Stadt und Herrschaft Königsfeld
Gerhard Knoll
Schon im Jahr 1216 fassen mit Gerhard l die Burggrafen von Landskron im Fiskus Sirizig, und damit auch im weiten Umkreis Königsfelds, Fuß, als „Procurator“ des Kaisers Friedrich II. 1219 wird Gerhard l „villicus“, also Schultheis, von Sinzig und des dortigen Gerichts genannt, 1231 „baiolus“; Amtmann.
Als treue und tatkräftige Vasallen des Reichs, und besonders der Staufer, bleiben die Landskroner im Besitz dieser Amtmannstelle, die ihnen sicher beträchtliche Einkünfte sicherte, bis zum Tode des letzen Burggrafen Gerhard IV im Jahr 1370/71.
Direkten Einfluß in Königsfeld selbst erlangt Gerhard l im Jahr 1226, als ihm König Heinrich (VII) in Vertretung seines Vaters Friedrich II, der zumeist in Sizilien und Italien weilt, das Patronatsrecht der dortigen Kirche verleiht. Das ist zwar noch keine eigentliche politische Stellung, sichert dem Landskroner aber die Einkünfte der Königsfelder Kirche. Der König zieht zwar später dieses Recht wieder an sich und präsentiert persönlich seinen Kandidaten. So Rudolf von Habsburg im Jahr 1290. Erst Heinrich VII von Luxemburg belehnt Gerhard IV im Jähr 1312 wieder mit dem dortigen Patronatsrecht und mit dem Patronat der Kirche in Heckenbach. 1335 werden die Verleihungen durch Kaiser Ludwig dem Bayern bestätigt.
Ära 1. November 1276 bestätigt König Rudolf v. Habsburg Gerhard III die „…Vergünstigungen, Schenkungen und Belehnungen der Dörfer Königsfeld und Heckenbach, mit den dazu gehörenden Leuten, Rechten und Gerichtsbarkeiten, mit den Wäldern und Büschen innerhalb ihrer Grenzen, ferner mit den Einkünften und allem anderen zu diesen Dörfern oder Gerichten Gehörigen, wie sie von Uns und dem Heiligen Römischen Reich herkommen.. .“(Chronik, fol. 2 u. 2a).
Mit dem Jahr 1276 beginnt also die Geschichte des „Ländchens“ Königsfeld, die erst 1801 mit der Besitznahme der linksrheinischen Gebiete durch Frankreich ihr Ende findet. Das Gebiet des Ländchens wird hiermit, wenn auch zunächst nicht de jure, aber doch de facto, aus dem Fiskus Sinzig herausgelöst und als Reichslehen den Burggrafen von Landskron unterstellt. Es erscheint in der Folgezeit als reichsunmittelbare Herrschaft.
Wenn auch die Landskroner treue Vasallen des Reichs waren, so fügt sich doch diese Vergabe ein in eine Reihe ähnlicher Vergabungen, die zur endgültigen Demontage des einst sehr umfangreichen Reichsgutes am Mittelrhein führten. Zu erwähnen seien nur Andernach, Rheineck, Hammerstein. Aber auch der Fiskus Sinzig selbst, mit den Hauptorten Remagen und Sinzig und den dazugehörenden Dörfern, ist schon vor 1289 an Walram von Jülich-Bergheim verpfändet, und wurde im Lauf der nächsten Jahrzehnte dem Reich entfremdet.
Sollten, die Landskroner je daran gedacht haben, ihren Außenbesitz Königsfeld durch Erwerb, oder zumindest durch Einflußnahme auf den Fiskus Sinzig, mit ihren Besitzungen um die Burg Landskron herum zu verbinden, so war durch die Verpfändung Sinzigs und seine endgültige Besitznahme durch Jülich der Weg dazu versperrt.
In der o. a. Urkunde sind alle Rechtstitel angeführt, die die Grundlage zur Erlangung der vollen Landeshoheit bilden: Feststehende Bann- und Gerichtsgrenzen, Grundherrschaft, wenn auch eingeschränkt und mit fremden Gerechtsamen durchsetzt, Wildbann, Hohe und Niedere Gerichtsbarkeit, Steuer- und Patronatsrecht.
