Vom Geist der Tradition und der Transparenz des Handelns. Eine Tour de Maison durch das Peter-Joerres-Gymnasium Ahrweiler
Der alte Schulgeist zieht umMit höchster Anspannung erlebten wir die ersten Wochen des Jahres 1999. Zwar war der Umzug in eigener Regie planbar, die Risiken konnten ausgeschlossen werden, doch wie würde sich das neue Gebäude auf die Schulgemeinschaft mit 820 Personen auswirken? Würde das Umpflanzen des fast 100 Jahre an der Wilhelmstraße in Ahrweiler stark verwurzelten Gymnasiums gelingen? Eine ungeahnte Zahl an Emotionen würde freigesetzt, wenn ein Standort, der ein Stück Heimat war für Generationen von Schülern, Lehrern und Eltern, wo gearbeitet und gefeiert wurde, verlassen werden musste für ein neues, unbekanntes Gebäude, indessen Klassen- und Fachräumen sich erst das richtige „Feeling“ einstellen muss, um Neues und Altes zu vereinen. Nach über sieben Jahren an der Uhlandstraße kann man ohne Einschränkung festhalten: Kollegen und Schüler fühlen sich wohl in dem neuen Gebäude, die helle und freundliche Raumgestaltung trägt zu einer guten Unterrichtsatmosphäre bei, dabei geht das architektonische Konzept von Harmonie, Eleganz, Leichtigkeit und Transparenz auf. Das wunderschöne Grundstück in den Ahrauen bot dafür auch die besten Voraussetzungen. Die Räume wurden also geschaffen, ein filigranes und doch solides Gebäude, das es zu füllen galt. Dazu bedarf es einer großen Anzahl verantwortungsbewusster Kollegen, die gegründet auf pädagogische Erfahrung Visionen haben und Konzepte entwickeln, Eltern und deren Vertreter, die sich für Ideen begeistern lassen, Schüler, die daran teilhaben und diese weitertragen. So wird aus einem funktionsgerechten Gebäude eine auf die Anforderungen der Zukunftvorbereitende Schule. Ein weiterer starker Partner des PJG war von jeher die Gemeinschaft der Ehemaligen, der enge Kontakt zu den Alumni beschert allemal eine Großzügigkeit, die vorbildlich ist. Im neuen Gebäude brachte der Zusammenhalt der Ehemaligen zum einen großzügige Spenden für die Arbeit des Fördervereins und somit ein sattes Polster für die Ausstattung, des weiteren aber auch die Möglichkeit des Rückgriffs auf unverwechselbare Einmaligkeit von Expertenwissen, das gern im zweimal jährlich stattfindenden„Forum Gymnasium“, bei dem die Schule sich auch als öffentlich zugängliches Kulturzentrum in der Kreisstadt versteht, in Anspruch genommen wird.
Luftaufnahme des Peter-Joerres-Gymnasiums Ahrweiler, 2006Kunst und KulturLassen wir einmal den Mann durch die Schulegehen, der ursprünglich verantwortlich zeichnete für diese Schule, der schon durch die eigene Doktorarbeit, eine in lateinischer Spracheverfasste Dissertation im Fach Mathematik, den Grundstein legte für die mathematisch-naturwissenschaftliche Ausrichtung, die sich heute als MINT-Excellence Center darstellt, einem von 82 zertifizierten Schulen in ganz Deutschland mit dem Schwerpunkt Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Dr. Peter Joerres war Schulgründer und seit1984 Namensgeber einer kleinen, aber feinen Jungenschule, die seit nunmehr fast 150 Jahren ihren festen Platz in Bad Neuenahr-Ahrweiler hat, inzwischen gewachsen zum größten Gymnasium des Kreises. Vom Hauptportal aus betritt er die lichtdurchflutete Halle, im Eingangsbereich trifft er auf von künstlerischem Tun gestaltete Darbietungen, so hängt ein großer Pegasus von der Hallendecke, der nur in der Adventszeit seinen Platz räumen muss für den überdimensionalen Kranz, der in der Vorweihnachtszeit ein kleiner Impuls sein soll, die allzu hektische Zeit mit etwas mehr Muße zu betrachten. Diese Halle, durch verschiedene Schiebewände in eingroßes Foyer umgestaltet, verlangt nach Ausstellungen, Orchester-, Big Band- und Theateraufführungen, die mehrmals jährlich mit enormem Aufwand und hohem künstlerischem Engagement„über die Bühne“ gehen. Die Einschulung der neuen Fünftklässler ist hier genauso zuhause wie das feierliche Abschlussfest nach bestandenem Abitur. Allerdings ist der Zuspruch manchmal so groß, dass oft auf die größere Dreifeld-Sporthalle zurückgegriffen werden muss.Musik, Musik, MusikWendet sich der „Schulvater“ nun nach rechts, wird er unweigerlich in den künstlerischen Bann der Schule gezogen. Ausstellungsvitrinenvoller kleiner Prachtstücke führen entlang der Wände zum neuerlich errichteten Anbau, der die Musik beheimatet. Diese klingt aus vielen Räumen, hat sich die Schule doch vor wenigen Jahren einen zweiten Schwerpunkt im Fach Musik gesetzt: Welch seltsamer Anblick mag ihm da begegnen, vielleicht ein kleiner Geiger aus der Schwerpunktklasse Violinen oder etwa eine Tuba mit feinen Stachelbeerbeinen darunter? Es tönt jedenfalls von früh bis spät, denn am Nachmittag finden die in der Gesamtklassengemeinschaft unterrichteten Musikschüler sich für den Einzelunterricht ein. Von Montag bis Freitag gibt es also immer eine Gelegenheit durch die Flure zu gehen und mit zupfeifen oder bei der Chorprobe der dreigroßen Schulchöre mitzuträllern, da wird es manches Mal schon schwierig noch einen ungenutzten Notenständer zu ergattern.
