Vettelhovens Strukturwandel
VON KONRAD SPECHT
Die Landwirtschaft der „Grafschaft“, der nördlich der Ahr gelegene Teil des Kreises Ahrweiler, hatte bereits mit Ausnahme weniger Gemarkungen von 1885 bis 1928 die Zusammenlegung — nach 1920 als Umlegung bezeichnet — als besten landwirtschaftlichen Fortschritt erlebt und war damit berechtigter Nutznießer der erheblichen Wirtschaftserleichterungen und -verbesserungen geworden. Damit konnten die wertvollsten und ertragreichsten Böden des Kreises besser und rationeller ausgewertet werden. Erst 1951 entschlossen sich die Vettelhovener Grundbesitzer zur Flurbereinigung, wie jetzt die Zusammenlegung in erweiterter und verbesserter Form genannt wird. Um die bisher versäumte Zeit offenbar wettzumachen, ging die Gemeinde aber auch unter ihrem Bürgermeister Karl Schmidt mit einem Mut und Weitblick an das große Werk, daß es sich lohnt, hier Einzelheiten zu bringen. Als glücklicher Umstand kam hinzu, daß der Ausbau in die Jahre der „Grünen Pläne“ fiel und damit wesentlich bessere Finanzierungsquellen erschlossen wurden. Die Gemarkung Vettelhoven ist 544 ha groß, wovon 350 ha die landwirtschaftliche Nutzfläche bilden. Neben Getreideanbau hat die Zuckerrübe besondere Bedeutung. Auch einige Obstplantagen sind beachtenswert. Die Betriebsgrößen sind recht unterschiedlich: Die drei seit altersher vorhandenen Güter, nämlich De Weerth, Leisten und Krewel (Gudenau) besitzen zusammen eine landwirtschaftliche Fläche von 221 ha und mit Wald 358 ha. Die übrigen 200 Grundbesitzer einschließlich der Ausmärker und Körperschaften teilen sich in die restlichen 187 ha, wovon 58 ha Wald, Wege und Gewässer sind. Die Gemarkung wird größtenteils durch den von Süden nach Norden fließenden Swistbach entwässert. Bedeutungsvoll ist noch die Molkerei von Vettelhoven.
1954 wurden die neuen Pläne durch das Kulturamt Adenau herausgegeben. Waren bisher 840 Besitzstücke vorhanden gewesen, so wurden es jetzt 347, also ein Zusammenlegungsverhältnis von 1 : 2,4. Dieses Ergebnis ist nicht so hoch wie sonst im Kreise (z. B. Dümpelfeld=Niederadenau 1 : 6,3, Insul 1 : 7, Staffel 1 : 7,3, Trierscheid und Sierscheid 1 : 8, Wiesemscheid 1:9). Hier hatten die ernährungswirtschaftlich so wertvollen drei Güter der Besitzzersplitterung durch die Unsitte der Realteilungen vorgebeugt. Die Güter bewirtschafteten seit Jahrhunderten bereits große zusammenhängende Flächen. Die Flurbereinigung brachte aber trotzdem allen Beteiligten sehr große Vorteile. Von der Teilnehmergemeinschaft der Flurbereinigung waren 18 ha aufgekauft bzw. durch Abgabe aus der Bodenreform angefallen, die zur Aufstockung landbedürftiger Kleinbetriebe und zur Ausweisung von vier neuen Landarbeiterstellen verwertet wurden. Die politische Gemeinde erhielt u. a. 27 Bauplätze in Ortsnähe zugeteilt, die für Handwerker und Landarbeiter vorgesehen sind. Die größten Ackerpläne haben einen Flächeninhalt von 10 bis 35 ha, was aber nur in Vettelhoven durch die ebene Lage und die vorhandenen drei Großbetriebe ermöglicht wurde. Infolge der starken Maschinen sind heute große Grundstücke sehr erwünscht. Die Flurbereinigung mit starker Zusammenlegung brachte erst den vollen und rationellen Maschineneinsatz mit sich. Das neue wirtschaftliche Wegenetz (39,3 km lang) wurde erstmalig im Kreise Ahrweiler mit einer starken Planierraupe des Kulturamtes ausgebaut, die aber auch die so lästigen alten Hohlwege beseitigte, Feldraine einschleifte und wilde Hecken herausriß. Die wichtigsten Hauptwirtschaftswege wurden befestigt und gehärtet, was besonders für die umfangreiche Zuckerrübenernte von ausschlaggebender Bedeutung ist. Insgesamt wurden 4 980 