Auf der Grundlage djeser Rechte gelang es den Landskronern und deren Nachfolgern, ein, wenn auch kleines, so doch politisch eigenständiges Territorium aufzubauen, das trotz mancher Gefährdung die Zeiten bis zum Ende des alten Reiches unbeschadet überdauert hat.Stadt Königsfeld
Im Jahre 1336, am 1. September, verleiht Kaiser Ludwig der Bayer auf Bitten seines Getreuen Gerhard IV von Landskron dem Ort Königsfeld Stadtrechte. Die Originalurkunde scheint schon früh verloren, und nur noch in Abschriften vorhanden gewesen zu sein, deren sich auch Stifell in seiner Chronik bedient. Auch als die Königsfelder Bürger eine Abordnung nach Boppard schicken, um sich dort Rat wegen ihrer gefährdeten Stadtrechte zu holen, nehmen sie eine Abschrift der Stadtrechtsurkunde mit (vergl. auch 1 C Nr. 1764).
„Anno 1336 die Aegidii (= 1. Sept.) zu Passaw, erlangt dieser Gerhard bei Ludovico Imperator der Herrschaft Landtskrohn ein Kaiserlich privilegium … für sich undt seine Underthanen zu Königsfeldt inn der Vesten bei der Kirchen wohnendt, eine ewige immer wehrendte Freiheit nemblich
1. das die Leut zu Königsfeldt sich bewahren sollen undt mögen mit mauren undt mit graben, als eine statt von Recht, alle best sie mögen;
2. sollen haben ewiglichen alle wochen einen wochen markt, den selbigen zu halten uff den Sontagt;
3. alle Jahr ewiglichen einen Jahrmarkt, den sie haben sollen undt mögen des Sonntags Laurentii tagk (=10. August);
4. alle die, so die Jahr undt Wochenmarke suchen undt bewohnen, sollen sein inns Kaisers undt des Reichs besonderen friedt undt schirm, daß sie niemandt an ihrem Leib noch gutt leidigen oder beschedigen soll mit keinen Sachen, bei Kaiserlichen undt des Reiches Hulden;
5. alle Bürgere, so Inderzeit zu Königsfeldt wohnen, solllen haben, geniesen undt gebrauchen alle Freiheit, Recht, Vortheill, Ehre undt gute gewohnheit, die die Stat Popardt hat und bishero gehabt hat;
Königsfeld im Jahre 1725. nach einer Zeichnung von Roidkin
Repro: Kreisbildstelle
6. darumb soll keine des Reichs Fürst, Grave, Freiherr, Ritter, Knecht, Edtle undt Unedtle noch andere, wie sie genandt seindt, die vorgenahdte Bürgere zu Königsfelldt an den Gnadten, Freiheiten undt Rechten, von den Keisere gegeben, mit keinen Sachen leidigen noch beschwehren;
7. die dorwieder thetten, seindt inn des Reichs Ungnadt, undt dorumb verfallen Dreisig marck goltes, alls offte solche überfahrunge beschehe, halb inns Keisers undt des Reichs Kammer, die andere hetffte den Herrn zu Landtskrohn undt den Bürgeren, an denen die vorgenandte gnadt undt freiheit überfahren ist“ (Chronik, fol 3a, 4).
Wenn man von dem Recht des Mauerbaus und der Abhaltung eines Marktes absieht, so sind weiter keinerlei der bekannten „4 M-Rechte“, wie Maut- oder Münzrecht, oder andere Rechte erwähnt. Stattdessen der Hinweis auf die Rechte der Stadt Boppard.
Und so stellt sich denn, besonders bei der Verfolgung der weiteren Geschichte des Städtchens heraus, daß diese Freiung nicht unähnlich denen ist, die in dem „bekannten Sammelprivileg von 1332“ von demselben Kaiser auf Bitten des Erzbischofs Balduin von Trier für 30 Ortschaften im Trierischen gewährt und anscheinend sozusagen dutzendweise gehandelt wurden.
