Thomas Hood berichtet über einen Ausflug an den Laacher See im Jahre 1836
Thomas Hood berichtet über einen Ausflug an den Laacher See im Jahre 1836
Heino Möhring
Der englische Autor und Humorist Thomas Hood (1799-1845) faßte 1835 den Entschluß, nach Deutschland zu gehen, von wo aus er die Arbeiten an seiner Jahresschrift „The Comic Annual“ fortzusetzen gedachte. Noch im März desselben Jahres trat er seine Reise an und begab sich auf den Rat seines Freundes Charles Went-worth Dilke nach Koblenz, wohin er auch seine Frau mit seinem erst wenige Monate alten Sohn nachkommen ließ. Thomas Hood bewunderte die Stadt am Zusammenfluß von Rhein und Mosel. Das Rheintal beschrieb er als „wunderschön“ und „großartig“. In einem Brief an seinen Freund Dilke berichtete er über einen Ausflug an den Laacher See, den er mit einem Bekannten von Koblenz aus unternommen hatte.
„Wir haben einige kleine Ausflüge gemacht. Einen zum Laacher See in die vulkanischen Berge. Wir brachen am Rosenmontag auf, doch berücksichtigt man die Beschaffenheit des Bodens auf unserem Weg, hätte es eigentlich schon Aschermittwoch sein können. Selbst die Aasgeierwären hier nur Aschenputtel. Die Mauern und Häuser dort in der Gegend sind aus Lava gebaut, und von dem See nimmt man an, daß er einen erloschenen Krater ausfüllt. Was für ein lieblicher, kleiner, abgelegener See das ist, eingebettet zwischen Bäumen und am Rande eines Bergkamms gelegen, nicht wie das Nest eines Adlers, sondern eher wie das eines „Wasser-Rochs“ (der Roch ist ein Riesenvogel aus der orientalischen Fabelwelt). Man sagt, daß der See in der Mitte 200 Yards tief sein soll, und daß sein Wasser übernatürlich klar ist. Wir fischten, aber konnten natürlich nichts fangen, obwohl es dort große Hechte und Barsche geben soll; in Wirklichkeit, war es so, daß sie meine Angelschnur selbstverständlich von unten sehen mußten, da ich sie ja auch von oben sah.
Man findet dort eine verfallenen Kirche mit Klostergebäuden, Mönchsgut und Gärten bieten eine wunderbare Residenz. Dort trafen wir auch einen Referendarius, der sich nicht darum kümmert. Was füreine Einstellung! Er ist selten dort. Es ist ein herrlicher Ort. Ich verehre die alten Mönche ihres Geschmacks wegen, mit dem sie ihre Unterkünfte erbaut haben. Ich dachte bei mir, als ich durch ihre Zellen wanderte, daß ich genausogut selbst ein Benediktiner hätte sein können, erst recht, als ich, wie ein Zeichen für ein gutes Wildbret hier drin, ein Paar hoher Geweihstangen über einer der Türen entdeckte. Wir haben diesen Ort zum Besuch für dich vorgemerkt, wenn Du kommst. In der Tat, wir haben bei unserer Landpartie an Dich gedacht und tranken unseren Wein auf Deine Gesundheit; und da die „Gastgeber“ nicht da waren, mußten wir unsere kalten Bratenstücke selbst mitbringen.
Der Rückweg führte durch eine Landschaft, die mich an einige der romantischen Gegenden in Schottland erinnerte, jedoch in einem viel größeren Ausmaß und viel abwechslungsreicher bewaldet. Durch Bergpässe, entlang flinker, gewundener Forellenbäche stießen wir plötzlich aufTönisstein, einem kleinen Brunnen in einem reizenden Tal. Ich fragte die Priesterin (eine dralle, junge Mamsell mit einer kölnischen Haube, die, wie Du weißt, irgendwie einem Suppenteller aus Musselin ähnelt) ganz ernst, ob das Wasser gut für einen Mann mit Frau und Kindern sei; und gleichfalls ernst antwortete sie bejahend, indem sie mir ein Glas „Kribbelwasser“ überreichte. Mit Wein und Zucker trinkt es sich wie Champagner, aber nicht vermischt tut es gut.
Blick auf den Laacher See vom Lydiaturm aus (1993)
Aber, oh Gott! Auf was für einem von Schießpulver überhäuften Land leben wir Deutschen eigentlich? Ich scheine hier kaum sicherer zu sein als Dein Bruder in Chichester (Anspielung auf ein Erdbeben). Jede Quelle unter uns scheint heiß oder kalt zu kochen. Wäre ich hier Grundbesitzer, so würde ich allein schon einige Beben verspüren, wenn ich daran dächte, daß alles zwischen der Luft und dem Erdmittelpunkt mein eigen wäre. Ich sollte mich lieber damit begnügen, die obere Kruste des Bodens zu bestellen, anstatt zu neugierig Bergbau zu betreiben. Gott möge uns allen helfen, wenn unsere teutonische Erde einmal von einer akuten Entzündung in der Magengegend ergriffen werden sollte, an Stelle der offensichtlich chronischen, an der sie leidet! Wenn es dort unten irgendwelche lebenden Echsen gäbe, so müßten sie Feuersalamander sein.“
Beim Vergleich von Thomas Hoods Aufzeichnungen mit denen vieler seiner Landsleute fällt auf, daß er sich bei seinen Schilderungen und Landschaftsbeschreibungen zurückhaltender und weniger schwelgerisch ausdrückt. Das ist aber kein Anzeichen dafür, daß er nun als ein nüchterner Mensch anzusehen ist, an dem die Ergriffenheit und Schwärmerei jener Zeit vorbeigegangen sind. Vielmehr sollte man hier berücksichtigen, daß es zum Charakter und Stil Hoods gehörte, Einzelheiten mit Scharfsinn hervorzuheben, um sie bei fast jeder sich bietenden Gelegenheit zu komischen Anspielungen und humoristischen Vergleichen zu nutzen. Man sehe in diesem Zusammenhang seine Begründung für den Mißerfolg beim Angeln im Laacher See, die Darstellung der „Priesterin“ am Tönissteiner Sprudel oder seinen hintersinnigen Vergleich derVulkaneifel miteinem Pulverfaß, ohne dabei den Seitenhieb auf die gesellschaftspolitische Situation auf unserem Erdball zu vergessen. Sein Text ist mit sprachlichen Spitzfindigkeiten geradezu durchsetzt, von denen viele aber durch die Übertragung ins Deutsche ihre Spannung und ihren Reiz verlieren.
Literatur:
The Letters of Thomas Hood, Ed, Feier F. Morgan, Toronto; Universitly of Toronto Press. o.J.
Watter Jerrold. Thomas Hooä: His Life and Times, New York: Haskell House Publishers Ltd. 1968.
Möhnng, Heino. Reiseimpressionen vom Mittelrhein zwischen Ander-nach und Remagen. Berlin: USSL-Werbung. 1987