„Schloß Burgbrohl“ – ein Rückblick auf die Fertigstellung im Jahre 1879
Andreas Breuer
Schloß Burgbrohl, Neubau von 1879
Eng verbunden ist die Entwicklung des Dorfes Burgbrohl mit der Geschichte der „Burg an der Brohl“, von der der Ort selbst seinen Namen hat. Der Ort hatte früher die rechtliche Stellung eines „Tals“ und wurde in den stürmischen Jahren „industrieller Entwicklung und Blütezeit“ Ausgang der Jahre vor der Jahrhundertwende ein bis in die heutigen Tage aufstrebender Ort, zugleich kultureller und zivilisationstechnischer Mittelpunkt desBrohltales.
Was Technik und Fleiß erfanden und schufen, hier waren fortschrittliche Menschen, die Burgbrohl alle Lebensverbesserugen zukommen ließen. Erinnert sei an das gemeindeeigene Elektrizitätswerk, die Kanalisation und Wasserversorgung. Aber auch baulich wandelte sich das Gesicht des Ortes, so mit dem einzigartigen Kuppelbau der „Kaiserhalle“, mit den Industriebetrieben, den massiven Häusern eines gutsituierten Mittelstandes, den prächtigen Villen und nicht zuletzt mit dem Ausbau des Schlosses.
Einen besonderen Erinnerungswert hat das Jahr 1979 für das Schloßgebäude, das mit der vorgelagerten „Kellnerei“ — auch Burg genannt — eine Einheit bildet. Am 30. August diesen Jahres sind einhundert Jahre vergangen, daß das Schloß einen letzten Abschluß seiner etwa 150 Jahre früher begonnenen Bauzeit fand.
Nicht allzuviel wissen wir über die geschichtlichen Wechselfälle, denen die Gebäude unterworfen waren. Immerhin mehr als siebenhundert Jahre erhebt sich auf einem weit ins Tal vorspringendem bewaldeten Basaltkegel die „Burg“. Dieser das Tal beherrschende Punkt eignete sich von Natur aus zur Anlage und Hofhaltung der früheren, kleineren Ritterdynastien. Natur und Kunst haben denn auch hier die Hand gereicht, um eine kleine Bergfeste zu schaffen, die aber mit einem prachtvollen Laubkranz von Park- und Gartenanlagen geschmückt ist.
Vom Burghof genießen der Beschauer und der stille Naturbetrachter einen herrlichen Blick in die Landschaft des Brohltales hin zur Olbrück, zum Bausenberg, dem Krater, zum neuzeitlichen Baudenkmal, der Brohltalbrücke der Autobahn A 61, zu den rundum abschließenden Höhen bei Bad Tönisstein.
Auf dem Schloß, wo früher Rittersleut ihr strenges Regiment über Leibeigene ausübten, herrscht heute die beschauliche Stille, ,,contemplatio ejnes Klosters“, die nur ab und zu leicht unterbrochen wird, wenn der ökumenische Seniorenkreis sich in den Schloßräumen zu seinen wöchentlichen Veranstaltungen einfindet. Aber auch diese Zeit der Stille und Betrachtung ist bald abgelaufen; sie wird Geschichte sein, da in diesen Tagen die Baulichkeiten in weltliche Hände übergingen.