Zwar wird Königsfeld Stadt, Städtchen, Freiheit, auch schon bescheidener seit dem 16. Jh. Flecken genannt, aber es hat wahrscheinlich nie ein eigenes Siegel geführt, sondern benutzte in der Abordnung von 1593 das Kirchensiegel! Zwar werden „burgermeister und rhatt der bürger“ genannt, aber welche Befugnisse hatten sie?
Gab es überhaupt den Begriff „Stadt“, oder ist dieser Begriff im Mittelalter nicht sehr vielschichtig und abhängig von örtlichen, zeitlichen und politischen Gegebenheiten?
Der Mauerbau allein schafft keine „Stadt“, sondern nur einen vom übrigen Umland abgegrenzten Rechtsbezirk. Andererseits waren Städte, wie z. B. Remagen und Sinzig schon „Stadt“ im vollgültigen Sinne, ehe sie eine Befestigung bekamen. Andere Orte, wie Heimersheim, hatten eine Mauer ohne jegliche Stadtrechte, soweit wir wissen.
Obwohl der Urkundenbestand über Königsfeld als durchaus reichhaltig bezeichnet werden kann, fehlen solche Quellen über die innere Verfassung der Stadt weitgehend. Erst in Stifells Chronik werden Andeutungen und Hinweise, eher unbeabsichtigt, gegeben.
Halten wir uns zunächst an die Stadtrechtsurkunde:
- Die Freiheiten werden verliehen auf Bitten des Landesherrn. Er ist also, wenn auch als königlicher Lehensmann rechtlich eingeschränkt, der Herr der Stadt, und die Bürger seine Untertanen. Glauben sich die Bürger durch den Stadtherrn in ihren Freiheiten verletzt, so steht ihnen die Anrufung des Reichskammergerichtes zu, oder sie wenden sich gar direkt an den Oberlehnsherrn, den König oder Kaiser. So noch geschehen im Jahr 1651 (53 C 24 Nr. 24).
- Die Freiheiten werden verliehen den Leuten „in der Vesten bei der Kirchen wohnendt“. In der Veste haben wir zweifellos den ehemaligen königlichen, jetzt landskro-nischen Fronhof mit seiner Eigenkirche zu sehen, der als Zeichen seiner Immunität und auch zum Schutz wahrscheinlich mit Palisaden und Graben befestigt war (man beachte im Ortsbild den Verlauf der „Krummen Straße“ halbkreisförmig um die Kirche herum). Doch auch die beiden anderen Höfe, der Hammersteiner und Steinfelder Hof müssen in die verliehenen Rechte und in den Mauerring einbezogen worden sein, denn sie stellen ja, wie schon angeführt, jeder ebenfalls ein Drittel „der“ städtischen Schöffen. Der Stadtschultheiß oder Bürgermeister, ebenso der Landschultheiß, werden vom Herrn von Landskron ernannt.
Die Stadt erwächst also aus drei Höfen mit ihren abhängigen Hofstellen. Deren Areal wird ummauert, und somit in der Rechtspflege aus dem alten Gerichtsbezirk des Fiskus Sinzig herausgenommen. Die Stadt erhält ein eigenes Gericht, dessen Vorsitz dem Herrn zu Landskron wegen seines Zweidrittel Anteils an der Grundherrschaft, bzw. dessen Beauftragten, dem Stadtschultheiß zustand. Als Relikt der ehemaligen Zugehörigkeit zum Gericht Sinzig verblieb die „Appelationen von Königsfeldt uff Sinzig, alls für alters breuchlich“ (Chronik, fol 43a). Erhalten blieben die drei Hofgerichte mit jeweils einem Hofschultheißen und 5 Schöffen. Deren Befugnisse blieben jedoch nur noch auf dingliche Rechtsfälle beschränkt, die Höfe selbst betreffend. - Zum Bau und Erhalt der Mauern wurde den Bürgern wohl schon bald das Recht zur Erhebung einer Accise (Steuer auf Wein u. ä.), auch Ungeld genannt, eingeräumt. Erwähnt ist diese Accise aber erst im Jahr 1565 (Chronik fol 42).
