SINZIGDIE BARBAROSSASTADT IM AHRKREIS
Von Rektor Bruchhäuser, Sinzig
Gegen Ende des 11. Jahrhunderts begann für das Reich eine Zeitspanne des Streites zwischen Kaiser und Papst, in der die Reichsgewalt durch den Investiturstreit stark erschüttert wurde.
Hinzu trat der fast hundertjährige Streit zwischen den beiden mächtigen Fürstenhäusern der Weifen und Staufen, der ein Unglück für das Reich bedeutete und auch unsere Heimat stark in Mitleidenschaft zog.
Als mit dem Tode Heinrichs V. das fränkische Kaisergeschlecht endete, wurde Lothar von Sachsen, ein Weife, zum Herrscher gewählt. Er fand mächtige Gegner in den staufischen Brüdern Friedrich und Konrad von Schwaben. Es entspann sich nun der unselige welfisch-staufische Streit.
Nach dem Tode Lothars wurde der Staufe Konrad als Nachfolger gewählt. Der Streit, der nun erneute Nahrung fand, verschärfte sich noch weiter, als Konrad dem Weifen Heinrich dem Stolzen, dem Vater Heinrichs des Löwen, das Herzogtum Sachsen absprach und ihm auch Bayern nahm. Obwohl Heinrich der Löwe Sachsen zurückerhielt, fand der Streit doch kein Ende. Die Reichsgewalt war durch die doppelten Streitigkeiten stark erschüttert und geschwächt.
Friedrich Barbarossa, dem unser Städtchen den Namen Barbarossastadt verdankt, trat nun auf den Plan. Zielbewußt und mit starker Hand führte er des Reiches Macht zu einem Höhepunkt. Er bewies eine echt königliche Haltung und gewann sich die Achtung der Großen; sein edles, hochherziges Wesen bezauberte das Volk.
Sein Hauptziel war, die wirkliche Macht und Stellung des römischen Kaisers zu erlangen. Diesem Ziel galten seine Kämpfe in Italien und der Kampf gegen Heinrich den Löwen. Im Verlaufe des letzteren wurde Heinrich geächtet, weil er nach der Macht strebte und dem König die Gefolgschaft verweigerte. Der Welfe wurde verbannt, sein Herzogtum geteilt. Er floh nach der Normandie zu seinem Schwiegervater und von dort weiter nach England. Es war im Jahre 1180. Friedrich weilte in Sinzig. Da erschienen vor ihm die Gesandten des Königs von Frankreich und der Grafen von Flandern und der Champagne und baten für den Geächteten um Gnade.
Mehrmals weilte Barbarossa in der Pfalz zu Sinzig, und mit Stolz darf sich unser Städtchen die Barbarossastadt nennen.
Als Friedrich am 5. März 1152 in Frankfurt zum König gewählt war, fuhr er im reichgeschmückten Boot den Rhein hinab bis Sinzig und ritt von hier auf der Heerstraße nach Aachen zur Krönung. In der Pfalz dahier verweilte er einen Tag.
Eine Urkunde vom 26. April 1158 bezeugt einen weiteren Aufenthalt in Sinzig, während dessen er ein Bergwerksprivileg für den Erzbischof Hillin von Trier ausstellte. Der Wortlaut der Urkunde ist folgender:
„Friedrich, von Gottes Gnaden Römischer Kaiser und ewig erhaben, an den Ehrwürdigen Erzbischof von Trier, Hillin, den Legaten des Apostolischen Stuhles, und an dessen Nachfolger für immer p.p. Allen Rechtsanspruch, den wir nach dem Urteil der Obrigkeit auf die Silbergruben in Ulmeze (Ems) und auf den anliegenden Berg offensichtlich haben, stellen Wir Dir und durch Dich Deinen Nachfolgern mit allen übrigen Regalien (= königl. Rechte) als frei zu besitzendes Benefizium (= Wohltat) zur Verfügung und Wir beschließen, diesen auf ewig durch rechtskräftigen Titel gerechtfertigten Besitz durch unsere kaiserliche Autorität zu sanktionieren. Damit aber das Benefizium dieser unserer Schenkung alle zukünftigen Zeiten sicher und unumstößlich gehalten werde, haben Wir das vorliegende Schriftstück aus diesem Grunde niederschreiben lassen unter Hinzuziehung geeigneter Zeugen, deren Namen folgende sind: Betherus, Abt von Prüm, Aebertus, Propst von Aachen, Gerhard, Propst von Magdeburg, Konrad, Graf von Reno, Heinrich von Lemburo, Ulrich von Are, Theoderich von Wied, Marquard von Groribach, Ulrich von Horninc, Gozuinus der Jüngere von Heinsberg, Tiderich und Florentius von Kempenich, Emmeko, Graf von Lininge, Albert, Graf von Mulbach, Godefried, Graf von Spanheim.
