»Seit diesem Jahr datiert sich in Altenahr ein reger Fremdenverkehr«
Aus den Anfängen des Tourismus an der Mittelahr im 19. Jahrhundert
Ignaz Görtz
Im November 1984 feierte die Gemeinde Altenahr das 150jährige Bestehen des Straßentunnels. Dieser »Felsdurchbruch« war der erste in Preußen und bildete den krönenden Abschluß der Ahrtalstraße, der heutigen Ahr-Rotweinstraße. Gleichzeitig legte die verbesserte Verkehrserschließung den Grund für den Fremdenverkehrsort Altenahr. Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts war Altenahr reine Weinbaugemeinde. Eine gewisse zentrale Stellung besaß die Gemeinde als Pfarrort und als Amtssitz des nach 1246 geschaffenen kurkölnischen Amtes Altenahr, ab 1815 Sitz der preußischen Bürgermeisterei Altenahr.
Durch die Talsiedlung führte schon immer die Straße Bonn-Trier, die hier eine Zollstätte passierte. Die Straße selbst steigt in Richtung Bonn (Kalenborner Höhe) auf 4 km Länge stark an, so daß beladene Fuhrwerke in Altenahr einen Vorspann nehmen mußten. Aus dieser Situation erklärt sich wohl, daß schon früh im Tal zu Altenahr ein Wirtshaus stand, das im Jahre 1166 zum erstenmal urkundlich erwähnt wird. Natürlich bedeuten die Durchreisenden und die Fuhrleute, die hier einkehrten und übernachteten, noch keinen Fremdenverkehr im heutigen Sinne. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts wurde unter der französischen Verwaltung mit einem intensiveren Straßenbau begonnen, der von der preußischen Regierung fortgeführt wurde. Die erste Straße durchs Ahr-tal, ein für damalige Verhältnisse technisches Wunderwerk zwischen steilem Fels und Flußlauf, wurde Anfang der 30er Jahre zwischen Ahrweiler und Altenahr gebaut. Krönung der Bauarbeiten war der Felsdurchbruch bei Altenahr, der am 25. November 1834 eingeweiht wurde.
Gäste vor dem Altenahrer Gasthaus „Zum Durchbruch“
Ein erster Felsdurchstich erfolgte am 19. November 1833. Der preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm war bei der Öffnung anwesend und durchschritt als erster die noch enge Felsspalte. Seine Anwesenheit wie auch die Tatsache, daß Karl Friedrich Schinkel 1833 eigens einen Entwurf schuf, unterstreicht die Bedeutung, die man diesem Tunnelbau und darüber hinaus dem Straßenbau zumaß. Über die Ausstrahlung dieses Bauwerkes berichtet noch Karl Schorn, der aus Essen stammende Verfasser der »Eiflia Sacra«, in seinen 1898 erschienenen »Lebenserinnerungen«: »Es war im Jahre 1833, als ein staunenswertes Ereignis nicht nur die Rheinlande, sondern auch weiteste Kreise in Erregung brachte. Es war dies der sogenannte Durchbruch oder besser die Durchführung der Ahrtal-Fahrstraße durch den hohen Felsen der 192 Fuß langen Breitlei bei Altenahr, wie sie heute noch existiert. Eine solche vermeintliche, jetzt tausendfach überwundene Riesenarbeit war damals fast für unmöglich gehalten, und das nunmehr leichter zu erreichende Altenahr mit seiner großartigen Umgebung war das Ziel der Neugier für die gebildete Welt.«
Auch die einheimische Bevölkerung wußte den Bau des Tunnels zu schätzen. So berichtet die Altenahrer Chronik von der feierlichen Eröffnung:
»Am 25. November 1834 war der Durchbruch fertig und fand an diesem Tage die feierliche Eröffnung der Passage statt durch den Oberpräsidenten der Rheinprovinz, Herrn von Bo-delschwing, und in Anwesenheit der Baubehörde der Bezirksregierung. Die Schuljugend der ganzen Bürgermeisterei Altenahr war diesseits und jenseits des Durchbruchs aufgestellt, und es hatten sich viele Leute aus der Umgegend eingefunden, so daß die Felskuppen über dem Durchbruch mit Zuschauern besetzt, welche mit Bewunderung und Staunen erfüllt waren. Die Böllerschüsse und Festgesänge verursachten einen ergreifenden Eindruck. Ein feierliches Mahl beim Gastwirt Caspari, dessen Wirtshaus im Thal den Namen >Gasthaus zum Durchbruch< erhielt, beschloß die Eröffnungsfeier.«
Mit dem Ausbau der Straßenverbindung wurden in den größeren Orten des Ahrtals, so auch in Altenahr 1839, Poststellen eingerichtet. Nun konnten die Touristen, die schon früher das Rheintal entdeckt hatten, mit der Postkutsche das Ahrtal bereisen und waren nicht mehr auf weite Fußmärsche oder holprige Fuhrwerke angewiesen. Die Altenahrer Ortschronik meldet denn auch im Anschluß an den Bericht über die Einweihung des Straßentunnels: »Seit diesem Jahr datiert sich in Altenahr ein reger Fremdenverkehr.« Fremde Besucher sah Altenahr allerdings schon in den Jahren vorher. Es waren Bonner Studenten, die über Meckenheim nach Altenahr kamen, um hier beim Wein fröhliche Feste zu feiern. Aber auch die geheimnisvolle, wilde und noch unberührte Landschaft zog Gäste nach Altenahr. Die Maler und Poeten der Romantik durchstreiften die Landschaft und priesen deren Reiz und herbe Schönheit in ihren Werken. Die erste Gästewerbung für Altenahr erfolgte so nicht durch Werbefachleute, die künstlerischen Arbeiten über die Landschaft warben schon europaweit für dieses Tal. Erinnert sei hier an die Lithographien eines Nicolas Ponsart, der schon 1831 in seinen »Erinnerungen an die Eifel und die Ahr« fünf Ansichten der Mittelahr veröffentlichte.