- Der Wochen- und Jahrmarkt wurde auf dem Platz vor und- oberhalb der Kirche und auch wohl in den anstoßenden Gassen abgehalten. Als Zeichen des königlichen Marktfriedens stand dort bis etwa 1600 ein hohes Kreuz, an dem eine eiserne Hand und ein Schwert hingen, die den Schutz des Marktes durch den Stadtherrn symbolisierten.
Das Kreuz stand im Schatten einer Linde, an deren Stamm ein eisernes Halsband, also ein Pranger, befestigt war (vergl. die noch erhaltenen Halseisen in Unkelbach). Unter der Linde, „uff ihre gemeinen gewöhnlichen platze“, „in dem hohen gedinge doselbst“ tagte das Gericht (Chronik fol 41, 36 a). Ohne Schöffenurteil durfte niemand zum Tode verurteilt werden. Dies galt, nach Aussage Stifells, noch bis etwa 1550. Das bedeutet jedoch nicht, daß Schultheiß und Schöffen die Hohe Gerichtsbarkeit ausübten. Die Blutgerichtsbarkeit über „Hals und Bauch“ behielt sich in jedem Fall der Landes- und Stadtherr vor. Auch das Halseisen deutet darauf hin, daß es sich nur um vergleichsweise kleine Kriminalfälle handelte, die in die alleinige Kompetenz des städtischen Gerichts fielen und die, wie etwa der Verkauf untergewichtiger Ware oder üble Nachrede, mit Prangerstehen bestraft wurden.
Als im Jahr 1589 spanische Truppen das Halsband abmontierten und mitnahmen, verbot 1593 Johann Reichart Waltbott von Bassenheim als Mitherr von Königsfeld, das Halsband wieder anzubringen. In seinem Bestreben, die volle Landeshoheit über Stadt und Land zu erlangen, erschien Waltbott dieses kleine Zeichen bürgerlicher Freiheit wohl zu symbolkräftig. Auch das Marktkreuz wird wenig später abgebaut worden sein. - Die Erhebung der Accise setzt eigentlich eine wie auch immer geartete Stadtkasse voraus“. Auch das Recht, ein Viertel der Strafgelder für die Übertretung des Marktfriedens einzuziehen, läßt an die Existenz einer Stadtkasse denken. Erwähnt allerdings ist sie in keiner Quelle.
- Das „Ländchen“ Königsfeld war verpflichtet, Reichs- und Landsteuern zu zahlen, und zwar wegen seiner ehemaligen Zugehörigkeit zum Fiskus Sinzig. Wegen der Verpfändung des Fiskus Sinzig an den Herzog von Jülich war dieser angeblich berechtigt, jene Steuern einzuziehen. Dies wurde wenigstens in einem Prozeß vor dem Reichskammergericht im Jahre 1561 behauptetes C 24 Nr. 9, Punkt 17). Das gleiche gilt für die sogenannte „Türkensteuer“ (ebd. Punkt 18).
Interessant hierbei ist, daß bei der Erlegung der Steuern genau unterschieden wird zwischen den Bürgern der Stadt und den Einwohnern des „Ländchens,, — „Insonderheit über besonder habende kayserliche freyheit, das die Burger oder inwohner zu Konnigsfeldt … kein Tribut, Reichs oder Lansteuern, schätz geben, sonder allein die do Zugehörige ein gewohnlichen schätz nach jarlichen fruchtwachs eben messig mit fron dienst, pfacht und Zinß, Jahrs Ihrer herrschafft erlegen… Desgleichen geben allein die Dorffleuth, und nit die Inwoner im flecken Konnigsfeldt Rauchhüner, weydthämmel, Zehendt Lämmer…“ (53 C 24, Nr. 13, Punkte 22 u. 23).