Probe des Orchesters und Schulchors des PJG Forschergeist und TeamkompetenzLassen wir den Geist des alten Herrn weiterwandern, trifft er im ersten Obergeschoss auf die naturwissenschaftlichen Räume, die vorbildlich ausgestattet auch geistig Raum bieten für den Forschergeist der zukünftigen Generation. Hier könnte er auf eine Mädchengruppestoßen, die ihre eigenen Kleinroboter selbst gebaut und programmiert haben, denn Mädchenförderung ist ein wichtiger Baustein im Schwerpunkt MINT und einer der Anknüpfungspunkte für die tadellose Kooperation mit der Fachhochschule in Remagen. Aber die angehenden Männer kommen auch nicht zu kurz,in Schülerexperimenten und „Jugend forscht“-Arbeiten können auch sie ihr Genie beweisen: Hier wird das Verhalten von Aquarienfischenstudiert, griechische Landschildkröten werden mit Violintönen konditioniert, Strom wird aus Zitronensaft erzeugt oder Raketenantriebe werden entwickelt. Weiter geht’s, vorbei an Klassenräumen, die Heimstatt sind für inzwischen über 1100Schüler; in den technisch und konzeptionellvorbildlich ausgestatteten Räumen arbeitet man an Projekten im Methodentraining, um Kommunikationsfähigkeit genauso zu schulen wie Teamkompetenz, dies ist durchgängiges Prinzip vom ersten Schultag bis zur Vorbereitung aufs mündliche Abitur. Interessiert erkundigt er sich, welche technischen Geräte neben der Tafel hängen oder stehen. Ein Schüler gibt bereitwillig Auskunft, dass am PJG jeder Raum mit Fernseher, Videorekorder, Computer, Kassettenrekorder und Aktivlautsprechern ausgestattet ist und damit alle Möglichkeiten einer modernen Schule bietet, sowohl für Sprachunterricht als auch für integrierte Medienerziehung. An der Rückseite der Klassenräume befinden sich Plakatwände mit Arbeitsergebnissen, geographische Streifzüge durch die moderne Welt oder die historisch-gesellschaftliche Erkundung einer Welt, die nicht in Vergessenheit geraten darf. Manch eine Auseinandersetzung mit der Welt deutet den wichtigen Blick über den Tellerrand an, Besuch aus oder in einer der drei fest etablierten Partnerschulen:
Bungay in England, Tarbes in den französischen Pyrenäen oder Brasschaat in der belgischen Partnerstadt von Bad Neuenahr-Ahrweiler. Seit neuestem besteht auch ein Kontakt zu einem kanadischen Schuldistrikt, der in den nächsten Jahren ausgebaut werden soll.
Am Nachmittag wird in diesen Räumen dann auch hart gearbeitet an verschiedenen Sprachdiplomen, ob an DELF als Zugang zu französischen Hochschulen oder am Cambridge Certificate of Advanced English, das weltweit gefragte Diplom zur Darstellung von Englischkenntnissen.
Hier wurde das Gehör der griechischen Landschildkröte erforscht.
