Unser Huf- und Wagenschmied steht im Umbruch seiner Berufsarbeit

VON HEINRICH O. OLBRICH

Der dem Landvolk wie dem Kleinstädter seit Jahrhunderten durch seine stete Hilfsbereitschaft besonders verbundene Huf- und Wagenschmied steht in einem einschneidenden Umbruch seither althergebrachten Berufsarbeit. Wer ist wohl ehedem an einer Schmiede vorübergelaufen, ohne verweilend anzuhalten; denn hier gab es immer etwas zu schauen; entweder wurden Pferde beschlagen, die nicht immer fromm und willig waren, oder man sah das glühende Eisen sprühen, bevor es in die gewünschte Form gezwungen wurde. Und wir bewunderten dabei die Kraft und Geschicklichkeit des Meisters und seiner Gesellen, die den schwerfälligen Amboß mit wuchtigem und leichterem Hammer erzittern ließen, wobei er glockenhell erklang. Mit dem vorgebundenen Lederwams, geschwärzt von harter Arbeit und sehnig im Griff, standen die Schmiede seit jeher im unmittelbaren Dienst der Allgemeinheit, und dies in mannigfacher Vielfalt. Es ist daher nicht verwunderlich, daß die Menschen bemüht waren, mit dem Helfer, den sie so oft in Anspruch nehmen mußten, ein gutes Verhältnis zu pflegen. Anderseits standen die Schmiede von altersher in einem beachtlichen Ansehen, was u. a. aus der alemannischen Rechtsordnung hervorgeht, wonach ein Missetäter streng bestraft wurde, wenn er sich an einem Schmied vergangen hatte.

Unser technisches Zeitalter zwingt bekanntlich unseren Schmiedehandwerker, sich beruflich der Entwicklung anzupassen und selbst Techniker zu werden, mit anderen Worten: das gute alte Schmiedehandwerk stirbt allmählich aus oder schrumpft auf ein Mindestmaß zusammen. Dabei war das Arbeitsgebiet der Huf- und Wagenschmiede einst sehr umfangreich und behördlich genau umrissen. Es umfaßt laut alten Verordnungen: den Hufbeschlag, sämtliche Schmiedearbeiten an Feld- und Kutschwagen, an Pflügen, Eggen, Schlitten, die Beschläge für Tore, Türen und Fenster, das Anfertigen von Ketten, Schippen und Spaten, Mistgabeln und Heuforken sowie alle schwarzen und blanken Arbeiten, die aus dem offenen Feuer auf dem Amboß und hernach auf dem Schleifstein hergestellt werden konnten. Selbst die Instandhaltung des Glockenstuhles und der Klöppel gehörte zu seinen Aufgaben.

Das Meisterstück

der Schmiede War dementsprechend nicht einfach. Nach einer Verordnung der Stadt Frankfurt vom Jahre 1587 wurde das Meisterstück nach folgenden Bestimmungen angefertigt:

1. ein Pferd nach Augenmaß zu beschlagen,

2. einen Wagen zu beschlagen und die fünf Ringe am Rad in der Hitze zu schweißen und anzulegen,

3. ein Mühleisen zu fertigen.

In Koblenz forderte man für das Meisterstück im 16. und 17. Jahrhundert:

1. ein Pferd zu beschlagen ohne vorher das Maß des Fußes genommen zu haben und das Eisen „in zwei Hitzen“ fertig zu machen,

2. ein breites Zimmermannsbeil von einem Werkschuh Größe zu fertigen, wovon das Ohr fünf Zoll hoch sein sollte,

3. einen zwei Fuder Wein tragenden Wagen zu beschlagen, bei jedem Rad von einer Schiene Maß zu nehmen und dabei Rädernägel mit gestumpften Köpfen selbst zu schmieden. Nach dein Meisterstück mußte der Geprüfte in der Lage sein, ein Haus zu erwerben, sofern er nicht schon eines besaß, auf dem die Schmiedegerechtsame ruhte.

Schon diese kurzen Andeutungen lassen erkennen, daß der Beruf der Schmiede seit Jahrhunderten in eine bestimmte Rechtsordnung eingefügt war. Diese wurde schon wirksam, wenn ein Lehrling angenommen werden sollte. Er mußte den Beweis erbringen, daß er von ehelicher und ehrlicher Geburt war. Bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts war diese Bestimmung so streng, daß auch die Abstammung insofern ausschlaggebend war, als mehrere Berufe ausgeschlossen waren, von denen Lehrlinge für das Schmiedehandwerk abgestellt werden sollten. Nach einer Probezeit von 4 Wochen erfolgte das förmliche Aufdingcn, später das „Einschreiben“ genannt. Das Lehrgeld war je nach Ort und Zeit verschieden. Wenn ein Lehrling ausgebildet war, so durfte der Meister erst nach Ablauf eines Jahres einen neuen Anwärter für die Lehre annehmen.