Hier lassen sich also aus einer Urkunde des Jahres 1588 einige wesentliche, vom Kaiser verliehene Rechte fassen, wobei zugleich eine RechtsunglQichheit zwischen den Stadtbewohnern und den übrigen Einwohnern des Ländchens festgestellt werden kann — die Bürger der Stadt haben gegenüber den übrigen Untertanen das „bessere Recht“. Sie sind von den typisch grundherrlichen Abgaben, den Rauchhühnern (ein Huhn pro Jahr von jedem Wohnhaus), Weidhämmeln (beim Maiauftrieb der Herde darf sich der Grundherr den stärksten Hammel aussuchen), und Zehntlämmern (jedes zehnte Lamm steht dem Grundherrn zu) befreit, und erlegen nur eine „Ertragssteuer“, bezogen auf die Ernte, d. h. den Zehnten.
Die Bewohner der umliegenden Dörfer jedoch haben die volle Abgaben- und Steuerlast zu tragen. Dies sind die Rechte, die sich mehr oder weniger deutlich fassen lassen. Im übrigen wird auf die-Bopparder Stadtrechte verwiesen. Daß sich die Bürger selbst über ihre Rechte nicht ganz im Klaren waren, beweist die schon oben angeführte Abordnung von 1593. Die Bopparder Stadtrechte selbst sind niemals kodifiziert worden, auch hatte Boppard wiederum Frankfurter Recht, und schon 1327 begann mit der gewaltsamen Einnahme der Stadt durch Erzbischof Balduin von Trier der Abbau der Freiheiten.
Anders als in Boppard waren die Königsfelder Bürger nie völlig von grundherrlichen Lasten, Steuern, Abgaben, Malzwang und Fronden befreit, auch wenn sich die letzten in bescheidenem Rahmen hielten, und bald durch Geld abgegolten wurden.
Auch finden wir nicht die Zweiteilung von Bürgermeister und Rat einerseits, und Gerichtsschultheiß und Schöffen andererseits, wie es sich z. B. in Ahrweiler bei der Verwendung zweier verschiedener Siegel ausdrückt. Auch fand keine Wahl von Schultheiß und Schöffen statt, sondern diese wurden in Königsfeld vom Landes- und Stadtherrn ernannt und eingesetzt, und zwar im Hof der Burg (zuerst erwähnt für das Jahr 1344), die inmitten eines Weihers an der südwestlichen Seite der Stadtmauer lag. Das Fehlen eines Stadt- oder Schöffensiegels wurde bereits erwähnt.
Aus all dem geht hervor, daß der Landesherr in der Person Gerhards IV von Landskron sich die volle Verfügungsgewalt über die Stadt vorbehalten hat. Von den verliehenen Rechten lassen sich also nur Mauer- und Marktrecht, Reichssteuerfreiheit, und einige bescheidene Ansätze der Selbstverwaltung und der niederen Gerichtsbarkeit erkennen, die zudem nach der Mitte des 16. Jh. von den Waltbott von Bassenheim systematisch abgebaut werden. Daran ändert auch die Forderung nichts, bei allen nach 1371 erfolgten Teilungen und Verpfändungen die Stadt bei ihren „Rechten und Freiheiten“ zu lassen.
Damit sinkt Königsfeld wieder zu einer Ackerbauersiedlung herab, zumal auch der wirtschaftliche Unterbau fehlte, und der Markt wohl nur regionale Bedeutung für die Orts wie umwohnende Bevölkerung hatte. Hinzu kommt noch die ungünstige Verkehrslage — die Kohlenstraße, wenn diese überhaupt noch eine Bedeutung für den Handel hatte, verlief 2 km südlich am Ort vorbei.
Andere Rechte der Untertanen in Stadt und Land Königsfeld
Die Herrschaft der Landesherrn ab 1276 war eingeschränkt durch einige Rechte der Untertanen, die man letztlich als vom König an seine von ihm angesetzten Rodeleute verliehene Rechte ansehen kann, wie sie sich aus der Wildbannhoheit ergeben. Diese Rechte sind erst aus der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts bekannt, als sie in Gefahr gerieten, von den damaligen Landesherren aufgehoben zu werden. Einige jener Rechte kommen im Weistum von 1560 zum Ausdruck, wie es die Untertanen dem Dham Quadt, Herrn von Landskron und durch Kauf auch Herr von< ein Zwölftel der Herrschaft Königsfeld, weisen.