Die Touristen wurden auf das Ahrtal aufmerksam, und dank der neu eingerichteten Postverbindung wurde der Besuch erleichtert. Im Jahre 1833 zählte man schon 4000 Besucher auf Burg Are, die größtenteils für eine Nacht in Altenahr blieben. Diese stattliche Zahl von Gästen ist zurückzuführen auf die Landschaft und die historischen und kulturellen Sehenswürdigkeilen, die dem romantischen Zeitgefühl entgegenkamen. Eine Attraktion waren aber auch die Bauarbeiten am Straßentunnel, der nach seiner Fertigstellung zu einer Sehenswürdigkeit wurde, die viele Leute von nah und fern anlockte. Die Bedeutung, die man diesem Wunderwerk der Baukunst zumaß, veranschaulicht nicht zuletzt die Häufigkeit, mit der der Felsdurchbruch auf zeitgenössischen Ansichten dargestellt und in den Reisebeschreibungen erwähnt wird. Verkehrserschließung, bewunderte Landschaft und fröhliche Stunden beim Wein hätten aber nicht zu einem dauernden Besucherstrom geführt, wenn nicht unternehmerische Persönlichkeiten die Lage erfaßt und Gasthäuser zur Aufnahme der Gäste gebaut hätten. So standen um 1840 schon drei Gasthäuser zur Verfügung, von denen Kinkel in seinem »Führer durchs Ahrtal« besonders empfiehlt den »Rheinischen Hof« und »das berühmte Gasthaus zum Durchbruch bei Herrn Caspari, dem wackeren und verständigen Freund der Maler und Studenten, der aber auch für Beherbergung von Familien vortrefflich eingerichtet ist.« Auf Privatinitiative geht auch die Schaffung der ersten Aussichtspunkte zurück, wie auch die Ruine der Burg Are mit viel Mühe und Schweiß geräumt und für den Besucher zugänglich gemacht wurde. Wie stark der Fremdenverkehr ins mittlere Ahrtal und dabei besonders nach Altenahr war, zeigen wohl am deutlichsten die vielen Beschreibungen von Land und Leuten, die als Reiseführer damals erschienen.
Im Tunnel bei Altenahr
Lith. v. N. Ponsrat, 1838
Philipp Wirtgen und Ernst Weyden veröffentlichen 1835 ihre Ahrtal-Reiseführer, von denen schon 1839 die zweite Auflage, ergänzt mit Stichen von Aime Henry bzw. Hundeshagen/ v.d. Emde erscheint. Im Jahr 1846 legt Gottfried Kinkel sein grundlegendes Werk »Die Ahr«, illustriert mit Stahlstichen nach Zeichnung von Schlickum, vor. Ponsart veröffentlichte 1838 seinen ersten Band »Vallee de l’Ahr« mit den bekannten Ansichten der Ahrlandschaft. Eine weitere Bildserie erscheint 1839, die eventuell stärker den Touristen ansprechen sollte, zumindest die veränderte, vom Tourismus geprägte Szenerie im Bild festhält. Während die Ansichten der Serie von 1838 den Bewohner zeigt, rückt in den Ansichten von 1839 der Besucher der Landschaft in den Vordergrund. Im Jahre 1839 zeichnet Ponsart sogar eine Wanderkarte für das Gebiet um Altenahr, in der er die schönsten Aussichtspunkte mit einer kleinen Zeichnung der dort zu genießenden Ansicht einträgt und viGr Wandervorschläge (Promenaden) aufnimmt (vgl. Heimatjahrbuch 1982, S. 162). Es wird also keine Übertreibung sein, wenn die Altenahrer Ortschronik für das Jahr 1837 vermerkt, daß der Fremdenverkehr »ungewöhnlich stark« gewesen sei. Ein neuer Kreis von Besuchern erschloß sich für Altenahr mit der Entwicklung des Bades Neuenahr ab 1858.
