Stilblüten aus und im Verkehr mit der Verwaltung
Werner Keller
Bauen verlangte schon immer Geduld
Ein Bauer, alter Landadel, d. h. im Rheinland ein über Generationen vererbter großer Bauernhof, der durch Zuheirat vergrößert wurde, wollte neben Haus- und Wirtschaftsgebäuden ein Anwesen, das sogenannte Altenteil bauen. Der Bauantrag, der schon lange der Kreisverwaltung zur Genehmigung vorlag, wurde weder genehmigt noch abgelehnt. Auf schriftliche Rückfrage des Antragstellers erhielt er, wieder nach langer Zeit, einen Zwischenbescheid, in dem ihm mitgeteilt wurde, es sei noch ein Anhörverfahren notwendig. Der Bauer richtete nun an den Amtschef, wie er den Leiter der Amtsverwaltung nannte, folgenden Brief: »Mein Bauantrag ist schon so alt, daß er zum Himmel stinkt. Da schreibt die hohe Baubehörde es wäre noch ein Anhörverfahren notwendig. Das kann ich nicht verstehen, wo doch jeder klar denkende Mensch weiß, daß die hohe Baubehörde lange genug Zeit hatte, um eine solche Anhörung, vorausgesetzt es ist notwendig, herbeizuführen.
Das nennt sich nun Demokratie. Wenn man nicht jeden Tag im Radio hörte, wir hätten eine, müßte man ja glauben es wäre eine Diktatur. Ich bitte Sie, Ihre Autorität einzusetzen, damit nun endlich die Genehmigung erteilt wird. Mit der Ihnen gebührenden Hochachtung!«
Der Saldo
Einem Bauunternehmer, der wegen des Jahresabschlusses die Amtsverwaltung in einem Brief bat, ihm den angeführten »Saldo« zu bestätigen, antwortete der Leiter des Amtsbauamtes u. a. wie folgt: »Der bestätigte Saldo wird Ihnen in den nächsten Tagen überwiesen.« Der Behördenleiter unterschrieb nicht, sondern bemerkte am Rande, »der Mann will Geld haben«.
Der Polizeibericht
Nach dem ersten Weltkrieg war in einem Badeort des Kreises ein Polizeihauptwachtmeister tätig, der im Volksmund »Kinderpolizist« genannt wurde, weil er sich mehr mit Kleinigkeiten als mit seinen eigentlichen Aufgaben beschäftigte. Eines Tages legte er seinem Vorgesetzten folgenden Bericht vor:
An den Herrn Bürgermeister als Ortspolizeibehörde
Als ich gestern abend bei meinem Kontrollgang durch die Kuranlagen am Bahnhof ging, hörte ich hinter einer Hecke das mir wohlbekannte Geräusch des außerehelichen Beischlafes.
Als ich rief »Wer ist da?«, stürzte ein Mann aus der Hecke, schlug mir den Helm und er selbst den Weg zum Bahnhof ein. Trotz sofort aufgenommener Verfolgung gelang es mir nicht den Delinquenten zu fassen. Der Bürgermeister unterstrich die Worte »wohlbekannte Geräusch des außerehelichen Beischlafs« und schrieb an den Rand des Berichtes: »Wie ist der Unterschied?« (Den Originalbericht hat der Autor während des Krieges in Berlin in einer Ausstellung des Preußischen Staatsarchivs in einer Vitrine entdeckt).
Und das beim Jugendamt
Bekanntlich können Besatzungssoldaten nicht als Zahlvater in Anspruch genommen werden, wenn sie in besetzten Gebieten Kinder zeugen. So war es auch nach dem II. Weltkrieg, nach dem totalen Zusammenbruch in Rest-deutschlan_d, wie der Rheinländer zu sagen pflegte. Eine Großmutter eines außerehelich geborenen Kindes, dem Worte des Erzeugers vertrauend, schrieb im Jahre 1947 folgenden Brief:
An den Herrn vons Jugendamt (vons mit rundem »s« geschrieben)
Der Jim hat gesagt, er würde für unser Kind (es folgt der Name) immer in blanker Dollar zahlen. Bis heute hat meine Tochter für das Kind noch keinen Pfennig bekommen. Wenn Sie nicht bald dafür sorgen, daß das Geld kommt, werde ich an dem Max Kleu (gemeint war der Hochkommissar Mac Cloy) schreiben, der wird Sie munter machen. Der Großvater eines außerehelich geborenen Kindes, der sich über die Besuche der Fürsorgerinnen beschwerte, schrieb an das Kreisjugendamt unter anderem: Statt uns ständig mit unnötigen Besuchen zu belästigen, sollten Sie sich lieber darum kümmern, daß wir eine andere Wohnung bekommen.