Der wandernde Gesell

Die Lossprechung des Lehrlings erfolgte ehedem mit einer gewissen Feierlichkeit und manchen Zeremonien, die mit Unkosten verbunden war. Die reich verzierten Lehrbriefe wurden verschiedentlich vom Rat der Stadt ausgefertigt und unterzeichnet.

Auflage des Meisters und des Altgesellen war es, den „Junggesellen“ mit allen Förmlichkeiten, die auf der Wanderschaft zu beachten waren, zu unterweisen. Die Chronisten berichten über die dabei zu beachtenden Zeremonien und Sprüche allerlei ergötzliche Dinge. So z. B. „Ich will dir sagen, wann’s gut wandern ist, zwischen Ostern und Pfingsten, wenn es fein warm ist, wenn der Beutel mit Geld gespickt und die Hose geflickt und die Haare durch den Hut, so ist das Wandern gut.“ — „Wenn du heut oder morgen einmal wandern mußt, so nimm einen feinen Abschied von deinem Meister des Sonntags mittags, wenn du gegessen und gebetet, nicht in den Wochen, denn es ist nicht Handwerksbrauch, daß einer in der Wochen aufsteht. Und zum Lehrmeister sagst du: ,Ich sage Euch Dank, daß Ihr mir zu einem ehrlichen Schmiedehandwerk verholten habt.'“ Es folgen dann Verhaltungsmaßnahmen für den Aufenthalt an fremden Orten und besonders im Ausland.

Die Herberge

war ein bestimmtes Wirtshaus, das der Bruderschaft der Schmiede als Versammlungslokal diente. Meister und Gesellen waren verpflichtet, der Bruderschaft anzugehören. Bereits im alten Rom haben sich die Schmiede zu einer Berufsorganisation, der „fabriferrari“ zusammengeschlossen. In Deutschland entstanden die Gilden und Innungen erst im Mittelalter. In ihrer Herberge hatten sie die Möglichkeit ,die Steuer- und Berufsinteressen zu beraten und auch die Geselligkeit zu pflegen.

Jedem wandernden Gesell war es zur Pflicht gemacht, die Herberge zu besuchen. Und das taten sie wohl auch recht gern, denn hier erhielten sie eine preiswerte, wenn nicht kostenlose Unterkunft. Am Abend fanden sich Meister und Gesellen in der Herberge ein, um dem Einkehrer für seinen weiterer) Weg behilflich zu sein. Meist erhielt er einen festgesetzten Geldbetrag. Alle Zusammenkünfte, besonders die, in denen die amtlichen Zusammenkünfte der Innungen und Gilden stattgefunden haben, nannten sie „Schenke.“ oder das „Schenke halten“. Meister und Gesellen entrichteten bestimmte Beiträge, die in der Innungslade, die kunstvoll und schwer beschlagen war, gesammelt wurden. Aus diesen aufgesparten Beträgen schöpfte der Innungsmeister die Unterstützungen für den „Willkomm“ der wandernden Gesellen. Soweit Geld vorhanden war, wurden im Jahr drei „gute Montage“ gehalten, wobei ein gewisser Betrag aus der Innungskasse gemeinsam vertrunken wurde.

Unseres Schmiedes stolzestes Werk war immer ein gutes Hufeisen, von dessen Paßform und Güte das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der Pferde abhing. Es ist durchaus reizvoll, auch etwas über

die Geschichte des Hufeisens

zu erfahren. Es ist unbestritten, daß die Chinesen den Hufbeschlag schon viele Jahrhunderte vor uns kannten. Europa hat das Hufeisen, das mit Nägeln befestigt wurde, vom Orient übernommen.

In den Anfangen der Fertigung eines Hufschutzes für Pferde waren Sandalen aus Eisenblech im Gebrauch, die später durch stärkere Eisenplatten abgelöst wurden, die man mit Riemen von härtestem Leder an den Füßen der Pferde kunstvoll festgebunden hat. Das Altertum berichtet uns von „Schuhen“, die von Ochsen und Kamelen getragen wurden. Bei den alten Griechen war das Hufeisen schon allgemein bekannt, weil Pferde und Maultiere in der Kriegsführung eingesetzt wurden. Von ihnen und den östlichen Reitervölkern übernahmen die Römer den Hufbeschlag.

