Sinziger Bürger- und Beamteneide im 17. Jahrhundert
Dr. Franz J. Burghardt
In den teilweise über 300 Jahre alten Protokollen des Sinziger Stadtrats ist u. a. der Wortlaut einiger Eide erhalten geblieben, die die Einwohner bei der Aufnahme in die Bürgerschaft bzw. bei der Übernahme von Ämtern im 17. Jahrhundert zu leisten hatten.1) Ihr Inhalt, der im folgenden wortgetreu wiedergegeben wird, gibt uns teilweise einen Einblick in die Funktion der Bürgerschaft, ihre Rechte und Pflichten, ihr Verhältnis zur Obrigkeit usw. Die Vereidigungen wurden sorgfältig vom Stadtschreiber mit Name und Datum im Ratsprotokoll vermerkt.
Groß- und Kleinschreibung der Texte habe ich der heute üblichen Form angepaßt und die Interpunktion zum besseren Verständnis etwas geändert.
Zunächst mußte jeder, der nicht bereits durch Geburt Sinziger Bürger war, bei seiner Aufnahme in die Bürgerschaft einen Eid ablegen. In den Ratsprotokollen steht neben der Eintragung einer solchen Vereidigung der Randvermerk »bürgerlich ahngenhomen« (vgl.2), p. 65).
»Gemeiner Bürger Aydt«
»Ihr sollet globen (geloben) undt schwöhren zu Gott undt seinem h. Evangelio, daß ihr sollet undt wollet vor erst unserem ggten. (gnädigsten) Landtfürsten undt Herren, den zeitlich Beamten, wie auch zur Zeit Bgmr. (Bürgermeister) hiesiger Statt auff gebührende Citation (Vorladung) erscheinen, denselben trew undt gehor-sahm sein, ihr Gesätz, Befelch, Gebott undt Verbott halten, ihren frommen Ehr und Nutzen für deren, für (vor) Schad warnen und wenden nach bwerem (bewährtem?) besten Vermögen. Undt so Ihr etwaß erfüret, darvon Bgr. (Bürger) hiesiger Statt Unheyl undt Schaden entstehen mögte, ein solches Bgr. (den Bürgern) nach Gestalt der Sachen gehorsambst undt fürdringlich vortrag. Euch auch also alß einem trewlie-benden Bürgeren gegen seinen Obrigkeit zu thun oblieget undt schuldig ist, verhalten.« Viele Bürger waren als «Feldschützen« Angehörige einer Miliz2) , die offiziell dem Landesherrn unterstand und im Notfall der Landesverteidigung diente. Praktisch aber hatte nur ihr Führer, dem die Schützen eines Kirchspiels unterstanden, für »Ruhe und Ordnung« in der Gemeinde zu sorgen.
«Feltschützen Aydt«
»Ihr sollet globen undt schwöhren zu Gott und seinem heyl. Evangelio, daß ihr Bgr. (Bürger) hiesiger Statt, auch der Gemeinde trew undt holdt seyet, ihre Äcker, Wießen, Weingarten mit Schleiffweydt (?), alß wohl in den Hecken mittags und nachts gehen, wegen Gerten undt Rahmhawen, Trauben schneiden, Nußraffen, Stopffelschehren, sodan Obst undt dergleichen fleyßigh hüthet und bewahret. Daß von anderen kein Schade geschehe, selbigen auch weder heimlich noch öffentlich gestattet, noch vor Euch selbsten thuet, bewilliget oder zulaßet, weder umb Gunst, Gabe oder einigerley Genieß, Nutzes oder Ursach halber, wie dieselbe erdacht werden mögte. Auch Euch dergestalten verhalten, alß einem ehrsamen Bürger undt Feltschützen zu thun, seines Ambts halber oblieget«.
