treue liebe auf burg Hammerstein
Eine wahre Begebenheit aus dem Jahre 1020 n. Chr.
Von Leo Stausberg
Lange bevor ein Ritter auf den Gedanken kam, auf dem kühnen Grauwackefelsen des Hammerstein ein festes Schloß zu bauen, hatten die heidnischen Bewohner des Engersgaues ihn zu einem Donarheiligtum auserkoren. Das gab dem Felsmassiv und auch der grünen Rheininsel zu seinen Füßen den Namen. Drei Hämmer, Donars Wahrzeichen, führten die Herren von Hammerstein daher auch — silbern auf rotem Grunde — in ihrem Schilde. Das Vorhandensein eines alten Bildstocks der Hl. Dreifaltigkeit: eines urtümlichen „Gnadenstuhls“ aus Lavastein, zu dem heutigentags noch in der Oktav von Trinitatis die Waller ziehen, läßt eine weitere vorchristliche Kultstätte auf dem Hammerstein vermuten, älter als das Donarheiligtum, die wahrscheinlich noch in die Keltenzeit zurückweist und die den „drei Ewigen“ geweiht war, jenen Muttergottheiten (Matronae), deren Verehrung bei den Kelten des rheinischen Raumes so hoch in Blüte stand.
Die spärlichen Trümmer der Burg lassen nur schwach erkennen, wie mächtig und trutzig einst diese wichtige Reichsund Zollfeste in den Strom hinab grüßte. Dem Torso des Bergfrieds sieht man es nicht an, daß in ihm ein tapferer Ritter drei Monde lang einem Kaiser getrotzt, bis ihn quälender Durst bezwang. Aber auch heute noch gibt der Augenschein dem Chronisten von 1020 („Vita Meinwerci“) recht, der von ihr sagt: „Castellum Hamerstein, quam naturae ope non hominum arte, saxigenis undlque moli-bus murotam Rhenique circumferentia adeo munitam faciunt, ut difficilibus cui-libet vel obsidendi vel quoque modo oppugnandi non dat accessum“, d. i. „Burg Hammerstein, der mehr durch das Werk der Natur als durch menschliche Kunst Schutz gegeben war, da sie von allen Seiten von Mauern, von gewaltigen Felsen und vom Rhein umschlossen, dem Angreifer, der sie belagern oder auf irgendeine Weise bekämpfen wollte, keinen Zutritt gestattete.“
Das dramatische Geschehen, das hier in historischer Treue dargestellt werden soll, ist nur wenig bekannt. Der Roman „Hammerstein“, der Alice Gramer (1906, Verlag Singer in Straßburg), der die Ereignisse zum Gegenstand hat, kann keinerlei Anspruch auf historische Treue erheben. Der Verfasserin scheinen die Geschehnisse nur oberflächlich bekannt gewesen zu sein. So ist die darin geschilderte Zerstörung der Burg Rheineck zu diesem Zeitpunkt und in diesem Zusammenhang völlig unhistorisch. Diese geschah erst 1151 durch Konrad III.
Doch hören wir, was die Chronik zu melden weiß:
Man schrieb das Jahr 1020. Kaiser Heinrich II., der letzte Ottone, den man später den Heiligen hieß, hatte am heiligen Osterfeste den Vater der Christenheit, Benedikt VIII., in seinem Dome zu Bamberg feierlich empfangen. Hilfeflehend kam der Papst, denn die Griechen waren in Süditalien eingefallen und bedrohten die Ewige Stadt. Der Kaiser, als getreuer Schirmvogt der römischen Kirche, versprach Hilfe und ließ zu einem Heerzug rüsten. Getröstet schied der Papst, nachdem er noch dem Grabe des hl. Bonifatius in Fulda die Ehre seines Besuches erwiesen. Ehe jedoch Kaiser Heinrich den Marsch über die Aloen antrat, kam eine Botschaft des Mainzer Erzbischofs Erkanbald, der des Kaisers Waffenhilfe ebenfalls erheischte. Was war der Anlaß?
