommen. Die ersten beiden Opfer dieser Mission waren P. Karl Fuchs und P. Antonius Terörde. Vor allem P. Terörde, ein gebürtiger Westfale, kamen unter tragischen Umständen um, ohne priesterlichen Beistand, wahrscheinlich durch einen feindlich gesonnenen Häuptling vergiftet. Sein Tod war ein schwerer Verlust. P. Delpechin schreibt, er habe eine ausgeprägte Begabung für die afrikanischen Sprachen besessen. Im Jahre 1879 hatte P. Terörde, der allen auch durch seine Frömmigkeit ein Beispiel gab, den Katechismus P. Deharbes in den Setschuanadialekt übersetzt. P. Deharbes war zu seiner Zeit ein bedeutender Katechet, und sein Grab befindet sich in einer Gruft der Krypta der Friedhofskapelle St. Nikolaus in Maria Laach.
Unter den deutschen Kanzlerrednern jener Zeit sind folgende „Laacher Schüler“ bemerkenswert: als Jugenderzieher und Domprediger von Regensburg P. Philipp Loeff-ler, der ein weit überdurchschnittliches Rednertalent besessen haben muss. Leider hat er kaum etwas schriftlich niedergelegt. P. August Andelfinger gehörte zu den „besten deutschen Kanzlerrednern zwischen 1880 und 190O, und P. Leo Aschenbrenner, ein Schüler der bayerischen Benediktiner von Metten, trat als Priester ein und war nach seiner Rückkehr aus Amerika in Deutschland durch seine Originalität als Volksmissionar sehr beliebt.
Fast auf allen Gebieten wissenschaftlicher Forschung und Lehre brachte das Laacher Kolleg Gelehrte hervor, die sich zum Teil großer internationaler Achtung erfreuen durften. Es seien einige aufgezählt: Die erste Stelle geziemt wohl P. Franz X. Wernz, der jahrzehntelang als eine Autorität im Kirchenrecht an der Gregorianischen Universität in Rom galt, bevor er 1906 als General die Leitung des gesamten Ordens übernahm. Schon als Professor war er Konsultor an verschiedenen römischen Kongregationen gewesen, besonders als Fachmann für Eherechtsfragen. Er hat einen großen Anteil an der Kodifizierung des Kirchenrechts. Als General förderte er die Neuordnung der Ordensstudien, die Exerzitienbewegung vor allem auch in Deutschland, er gründete die katholische Universität in Tokio durch Patres der Gesellschaft Jesu, die unter seiner Regierung stark wuchs, was durch die Neubildung von fünf Ordensprovinzen deutlich werden sollte.
Unter den großen Gelehrten des Ordens jener Zeit nimmt P. Franz Ehrle einen gewichtigen Platz ein, der 1895 zum Präfekten der Vatikanischen Bibliothek ernannt und von seinem Nachfolger im Amt, Monsignore Ratti, dem späteren Papst Pius XI., 1922 zur Würde eines Kardinals der katholischen Kirche erhoben wurde.
Auf dem Gebiet der Exegese, Moral und besonders der Dogmatik trat P. Viktor Frins hervor, dem man noch heute großes positives Wissen und eine scharfe Beobachtungsgabe nachsagt. Als Exegeten von internationalem Ruf galten die Patres Knabenbauer und von Hummelauer als Sozialethiker P. Viktor Cathrein, als Dogmatiker und Studienpräfekt wirkte an der Ordenshochschule in Valkenburg P. Karl Wiedenmann, als Moraltheologe P. Wilhelm Stentrup, als Dogmatiker lebte meist in England P. Bernhard Tepe. P. Bernhard Bödder dozierte Philosophie jahrzehntelang an der bekannten Ordensschule Stonyhurst in England, und P. Alfons Lehmen veröffentlichte ein philosophisches Lehrbuch in deutscher Sprache. Sie alle machten ihre Studien im Laacher Kolleg.
Auch der Literarhistoriker P. Alexander Baumgartner war „Laacher“. Seine Werke über Goethe, Lessing, Longfellow, van Vondel und die siebenbändige Geschichte der Weltliteratur zeugen von seiner Belesenheit und seinem Urteil über das bleibend Große. Er war wie viele Patres jener Jahre ein Schweizer von Geburt. Sein Vater ist der eigenständige und charaktervolle Politiker Gallus Jakob Baumgartner, Landamtmann von St. Gallen, über dessen bewegtes Leben P. A. Baumgartner ein Buch verfasste.
Neben P. Baumgartner sind als Literaten die „Laacher“ Patres Johannes B. Diel mit Arbeiten über Friedrich von Spee und Clemens Brentano und Wilhelm Kreiten mit Studien über Pascal, Moliere und Voltaire zu nennen. P. Kreiten veröffentlichte auch die Dichtungen der Annette von Droste-Hülshoff mit einem Lebensbild der Dichterin.
Noch ein Schweizer der „Laacher Schule“ gehört hierher: P. Josef Spillmann, Zeit seines Lebens Mitredakteur der Stimmen aus Maria Laach und langjähriger Herausgeber der von P. Cornely begründeten Zeitschrift Die katholischen Missionen. Viele volkstümliche Romane, Erzählungen und Jugendbücher entstammen seiner Feder.