Doch zurück zur Geschichte des Schlosses: Der Bau des jetzigen Schlosses wurde im Jahre 1721 von Anton Carl von Bourscheid begonnen, jedoch nicht vollendet. Seim Sohn Ferdinand umzog noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts den Felshügel mit immensen Futtermauern — heute noch sichtbar — wodurch die herrlichen Parkanlagen und Gärten möglich wurden. Dann verstarb am 6. März 1836 Johann Ludwig von Bourscheid, und damit erlosch das Geschlecht. In der Beilage zu Nr. 126 der „Kölnischen Zeitung“ vom 6. Mai 1837 heißt es: … auf Ersuchen der Erben des zu Köln verlebten Baron Herrn Ludwig von Bourscheidt-Burgbrohl sollen die nachbezeichneten … öffentlich und definitiv versteigert werden, nämlich: l…., II. am Donnerstag, den 1. Junj nächsthin, Morgens 10 Uhr und eventuell an den folgenden Tagen daselbst: C. Das landtagsfähige Rittergut Burgbrohl, wozu gehören das herrschaftliche Schloß mit Garten und . . .“ Verkauft wurde die Herrschaft an Fr. G. Weckbecker aus Münstermaifeld für die Summe von 150 000 Reichstaler. Im gleichen Jahre erwarb P. Menn aus Koblenz das Gut, welches er 1838 an einen Major Decker veräußerte. Dieser wiederum überließ es 1845 dem Rector a. D. Ewich, dessen Sohn Dr. Otto Ewich — Arzt, Operateur und Geburtshelfer, so stellt er sich in seiner von ihm 1852 verfaßten Schrift „der Führer am Laacher See und durch das Brohltal“ vor — sich „nach guten Erfahrungen mit den heilenden Wirkungendes, Heilbronn‘ und auch der Schloßquelle zur Gründung eines Curhauses (Schloß Burgbrohl) veranlaßt sah“. Eine Lithographie von H. v. Dirks, Saarlouis 1852 „Schloß und Dorf Burgbrohl“ zeigt auf der dem Ort zugewandten Seite des westlichen Flügels die Inschrift „Curhaus“, Von den Erben Ewich erstand der Rentner Bernhard Grünwald das Schloß. Vermutlich 1889 schreibt der Architekt Joseph Steinbach in der 2. Auflage seines Führers am Laacher See: „wohl war es nach all den Wechselfällen hohe Zeit, daß das schöne Besitzthum wieder in bewährte, vorsorgliche Hände kam. Mach der Besitzergreifung ging der neue Ankäufer sofort dazu über, das schöne Schloßgebäude, das nach einem großartigen Plan angelegt, aber nicht vollendet war, zu einem würdigen Abschluß zu bringen, welcher ihm unter Assistenz des Herausgebers unseres Führers als bauleitender Architect gelungen zu sein scheint.“
Der östliche Flügel erhielt auf der Südseite im Jahre 1879 einen Vorbau mit prächtigem Portal, mit Eingangshalle, Veranda und großer Freitreppe. Weitere Baupläne wurden bis auf den heutigen Tag nicht mehr verwirklicht.
Bei der Grundsteinlegung am 20. August 1879 wurden Dokumente gefertigt, die in einer großen Flasche versiegelt, in einem Pfeilersockel eingelegt wurden und dort auch noch ruhen. Wegen ihres humorvollen, aber in die Zukunft weisenden Inhaltes, der manches, was da 1879 scherzhaft vorausgesagt wurde, heute schon zur Wirklichkeit werden ließ, sollten sie der Vergangenheit entrissen und einem weiten der „Nostalgie“ anhängendem wohllöblichen Publikum unterbreitet werden. Diese Dokumente lassen noch einmal die Menschen vor hundert Jahren lebendig werden, die zumindest im Brohltalbereich zum größeren Teil durch noch lebende Familienangehörige weithin bekannt sind, soweit sie damals am Ausbau des Schlosses beteiligt, mitgearbeitet haben oder im gemeindliche Leben der damaligen Tage eine Rolle spielten.
H. v. Dirks „Schloß und Dorf Burgbrohl“, 1852
Foto: Döhrn
Historisch-humoristisches Dokument der Grundsteinlegung zum Fortbau des Schlosses Burgbrohl.
Im Jahre des Heils, 1879 am 20. August, dem 50. Geburts- und Namenstage des Schloßherren Bernhard Grünewald, legten dieser und seine Gemahlin Franziska Grünewald geb. Hammersdorff, den ersten Stein zum Fertigbau des Schlosses. Ihre beiden Söhne, Bernhard und Oskar, standen zur Zeit als Offiziere bei der kaiserlich-königlichen Armee in Metz und Jülich.