Das Zeichen des Herrn Friedrich, des ruhmreichen und unbesiegten Römischen Kaisers.
Dies habe ich Reinald, der Kanzler, an Stelle des Herrn Arnold, des Erzbischofs und Erzkanzlers von Mainz, gutgeheißen.
Geschrieben und bestätigt Synzeche am 6. der Kaienden des May, im Jahre der Fleischwerdung des Herrn 1158 in der 6. Indiktion unter der Regierung des Herrn Friedrich, des unüberwindlichen Kaisers im 7. Jähre seiner Regierung, im 6. seiner wirklichen Herrschaft.“
Eine weitere Urkunde, die auch 1158 von Friedrich hier ausgestellt wurde, besagt:
„Friedrich von Gottes Gnaden ….. Wir nehmen die Kirche der seligsten Jungfrau Maria, die auf der Rheininsel Rolandswerth gelegen ist, mit allen ihren Besitzungen unter den Schutz und die Mündelschaft unserer Sicherheits- und Herrschaftsgewalt. Und damit dies alles für immer festgesetzt und unabänderlich bleibt, haben Wir dieses Schriftstück mit dem Aufdruck unseres Siegels bestätigt unter Hinzuziehung von Zeugen, deren Namen lauten: Friedrich, Erzbischof von Köln; Nikolaus, Abt von Siegburg; Albert, Propst von Aachen; Arnold, Propst von St. Andreas; Gerard, Propst von (Susitiae). Fürsten und Freie: Cunrad, Pfalzgraf; Marquard von Gronbach; Albert Graf von Molbach; Heinrich, Graf von Seine; Walter, Graf von Kesseling. Unfreie Dienstleute: Cunrad von Boppard; Gottfried von Breitscheid; Rudolf von Sinzig und viele andere.
Das Zeichen des Herrn Friedrich, des ruhmreichen und unbesiegten Römischen Kaisers.
Dies habe ich Reinald, der Kanzler, an Stelle des Herrn Arnold, des Erzbischofs und Erzkanzlers von Mainz, gutgeheißen.
Geschrieben in der königl. Pfalz Sinzeche im Jahre 1158 der Menschwerdung unseres Herrn in der 6. Indiktion unter der Herrschaft des römischen Kaisers Friedrich, im 3. Jahre seines ruhmreichen Kaisertums, im 6. Jahre seiner Königsherrschaft.“
Eine dritte Urkunde vom 27. 4. 1158 besagt, daß der Kaiser auf die Bitte des Propstes der Kirche von Kloster Rore (im Salzburgischen) hin den Schutz über die Kirche und die zugehörigen Güter übernimmt. Die Unterzeichner sind meist wieder dieselben Personen: Retherus, Abt von Prüm; Nikolaus von Siegburg, Abt; Albert, Propst von Aachen; Gerhard, Propst von Magdeburg; Henricus, Graf von Limburg; Graf Heinrich; Marquardt von Gronbach.
Das Zeichen des Herrn Friedrich, des römischen Kaisers, stets erhaben und unbesiegt.
Ich Reinald, Vizekanzler des Herrn Arnold, Erzbischof von Mainz und Erzkanzler, erkenne das an.
Das Denkmal Kaiser Friedrich Barbarossas
Foto Stang
Sinzeche am 5. Kaienden des Mai, im Jahre 1158 der Menschwerdung u.s.f. wie oben.