Erkanbald, den der Kaiser selbst im Jahre 1013 als Nachfolger des berühmten Wagnerssohnes Willigis auf den Stuhl des Erzstifts Mainz gesetzt, lag in Fehde mit dem Gaugrafen des Engersgaues, Otto von Hammerstein aus dem königlichen Geschlecht der Konradiner. Schon längst war sowohl dem Mainzer als auch dem Trierer .Kirchenfürsten, dem der Engers-gau kirchlich unterstand, die Zollburg auf dem Hammerstein ein Pfahl im Fleische und ein Dorn im Auge. Ihr Argwohn entdeckte eine Blöße des Gegners: Otto heiratete die schöne Irmingard, eine entfernte Base. Ihr Geschlechtername ist nicht überliefert. Alice Gramer nennt sie „von Yeringen“. Möglich, daß sie aus dem Wetterauer Geschlecht von Nuringen stammt. Bald ward ihrem Glück der Erbe Udo geschenkt. Die Kirche betrachtete damals Blutsverwandtschaft bis zum 5. Grade als Ehehindernis. Der Mainzer Erzbischof Erkanbald als oberster Würdenträger der deutschen Kirchenprovinz verbot die bereits vollzogene Ehe. Am 16. März 1018 wurde Otto von Hammerstein auf der Synode zu Nimwegen exkommuniziert. Aber Otto und Irmingard wollten sich nicht trennen, denn sie erkannten, daß es nicht so sehr Hirtensorge als vielmehr Übelwollen war, was diesen brutalen Schlag gegen ihr junges Glück geführt. Otto überfiel den Erz-bischof Erkanbald auf der Rückreise von Nimwegen, als er mit seinem Gefolge den Hammerstein passierte. Zwar entkam der Kirchenfürst, aber ein Teil des Gefolges ward in das Verlies der Feste Hammerstein gebracht. Vor den Fürstentag zu Birgein zitiert (1018), unterwarf sich Otto zwar scheinbar, setzte jedoch die Ehe fort. Das veranlaßte den Mainzer erneut zum Eingreifen. Er rüstete zu bewaffneter Intervention.
So standen die Dinge, als Erkanbalds Boten den Kaiser um Waffenhilfe baten.
Auch der Trierer Erzbischof Poppo von Babenberg — er trug die Inful des Erzstifts von 1016 bis 1047 — und der Kölner Erzbischof Heribert waren zur Entsendung eines Heerbannes aufgefordert worden. Der fromme Kaiser versagte sich seinem Schützling nicht, und auch der Trierer rückte mit Heeresmacht vor die Feste Hammerstein. Nur der Kölner blieb der Belagerung fern und ließ sich mit Krankheit entschuldigen. Er entsandte lediglich einige Schiffsmannschaften. Bald war das Felsennest umzingelt. Aber vergebens ließ der Kaiser stürmen. Die festen Mauern spotteten jedem Versuch, sich der Burg zu bemächtigen. Otto, von Irmingard bestärkt, dachte nicht an Übergabe. Sie selber kämpfte, einer Walküre gleich gerüstet, und trug schwere Verwundungen davon. Es ging schon in den Winter. Fluchend stampften die Wachen der Belagerer um die rings um die Burg glimmenden Wachtfeuer. In den überfüllten Quartieren der umliegenden Weiler und Höfe ging der Wein zur Neige, zumal, da der „Hammersteiner“, der schon damals nicht zu den schlechtesten Kreszenzen zählte, den durstigen Kriegern trefflich mundete. Die armen Winzer seufzten. Endlich brachten nach drei Monaten Hunger und Durst zuwege, was selbst der mächtige Kaiser nicht vermocht hatte: auf dem Bergfried wehte am Morgen des 26. Dezember 1020 die weiße Fahne. In Anerkennung ihrer Tapferkeit gewährte zwar der Kaiser den beiden Unglücklichen, Otto und Irmingard, und der Besatzung freien Abzug. Aber das Paar ward für vogelfrei erklärt und mußte den Gau verlassen. Überall fanden die Geächteten verschlossene Türen, dachten jedoch nicht an eine Trennung. Irmingard fand mit ihrem Söhnchen Udo zeitweilig eine Zuflucht in der Wetterau auf Burg Wetterstein bei ihrer Schwägerin, der Landgräfin von Hessen. Diese war eine Schwester des Gaugrafen Otto von Hammerstein. Die Landgräfin war Schwägerin der Kaiserin Kunigunde; ihr Gemahl, der 1019 verstorbene Landgraf Friedrich von Hessen, war der Bruder der Kaiserin, der Vater der beiden war Siegfried, Graf von Luxemburg (f 998).