Heute wurde dieses Dokument, als ein heiterer Gruß an die Nachwelt in den Pfeilersockel eingelegt. Wer es findet, gedenke unserer mit einem frommen Gebet:
Da es mich in der Stadt verdroß,
Stets eitlen Tand zu schauen,
So kaufte ich mir dieses Schloß,
Und ließ es fertig bauen.
Ich baute es nach meinem Sinn,
Und nicht nach altem Plane,
Mich zog die Waldnatur hierhin
Und drüben die Vulkane,
Ich hoffe, es noch manches Jahr
In Frohsinn zu besitzen,
Der Himmel es mir treu bewahr
Vor Sturm und Brand und Blitzen.
Doch wenn für mich zu Ende geht
Die Welt mit allem Schönen,
Verbleibt das Schloß, wie sich’s versteht,
Als Erbe meinen Söhnen.
Die Söhne sind dem Deutschen Reich
getreue Offiziere, Lebt wohl, Nachfolger, es grüßt Euch
im irdischen Reviere Der Schloßherr: Bernhard Grünewald.
Der Schloßherrin, dem Frauenbild,
die einst (später einmal) hier herrscht voll‘
Güte
Als deutsche Frau, fromm, wonnemild,
Ich meinen Gruß entbiete.
Es streue Blüten auf die Bahn
Ihr Gottes Engel leise,
Mög‘ walten sie wie ich’s getan
In ihrem trauten Kreise.
Mög‘ Ihrem Mann sie mild und weich
Nur stets zum Besten raten,
Und schenken, so wie ich, dem Reich
Zwei tüchtige Soldaten.
Die Frage, wie die Mode stand,
Die mag sie mir erlassen,
Denn Moden sind ja eitler Tand
Und Farben, die erblassen.
Doch wahr‘ sie den Pantoffel gut,
Dies Scepter bleib ihr eigen,
Sie lebe froh in Gottes Hut,
Bis Luft und Lieder schweigen.
Die Schloßherrin: Frau Franziska Grünewald
geb. Hammersdorff.
X
Fest wie diese Pfeiler stützen
Dieses Bauwerks Steinverband
Soll mein guter Degen schützen
Dich mein Deutsches Vaterland.
Sind verwittert Stein und Stufen
Einst vom scharfen Zahn der Zeit.
Doch was deutsche Degen schufen,
Sei ein Bau der Ewigkeit.
Bernhard Grünewald
Seconde Lieutnantim Ostpr. Inf.Rgt. Nr. 45
X
Hat das Streiten mit der Feder
Man mich weniger gelehrt.
Offiziere, das weiß jeder,
Schreiben lieber mit dem Schwert.
Säbelhiebe, Degenstöße
Sind fürwahr ein herber Styl,
Doch verdanken Deutschlands Größe
Wir just keinem Federkiel.
Oskar Grünewald
Seconde Lieutnant des 5. Westf. Inf.Rgt.
Nr. 53
X
Gern trinkt ein Glas vom deutschen Wein
Der deutsche Mann, der freie,
Der Schloßherr lud mich freundlichst ein
Zu dieses Tages Weihe.
Ich reiche gern ihm hier die Hand
Als Willkomm der Behörde,
Ihm sei ein liebes Heimatland
Dies schöne Fleckchen Erde.
Mag leuchten ihm sein guter Stern,
Bis einst die Strahlen bleichen,
Zum Gruß der Nachwelt geb ich gern,
Hier meiner Handschrift Zeichen.
Ihr findet wohl den Salentin
Im alten Aktenschreine;
Doch sicherer, Ihr findet ihn
Einst hier in diesem Steine.
Und dem, der einst an diesem Ort
Treu des Gesetzes waltet,
Send Ich den schönsten Gruß von dort,
Wo Treue nie veraltet:
Der Bürgermeister
W. W. J. Salentin
X
Dem Meister reicht den Hammer hin
Und legt zur Hand die Kelle, Gesellen auf!
