St. Wendelin-Segen in Hain
St. Wendelin-Segen in Hain
Roswitha Niethammer
Schon vor 6 Uhr werden Planwagen bespannt, Pferde gesattelt oder in Hänger verfrachtet. Man will pünktlich da sein, wenn Pfarrer Wiebel am Pfingstmontag an der Hainer Wallfahrtskapelle Pferde, Reiter und Traktoren einsegnet. Von nah und fern kommen Freizeitreiter, Mitglieder von Reit- und Fahrvereinen. Sie freuen sich genauso wie die Landwirte und die vielen Fußpilger auf diesen Tag. Schon lange ist es ein besonderes Fest, an der heiligen Messe unter freiem Himmel teilzunehmen und den St.-Wendelin-Segen zu empfangen.
Das Dorf Hain schmiegt sich an den hohen Berg mit der Burgruine Olbrück, deren weithin sichtbarer Burgfried zu einem Wahrzeichen des Zis-sener Ländchens geworden ist.
Auf dem Weg zur Pferdesegnung: Dechant Wiebel auf der schimmelbespannten Kutsche
Vor der Kapelle in Hain werden die Pferde gesegnet
Der Morgen ist taufrisch und klar. Die Ginsterbüsche leuchten an den Berghängen in der Sonne. Das richtige St.-Wendelin-Wetter! Auch wenn es am Vortage regnen oder trüb sein sollte – zu St. Wendelin scheint die Sonne, sagen die Leute. Er weiß, was er seiner zahlreichen Gemeinde schuldig ist!
Wie hat das eigentlich angefangen? Ich frage Pfarrer Wiebel. Er zeigt mir ein Foto mit dem Andachtsbild des heiligen Wendelin in der Wallfahrtskapelle von Hain, der als Patron der Hirten und Bauern und als Beschützer der Tiere gilt. »Das liegt schon sehr viele Jahrezurück«, sagt er, »mein Vorgänger, Pfarrer Scholtes, begann damals, Traktoren einzusegnen. Am besten, Sie reden mit Herrn Tschuschke, der mich immer mit der Kutsche abholt und nach Hain fährt. Er weiß genau darüber Bescheid.« Und so besuche ich das Ehepaar Tschuschke und unterhalte mich mit ihnen. Und sie erzählen bereitwillig:
Willi Tschuschke stammt aus der Provinz Posen, wurde nach dem Krieg Verwalter der Staatsdomäne Hillesheim und seit 1951 Pächter des Stockhofes auf dem Perler Kopf. Er hat mit 2 Pferden wieder angefangen. Die Kinder ritten zur Schule nach Niederdürenbach. Am Kriegsende gab es wenige Pferde. Die Bauern fingen herrenlose Pferde ein, die die Truppen zurückgelassen hatten und verwendeten sie alsAcker-und Reitpferde. In Niederbreisig entstand bei Peter Schmitgen der erste Reitstall, später kamen ringsherum Privatpferde dazu.
Damals wurde der Pfarrer noch mit dem Traktor zur Einsegnung gefahren. Herr Tschuschke hatte die Idee, nun auch wieder Pferde einsegnen zu lassen. Ihm ist es zu verdanken, daß ein alter Brauch erneut auflebte, von Jahr zu Jahr mehr Reiter am St.-Wendelin-Segen teilnahmen. Er ritt mit dem Kreuz voraus, gefolgt von seinem Sohn und später der Enkelin. Frau Tschuschke zeigt mir stolz die alten Fotos aus dem Familienalbum.
Heute holt er den Pfarrer und die Ministranten in Oberzissen nach der Andacht in der Kirche ab und fährt sie mit seinem schönen Schimmelgespann nach Hain. Das läßt er sich seit nunmehr 16 Jahren nicht nehmen!
Die Reiter kommen mit ihren Pferden inzwischen von weit her: von Mendig, Hausten, aus dem Mayen-Koblenzer Gebiet, von Remagen, Sinzig, Breisig, Franken, sogar von Mehlem und vom Aegidienberg bei Bonn. Viele Jahre war es üblich, daß sich die Reiter mit ihren Pferden nach dem Segen auf dem Stockhof trafen und dort bei einer deftigen Erbsensuppe mit Würstchen zusammensaßen. Aber dann zogen Tschuschkes um. Seit 1970 sind sie Besitzer des Appentaler Hofes. Bald wurde der St.-Wendelin-Tag zu einem Volksfest in Hain. Am Abend war Tanz in der Dorfschänke. Schließlich wurde der Gasthof zu klein und war dem Ansturm nicht mehr gewachsen. So stehen heute einige Zelte am Dorfeingang, die für Getränke und einen Imbiß sorgen. Da trifft man Bekannte, fachsimpelt über Pferde und Landwirtschaft, verabredet sich, den Tag mit anderen Pferdebesitzern zu Hause beim Grillen ausklingen zu lassen. Bis zu 100 Pferde säumen, von ihren Reitern gehalten, die Hauptstraße bis zum Burgberg hinauf. In den Seitenstraßen stehen die Traktoren, die Planwagen und Pferdehänger.
An der blumengeschmückten Kapelle warten die vielen Fußpilger Kopf an Kopf. Ich bin in der Menge eingekeilt und frage mich besorgt, was passiert, wenn eines der Pferde unruhig wird oder gar durchgeht?
Das ist noch nie vorgekommen, versichert man mir. Die Pferde und Reiter, die hier sind, kennen das genau. In all den Jahren gab es weder einen Tumult noch ein Unglück.
Pfingsten steht vor der Tür. Ich bin wieder dabei, sehe mir die Prozession an, wenn die Kutsche mit dem Pfarrer vorbeifährt, begleitet von dem langen Zug der Reitergruppen und Pferdewagen. Diesmal winke ich Herrn Tschuschke zu. Ich freue mich mit den vielen Reitern, den Landwirten, den Fußpilgern, wenn sie zur Begleitung der Blaskapelle aus vollem Herzen ihre Lieder zu Ehren St. Wendelins singen. Am Pfingst-sonntag, wenn der Ginster blüht und die Sonne scheint!
Insgeheim hoffe ich, daß mein kleiner, frecher Dackel auch einen Spritzer Weihwasser abbekommt. Schaden könnte es ihm jedenfalls nicht.