Sogar der Kaiser kam —und die Herren Bonner Studenten zu Pferd
VON WALTHER OTTENDORFF-SIMROCK
Ein Blatt Altenahrer Erinnerungen an vergangene Zeiten
Im vorigen Jahrhundert weilten Künstler, Dichter und Gelehrte gern in Altenahr, das sie als den Höhepunkt der Felsenromantik des Ahrtals empfanden und voll Begeisterung feierten.
Nach einer langen Wanderung ruhten sie im schönen Garten an der Ahr unter der 100jährigen Platane aus, und einer von ihnen schrieb einen kleinen Vers dankbaren Erinnerns nieder: „Ob Winkler, ob Caspary uns nimmt in seine Hut, das ist uns Larifari: es ist bei beiden gut.“ Daß den Männern der Feder und den Meistern des Zeichenstifts die Rotweine dieser Gemarkung besonders gut mundeten, dafür ist schon der Kunstgelehrte und aufrechte pemokrat Gottfried Kinkel, einer der frühen Entdecker der Ahr, klassischer Zeuge. In einem Poem, das eine Wanderung durch das romantische Tal humorvoll schildert, vergleicht er Altenahr sogar mit dem Himmel: „Da kamen sie ins Himmelreich und tranken Gott zum Dank sogleich den Altenahrer Bleichart.“
Nun, für seinen Weinkeller und seine Gastlichkeit war der Rheinische Hof schon damals weit und breit berühmt. Da fährt die große Welt, die in Bad Neuenahr zur Kur weilt, in eleganten Kutschen durch das romantische Tal und kehrt im Gasthof des Herrn Winkler ein.
Und wieder erschallt Hufgetrappel! Junge Reiter, Studenten sind es, die die weißen und blauen Seidenstürmer der feudalen Bonner Corps „Borussia“ und „Hansea“ tragen. Die Herren binden ihre Pferde an die Bäume des Gartens und begeben sich ohne Säumen zum Wein-Frühschoppen. Aber schon eilt Herr Winkler erneut herbei und begrüßt nun mit tiefen Verbeugungen eine aristokratisch aussehende Dame, die soeben ihrem „Dogcart“, dem offenen zweirädrigen Jagdwagen, entsteigt: Prinzessin Victoria von Schaumburg-Lippe, die in Bonn residierende Schwester Wilhelms II., erweist dem Haus wieder einmal die Ehre ihrer Anwesenheit. „Das nächste Mal bringe ich aber meinen Bruder mit“, sagt sie lächelnd zu dem Wirt. Der hört zwar die Botschaft, will aber nicht recht an sie glauben.
Kaiserbesuch in Altenahr
Repr.: I. Görtz
Doch am 19. Oktober 1911 ist es soweit: Der Kaiser fährt durch das jubelnde Spalier der Altenahrer Vereine und Schulklassen, der Besucher von fern und nah vor dem Rheinischen Hof vor und nimmt in den festlich geschmückten Räumen ein Gabelfrühstück ein. „Vici“, wie die Bonner ihr Prinzeßchen liebevoll nennen, hat Wort gehalten. Es war, wenn man die damalige Zeit berücksichtigt, ein stolzer Tag in der Geschichte des Hauses, der Gemeinde Altenahr und des ganzen Kreises. Dieser wurde in der Person des Landrats, Geheimrat Heising, „zur kaiserlichen Tafel befohlen“ — so der damalige Sprachgebrauch.
Das Auf und Ab der Geschichte findet auch in der Chronik des Hauses seinen Niederschlag. Es wurde leider auch von Katastrophen nicht verschont: 1910, bei dem großen Hochwasser der Ahr, stand die Flut mehr als einen Meter hoch in den Restauranträumen. Und am 9. August 1945 fügte die Explosion eines Munitionszuges, der gegenüber auf der anderen Ahrseite abgestellt war, dem Rheinischen Hof und dem Nachbarhaus schweren Schaden zu.