Staatliches Are-Gymnasium Bad Neuenahr

Neubau und Schulcharakter

VON DR. HELMUT BAUER

Der Neubau

Als Herr Staatsminister Dr. Eduard Orth am 31. März 1968 einem Herzinfarkt erlag, wurden gewiß alle, die an der Feier der Einweihung des Schulneubaues in der Mittelstraße am 29. Oktober 1965 teilgenommen hatten, wieder an das erinnert, was er damals am Anfang seines Festvortrages sagte: „Wir feiern heute ein Ereignis, auf das sich mit Recht die gesamten Erwartungen dieser Schulgemeinschaft gerichtet haben, daß durch die vielfach gesteigerten Möglichkeiten, die dieses neue, großzügig angelegte Schulgebäude bietet, die künftige Bildungs- und Erziehungsarbeit von einem ganz neuen Elan getragen wird. Ich nehme herzlichen Anteil an Ihrer Freude und wünsche Schülern, Lehrern und Eltern zum neuen Beginnen Gottes Segen/Was war vorhergegangen, als das Gymnasium noch in Bonns Kronenhotel untergebracht war, nachdem es zunächst im Hotel Kaiserhof eine provisorische Unterkunft gefunden hatte?

Am 2. August 1957 war von der Schulleitung beim Ministerium für Unterricht und Kultus in Mainz der Antrag auf Errichtung eines Schulneubaues auf einem dazu geeigneten neuen Gelände gestellt worden. Am 15. Juli 1958 entschied der Herr Minister für Unterricht und Kultus im Beisein des damaligen Landtagsabgeordneten Sanitätsrat Dr. Habighorst und des Landrats i. R. Urba-nus sowie des auch inzwischen verstorbenen Kirchenrats Dr. Sachsse, daß dem Antrag stattgegeben werden solle. Am 30. März 1960 wurde nach Übereignung des Geländes durch die Stadt Bad Neuenahr und die Casino K.G. das Grundstück im Katasteramt Ahrweiler unter Nummer UR 4927 60 eingetragen.

Am 21. März 1963 erfolgte der erste Spatenstich, nachdem das Staatliche Hochbauamt Koblenz den Firmen Leidecker, Remagen, und Monreal, Ahrweiler, nach Auflassung der Ausschreibungen die Ausführung des Rohbaues übertragen hatte.

Am 13. Februar 1964 wurde das Richtfest gefeiert und nachträglich die Grundsteinlegung vollzogen, worüber — wie über sonstige Einzelheiten der Bau- und Schulgeschichte — die anschließend veröffentlichte Grundsteinlegungsurkunde Auskunft gibt. Wenn man den Baugedanken recht bedenkt, so kann man ihn Konzentration auf das Wesentliche nennen; Abschirmung nach außen, Fernhalten aller störenden Einflüsse, kurz: Ruhe, Geschlossenheit, Tiefe. Die schmucklose Fassade verrät kaum, welche Vielfalt von Räumen die Atriumanlage im Inneren birgt, wobei auch alle Flächen des Untergeschosses voll genützt werden. Außer der Turnhalle, dem Gymnastikraum, einem großen Musik- und Theatersaal und einem mit Oberlicht versehenen geräumigen Zeichensaal stehen auch alle notwendigen Fachräume für Biologie, Chemie, Physik, Erdkunde, Tex-tiles Gestalten, Werken und Fotoarbeiten zur Verfügung.

Für alle künstlerischen und naturwissenschaftlichen Fächer sind Bilder, Schauvitrinen, freistehende Ausstellungsobjekte und selbstgefertigtes Lehr- und Anschauungsmaterial neben reichem Pflanzenschmuck im ganzen Schulgebäude verteilt, so daß ein lebendiger sachbezogener Eindruck entsteht, der durch die freundlich eingerichteten Verwaltungszimmer noch erhöht wird.

Selbstverständlich gibt es auch Räume für Lehrer- und Schülerbibliotheken, ein Elternsprechzimmer und alle erforderlichen sanitären Einrichtungen einschließlich Wasch- und Duschräumen.