1. Wer .fewr, undt flamme hat inn dem Landt, auch‘ Waßer undt JWeidt gebraucht, der soll uff alte Herren oder Hohe gerichtstagt, wie
sich von allters gepührt, erscheinen. Wer aber das nicht würde thun, der were wettig einen schillingk, zween zu Pfennige dreier Heller Müntzen Römischer Wehrunge, dem hebt mann achten halben Schilling dersel-btgen Wehrunge.
2. Uff die zweite Achte weisen sie denen Herrn zu Lanndtskrohn auß undt Inzug, gebott undt Verbott, Kirchengifft, Klockenklangk, Waßergangk, Wiltfangh, Raub undt Branndt, auch fort arte gewallt undt sträfliche Sachen weiset der Lanndtmann allein den Herrn zu Lanndtskrohn zu, undt fort denjenigen, so es von den Herrn zu Lanndtskrohn haben.
3. Uff die dritte Acht weisen sie dem Landt-mann Waßer undt Weidte zu, uff der Herrn Wiesen, wanne die Sehnse das Graß gemehet undt der Rechen das Hew über Haüffe bestrichen, Dann fort inn der Herrn Waiden soll der Lanndtmann gebrauchen dürr Holltz. Windfälle undt Laub, sonder Zorn des Herrn. Derhalben soll der Lanndtmann dem Herrn gewöhnliche Dienste thun inn dem Lanndte.
4. Item mag einer halten dreisig schaff, ein hellig schaff undt einen Widder. Der darüber
hellt, den sol der herr strafen mit einem gewöhnlichen Weidschaffe uff genadt.
5. bis 8. (sind hier ohne Belang)
9. Item nochmalls gefragt: Ob sie, die Underthanen auch wißens tragen, das denen Ehegerürten Waltpotten einige Rechte oder gerechtigkeiten uff dem gewandte oder bü-schen mit ufftreibunge deren schweinen oder Dehnunge derselbigen, auch sonst mit Holzhawunge zueignete. Sagen, sie seien dem Waltpotten (als Pfandherr!) gar keiner Gerechtigkeit auff derh gewällt oder Büschen, mit Ufftreibunge dero schweinen oder Dehnunge derselbigen, auch mit holtzhauunge gestendigk, dann was sie inn die Küchen undt zur notturfft des hauses gebrauchen können.“ (Chronik,-fol. 38a, 39).
•Neben einigen typischen grundherrlichen Rechten werden hier wichtige Rechte der Untertanen genannt:
a) Waldweide
Aus dem Jahr 1311 liegt ein Schiedsspruch über den Wald Muchere (= H 564, Mauchertsberg, 2,5 km westl. Oberdürenbach?) in der Pfarrei Königsfeld vor, in welchem die Herren von Kempenich und Landskron sowie ihre beiderseitigen Untertanen ihre gegenseitigen Ansprüche regeln, die die Weide mit ihrem Vieh in diesem Wald betreffen (L 185).
Auch in der ausführlichen Waldordnung von 1338, diesmal ein Vergleich zwischen den an den Wäldern Langhart und Grepscheid (südwestlich von Cassel) anerbig berechtigten Bürgern von Sinzig und den Eingesessenen des Kirchspiels Heckenbach, wird unter anderem die Viehweide geregelt: ein generelles Verbot der Ziegenhaltung im ganzen Kirchspiel, und ein Verbot der Viehweidung in abgeholzten Parzellen für die zwei nachfolgenden Jahre. Zuwiderhandlungen werden mit einer Buße von 5 Mark geahndet. Auch diese Waldordnung verbürgt Gerhard IV von Landskron als Schiedsrichter.
b) Waldnutzung . , Auch die Waldnutzung ist in der Waldordnung genau beschrieben und festgelegt: So wird die Rodung generell verboten, auch das Kohlenbrennen wird untersagt. Beides wieder unter Androhung von 5 Mark Buße. Der Holzschlag der Anerben für Brenn- und Bauholz, Weinbergs- und Zaunpfähle wird nur für die Monate September und Oktober gestattet. Dagegen ist das Sammeln von dürrem Holz, Windbruch und Laub, das Ausrotten von Ginster und Dornen jederzeit gestattet (L 341). Aus dieser Waldordnung spricht deutlich die Sorge um Pflege und Erhalt der Wälder — die Rodezeit ist beendet, der Wald zu einem Wirtschaftsfaktor geworden.