Auch im Jahre 1174 weilte Barbarossa wieder in Sinzig. Am 9. Mai 1174 stellte er hier eine Bestätigungsurkunde für die Abtei Siegburg aus. Sie lautet:
„Friedrich von Gottes Gnaden, in Milde Römischer Kaiser und stets erhaben p. p.
Wir wollen bekannt machen, daß Wir auf Bitten Unseres sehr geliebten und getreuen Gerhard, Abt von Siegburg, und der dort in Christus lebenden Brüder das Kloster Siegburg mit all seinen Untertanen in unseren Schutz und unsere Verteidigung übernommen haben. Damit aber dies alles gültig und bestätigt und allezeit unerschüttert bleibe, wird diese Urkunde ausgefertigt und mit dem Aufdruck unseres Siegels und Zeugenunterschriften bestätigt, deren Namen folgende sind: Philipp, Erzbischof von Köln; Arnold, Erzbischof von Trier; Sifrid, Propst von Xanten; Sifrid, Magister der Mainzer kirchlichen Hochschule und Propst von St. Johann; Wenzelo, Propst in Köln; Graf Engelbert; Graf Rudolf von Phylendorp; Graf Heinrich von Dietz; Graf Rubert von Nassau; Graf Friedrich von Hochstaden; Graf Arnold von Altena; Graf Wilhelm von Jülich; Graf Heinrich von Kesseling; Florentinus von Kempen; Gerlach von Isenburg; Konstantin von Berg; Werner von Bonlant; Werner von Rode; Godefrid von Wolkinberg; Gerhard, Advokat von Köln; Wolfinus von Siegburg; Hartmann von Stotzdorf und viele andere.
Das Zeichen unseres Herrn Friedrich, des unbesiegten römischen Kaisers.
Ich, Godefried, Vizekanzler am kaiserlichen Hofe, des Christian, Erzbischof von Mainz und Erzkanzlers, habe dies bestätigt.
Ausgefertigt im Jahre der Menschwerdung unseres Herrn 1174, in der 7. Indiktion unter der glorreichsten Herrschaft des Herrn Friedrich, des römischen Kaisers, im 23. Jahre seines Königtums, im 20. Jahre seines Kaisertums.
Gegeben zu Sinceche am 7. Tage der Iden des Mai. Amen.“
Im Jahre 1174 stellte Friedrich noch eine zweite Urkunde in Sinzig, und zwar für das Klöster von St. Nikolaus in Brauweiler:
„Friedrich von Gottes Gnaden . . .
Wir machen bekannt, daß das Kloster von St. Nikolaus in Brauweiler aus Stiftungen von Gläubigen gewisse Besitzungen in Herten p.p. erhält. Diese Besitzungen bestätigen Wir mit kaiserlicher Autorität.
Zeugen dieses Aktes sind: Philipp, Erzbischof von Köln; Arnold, Erzbischof von Trier; Erlebold, Abt von Stabulo; Wezelo, Propst von St. Andreas, Köln; Syfridus, Propst von Xanten; Graf Rudolf von Phulendorf; Graf Heinrich von Dietz; Graf Ulrich von Are; Graf Engelbert von Berg; Werner von Bonland; Werner von Roden; Kunrad von Syn-zecke u. v. a.
Das Zeichen unseres Herrn Friedrich . . Ich, Godefried, Vizekanzler…. bestätige dies.
Ausgefertigt ist dies im Jahre der Menschwerdung …. im 20. seines Kaisertums.
Gegeben zu Synzeche am 7. der Iden des Mai. Amen.“
Sinzig war immer kaisertreu. In dem unseligen Kampfe zwischen den Welfen und Staufen war es von Anhängern der Weifen umgeben. Als der siegreiche Kaiser Otto IV. nach Sinzig kam, sah er zu seiner großen Freude auf der Kaiserpfalz die Staufenfahne wehen. Es war der treue Ritter Gerhard von Sinzig, der hier unerschrocken für die Partei Friedrichs und seiner Nachfolger eintrat und inmitten der Kaiserfeinde stolz die Staufenfahne zeigte.