Bei der Einweihung verlieh der Minister für Unterricht und Kultus am 29. Oktober 1965 auch den neuen Schulnamen „Are-Gymnasium“, nachdem vom Lehrerkollegium dieser Vorschlag gemacht und durch ein ausführliches Gutachten von Kreisarchivar Rektor i. R. Jakob Rausch unterstützt worden war, das wegen seines bedeutsamen Inhalts auch in diesem Heimatjahrbuch veröffentlicht wird. Zur Einweihung des Schulneubaues waren damals außer dem Minister und seinem persönlichen Referenten, Regierungsrat Maurer, versammelt: als Vertreter der Abteilung höherer Schulen Regierungsdirektor Ochsenreither, sämtliche Vertreter der Geistlichkeit beider Konfessionen, ferner Bundestagsabgeordneter Josten, Landtagsabgeordneter Dr. Grotmann, Landrat Korbach, die Kreisvorsitzenden der politischen Parteien, ferner die Fraktionsvorsitzenden des Kreistages sowie die Mitglieder des Stadtrates und der Stadt-und Amtsbürgermeister von Bad Neuenahr, die Spitzen der Kur-AG und der Casino-KG, des Krankenhauses Maria-Huf, des Gesund-heits- und auch des Finanzamtes Ahrweiler, ferner die führenden Vertreter der hiesigen Turn- und Sportvereine sowie aller kulturellen Vereinigungen. Für das gesamte Finanz-und Bauwesen vertrat die Landes- und Bezirksregierung der Leiter des Staatlichen Hochbauamtes Koblenz, Baudirektor Bürger, begleitet von seinen Mitarbeitern und einigen Baufirmenchefs.

Zugleich waren natürlich auch die Kreisschulräte, die Leiter der Volks-, Real- und Fachschulen aus Bad Neuenahr, Ahrweiler und der näheren Umgebung sowie die Direktorinnen und Direktoren aller höheren Schulen des Kreises Ahrweiler und der befreundeten Gymnasien von Andernach, Daun, Linz, May-en und Neuwied anwesend. Von der Schule selbst nahmen teil das gesamte Lehrerkollegium und alle Mitarbeiter von Schule und Internaten, der Elternbeirat, der Schulsprecher und alle Klassensprecher mit ihren Stellvertretern und geschlossen die drei Oberprimen.

Persönliche Handschreiben sandten, weil sie am Kommen verhindert waren, die Landtagsabgeordneten Dr. Völker und Steen, Regierungspräsident Dr. Schmitt, Ministerialdirektor Schreiner, Ministerialrat Seeger, Verkehrsdirektor Künstler, Bahnhofsvorsteher Orters, Oberstudiendirektor Bümlein von der Heimschule am Trifels sowie zahlreiche Vertreter der am Bau beteiligten Firmen. Als Ehrengast konnte die Gattin des verstorbenen ersten Leiters der Schule, Oberstudiendirektor Dr. Hartmann, begrüßt werden; von dessen Nachfolger, Oberstudiendirektor Müller aus Zweibrücken, wurden herzliche Glückwünsche verlesen.

Nach der Schlüsselübergabe durch Baudirektor Bürger an Kultusminister Dr. Orth hielt dieser die Festansprache, aus der eingangs bereits zitiert wurde.

Grußadressen an die Festversammlung richteten danach Kirchenrat i. R. Dr. Sachsse, Bundestagsabgeordneter Josten, Landrat Korbach, Bürgermeister Rüschenschmidt, Oberstudiendirektor Dr. Langer als Vorsitzender der Direktorenvereinigung des Landes Rheinland-Pfalz und außer dem Elternbeiratsvor-sitzenden Herrn Neumann und dem Schulsprecher Wolfgang Steigert auch der Präsident der Are-Künstlergilde, Medizinalrat Dr. Nießen, der die Bedeutung des neuen Schulnamens in folgenden Worten zusammenfaßte:

„Als unsere Vereinigung sich nach einer verpflichtenden Tradition umsah, die heimatgebunden, geschichtsmächtig und überzeugend glaubwürdig sein sollte, gaben wir uns den Namen Are-Künstler-Gilde! Wir umfaßten damit nicht nur den Raum um den Flußlauf der Ahr, meinten nicht nur den Kranz der ehrwürdigen Burgen, die sich von Aremberg und Nürburg bis zur Landskrone erstrecken, schlössen nicht nur die Herren von Are in ihren katholischen und protestantischen Linien mit ein, sondern dachten, daß dieses herrliche Land nur zu begreifen sei, wenn man es als Spiegelbild des christlichen Abendlandes verstand.