Einem Vasallen zürnte der Kaiser und gedachte, ihn zur Rechenschaft zu ziehen: Erzbischof Heribert von Köln. Wohl wissend, daß dieser mächtige Kirchenfürst ihm heimlich Widerpart leistete, glaubte er an dessen Krankheit nicht. Heribert hatte sich im Jahre 1002 gesträubt, dem neuerwählten Herrscher des Reiches die in seiner Hand befindlichen Reichsinsignien auszuhändigen. Er hätte lieber den damaligen Reichsverweser, den Pfalzgrafen Ezzo von Tomberg-Brauweiler, den Schwager des soeben im fernen Italien verstorbenen Kaisers Otto III., als Thronfolger gesehen als den Sohn Heinrich des Zänkers. Nur widerstrebend hatte Heribert dann an der Krönung Heinrichs II. in Aachen teilgenommen, wie es seines Amtes war, aber noch jahrelang dem Rivalen Ezzo Vorschub geleistet. In Köln traf indes der Kaiser wirklich einen Todkranken an und söhnte sich mit ihm aus. Sie ahnten wohl beide nicht, daß die Kirche sie einst zur Ehre der Altäre erheben würde. Schon am 16. März 1021 starb der fromme Erzbischof auf einer Visitationsreise. Aber auch der streitbare Mainzer Erkanbald folgte ihm einige Monde danach im Tode.
Der Kaiser ernannte zwei bayrische Kleriker seiner Hofkanzlei zu ihren Nachfolgern: Pilgrim für Köln und Aribo für Mainz. Ersterer trug den Krummstab von 1021 bis 1031, letzterer bis 1036.
Indessen war das Hammersteiner Paar in drückende Not geraten. Wollte Otto wieder in seine Rechte als Gaugraf und Graf von Hammerstein eingesetzt werden, so blieb ihm kein Ausweg als die Trennung von Irmingard. Auf einer Synode zu Mainz am 2. Juni 1023 unterwarf er sich dem Spruch der Kirche und gelobte Besserung. Da aber zeigte sich seine getreue Irmingard als eine Frau von Mut und Tatkraft, die um ihr Eheglück zu kämpfen gewillt war. Ohne Mittel und ohne Schutz pilgerte sie nach Rom.
Wer vermag zu ermessen, was das zu damaliger Zeit bedeutete? Sie erlangte Audienz beim Papst Benedikt VIII., warf sich ihm flehend zu Füßen und bat unter Tranen um die päpstliche Ehedispens. Der Vater der Christenheit, ein Mann von hohem Sinn, erfüllte, gerührt von soviel Liebe und Treue, Irmingards Bitte. Freudig kehrte sie über die Alpen zurück. Auch der Kaiser respektierte den Schiedsspruch seines päpstlichen Freundes und setzte Otto wieder in alle Rechte ein. Nun aber protestierte der Mainzer Erzbischof Aribo dagegen, daß jemand aus seiner Kirchenprovinz ohne seine Erlaubnis nach Rom gereist und dort empfangen worden sei. Auf einer Synode der deutschen Kirchenprovinz im Jahre 1023 zu Seligenstadt stimmten seinem Protest zu: der Erzbischof von Trier und die Bischöfe von Augsburg, Worms, Bamberg, Würzburg und Straßburg, sowie zehn Äbte, darunter die von Fulda, Hersfeld und Lorch. Der Kaiser jedoch mißbilligte diesen Protest und entsetzte seinen eigenen Bruder, den Augsburger Bischof Brun, wegen der Teilnahme an der Synode seines Amtes. Der erzürnte Papst sprach gegen Aribo einen öffentlichen Tadel aus. Eine Erklärung für die hier zutage tretende Spannung zwischen Papst und Klerisei finden wir in «der Tatsache, daß der sittenstrenge Benedikt VIII. zu den Reformen des Klosters Cluny in Frankreich neigte, von wo aus damals die Wiederherstellung strenger klösterlicher Zucht ausging. Der Papst hatte u. a. den teilweise aus der Übung gekommenen Zölibat wieder einzuführen begonnen, wobei er auf erbitterten Widerstand des Weltklerus stieß, während der fromme Kaiser ihn in seinem Bestreben unterstützte.
