„Schmunzelnde Justizia“
Heitere-Episödchen um das alte Adenauer Amtsgericht
Karlheinz Korden
Wenn die Chronik berichtet, daß das Adenauer „Schöffengericht“ im Jahre 1490, also noch vor der Entdeckung Amerikas, bereits mit dem heutigen Wappen der Stadt siegelte, so kann man daraus gewiß nicht herleiten, daß unsere Vorfahren besondere Streithähne waren oder über ausgeprägte kriminelle Veranlagungen verfügten, sondern eher die Tatsache feststellen, daß in der Johanniterstadt Recht und Ordnung einen fest fundierten Platz hatten. Etwa um das Jahr 1860 befand sich das Amtsgericht Adenau im Gebäude des heutigen Marienheims (neben dem Krankenhaus). Das spätere Grundbuchamt war jedoch im früheren „Bürgermeister Spindeler’schen Hause zu Adenau“ in der Kollengasse untergebracht. Das Hauptgerichtsgebäude im Marienheim, umgeben von Feldern, Wiesen und Obstbäumen, verfügte auch über ein Schöffengericht. Bis zu vier Richter waren bei der Adenauer Justizbehörde tätig und bemühten sich gemeinsam mit einem relativ großen Mitarbeiterkreis um die täglich anfallenden Rechtsfälle. Daß gerade das Adenauer Gericht kein Freund von „tierischem Ernst“ war, sondern unter Berücksichtigung der Eifeler Mentalität oft ausgesprochen „menschliche“ Seiten zeigt, beweisen viele reizende Episoden, die sich bis auf den heutigen Tag erhalten haben. Das Gerichtsgebäude, ein trutziger Steinbau, verfügte über einen ausreichenden Sitzungssaal, allerdings fehlte im Hause die Heizung und eine Toilette. Letztere befand sich als typischer „Plumps-CIo“ in einem angrenzenden Schuppen. Als Wasserversorgung fand sich im Amtsgerichtsgebäude nur eine Pumpe mit gewaltigem Schwengel. Die beiden im Gericht tätigen Wachtmeister begrüßten es im Winter stets dankbar, wenn Gefängnisinsassen als Heizer der Öfen herangezogen werden konnten. Das Gerichtsgebäude, wie geschildert, war der frühere Rittersitz „zur Mühlen“ und neben den zahlreichen Bediensteten fristeten dort unzählige arme Mäuse ihr karges Dasein; nichts zu nagen, nichts zu beißen, war ihr bitteres Los. Ob der Hüter der Gerichtskasse, Herr Frester, ein ausgesprochener Tierfreund war, oder ob ihm nur die grauen Nager leid taten, bleibt dahin gestellt. Bewiesen war jedoch die Tatsache, wenn Herr Frester sein Frühstücksbrot auspackte, mit dem Papier raschelte, erschienen stets zahlreiche Mäuse vertrauensvoll auf seinem Schreibtisch und freuten sich über die schmackhaften Krümel, die sie vertraulich verspeisten; sie wußten, daß ihnen kein Leid geschehen konnte. Dieses familiäre gemeinsame Frühstück wiederholte sich über lange Zeit täglich. Das Unheil für die grauen Kollegen war jedoch schon vorprogrammiert. Als der tierliebe Herr Frester plötzlich erkrankte, mußte ihn ein Kollege vertreten, dem die Frühstücksgepflogenheiten fremd waren. Ihm sträubten sich, als er zur Frühstückszeit sein Brot auswickelte, seine spärlichen Haare, als zutraulich die grauen Frühstücksgäste, wie gewohnt, erschienen. Entsetzt ergriff er ein gewichtiges Grundaktenstück und erschlug die nichtsahnenden Tierchen. Entsetzt war ebenfalls Herr Frester, als er wieder genesen, seine Frühstücksfreunde vermißte und die gar grausame Geschichte erfuhr. Er soll, so wurde berichtet, sehr lange mit dem Kollegen gegrollt und kein Wort mit ihm gewechselt haben.
Nicht vergessen sei auch nachfolgender gewichtiger Kriminalfall vor dem Adenauer Gericht:
Eine Eifeler Kirmes war früher (vor dem heutigen Disco-Zeitalter) schon immer ein Ereignis und eigentlich gehörte auch meist eine zünftige Keilerei dazu. Diese Prügeleien endeten auch damals schon oft vor den Schranken des Adenauer Amtsgerichts. Einer der wohl aufgeregten aber auch wortgewandten Zeugen schilderte dem gestrengen Herrn Gerichtsvorsitzenden sein schmerzhaftes Kirmes-Erlebnis: „Hohes bürgerliches Gesetzbuch! – Ich kam in den dunklen Hausflur und bekam direktement einen Eichenknüppel auf den Kopf'“-„Moment“, warf der Richter in den Wortschwall ein, „woher wollen Sie denn wissen, daß es sich um Eichenholz handelte?“ – Worauf der Eifeler Zeuge erklärte: „dat hört man am Klang!“
Es würde viele Seiten füllen, wollte man alle diese reizenden, ihrer Zeit entsprechenden Episödchen zu Papier bringen. Seien sie alle belegt oder nicht, zeigen sie doch ein Stückchen Geschichte auf, das nicht mehr so recht in unsere Zeit paßt, aber dennoch wert ist, dem Vergessen entrissen zu werden.