Staatl. Are-Gymnasium in Bad Neuenahi

Von Willibrordus über Konrad von Hochstaden bis zur frommen Wal-burgis, der letzten Gräfin von Neuenahr, reicht der Spannungsbogen, unter dessen Segen wir noch jetzt leben dürfen. Keine geringeren als Gottfried Kinkel, Karl Simrock und Jakob Burckhardt haben — neben Goethe und Uhland — diese Landschaft in ihrer Tiefe begriffen und darauf hingewiesen, daß es der menschliche Geist ist, der aus der Natur die Kultur erblühen läßt. Zu ihr gehört unverlierbar die bildende Kunst, der wir Leben, Anschauung, Farbe, Gleichnis und die symbolische Kraft verdanken, unseres Daseins Sinn aus göttlichem Urgrund besser zu verstehen. Wir sind gewiß, in diesem Hause eine bleibende Wohnstatt, ja mehr als das: eine Pflegestätte künstlerischen Tuns und Ver-stehens gefunden zu haben.

Zwar sind wir heute noch Gäste, doch möchten wir gern Mithelfende sein dürfen, um auch den kommenden Generationen — über die Kunst — den Weg zu den Sternen zu weisen: ad majorem Dei gloriam!“ Außer dem Dank des Direktors für alle an diesem Tage dargebrachten Glückwünsche und Ansprachen seien abschließend noch die überreichten Ehrengaben anerkennend erwähnt: Vom Ministerium für Unterricht und Kultus in Mainz ein namhafter Geldbetrag; vom Landkreis Ahrweiler das Gemälde „Blick vom Rheinblick“ von Ernst Kley; von der Stadt Bad Neuenahr die Aquarelle „Haus auf Teneriffa“ von Theo Deisel und „Visionen“ von Hugo Möhl und vom Elternbeirat als Stiftung der gesamten Elternschaft der „IRO-Riesenglobus“.

Der Schulcharakter

Das Are-Gymnasium besteht aus zwei ganz verschiedenen Schultypen: es hat einen aufbaugymnasialen und einen musischen Zweig. Der aufbaugymnasiale Zweig beginnt mit Untertertia, wobei zur Aufnahme das Bestehen einer Prüfung in den Fächern Deutsch und Rechnen sowie die Vollendung der 7. oder 8. Klasse der Hauptschule Voraussetzung sind. Zur Zeit sind zwar noch Latein und Französisch Pflichtfremdsprachen, doch läuft diese Regelung aus, da seit dem i. Aug. 1968 in Untertertia Latein oder Französisch zur Wahl gestellt und ab Obertertia Englisch Pflichtfremdsprache geworden ist. Das Aufbaugymnasium führt zur uneingeschränkten Hochschulreife und schließt für alle, die ab Untertertia Latein gehabt haben, das Große Latinum ein, was für die Wahl vieler Studiengebiete von größter Bedeutung ist.

Das Musische Gymnasium beginnt erst ab Obersekunda und setzt entweder die Versetzung in diese Klasse oder das Abschlußzeugnis einer Realschule zur Aufnahme voraus. Pflichtfremdsprache ist hier für alle Englisch, zusätzlich muß als Wahlpflichtfach Chemie oder Französisch gewählt werden. Musisches Hauptfach kann Musik oder Bildende Kunst sein.

Das Musische Gymnasium schließt mit einer fachgebundencn Hochschulreife ab, die jedoch frühestens sechs Monate danach durch eine Ergänzungsprüfung in Mathematik und Französisch oder Latein zur vollen Hochschulreife erweitert werden kann.