Barbarossa, der größte aller Staufen, eine Kaiser Karl verwandte hohe Natur, war wie dieser Schutzherr der Kirche, ein getreuer Vertreter des christlichen Kaisergedankens. Friedrich war der Stadt Aachen besonders gut zugetan. 1165 wurde auf seine Veranlassung hin Karl der Große heilig gesprochen. Die Heiligtumsfahrten, namentlich von Ungarn her, nahmen stark zu. Die heutige Lands-kronerstraße führte in früherer Zeit die Namen Heerstraße und Pilgerstraße. Auf dieser Straße Frankfurt—Aachen zogen die Pilger durch Sinzig.
Ausgrabungen am Sinziger Kuhbach entlang zeigten, daß dort ein ca. 150 m langes Gebäude gestanden haben muß. Es diente sicherlich der Unterbringung der vielen Benutzer der Heer- und Pilgerstraße, auch schon z. Zt. Barbarossas. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß der im Volksmunde noch erhaltene Name Sloupgasse, auch Schleupergasse, Unterschlupf oder Schlafgasse bedeutet.
Es waren für Sinzig wahrhaft große Zeiten, wenn hier so viele hohe Gäste weilten und die Straßen widerhallten von den Hufen der Rosse so zahlreicher Ritter. Wir dürfen mit Stolz zurückdenken an den großen Hochenstaufen und seine in Sinzig verbrachte Zeit.
Barbarossa hat nicht Aufenthalt nehmen können in einer Burg, die an der Stelle des heutigen Schlosses gestanden haben soll. Damals war Sinzig noch nicht Stadt, besaß noch keine Mauer und auch noch nicht eine Burg, die „außerhalb der Mauer gelegen haben sollte“. Barbarossa wohnte in dem Palast zu Sinzig, der in einer Schenkungsurkunde von 762 bereits erwähnt wurde. Pippin residierte als erster in dieser Pfalz, und nach diesem noch mehrere Fürsten und Könige. Auch Barbarossa weilte bei seinen Sinziger Aufenthalten darin. Diese Pfalz muß folgerichtig auf dem Platze des heutigen Zehnthofes gestanden haben.
Was erinnert uns täglich an Barbarossa? Im Jahre 1914 hat die Stadtverwaltung den heute schönsten Straßenzug vom Bahnhof aus nach Westen Barbarossastraße benannt. In den Anlagen an dieser Straße wurde am 14. 10. 1951 ein Standbild Friedrichs, allen Besuchern Sin-zigs zugänglich, aufgestellt. Dieses Standbild war ein Geschenk der Kinder des Ehepaares Bunge an dieses zur Silberhochzeit im Jahre 1875. Bunge ließ in den Jahren 1854—58 das jetzige Schloß auf den Ruinen der früheren Burg errichten. Die lebensgroße Figur auf hohem Sockel stand bis 1951 wie „im unterirdschen Schlosse“ hinter dem dichten Baumschleier des Schloßparkes versteckt. Ein Nachkomme, Frau Else von Wedderkop geb. Königs, hat es 1951 der Stadt überlassen. Durch Straße und Standbild wird das Andenken an den großen Staufen und Gast Sinzigs in steter Erinnerung gehalten. Die Spenderin schrieb in ihrer Schenkungsurkunde zum Schluß: „Die Stadt Sinzig möge sich durch dieses Denkmal dankbar daran erinnern lassen, daß der Glanz des mittelalterlichen Reiches durch die mehrfachen Aufenthalte des Kaisers in der Sinziger Burg auch auf die Stadt ausgestrahlt hat und auch heute noch nicht erloschen ist.“
Die Urkunden Barbarossas tragen alle „das Zeichen des Herrn Friedrich…“, die monogrammatische Unterschrift: s.u.
Die Kanzleien der Herrscher fertigten die Monogramme an. Der Herrscher selbst fügte nur einen Strich hinzu, den sogen. Vollziehungsstrich. Dadurch bekam die Urkunde die Note der persönlichen Beteiligung an der Ausfertigung. Dieser Strich war meist erkenntlich an einer anderen Tinte und dem unsicheren Schriftzug. Die Herrscher waren vielfach des Schreibens unkundig.
DiemonogrammatischeUnterschrift: | FriedericusRomanorumImperatorsernperAugustus |