Aus dem Weistum von 1560 und der Waldordnung lassen sich zwei Kategorien von Wald erkennen. Der dem Grundherrn gehörende Herrenwald, an dem die Untertanen nur niedere Nutzungsrechte haben, und der weit umfangreichere Genossenschaftswald der Dorfschaften, in dem wiederum die Rechte des Grundherrn eingeschränkt waren. Hier hatte er nur ein vogteiliches, d. h. Aufsichtsund Gerichtsrecht, und durfte für seine Person nur das beanspruchen, was er „inn die Küchen undt zu notturfft des Hauses“ gebrauchen konnte, will heißen, für den täglichen Bedarf. Selbst die 5 Mark Buße zog nicht er, sondern der Bürgermeister von Sinzig und der von Heckenbach je zur Hälfte ein. Wir sehen hier also eine genaue Umkehrung der beiderseitigen Rechte, bzw. Verbote.
Vom Recht der Waldweide durch den Grundherrn ist in diesen Wäldern keine Rede. Auch hat er im Lande Königsfeld nicht das Recht der freien Schäferei, wie das z. B. für die Grafschaft Neuenahr bezeugt ist. Verständlich daher auch die Empörung der Königsfelder im Jahr 1532 über Anton Waltbott von Bassen-heim, daß „neben dem wann Eichelen wagsen, die Gemeindte mit frembden fercken werde übertrieben, undt mit Holtzhawen unziemblicher weise beschwert werde“ (Chronik, fol. 34), oder 1557 die Beschwerde über Johann Waltbott, daß er „in Ihrem, des Lanndtmanns gewällte undt gemeindte getrieben ettliche gedenckte schweine, ungefehrlich bei die vierhundertt“ (ebd. fol. 40a), und „desgleichen triebe Er auch viel! gewalt in den Wäldten mit abhawunge des gehölltzes undt Kohlenbrennen“ (ebd. fol. 45, 45a).
Man ersieht daraus, daß die uralten, verbrieften Rechte der Untertanen in Stadt und Land Königsfeld von den Pfandherren systematisch und gewaltsam abgebaut werden. Die teilweise noch erhaltene genossenschaftliche Komponente der Dorfverfassung soll abgelöst werden durch die volle Grund- und Landesherrschaft der Waltbott.
c) Jagd recht
Noch 1233 wird der Wildbann im Fiskus Sinzig vom König beansprucht, und Gerhard l. von Landskron in Obhut gegeben. Erst 1276 wird den Landskronern in der schon genannten Urkunde der Wildbann des Landes Königsfeld verliehen. Doch auch hier können wir eine Einschränkung ihrer Rechte bezüglich der Jagd beobachten, denn die Einwohner dieses Gebietes besaßen ebenfalls das Jagdrecht, das sich anscheinend auf die Hohe und Niedere Jagd erstreckte. Von anderer Seite liegt eine interessante Nachricht hierzu vor. Im Prozeß zwischen Wadenheim in der Grafschaft Neuenahr, und der Gemeinde Heimersheim im „Reich Sinzig““ vor dem Reichskammergericht in Speyer 1571 wegen der Gemarkungsgrenzen, führt der Heimersheimer Anwalt in seinen Beschwerdepunkten an: „35. Wie auch andere genachtbare dero ort, als die Hern zu Landskron, die Hern zu Königsfeldt, auch underthanen daselbst, unnd mehr andere genachtbare, außwendige, auch die Neuwenarische selbst, im Lendtgen Sintzig, so weit des Lendtgens Sintzig grentzeh sich erstrecken, frey unbefahrt jhagen mügen.