lfd. Meter Wege befestigt. Das Steinmaterial mußte in dem 1o km entfernten Steinbruch am Roßberg bei Altenahr gewonnen und hcrangefahren werden. Der Abdecksand wurde 12 km weit von Flerzheim geholt. Auch in der Ortslage konnten die Dorfstraßen erweitert und erheblich verbessert werden. Der Wert des neuen festen Wegenetzes wurde unerwartet auch dadurch bewiesen, daß Fahrzeuge aus Nachbargemarkungen häufig trotz des erheblichen Umweges über Vettelhoven fahren, um zu ihren jenseits der Grenze liegenden Grundstücken zu kommen. Eine wasserwirtschaftliche Tat ersten Ranges wurde die Betonierung des häufig so wilden Swistbaches im Dorfe selbst, wo er sich im Laufe der Zeit ein 3 m tiefes und 8 m breites Bett voll Rattenlöchern und Unrat gewühlt hatte. Eine Fußgängerbrücke und zwei starke Straßenbrücken wurden hierbei neu erstellt, während weiter bachabwärts noch 1neue Brücke gebaut wurde. Wie sauber und ansprechend sieht jetzt hier das Dprfbild aus gegenüber dem früheren primitiven Zustande! Eine 24 ha große, sehr nasse Fläche wurde durch einen Unternehmer — erstmalig mit einem Grabenbagger — gedränt. Die Dränstränge hatten eine Länge von 21 500 m. Später wurden dann noch weitere 75 ha gedränt. — Neben dem Swistbachausbau wurden 6 730 m offener Gräben ausgebaut und teilweise gestickt. Die Waldzone von Vettelhoven zieht sich bis zur Hochfläche nördlich von Dernau hin. Eine Winzergruppe aus Dernau konnte 1951 aus dem Weerthschen Wald eine Kahlhiebfläche von 6 ha preiswert erwerben. Die Rodung geschah als Notstandsmaßnahme durch einen Unternehmer. Anschließend wurde die Fläche im Flurbereinigungsverfahren gedränt und zwei Jahre landwirtschaftlich zwischengenutzt. Durch den Flurbereinigungsplan erhielten die Dernauer Winzer dann die neu eingeteilten und wirtschaftlich geformten Grundstücke auf ihren Namen; eine gute Stärkung der Winzerbetriebe!
Außer der Swistbachbetonierung und dem ersten Dränprojekt wurden alle Arbeiten in eigener Regie der Teilnehmergemeinschaft unter weitgehendem Einsatz des Maschinenparks des Kulturamts und mit dessen erfahrenen Schachtmeistern durchgeführt. Soweit wie möglich leisteten die Beteiligten Hand= und Spanndienste, die auf ihre Beitragsleistungen angerechnet wurden. Ein Teil der Arbeiten konnte als Notstandsmaßnahme gefördert werden. Alle Ausbauvorhaben zielten auf eine bestmögliche Verbilligung hin. Es wird deshalb auch die Finanzierung des ganzen Verfahrens interessieren:
Ausgaben: | DM |
Wegebau, Befestigung u. Vermessungskosten | 390 ooo |
Wasserwirtschaftliche Maßnahmen (Bachausbau, Dränungen, Kultivierungen) | 313 ooo |
Landschaftsschutz u. =gestaltung | 5 ooo |
Zinsendienst u. a. | 10 ooo |
zusammen | 718 ooo |
Einnahmen :
Beiträge der Beteiligten einschl. Hand= u. Spanndienste | 220 400 |
Bundesbeihilfen | 191 ooo |
Landesbeihilfen | 69 200 |
Grundförderung aus d. Notstandsmaßnahmenen | 53 400 |
Darlehen (langfristig u. zinsverbilligt) | 184 ooo |
zusammen | 718 ooo |
Wenn sich auch die Material= und Lohnkosten während des Verfahrens, also von 1951 bis 1960, erheblich geändert haben, so weisen die vorstehenden Zahlen doch ein günstiges Bild in der Finanzierung aus. Berücksichtigt man die großen Vorteile der Flurbereinigung, die Ertragssteigerungen, die Arbeitserleichterungen und Zeitersparnisse und den durch den Ausbau geschaffenen Wertzuwachs, so sind die auf den langen Zeitraum von neun Jahren verteilten Eigenleistungen der Beteiligten doch sehr nutzbringend angelegt worden. Auf den Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche entfielen an Eigenleistungen 630 DM. Bei den gegenwärtigen Bodenpreisen der Grafschaft also durchaus tragbar!