Der päpstliche Tadel veranlaßte den Mainzer zur Einberufung einer zweiten Synode in Höchst am Main, wo aber nur die ihm unmittelbar unterstellten Bischöfe und Äbte zugegen waren. Die Synode verfaßte ein zwar ehrfürchtig, aber doch energisch gehaltenes Schreiben an
den Papst, das uns im Original erhalten ist, worin sie ihn beschwor, doch nicht der exkommunizierten Irmingard Gehör zu schenken. Wörtlich heißt es darin: „Wer vermöchte den Tränen zu gebieten, wenn auf die Angebereien eines Weibes hin unser Erzbischof auch nur des kleinsten Tei-lel seiner Ehre beraubt sein sollte! Ferne sei dies von Dir, o Herr, ferne von Dir, der Du als der erste nach Gott, als Petri Stellvertreter, mit Gerechtigkeit den Erdkreis zu beherrschen berufen bist!“ (A. Nobel: Deutsche Geschichte, Bonn 1949.) Aber noch ehe dieses Schreiben nach Rom gelangte, starb Papst Benedikt VIII. (1024). Sein Nachfolger und leiblicher Bruder Johann XIX. ließ die Sache auf sich beruhen. Einen Monat nach dem Papste starb der Kaiser Heinrich in Gro-nau und ward im Dom zu Bamberg, den er selbst erbaut hatte, beigesetzt. Noch heute birgt der herrliche Bau die Gebeine dieses großen Herrschers. An seinem Nachfolger Konrad II. fand Otto von Hammerstein einen tatkräftigen Helfer; denn auch dieser Kaiser lebte mit Gisela von Schwaben in einer von der Kirche angefochtenen Ehe. Als Konrad noch Herzog von Kärnten gewesen, hatte er die Witwe des 1015 verstorbenen Herzogs Ernst von Schwaben geheiratet. Beide aber waren von König Heinrich I. her blutsverwandt, Konrad im 4., Gisela im 5. Grade. Der sittenstrenge Kaiser Heinrich II. hatte die Ehe zwar nicht verbieten können, entzog jedoch auf Drängen der kirchlichen Behörde der Gisela die Vormundschaft über ihre Söhne aus erster Ehe, Ernst und Hermann. — Wie nachhaltig dieser Konflikt gewesen, zeigte sich, als Konrad im Jahre 1024 zum Nachfolger Heinrichs II. gewählt wurde: Der Mainzer Erzbischof Aribo verweigerte den Vollzug der Krönung, die ihm nach altem Herkommen zukam. Da tat es indes Erzbischof Pilgrim von Köln.
So waren günstige Umstände unserm Paar auf Hammerstein zu Hilfe gekommen und beendeten einen Konflikt, der zeitweilig das ganze christliche Abendland diesseits und jenseits der Alpen in Aufregung gebracht hatte. Otto und Irmingard konnten sich fortan auf ihrer festen Burg des schwer errungenen Eheglücks erfreuen. Aber auch hier durchkreuzte der Tod irdische Pläne. Im Jähre 1038 starb der Sohn Udo, und noch im selben Jähre der Vater. Die vielgeprüfte Irmingard folgte ihnen im Jahre 1043. Mit ihnen erlosch das Gaugrafengeschlecht des Engersgaues aus dem lahngauisch-konradinischen Hause. Uns aber bleibt Burg Hammersteins Ruine das Denkmal treuer Liebe einer edlen rheinischen Frau.
EIN NACHWORT
Wohl liegt die Burg Hammerstein nicht mehr im Kreise Ahrweiler. Doch ist es eine der schicksalsreichsten Burgen unserer näheren Heimat. Von unseren am Rhein gelegenen Orten ist sie sichtbar; sie grüßt jeden Reisenden, der von Remagen rheinaufwärts fährt. Auch ist dies „Beispiel treuer Liebe“ vom rein menschlichen Standpunkte aus so hoch und hehr, daß es im Heimatjahrbuch des Kreises Ahrweiler erzählt werden darf, zumal auch die „Herren von Hammerstein“ an manchen Orten des Ahrkreises als Grundherren oder Amtmänner und Gerichtsherren auftreten.
So ist Johann von Hammerstein, nachdem das Grafengeschlecht von Are-Hochstaden in Altenahr ausgestorben war, einer der ersten kölnischen Burggrafen von Are.
1292 | finden wir Ritter Johann und seinen Bruder Gundolf von Hammerstein als Lehnsträger eines adeligen Gutes in Fritzdorf. |
1298 | heiratete die Hammersteinerin Beatrix den Burggrafen Gerhard von der Landskrone. |
1327 | wird ein Sühnevertrag nach einer Fehde, die die Stadt Sinzig mit mittelrheinischen Adelsfamilien führte, geschlossen. |
In diesem Sühnevertrag wird ein Herr von Hammerstein erwähnt, der in Sinzig wohnt. Ohne sein Wissen und Willen darf die Stadt fürderhin keine Bündnisse mehr schließen. Die Wächter der drei Sinziger Stadttore müssen dem Sinziger Hammersteiner den Diensteid leisten.
Als Grundbesitzer in der Gemarkung Ahrweiler stifteten die Hammersteiner im Jahre 1734 zwei Stationen am Fuße des Kalvarienberges, die deshalb auch die drei Hämmer, das Wappen der Hammersteiner, heute noch aufweisen.
Auch das berühmteste Rittergeschlecht der Stadt Ahrweiler, die von Blankart, rühmen sich der Abstammung aus dem Geschlecht von Hammerstein, weshalb die von Blankart ja auch den Hammer, das Donarzeichen, im Wappen führen.. So ist es angebracht, das Lob der treuen Hammersteiner auch im Jahrbuch des Ahrkreises zu künden.