38. Wie auch die von Königsfeldt unnd andere genachbarte, so in Heimerschen Märcken von wegen dero freiheit Sintzig, im Dedelforst, Letenart, Geyselart unnd Graemberger Büschen (alles Wälder in der Gemarkung Heimersheim), unbefahrt haben jagen unnd das wildt schiessen mügen, aber jederzeit am Virschweg (Firstweg, Grenze zur Grafschaft Neuenahr) versus occidentem wendten, und darüber auf den Neuwenarischen grundt nit jhagen, sonder sich enthalten müssen“ (56 Nr. 1149).
Das Jagdrecht der Untertanen gilt demnach für das Gebiet, das im 12.. 13. und auch noch im 14. Jh: einwandfrei als zum Fiskus Sinzig gehörig erkannt werden kann, und als ein vom König herrührendes Recht — „von wegen dero freiheit Sintzig“ — angesehen werden muß. Die Untertanen der Grafen von Neuenahr dürfen zwar im Fiskus Sinzig jagen, aber nicht in der Grafschaft. Obwohl angenommen werden kann — die Grafschaft ist Pfalzgräfliches Lehen – daß auch die Grafschaft ehemals zum königlichen Fiskus ge-
hörte. Hier hat aber, wohl mit der Wildbannverleihung durch Otto III von 992. schon frühzeitig der Ausbau der Landesherrschaft durch die Grafen von Are begonnen, so daß die ursprünglich vorhandenen Jagdrechte der Untertanen von den Grafen usurpiert werden konnten.
Nun versuchen auch die Waltbott, in ihrer Auseinandersetzung mit den übrigen Erben an Königsfeld, diese Rechte sich anzueignen. So beklagt sich 1560 Kurt Jenns aus Königsfeld, daß, als er im Walde jagte, er „mit seinem geschütz gefangen undt uff Olbrücken geführt“, und dort einige Tage festgehalten wurde (Chronik, fol. 39a). Ebenso ließ 1565 Johann Waltbott den Untertanen verbieten, seine Tauben zu schießen, „mit Bedrauunge, ihnen die Bügsen inn den heuseren nehmen zu lasen“ (ebd. fol. 42), einem anderen Mann, den er im Wald antraf, ließ Waltbott, die Armbrust abnehmen.
Zusammenfassend lassen sich die Rechte der Waldnutzung, der Waldweide und der Jagd auf ehemals vom König delegierte Rechte zurückführen, die sich aus der Wildbannhoheit ergeben. Diese Rechte hatten bis etwa 1550 vollen Bestand. Erst dann, im Bemühen des Ausbaus der vollen, und vor allem ungeteilten Landeshoheit durch die Waltbott von Bassenheim, werden diese Rechte gegen lebhaften Widerstand der Untertanen und der übrigen ehemals Landskronischen Erben außer Kraft gesetzt.
Quellen:
Clemen. Kunstdenkmäler der Rheinprovinz. Kreis Ahrweiler. Düsseldorf 1938
Schaus, Stadt Königsfeld. Rhein. Vierteljahresbl IV. 1934 und Heimatkalender des Kreises Ahrweiler 1936 Schaus. Stadtrechtsorte und Flecken im Regierungsbezirk Koblenz. Rhein. Heimatpfl 7, 1935 Heyen. Die Geschichte des königlichen Fiskus Boppard. Bonn 1956
Zimmer/ Frick. Quellen zur Geschichte der Herrschaft Landskron a. d. Ahr. Bonn 1966 (zitiert L… ) Landeshauptarchiv Koblenz. Bestand Landskron (..Königsfelder Chronik von Tobias Stifell 1698, 53 C 25 Nr. 2660. zitiert „Chron. fol. .), Bestand Königsfeld 53 C 24. Bestand Reichskammergericht 56 Nr. 1149.
Der vorliegende Beitrag ist einer größeren Arbeit des Autors entnommen, die weitere Aspekte der Geschichte Königsfelds, vor allem auch die .Teilungen und Verpfändungen von Stadt und Land Königsfeld behandelt. D. Red.