Meine Tochter muß unter der Gasuhr schlafen, zumal diese wieder schwanger ist.
Aus den Akten des Kreisjugend- und Sozialamtes, Kommentar überflüssig
Ich besitze nichts als mein Kind, alles andere hat mein Mann vertrunken.
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Mein Mann war schon immer sehr erregt und geriet bei jeder Kleinigkeit in Zorn. Seitdem er aus dem Krankenhaus gekommen ist, ist er noch reizvoller.
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Da ich den L. bereits von der Schulbank her kenne, darf ich behaupten, daß er ein Mensch ist mit einer derart niedrigen Gesinnungsart, welche teils unter dem Instinkt eines Tieres steht.
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Das Hemd und die Strümpfe dagegen, mit denen der Junge bei seiner Pflegemutter ankam, strotzten vor Löchern.
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Angesichts einer solchen Verdorbenheit kann man nur Hände und Füße zusammenschlagen.
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Er sollte es doch bei seiner niedrigen Gesinnung machen wie einst Petrus und hinausgehen und dreimal bitterlich krähen.
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Als ich meinem Mann in der Wirtschaft sein uferloses Leben vorhielt, geriet er in Streit und schlug mich dermaßen, daß ich zwei blaue Augen über die Straße tragen mußte. Sie wissen ja selbst, wer den Schaden hat, der spottet jeder Beschreibung.
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Sie wissen ja, mein Mann ist Kurmusiker. Ich habe an das Kreiswirtschaftsamt geschrieben wegen eines Bezugsscheines für eine neue Hose für meinen Mann, weil er in der alten keine Musik mehr machen kann.
Bei aller Gerechtigkeit
Ein von der Kindesmutter benannter Erzeuger ihres Kindes, der gebeten worden war, die Vaterschaft anzuerkennen und sich zur Unterhaltsleistung zu verpflichten, antwortete wie folgt: »Wegen des Kindes, wo Sie mich anschreiben als ob ich der Erzeuger sei, wie Sie für einen Vater sagen, mich zur Wahrheit ermahnen muß ich mir verbitten. In der Schule habe ich wohl einen Religionsunterricht gehabt. Von Meineid und seinen dies- und jenseitigen Strafen habe ich aber nichts gehört.«
Ein anderer Mann, dessen Sohn als Kindesvater in Anspruch genommen wurde, schrieb in einem umfassenden Brief zur Sache, wie er sich ausdrückte:
»Ich glaube meinem eigenen Fleisch und Blut mehr als wie dieser Kindesmutter, so umschreiben Sie sehr schön das Wort, was man früher hat noch laut sagen dürfen und mit einem großen »H« anfängt. Meinem braven Sohn habe ich gesagt, daß ich hinter ihm stehe, wenn Sie ihn verklagen. Wir schwören so lange, bis wir gewonnen haben.«Beim Kindschaftsprozeß
»Nein, ich habe nicht mit der Kindesmutter Geschlechtsverkehr gehabt, sondern nur einen »Fisterenöl«!
Auf Vorhalt des Richters: »Herr Zeuge, was ist ein >Fisterenöl<?«
»Herr Richter, das kann Ihnen als Fachmann da der Herr vom Jugendamt sagen.« Anmerkung: Fisterenöl ist im rheinischen Sprachgebrauch eine Beziehung zum anderen Geschlecht aber ohne Geschlechtsverkehr. Eine Kindesmutter sagt aus: »Ich habe den A. auf unserer Kirmes kennengelernt. Obwohl ich nur einen Lakör (sie sagte La statt Li) getrunken habe, machte er mich so willenslos, daß ich mich ihm hingegeben habe.« Der Richter: Fräulein Zeuge, warum wählen Sie das Wort »hingegeben«? Zeugin: Bevor ich zum Gericht gefahren bin, habe ich vorher mit dem Herrn Pastor gesprochen.
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Die Antwort eines Meldeamtes an das Kreisjugendamt nach der Anschrift eines in Anspruch genommenen Erzeugers lautete: Die Anschrift des »unehelichen« Kindesvaters ist hier nicht bekannt.