Villen am Rhein
Matthias Röcke
Das würde sich mancher Bürgermeister von Städten und Gemeinden im Rheintal heute wünschen: Das Ufer von Rolandseck bis Brohl als beliebter Platz der Sommerfrische, die Grundstücke längs der Bahn als die begehrtesten Bauplätze überhaupt und die Höhen als Stätten der totalen Ruhe.
Für die Sommerfrische kann der trüb gewordene Rhein und seine Ufer, auch wenn diese schön gestaltet wurden, heute nicht mehr herhalten. An der Bahn will keiner gerne wohnen, die mehr als 360 Züge in 24 Stunden stören die Ruhe doch empfindlich, und richtig still ist es auch auf den Rheinhöhen nicht mehr.
Natürlich ist es auch heute am Rhein noch schön. Ein beliebtes Ausflugsziel ist er geblieben, es gibt Feste und buntes Leben und in Bad Breisig ist auch Platz für Kurgäste, die sich dort sehr wohl fühlen. Wie schön muß es da erst vor 150 oder 100 Jahren gewesen sein, als noch keine vierspurige Autostraße und keine neue, zusätzliche Bahntrasse drohten, sondern als wirklich Sommerfrische, Bahnnähe und ruhige, romantische Höhenlagen den Reiz des Rheintales ausmachten?
Besonders schöne Häuser aus dem vorigen Jahrhundert geben Zeugnis, wie es damals war. Eines der ältesten und eindruckvollsten Häuser jener Zeit ist der heute so gelungen renovierte Rolandshof des Remagener Verlegers Rommerskirchen. Als Galerie ist diese Anlage heute Treffpunkt für viele Kunstfreunde, die sicher besonders die schönen, klaren Linien des Klassizismus, wie er hier verwirklicht ist, zu schätzen wissen.
Rolandseck mit Rolandshof, Siebengebirge und Nonnenwerth um die Mitte des 19. Jahrh. (nach einem Stich von Hundeshagen/de Saulx)
Die strenge Symmetrie des Klassizismus prägt das Bild des Rolandshofs
Der Rolandshof weist die symmetrische Gestaltung klassizistischer Gebäude lupenrein auf. Ein Dreiecksgiebel an der »Schauseite« zum Rhein mit drei Achsen, etwas hervorgehoben gegenüber den anderen Teilen der Fassade, beherrscht das Bild des Hauses. Rechts und links davon je drei Achsen, alle Fenster hell eingefaßt auf blaßrotem Grund, so wirkt die einfache Klarheit dieses Baustiles unverfälscht. Alte Unterlagen ließen den Besitzer bei der Renovierung vor vier Jahren die Fensterläden abnehmen, denn es war zu beweisen, daß der Rolandshof ursprünglich keine Fensterläden hatte.
Die Geschichte des Hauses ist wechselvoll. Erst vor kurzem tauchten Dokumente auf, die Klarheit brachten über die frühere Nutzung: der Rolandshof war eine Kaltwasserheilstation, eingerichtet also für eine Art Kneipp-Kur. Theo Rommerskirchen fand zu seiner Freude ein originelles Werbeblatt aus dieser Zeit. Gebaut wurde der Hof vor genau 151 Jahren. 1848 wurde dann die Kaltwasserheilstation eingerichtet. Danach diente der Hof als Hotel, ehe er in Privathand überging. 1910 ließ der damalige Besitzer, Konsul Leiden, den Hof gründlich renovieren, eine Arbeit, die auch der heutige Besitzer schätzen lernte, denn sie wirkte sich noch auf die jüngste Renovierung aus. Die Haushälterin des Konsuls erbte das Haus, von ihr erwarb es der heutige Besitzer. Ein Gewölbe weist auf eine frühere Bebauung aus dem 13. Jahrhundert hin.
Hotels direkt am Rhein waren damals attraktiv wegen der Sommerfrische. Man badete im Rhein und hatte keinen Grund, sich zu sorgen, ob das Wasser wohl sauber sei
Hinter dem Haus fuhr die Bahn vorbei und das war im vorigen Jahrhundert ein besonderer Vorzug der Lage. Das braune Haus in Oberwinter, heute Hauptstraße 135, beweist das. Das 1881 gebaute Haus hat seine Schauseite zur Bahn. Auf dem großen Balkon zeigte man sich bei Festlichkeiten in der aufwendigen Mode der damaligen Zeit gern den Fahrgästen im langsam vorüberrollenden Zug. Außerdem wurde die Eisenbahn als Symbol der neuen Technik sehr geschätzt. Und gerade die Industrialisierung machte es immer mehr Leuten möglich, sich teure Häuser an begehrten Plätzen zu bauen. So zählten Unternehmer aus Köln damals in großer Zahl zu den Bauherrren. Mit der Bahn war man schnell in Rolandseck (zwei Jahre lang Endstation der Linie, ehe sie 1858 bis nach Mainz erweitert wurde). Hier war die Luft gut, man konnte sich erholen und hatte doch Abwechselung. Später kamen auch viele Bauwillige und Gäste aus Bonn.
Im Fall des braunes Hauses in Oberwinter war es allerdings eine Offiziersfamilie, die 1881 ihre Villa festlich einweihte. Die Brandenbergs waren stolz auf ihr Anwesen, dokumentierte es doch Reichtum und großzügige Lebensweise eines stolzen Bürgers des noch jungen Deutschen Reiches.