Die Bürgerschaft war unterteilt in sogen. »Parteien«, die wohl einzelnen Stadtbezirken entsprachen; ihnen stand jeweils ein »Parteienmeister« vor, von denen es in Sinzig im 17. Jahrhundert fünf oder sechs gab, die mit jährlich vier Gulden besoldet wurden.3) Sie hatten die Belange ihrer Partei im Rat zu vertreten, soweit diese nicht unmittelbar von den einzelnen Bürgern im Stadtrat vorgetragen wurden. Ferner hatten sie eine führende Funktion innerhalb der Organisation der Feldschützen.2)
»Partheyenmeisters Aydt“
«Erstlich soll der Partheyenmeister auff Erforderen eines ehrsamen Rhats jederzeit durch den Rhatsbotten gehorsahm erscheinen undt anhören; auch nach Verstandt in allem, so viell ihnen möglich, zu der gemeinen Nutzen sein Bedenken mittheillen.
2tens zum anderen eines ehrsamen Rhats Bedenken heimlich halten undt niemandem offenbaren.
3. zum dritten einen ehrsamen Rhat helffen ehren undt ziehren durch seinen züchtigen Han-dell und Wandeil.
4. zum viertten da er ichtwaß (etwas) auff einen ehrsamen Rhat durch Schmehe wordt red (Schmähewort-Reden) höret in sitzendem Rhat vorbring.
5. zum fünfften so er etwaß höret, so dieser Statt Nachtheill geben könte, in sitzendem Rhat vorbring.
6. zum sechsten waß einer ehrsamen Gemeinde Bedenk (?) in allen Gemeindesachen in sitzendem Rhat (in) züchtiger Weiß vortrag.
7. zu bürgerlicher Verbottung rechte durchgehende Gleichheit halten undt niemanden in bürgerlichen Diensten wegen Freundschafft, Gaab oder Geschenck verschönen«. Bei Verfehlungen gegen diesen Eid konnte der Parteienmeister sein Amt verlieren; so wurde 1653 Mattheiß Schopen wegen »vorgenhome-ner Rebellion und Pflichtvergessung« aus dem Parteienmeisteramt entlassen.4) Die Stadt Sinzig besaß schon im 13. Jahrhundert Waldungen auf dem Harterscheid zwischen Königsfeld und Arenthal, die 1700 ca. 300 Morgen umfaßten.6) Für sie verantwortlich war der »Harterscheidtsförster«, der 1648 aus der Stadtkasse jährlich zehn Gulden und zwölf Albus erhielt.3)
»Harterscheidtsförster Eydt“
»Ihr wollet globen undt schwehren zu Gott undt seinem heyligen Evangelio, daß Ihr Bgmr. (Bürgermeister) undt Rhat, wie dan auch hiesiger Bürgerschafft undt Gemeinde trew undt holdt sein, den gemeinen Busch alß Harterscheidt mit Fleyß hüthen undt bewahren. Daß von anderen noch Euch selbsten darin kein Schadte geschehe, Ihr auch denselben wedter heimlich oder öffentlich gestatten, bewilligen oder zulassen sollet, weder umb Gunst, Gabe oder einigerley Genuß, sonderlich ohn Vorwissen eines ehrsamen Rathß. Euch auch alßo verhalten alß ei-«, nem trewlichen Büschförsteren pflichtenhalber zu thun oblieget
Ein weiteres Waldgebiet, um 1700 etwa 50 Morgen groß, besaß Sinzig auf dem Aulenberg (südl. von Sinzig bei Schloß Arenthal) und auf dem Mühlenberg (zwischen Westum, Löhndorf und Ehlingen). Diese Wälder waren sogen. »Märkersbüsche«, die einer Anzahl von Bürgern, »Märker« genannt, als gemeinsames Eigentum (Allmende) gehörten;6) der hierfür zuständige »Waltförster« wurde offenbar von dem Vorsteher der Märker, dem »Marckerherren«, bezahlt, da er in der Sinziger Stadtrechnung nicht aufgeführt wird.3)