Das ältere germanische Hufeisen soll aus dem Jahre 481 stammen, das als Grabbeigabe des Frankenkönigs Childerich I. gefunden wurde. Doch war der Gebrauch von Hufeisen im germanischen Raum noch sehr spärlich, erst im 9. Jahrhundert war er allgemein gebräuchlich. Der Chronist berichtet, daß die Pferde des Markgrafen von Toskana und von vielen Reichen seiner Zeit (um 1038) Hufeisen aus Silber trugen, die mit silbernen Nägeln befestigt wurden. Manche ließen die Hufeisen sogar vergolden. Wurde ein solch wertvolles Hufeisen gefunden, dann durfte es der Finder behalten. Vielleicht haben wir hier die Wurzeln für den Aberglauben vom „glückbringcn Hufeisen“ zu suchen.

Der Grobschmied als Künstler

Mit einem Kleinstmaß von Werkzeug — Hammer, Amboß und Zange—haben es die Schmiede bis auf den heutigen Tag vermocht, hervorragende Kunstwerke zu schaffen. Der Hammer hatte im Altertum eine tiefe Bedeutung; beim germanischen Gott Thor war er das Sinnbild der Macht, und beim römischen Priester war er das Zeichen der Würde. Die Griechen erblickten in der Person des Gottes Hephästos den Erfinder des Hammers. Der Beiname „Hammer“ war eine Auszeichnung für Tapferkeit und Staatsklugheit, wie es der Ehrenname des fränkischen Hausmeisters Karl „Martel“ zum Ausdruck bringt. Auch bei der Landnahme der Germanen spielte der Hammer eine große Rolle im Rahmen des Rechtlebens, denn das Grundeigentum des Germanen reichte so weit, wie er den „Hiebhammer“ werfen konnte. Der Schmied hatte also bei seinen Werken zu hämmern und zu schweißen. Als Verfeinerung seiner Arbeiten kam das Tauschieren, das in eingelegten Verzierungen bestand, und das Ätzen hinzu. Das Tauschieren übernahmen die Schmiede von den Kreuzfahrern bzw. von den Türken, deren Waffen tauschiert oder damasziert waren.

Foto: Dr. Wolff & Tritschler
Die schmiedeeiserne Bekrönung des »Schönen Brunnens“ in Neisse

Bei der Damaszierung wurde der Stahl mit flammigen, aderigen Zeichnungen versehen. Man ritzte diese in das Eisen und füllte die Rillen mit Silber oder Gold. Bei einer anderen Bearbeitungsart wurde das Eisen gerauht, worauf man ‚das Silber oder Gold hämmerte.

Zahlreiche Kleinode von alter und neuer schmiedehandwerklicher Kunst im ganzen Raum Deutschlands zieren unsere Städte durch prunkvolle Brunnen, Portale, Türbeschläge, Ranken, Blüten und Blätter und Embleme der Handwerker an öffentlichen Häusern. In allen deutschen Domen und alten Kirchen sprechen uns Kunstwerke schmiedeeiserner Arbeiten an. In einigen Landschaften, so in Bayern, Schwaben und Schlesien, sind die schmiedeeisernen Grabkreuze berühmt. Jedes dieser Grabdenkmäler ist ein Kunstwerk für sich und kündet den Einfallsreichtum gläubiger Kunsthandwerker.

So haben sie durch diese Kunstwerke die durch lebhaften Mandel und Wandel erblühten Städte besonders bereichert und zu ihrer Verschönerung beigetragen. Die Hochkultur des Schmiedehandwerks offenbaren uns insbesondere die Schlösser, Patrizier- und Bürgerhäuser, die Dome und Kirchen.

Die Schmiedemeister waren daher besonders geachtet und häufig Mitglieder des Stadtrates. Und Jahrhunderte hindurch hat der wandernde Schmiedegeselle heimisches Können und die deutsche Sprache durch die Länder zwischen Stockholm und Rom, zwischen Antwerpen, Wien, Danzig und Krakau getragen, um seine in der Heimat entzündete Kraft und Fertigkeit mit jener der Gastländer zu messen oder auch Anregungen zu erhalten.

Abschließend wollen wir noch feststellen, daß dieser angesehene Berufsstand von der deutschen Literatur seit ihren Anfängen bis zur Gegenwart pfleglich beachtet worden ist. Wir denken dabei nur an die Sagen „Wieland der Schmied“, an „Jung-Siegfried“ und an die vielen Überlieferungen, die nur Rühmliches über den Schmied und sein ehrbares Handwerk berichten; denn er war immer ein bereitwilliger Helfer und daher auch eine vertraute und geachtete Erscheinung, namentlich in der Land- und Kleinstadtbevölkerung.