Gesellschaftliche und soziale Verantwortung
Kleine Büroräume befinden sich zwischen den Klassenräumen, etwa der der Streitschlichter, die seit vielen Jahren erfolgreich ihren Dienst im Sinne der Deeskalation tun, genauso wie in den Projekten mit der hiesigen Polizei wird hier
Mut gemacht, Dinge gewaltlos zu regeln. Hinter der nächsten Tür befindet sich die Redaktion der Schülerzeitung „Fragezeichen“, emsige Redakteure diskutieren hier seit Dekaden die Inhalte der nächsten Ausgabe – inzwischen die 66. in ununterbrochener Reihenfolge.
In einem Klassenraum sieht er viele kleine fleißige Hände in den Mittagsstunden basteln, für den traditionellen Weihnachtsmarktstand des PJG im Dezember wird hier das ganze Jahr über in einer sozial-caritativen Arbeitsgemeinschaft Hand angelegt, um ein möglichst großzügiges Ergebnis zu erwirtschaften. Einige tausend Euro kommen jedes Jahr zusammen, damit es Pater Carlos und Prof. Gastardi in den Partnergemeinden von Esperantina oder Vittoria in Brasilien ermöglicht wird, viele Kinder und Jugendliche aus den Armenvierteln herauszuholen, um sie durch Schule und Ausbildung zu begleiten und sie in ein menschenwürdiges Leben zu führen. Aber es wird auch an regionale Not gedacht, die „Ahrweiler Tafel“ wird auch von hier aus mit einer Spende bedacht.
Gelungene Technik erleichtert modernes Leben
Im obersten Geschoss trifft Herr Joerres auf eine weitere Anzahl von Unterrichtsräumen, so auch auf die EDV-Räume mit ihren 32 vernetzten Arbeitsplätzen, von denen Schüler auf den Zentralserver zugreifen können, Informationen stehen aus Internet, Intranet und CD-Türmen zur Verfügung. In einem weiteren Musikraum blickt er erstaunt auf die Schülertische „Marke Eigenbau“. Bei näherem Hinsehen entpuppen sie sich als Keyboards, versteckt unter den Schreibflächen, an denen die Lernenden im Sinne des Wortes eine Terz oder Quinte wirklich begreifen können.
Abwärts geht es, vorbei am Herzstück des Hauses, der großen Bibliothek, mehr als 20.000 Bücher, verschiedene Zeitschriften und Tageszeitungen sind hier zu finden, aber auch mehrere Internetcomputer, TV-Videokombinationen mit Kopfhörern oder Fotokopierer, alles eingebettet in eine angenehme Raumgestaltung mit einladenden Sitzgruppen mit Blick auf den schuleigenen Weinberg oder das angrenzende Teich-Biotop. In den Glaskästen fallen ihm unterwegs immer wieder die unzähligen Urkunden auf, die von der erfolgreichen Wettbewerbsteilnahme in den unterschiedlichsten Disziplinen zeugen. Das Gesamtbild im Untergeschoss wird abgerundet durch ein gelungen konzipiertes Sekretariat, freundliche Verwaltungsräume und zwei Schüleraufenthaltsräume mit Schülerküche.
Angenehmer Lernort
Und dann ist da noch das bei Schülern geheimnisumwitterte Lehrerzimmer, wo gearbeitet wird an Arbeitsplänen und Qualitätsstandards, ein Buch mit sieben Siegeln für den Mann aus der alten Welt. Da weiß er sich eher zu erfreuen, wenn er aus der Tür tritt und vorbei am Steinlehrpfad, der belebt durch heimische Hölzer die Region spiegelt, den Blick wendet zur Sporthalle mit den beliebten Volleyballfeldern mit feinstem Strandsand und dem neu eingeweihten, eigenfinanzierten Kleinspielfeld. Das Rauschen der Ahr wird hier nur unterbrochen durch das Spiel der Kinder in den Pausen, die Sport- und Musik-Veranstaltungen unter freiem Himmel, im Sommer auch schon mal durch die ein oder andere Frischluft-Unterrichtsstunde oder durch das viel tausendfache Stimmgewirr einer Großveranstaltung , dem alljährlich stattfindenden Sommerfest am PJG, bei dem die Arbeitsergebnisse des Schuljahrespräsentiert werden, wo gelacht und gefeiert wird von der römischen Taverne im Atrium über das große Cafe im Foyer bis zur Hawaiibar im Anbau. Am Ende seines Rundgangs ist er ein wenigstolz, was aus seiner kleinen Schule geworden ist. Verschmitzt lächelnd geht er beruhigt seines Weges: Er hat viele freundlich grüßende und lachende Schüler und engagierte Lehrer getroffen, die den Geist der Tradition weitertragen und dabei immer den Eindruck machen, dass man gerne in dieser Schule lernt und lebt.
Stolz auf das Erreichte: Die Abiturienten am PJG im Jahre 2006