» Waltförsters Aydt«
»Ihr sollet globen undt schwehren zu Gott undt seinem heyl. Evangelio, daß Ihr Bgr. (Bürgern) undt Rhat, dem zeitlich angeordtneten edelen Marckerherren, wie dan auch hiesiger Bürgerschafft undt Gemeinde trew undt holt sein; die Marckerbüsche, benenntlich Uhlenberghs undt Müllenbergs, mit Fleyß hüthen undt bewahren. Daß von anderen noch von Euch selbsten darin kein Schade geschehe, Ihr auch denselben weder heimlich noch öffentlich gestatten, bewilligen oder zulassen sollet, weder umb Gunst, Gaabe oder einigerley Genuß, sonderlich aber ohne Vorwißen und Erlaubniß eines ehrsamen Rhats; wie den auch zur Zeit deß edelen Mark-kerherren keinen schädlichen Haw thun, keinen grünen Baum noch Ast abhawen lassen sollet noch wollet. Undt Euch also verhalten alß einem trewen Forsteren oder Büschhütheren pflichtenhalber zu thun oblieget«. Der Sinziger Stadtdiener, auch Stadt- oder Ratsbote genannt, erhielt jährlich 47 Gulden; er darf nicht mit dem Stadtschreiber verwechselt werden, dessen Gehalt doppelt so hoch war.3)
»Aydt deß Stattdieners«
»Ich N. N. globe undt schwehre – nachdem ein ehrsahmer Rhat auff mein gutliches Ansinhen alß für einen gringen Diener daß Stattdiener Ambt zu bedienen angenehmen -, daß ich demnach dem ehrbahren R hart soll und will in allen Puncten, waß sie mir zu thun gebiethen, trewlich außrichten und mich in keinem Theill weigeren. Undt waß ein ehrbahrer Rhat in heimlichen Dingen schließet, kpines wegs anderen solches vermeide sonderen in Geheim hinder mir behalten soll. Dahn auch auß- undt einwendige Bürgermeisteren zu Einhebung Schatz (Steuerererhebung) undt anderen Ungelüsten auch gebrauchen müßten, daß ich denselben trew-lich dienen will und soll. Da uch jemandt Pfandt-schaften zu thun, dieselbige nicht außer gebührliche Zeit thun will, und in dem Fall dem Armen wie dem Reichen dienen, undt niemand bau-sten (über) Gebühr beschwehren. Da ich hörte, daß jemandt einen ehrbaren Rhat an Ehr oder Gelimpff verletzen thet, daß ich solches zu erkenen geben soll; undt mit Kirchemgangh und ander Solemnitäten (Feierlichkeiten) mich jederzeit hinder einem ehrbahren Rhat mit meiner Büsten hinden nachfolgen. Undt mich jederzeit in allen Puncten und Artikulen, waß mir ufferlagt oder kunfftig in meinen Dienst ufferlagt werden mögte, trewlich nachzukommen und auch fleißig erzeigen. Dahr ich mich in diesen und anderen Puncten ungemäß, welches wilts Gott nit geschehen sollte, halten thet, soll ich damitten jederzeit meinen Dienst verwirckt haben; diesen also trewlich nachzukommen, helff mir Gott, sein heiliges Wort und Evangelium«. Den Stadtrat bildeten die »Rhatsverwathen«, von denen es 1648 zwölf gab, die jeweils jährlich sechs Gulden erhielten.3)
„Aydt eines Rhatsverwanthen«