Der erfolgreiche Besuch dieses Zweiges verleiht nach dem Erwerb der fachgebundenen Hochschulreife ohne Ergänzungsprüfung die gleichen Berechtigungen wie der Besuch des sozialkundlichen Schultyps. Das Zeugnis berechtigt: zum Studium für das Lehramt an Volksschulen; zum Studium für das Lehramt an Realschulen und Gymnasien in den Fächern Musik, Bildende Kunst, Biologie, Chemie, Erdkunde, Leibeserziehung, Hauswirtschaftswissenschaft und Textilgestaltung; zum Studium der Ernährungs- und Hauswirtschaftswissenschaften (der erfolgreiche Studienabschluß berechtigt auch zur Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an berufsbildenden Schulen); zum Studium der Pädagogik; zum Studium der Landwirtschaft; zur Ausbildung für den Dienst in öffentlichen Büchereien (Volksbüchereien); zum Eintritt in die Laufbahnen des gehobenen nichttechnischen Dienstes im Bereich der Landes- und Bundesverwaltung einschließlich des gehobenen Dienstes an wissenschaftlichen Bibliotheken. Allerdings können zum Studium für das Lehramt an Realschulen und Gymnasien im Fach Chemie nur solche Absolventen des musischen Schultyps zugelassen werden, die am Wahlpflichtfach Chemie teilgenommen haben. Diese Angaben wurden an dieser Stelle gemacht, weil weithin Unklarheit über die Struktur des Are-Gymnasiums besteht, von dem der Landtagsabgeordnete Franz Schaaf in einem persönlichen Gespräch bedauernd meinte, daß es noch nicht so recht in den Kreis Ahrweiler integriert worden sei. Wenn man bedenkt, daß die Schule erst 1947, damals als „Staatliches Pädagogium“, mit drei Lehrern und 43 Schülerinnen eröffnet wurde, stellt man mit Erstaunen fest, daß sie im Schuljahr 1967/68 mit 404 Schülern und Schülerinnen, die von 16 hauptamtlichen und 5 nebenamtlichen Lehrern unterrichtet wurden, fast auf das Zehnfache gewachsen war. Davon waren 215 Jungen und 189 Mädchen, von denen 145 bzw. 118 in den beiden Internaten untergebracht wurden, während 141 als Externe die Schule besuchten. Von dieser Gesamtschülerzahl gehörten 209 dem katholischen, 191 dem evangelischen und 4 einem sonstigen Bekenntnis an, Da das gesamte höhere und sonstige Schulwesen in lebhafte Bewegung geraten ist, läßt sich kaum absehen, was in zehn Jahren sein wird, doch verdient bemerkt zu werden, daß das Ministerium für Unterricht und Kultus in Mainz bereits den Auftrag zur planerischen Untersuchung für ein neues Jungeninternat auf dem östlich des Schulneubaues gelegenen Gelände gegeben und angeordnet hat, daß für die Schule eine Erweiterungsmöglichkeit um neun Klassen planerisch auszuweisen sei.

Es wäre sicher wünschenswert, daß alle bestehenden Schultypen auch einmal im Kreise Ahrweiler vertreten wären, wozu das Are-Gymnasium seinen besonderen Beitrag zum Nutzen aller schon jetzt zu leisten versucht. Es stellt im gesamten Land deshalb eine Besonderheit dar, weil es zu fast 75 Prozent aus Oberstufenklassen besteht: die Unterstufe fehlt ganz, die Mittelstufe ist noch nicht voll zweizügig, die gesamte Oberstufe aber ist dreizügig. Und daher erklären sich die großen Abiturientenzahlen. In den beiden Jahren 1966 und 1967 waren es zusammen 244, 1968 gab es 83 Oberprimaner! Das ist eine von keiner vergleichsweise möglichen Schule des Landes Rheinland-Pfalz übertroffene Zahl, denn jeder Fünfte besucht hier eine Oberprima. Schluß folgt im Jahrbuch 1970.