Entwurf für den Felsdurchbruch (von Westen) bei Altenahr von K.P. Schinkel, 1833
Der Felsdurchbruch (von Osten) bei Altenahr. Stahlstich nach Zeichnung von C. Schlickum, 1846
Wohl die meisten Kurgäste fuhren während ihres Kuraufenthaltes wenigstens einmal mit der Kutsche durchs Ahrtal, um die Landschaft und das Weinbaugebiet zu erleben. Endpunkte solcher Ausflugsfahrten war Altenahr, dessen Gasthäuser für die Aufnahme der Gäste bestens gerüstet waren. Neue Impulse gab der Bau der Eisenbahn, von der das Teilstück Ahrweiler-Altenahr im November 1886 eingeweiht wurde. Dabei war es zum einen die bessere Verkehrserschließung, die eine engere Bindung zu den Städten am Rhein schuf. Zum ändern wurden die Eisenbahnanlagen mit ihren Brücken- und Tunnelbauten, gerade im mittleren Ahrtal, zu einer weiteren Sehenswürdigkeit, wie es rund 50 Jahre vorher der Straßentunnel war. Die so von außen herangetragene Belebung des Verkehrs konnte sich natürlich nur deshalb voll auswirken, weil schon ein abgerundetes touristisches Angebot bestand. Es war der Dreiklang von begeisternder Felslandschaft, dem Fluidum der Weinbauorte mit freundlichen und aufgeschlossenen Menschen und dem leistungsfähigen und vielseitigen gastronomischen Angebot.
Noch 1910 Sehenswürdigkeiten: Die 3 Tunnels (1 Straßen-, 2 Eisenbahntunnels) von Altenahr
Repros: Görtz
Dabei begnügte man sich nicht mit der bloßen Existenz der Landschaft und der Sehenswürdigkeiten, wie Burg, Kirche und Straßentunnel. Die 1889 gegründete Eifelvereinsgruppe Altenahr etwa, die lange Zeit mit dem Verkehrs- und Verschönerungsverein personell identisch war, erschloß die Landschaft durch Neubau von Spazier- und Wanderwegen und die Schaffung weiterer Aussichtspunkte. Auch das gastronomische Angebot wurde entsprechend den Erfordernissen laufend ergänzt und modernisiert. Im Jahre 1887 beschloß der Gemeinderat im Hinblick auf den Fremdenverkehr den Bau einer Wasserleitung für den Teil des Ortes, in dem die Gasthäuser und Restaurants lagen. Der Fremdenverkehr nahm während des 19. Jahrhunderts ständig zu, so daß die 1905 vom Eifelverein herausgegebene »Aufstellung aller dem Eifelverein angehörenden Hotels und Gastwirtschaften« in Altenahr 11 Hotels und Gaststätten nennt. In den aufgeführten Häusern standen über 100 Betten zur Verfügung, eine Zahl, die man im Verhältnis zu den damals 600 Einwohnern des Ortes sehen muß. Ferner ist zu berücksichtigen, daß damals der Tagesausflugsverkehr für Altenahr schon große Bedeutung hatte, dessen Umfang unabhängig von der vorhandenen Bettenzahl ist. Die Entwicklung ist natürlich nicht stehengeblieben. Der Fremdenverkehr nahm allgemein, auch im Kreis Ahrweiler andere Dimensionen an. Nicht nur in Altenahr, das um die Jahrhundertwende noch überwiegend Weinbaugemeinde war, ist der Fremdenverkehr an die erste Stelle gerückt. Dabei bleibt festzustellen, daß Erfolge nur da erzielt werden, wo die Wünsche und Vorstellungen des Gastes Berücksichtigung finden, sich der wechselnden touristischen Nachfrage angepaßt wird. Hier kamen schon vor 150 Jahren in Altenahr, und das gilt heute gleichermaßen, die entscheidenden Impulse aus privater, unternehmerischer Initiative.
Quellen:
Ortschronik Altenahr; Kinkel, Die Ahr, 1846; Wirtgen, Das Ahrtal, 1839; Weyden, Das Ahrtal, 1839; Die Eifel, Zeitschrift des Eifelvereins.