»Ich N. schwehren einen Aydt zu Gott, daß ich soll und will von diesem Tagh ahn undt hinfürter zu aller undt jeder Zeith, wan sich daß nach Herkommen und Gebrauch eigen und gebühren wirdt, gehorsamblich zu Rhat gehen, den helf-fen zierlich besitzen und getrewlich warthen die Statt und Landtschafft bey ihren Privilegien, Frey- undt Gerechtigkeiten, guten wohlherbrachten Gebrauchen (wohlhergebrachten Gebräuchen) undt Gewohnheiten zu handthaben. Alle Sachen, so im Rhatt zu berathschlagen vorfallen, nach Notturfft anhören, darauff recht-meßigh meinem Vermögen undt Verstand! nach zu antworten; auß dem Rhat ohne Urlaub, ehe und zuvor alle Sachen abgehandlet, nit abzutretten. In allen vorfallenden Rhatschlägen den meisten Stimmen beyzufallen; und waß im Rhat beschießen, gentzlich zu verhehlen und zu verschweigen und niemandt deß Rhats Heimlichkeit undt Wahrschlage zu offenbahren. Soll auch keine Verschreibung oder anderen brieff-lich Schein und Urkundte ohne Vorleßung und, ehe daß Inhalt derselbigen wahr befunden, helf-fen versiegelen. Undt sonst alles thun undt lassen, daß einem ehrbahren und uffrechten Rhatsverwanten von recht und guter Gewohnheit zusteht undt gebührt.«
Der Bürgermeister, der jährlich 25 Gulden erhielt, 3) wurde im November jeden Jahres in der Sinziger Kirche vereidigt.4)+5)
»Landtbürgermeisters Aydt«
»Ihr sollet globen undt schwehren zu Gott und seinem heyl. Evangelio, unserem ggten (gnädigsten) Landrfürsten und Herren, auch hiesiger Statt Sintzig gantzer Bürgerschafft undt Gemeinde ein getrewer undt fleißiger Vorgeher undt Bürgmr. (Bürgermeister) zu sein; ihre Ehre, Würde, Nottdurfft undt gemeinen Nutzen jederzeit zu beförderen, zu betrachten undt mit Wißen nimmer versäumen oder liegen zu laßen. Undt waß Ihr wißet und verstehet, oder Euch vorkombt, daran etwaß gelegen, im sitzenden Rhat fürderlich vorbringen. Undt waß Euch im Rhat befohlen oder beschlossen wirt, darahn sein, daß solches ohne allen Verzug undt unge-ändert vollezogen werde. Hiesige Statt Freyhei-then, alt gut Herkommen, Gewohnheiten, Statuten, Satzungen, Recht und Gerechtigkeiten nach altem loblichem Herkommen handthaben undt beobachten. Darin nicht Ansehen, jemandts Freundschafft, Feindtschafft, Gabe oder Geschenck darumb nehmen. Undt solchem nach Euch alßo verhalten alß einem ge-trewen Vorgeher und Landtbürgermeisteren Ambts undt Pflichten halber zu thun oblieget«. Der Schwörende hatte jeweils, nachdem man ihm den Wortlaut des Eides vorgelesen hatte, die Eidesformel zu sprechen: »Alles daßjenige, waß mir vorgehalten worden, daß hab ich recht und wohl verstanden, dem will ich alßo nachkommen, so wahr mir Gott hilfft und sein heyliges Evangelium«.
Quellen und Literatur:
1) Landeshauptarchiv Koblenz, Best. 13 Nr. 364 (Ratsprotokolle der Stadt Sinzig: fol. 278-81)
2) Burghardt, F. J.: Die Sinziger Musterung Anno 1649; Heimat-Jahrbuch 1981 für den Landkreis Ahrweiler, p. 62-65
3) Burghardt, F. J.: Die Sinziger „Landrechnung« im Jahre 1648; Heimat-Jahrbuch 1980 für den Landkreis Ahrweiler, p. 75-77
4) Burghardt, F. J.: Der »stillschweigende« Schultheiß in Sinzig; Heimat-Jahrbuch 1979 für den Landkreis Ahrweiler, p. 82-84
5) Burghardt, F. J.: Die Sinziger Bürgerschaft im Jahre 1666; Heimat-Jahrbuch 1978 für den Landkreis Ahrweiler, p. 40-43
6) Bruchhäuser, K.: Heimatbuch der Stadt Sinzig; Sinzig 1953