Als weitere Maßnahmen der Flurbereinigung sollen noch die Siedlungen betrachtet werden: In ruhiger Lage, unweit der Schule, errichtete die Landsiedlung Rheinland= Pfalz vier Landarbeiterhäuser mit je einer Einliegerwohnung und Kleinviehstallung, so daß acht neue Wohnungen geschaffen wurden. Zu jedem Hause gehört eine Garten= und Ackerfläche von 35 ar. Bereits 1956 konnten die Wohnungen bezogen werden. Haus und Land kosteten zusammen 33 ooo DM. Außer einer 1oprozentigen Anzahlung wird der Kaufpreis langfristig mit monatlich 80 DM verzinst und getilgt, wobei zu berücksichtigen ist, daß die Mieteinnahme aus den Einliegerwohnungen die Amortisation erleichtert. Aber auch zwei Aussiedlungen kamen hier unter Leitung der GfK (Gesellschaft zur Förderung der inneren Kolonisation) zustande. Ein Gartenbaubetrieb wurde aus der Dorfenge in die Nähe der Molkerei ausgesiedelt und ein aus Altendorf stammender Obstbaubetrieb an der westlichen Gemarkungsgrenze südl. der Bundesstraße. Neue Gemeinschaftsanlagen konnten zum Wohle aller durch die Flurbereinigung geschaffen werden: In der Friedhofserweiterung unter Umpflanzung mit einer lebenden Hainbuchenhecke und der Befestigung des Weges dorthin. Ferner durch Ausweisung des Sportplatzes, der vor allem auch für die Kinder des Kölner Waisenhauses im Schloß von Vettelhoven große Bedeutung hat. Für die Molkerei konnte das Gelände für eine nötig gewordene Kläranlage ausgewiesen werden. Die Gemeinde Eckendorf, deren Wasserversorgung im nördlichen Teil der Gemarkung Vettelhoven liegt, erhielt eine 108 ar große Fläche als Quellschutzgebiet, die gleichzeitig mit Laubhölzern bepflanzt wurde.
Regulierung des Swistbaches Foto: Kreisbildstelle
Die Gemarkung Vettelhoven wirkt nach Westen und Norden hin sehr kahl und kann als „ausgeräumte Landschaft“ bezeichnet werden. Sie ist daher den schädlichen Einflüssen der zu starken Südwest, West= und Nordwestwinden durch Verwehung des Humusbodens, durch Austrocknung und Erosionserscheinungen ausgesetzt. Erstmalig im Kreise Ahrweiler wurde deshalb 1957 nach einem auf beste Erfahrungen in anderen Gegenden basierendem Plan des Wasserwirtschaftsamtes Koblenz ein großzügiger Landschaftsschutz verwirklicht durch Bepflanzung von Bächen, Gräben und Wegen. Insgesamt wurden 17 800 Bäume und 2 ooo Sträucher gruppenweise gepflanzt. Von den Bäumen waren 3 510 Eichen, 3 480 verschiedene Ahornsorten, 2 540 Hainbuchen, 2 450 Erlen, i 240 Ulmen, a 010 Lärchen, 1ooo Vogelkirschen, 950 Linden, 715 Pappeln, 605 Eschen und 300 Wildäpfel und =birnen. Die Sträucher bildeten Hasel, Holunder, Weißdorn, Schneeballen, Hartriegel, Heckenrosen und Weidensorten. Bepflanzt wurden die Grenzwege nach Ringen, Eckendorf, Gelsdorf und Holzweiler, der Heideweg, der Stern= und der Bachelsgraben. Eine breite Schutzpflanzung wurde um die Landarbeitersiedlung angelegt. Der Schulhof erhielt eine lebende Hecke und einige Linden. Das Heiligenhäuschen und ungenutzte Stellen in der Gemarkung bekamen Baumgruppen. Die früher verbreitete Ansicht, daß Ackerbau weite, kahle Flächen benötigt, um vor tierischen Schädlingen geschützt zu sein, ist längst überholt, da die modernen Bekämpfungsmittel leicht aufkommenden Schäden vorbeugen können. Wichtiger ist jedenfalls der bereits oben skizzierte Landschaftsschutz. Zudem sind die Pflanzungen so vorgenommen, daß sich Beschattung und Bewurzelung kaum auswirken.
Zusammenfassend kann gesagt werden, daß sich in der Gemarkung Vettelhoven eine Strukturverbesserung im weitesten Ausmaße vollzogen hat zum Wohle aller Grundbesitzer und zum Vorbild für die Nachbarn.