Nachdem es lange so aussah, als könnte dieses Haus nicht gerettet werden, schaffte der jetzige Besitzer Wilhelm Gielsdorf eine gelungene Renovierung. Die Linien des Spätklassizismus betonen die hellen, reich verzierten Fenstereinfassungen und die Gesimse sowie die dunkelbraunen Farbflächen der Fassade. Bewußt blieben die Fensterkreuze erhalten wie auch das herrschaftlich wirkende Treppenhaus. Ein Glasbalkon, vom Vorbesitzer gebaut, verschwand folgerichtig bei der Renovierung. Sowohl von der Bahn wie von der Bundesstraße aus ist dieses Haus eine besondere Freude für den interessierten Betrachter.
Spätklassizistisch ist auch der Hotelbau etwas flußaufwärts vom Rolandshof. Heute nicht mehr als Hotel genutzt, läßt sich dennoch erahnen, was die Erholungssuchenden damals gefiel und was sie für repräsentativ hielten. Zentral stehen der mit vier Säulen tempelartig abgestützte Balkon und der reich verzierte Giebel für Pracht, deutlich abgesetzt von der Fassade rechts und links, deren waagerechte Linien wieder Ruhe in das Bild bringen. Zur Zeit Kaiser Wilhelms — das Haus wurde 1880 gebaut — liebte man die Verzierungen des Spätklassizismus besonders. Auch die große Terrasse zum Rhein hin und ihre Brüstung wurden auf diese Weise getatelt. Die begehrten Zimmer dieses Hotels waren natürlich solche mit Rheinblick. Große Fenster, Veranden und Balkone lassen ahnen, daß der Preis der Zimmer nach vorne hinaus höher waren als die der hinteren Zimmer, obwohl es ja dort als Attraktion immerhin die Bahn gab. Typisch für Häuser dieser Art auch der Pavillon auf der Südseite. Solche und ähnliche Bauten finden sich mehrere in dieser Region, einige werden auch heute noch als Hotels genutzt.
Stammgäste waren in jener Zeit übrigens die Engländer. Mit der Dampfschiffahrt auf dem Rhein, die sich um 1830 durchsetzte, kamen die Gäste aus dem durch die Industrialisierung reich gewordenen Engländer ins romantische Rheintal, das für sie ein Stück unberührte Natur war. Der Strom der Engländer zum Rhein und in die Nebentäler war die erste Form von Massentourismus in Europa.
In der Mitte des vorigen Jahrhunderts war der neugotische Stil bei den Bauherren sehr beliebt. Und da viele von ihrer eigenen Höhenburg träumten, verwirklichten sie sich und ihre Träume mit einem solchen Bauwerk. Schloß Marienfels ist ein Anwesen dieser Art an einer der schönsten STellen des Rheintales in dieser Region überhaupt. Von der Terrasse hat der Besucher einen phantastischen Blick auf den Rhein, sowohl nach Remagen hin als auch nach Oberwinter. Seit der Renovierung ist Schloß Marienfels erst recht nicht zu übersehen, im Tal lockt zusätzlich noch ein symbolisches Tor im neugotischen Stil zum Anhalten und Betrachten. Daß dieses Tor erst vor drei Jahren hinzukam, stört den interessierten Touristen kaum.
Auch das »braune Haus« in Remagen-Oberwinter präsentiert sich nach stilgerechter Renovierung in neuem (altem) Glanz
Wie ein Märchenschloß aus romantischer Zeit: Schloß Marienfels
Kein geringerer als Dombaumeister Zwirner war der Architekt des 1849 erbauten Hauses. Berühmt wurde Zwirner als der Vollender des Kölner Domes, in Remagen hat er sich auch bei der Gestaltung der Apollinariskirche verdient gemacht. Gliederung, Verzierungen an der Fassade, die Wasserspeier unter dem Dach und natürlich Zinnen und Türme zeugen bei Schloß Marienfels vom Stil seiner Erbauer. Der heutige Besitzer ließ es äußerst aufwendig renovieren und hat es so wohl für lange Zeit gesichert. Die Gestaltung des Areals neben dem Haus mit der orientalisch anmutenden Einfassung des Gartens, ein Terrassenaufbau und andere Anbauten sowie die Figuren auf den Zinnen haben aus der neugotischen Anlage eine Art Märchenschloß gemacht, wie man es vielleicht eher in Bayern vermuten würde.
Ebenfalls einen prächtigen Blick auf den Rhein hatte der Erbauer der Villa etwas rheinabwärts von Marienfels, die heute als Schulungsheim der Arbeiterwohlfahrt genutzt wird. Die gute Stube des Hausherren von damals ist von außen durch etwas hervorgehobene, besonders verzierte Fenstereinfassungen gekennzeichnet, während sonst der neugotische Stil nicht immer so zur Geltung kommt. So wurden beispielsweise von Vorbesitzern die Zinnen auf dem Dach zugemauert, nur am Turm ließ man sie bestehen. Gerade Turm und Zinnen zeigen, daß der Erbauer sich eine Burg wünschte. Solche und ähnliche Märchenschlösser finden sich auf beiden Seiten des Rheines (Geisterburg bei Königswinter), das Zeitalter der Romantik Mitte des vorigen Jahrhunderts regte zu solchen Projekten an.
Wie sehr man damals den Rhein und seine Höhen schätzte, zeigt auch die gegen manchen Widerstand durchgesetzte Renovierung des Rolandsbogens im Jahre 1840. Zehn Jahre später war die Apollinariskirche fertig, die wiederum wie andere Kirchen zum Bauen im neugotischen Stil anregte. Der Spätklassizismus erinnerte dann noch einmal an die Linien des klaren Klassizismus zu Jahrhundertbeginn.
Immerhin sind das alles eher auffällige Formen des Bauens, die heute mehr Respekt verdienen als manche »Höhenburg« aus Glas und Beton. Die Zeiten haben sich eben geändert, nicht nur die Attraktivität des Rheintales als bevorzugter Platz für Erholung und Wohnen.