Unter den Naturwissenschaftlern des Ordens haben eine ganze Anzahl am Laacher See studiert. Einige aus ihren Reihen sollten großen Ruf erlangen. P. Johannes Hagen arbeitete über Jahre hin als Astronom in Georgetown im Staate Washington in Nord-amerika, wo er eine Sternwarte einrichtete. Im Jahr 1906 wurde er Direktor der Vatikanischen Sternwarte in Rom. 1930 starb er dort. Er hat durch die Päpste und viele wissenschaftliche Institute Ehrungen fur seine Forschungsarbeiten erfahren. Die Universitäten Bonn und Münster ernannten ihn zum Ehrendoktor.
P. Joser Epping arbeitete als Mathematiker mit P. Johannes N. Straßmaier, einem anderen Laacher Mitschüler, zusammen. Dieser hatte seit 1878 im Britischen Museum in London assyrische Zeittafeln entziffert. Den vereinten Anstrengungen der beiden Patres gelang es, den Schlüssel zum Verständnis der assyrischen Sternkunde zu finden. Sie legten einen Teil ihrer Forschungsergebnisse in den Stimmen aus Maria Laach nieder, die den Assyriologen und Mathematiker P. Franz X Kugler SJ wesentlich zu seinen eigenen Studien anregten.
Im Jahre 1870/71 forderte der Präsident von Ecuador, Garcia Moreno, die Patres der Gesellschaft Jesu auf, in seinem Land ein polytechnisches Ins-titut zu begründen. Diesem Ruf nach Quito in Ecuador folgten frühere Professoren und Schüler des Kollegs am See, so die Naturgeschichtler Theodor Wolf und Christian Bötzges, der Chemiker und Physiker Ludwig Dressel, die Mathematiker Josef Epping und Albert Claessen, der Physiker Emil Müllendorf und P. Josef Kolberg, der Mathematik, Physik und Chemie dozierte. Leider wurde Garcia Moreno 1875 ermordet, und die Patres mussten das Land wieder verlassen.
Aufhebung
Schmerzlich, wenn auch nicht völlig überraschend, traf alle Ordensmitglieder die Ausweisung aus Deutschland durch das sogenannte „Jesuitengesetz“ vom 5. Juli 1872, das die Tätigkeit aller Mitglieder der Gesellschaft Jesu in Deutschland verbot und sie des Landes verwies. Dies war eine bittere Maßnahme, wenn man z.B. den edelmütigen Einsatz der deutschen Jesuiten zum Wohle des Volkes in den Kriegen 1866 und 1870/71 bedenkt. In einem Protestschreiben des letzten Laacher Rektors, P. Kaspar Hoevel, an die Regierung kommt diese Enttäuschung deutlich und in scharfer Form zum Ausdruck. Aber was half es? Alles bekundete Wohlwollen der Bevölkerung und alles Ansehen unter den gebildeten Laien und im Klerus, wie es z.B. in einem ergreifenden Abschiedsbrief des Bischofs Matthias Eberhard von Trier an P. Hoevel in Erscheinung trat, änderte nichts an der Entscheidung. Es entbehrt einer gewissen Komik nicht, wenn 168 Mitgliedern der Gesellschaft Jesu die Kriegsverdienstmünze für Mühen im Kriege 1870/71 mit dem Titel „Mit Gott, für Kaiser, König und Vaterland“ im Oktober und Dezember 1872 zugesandt wurde, nachdem schon das Juligesetz ihnen und den übrigen Mitbrüdern den Aufenthalt in Deutschland unmöglich gemacht hatte. Bis zum 1. Januar 1873 löste sich die Kommunität des Collegium Lacense zwangsläufig auf.
Die Verwaltung des Gutes und des Hauses Maria Laach blieb letztverantwortlich in Händen des Grafen Schaesberg, des alten Freundes der Gesellschaft. Es ist erstaunlich, dass eine beachtliche Anzahl Angehöriger des Ordens weiterhin im Kolleg am See wirkten, um das Haus zu behüten und das landwirtschaftliche Gut zu betreuen. Man mag daraus ableiten, wie intensiv der Orden mit seiner Heimkehr rechnete; 1883 waren in Maria Laach noch 3 Patres und 19 Brüder; im Jahre der endgültigen Auflösung des Hauses, 1892, 5 Patres und 27 Brüder tätig.
Der entscheidende Verwalter wurde der gewandte Jesuitenbruder Heinrich Freiträger (†1904 in Exaeten), der als „Rentmeister“ in seiner zwan-zigjährigen Tätigkeit in Laach zu einem festen Begriff für Behörde und Volk wurde. Die Stallungen besorgte jahrelang Bruder Leonhard van Weersch (†1919 in Sittard). Seit dem Jahre 1884 lag die Gesamtleitung des Hauses in Händen von P. Rudolf Rive, eines vielseitig begabten Mannes der sich als Theologieprofessor und Lehrer für Naturwissenschaft in Indien, als Militärseelsorger und Missionar ebenso bewährt hatte wie nun als Leiter eines großen Wirtschaftswesens.
Mit der Heimkehr der Benediktiner, die im November 1892 aus der Erzabtei Beuron an den See kamen, ging die Zeit der Gesellschaft Jesu in Maria Laach endgültig ihrem Ende zu, eine Zeit, die mit großen Verheißungen begonnen und trotz ihres vorschnellen, jähen Abbruchs ihre reichen Früchte gezeitigt hatte.
Anmerkung:
Der erste Teil der Ausarbeitung „Vom Leben und Wirken der Gesellschaft Jesu in Maria Laach 1863 – 1892“ wurde im Heimatjahrbuch 2001 abgedruckt (S. 148 – 153).