Vier Wünsche

VON MAX BARTHEL

„Vier Wünsche, vier ganz besondere Wünsche hatte ich einst in meinem Leben“, erklärte kürzlich an der Ahr, nicht weit vom Rhein, ein alter Herr beim Wein. „Erstens wollte ich ein Haus, zweitens ein Auto, drittens einen Hund und viertens – einen Sohn. Der Sohn war eigentlich der erste Wunsch. Ein junge sollte das sein, der es einmal besser haben würde als ich. Bestimmt!

Nun fragen Sie wohl, warum ich mir zunächst ein Haus gewünscht habe. Ich wollte mich freier bewegen können, nicht eingekästelt sein wie die Biene im Stock, – ich meine, wie ein Affe im Käfig. Das Auto wollte ich, um einfach loszubrausen, wenn ich fahren wollte, so nach Rom oder Paris, nach Berlin oder Berchtesgaden. Ein Hund sollte mich begleiten, wenn ich von guten Freunden oder Nachbarn genug hatte . . . Der Wein ist gut, ja?“, sagte er, nahm einen großen Schluck, blickte in die Ferne und schwieg.

„Schön – und die vier Wünsche, erfüllten sie sich?“

„Ich habe ein Haus, das heißt, ich hatte eins; die Bomben haben es zerschlagen. Ich habe ein Auto, das heißt, ich hatte eins, ich fahre nicht mehr wie in Brausejahren, kenne aber trotzdem Paris, Rom, Berlin und Berchtesgaden. Nun gehe ich zu Fuß; was meinen Sie, was man da in einer Stunde alles entdecken kann? Das Herz der Welt! – Ich habe einen Hund; das heißt, ich hatte einen, heirlich, sage ich Ihnen, aber der hatte noch Wolfsblut in den Adern, wilderte und wurde von einem Jäger erschossen. Von Jupp, wenn Sie ihn kennen.“

Er beugte sich über das neu gefüllte Glas und atmete den Duft des Weines ein. „Ja, und der Sohn?“, wollte ich wissen.

„Der Sohn – ist eine Tochter“, erklärte er und lächelte milde. „Diese Tochter heiratete vor Jahren und hatte die gleichen Wünsche wie ich: ein Haus, einen Hund, ein Auto und natürlich einen Sohn. Den Sohn bekam sie schnell . . . Ist es nicht großartig, wie sich die Wünsche erfüllen, wenn auch mancher erst auf Umwegen? Den Sohn – diesen Burschen – müßten Sie einmal sehen, lieber Freund, schön und klug für sein Alter, stolz und lieblich. Genau so hatte ich mir meinen vorgestellt; einen wunderbaren jungen . . . Bleiben wir bei diesem Wein?“

Wir blieben dabei. –