Mit Kraft und Sinn
Schafft nun den Stein zur Stelle.
Nun legt dies Dokument hinzu,
Der Nachwelt soll es gelten,
Das Bauwerk schütze gnädig Du,
Baumeister aller Welten.
Wenn dieser Stein einst wird versetzt
Nach manchen hundert Jahren,
Dreht sich die Welt noch rund wie jetzt,
Doch hat sie mehr erfahren.
Denn, schreitet Geist und Kraft voran,
Wie just es heute Regel,
Pfeift tief im Tal die Eisenbahn,
Schwellt in der Luft das Segel.
Durch der Sahara Wüstenbrand,
Wo heut fleucht die Gazelle,
Dort schifft alsdann mit kund’ger Hand
Der Schifter durch die Welle.
Nach England rennt die Eisenbahn
Tief unter dem Kanäle,
Man überfliegt den Ozean
Zu einem Mittagsmahle.
Vielleicht sprecht ihr per Telefon
Alsdann schon mit den Globen
Und habt, dem Weltgesetz zum Hohn,
Die Schwerkraft aufgehoben.
Den Anfang haben wir gemacht,
Wie Dampf und Draht Euch künden.
Des Deutschen Reiches neue Pracht
Wir gingen hin zu gründen.
Was wir geschaffen und getan
Und wie wir uns geschlagen
Gekämpft gen Aberwitz und Wahn —
Wird Euch die Chronik sagen.
Wir bauen noch mit Kalk und Sand,
Ihr baut vielleicht mit Kleister,
Ich drücke hier zum Gruß die Hand d
em künftigen Baumeister.
Der Baumeister
Joseph Steinbach
X
„Wer möchte doch der Mann wohl sein?“
So fragt ihr euch verwundert,
„Der hier gelegt hat diesen Stein
Im neunzehnten Jahrhundert“.
„Es war ein Menschenkind wie ihr,
Aß Schinkenfleisch und Bohnen,
Hieß Martin Hendrichs dort und hier
Und tat im Höfchen wohnen.“
Es zeuget euch der Steinverband
Und auch die feste Speise,
Daß meine Arbeit ich verstand
Nach Handwerks Art und Weise.
Auch stehen rund hier um den Stein
Den eben ich geschichtet, Gesellen, fragend:
„Wer mag’s sein,
Der einst ihn wieder lichtet?“
Ob dann wie heute Montag blau
Im Almanach geschrieben,
Ob ihr noch schaffen müßt genau
Wie wir bis abends sieben?
O, nein, wenn nur so vorwärts geht
Die soziale Frage,
Dann macht ihr blau, wie sich’s versteht
Hübsch alle Wochentage.
Auch möchten gern das Speistrogsding
Die Handlanger verpönen.
Der Fortschritt dort im Weltenring
Wird euch damit versöhnen.
Den Speistrog auf den Buckel
hebt Ihr Euch und trinkt ’nen Halben,
Und hurtig in die Lüfte schwebt
Ihr just wie heut die Schwalben.
Daß Ihr es besser habt als wir,
Das sind wohl keine Fragen,
Ihr baut dann Häuser von Papier,
Wir tragen schon die Kragen.
Nun schafft, und traget wohlgemut
Im bunten Weltgetümmel,
Wir sind, wir haben es nun gut,
Die ersten in dem Himmel.DerMaurermeister
Martin Hendrischs
Kaiserlicher Postverwalter,
Telefonswort Zeitgenoss,
Förderte aus seinem Schalter
Manchen Brief hin auf das Schloß.
Unserer Tage Zeitenspiegel
Findet Ihr in diesem Stein.
Drum leg ich Schrift und Siegel
Hier als Post zur Nachwelt ein.
Kaiserl. Postagent: Filz
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Als des Reiches Kraftausweiser
Kommt der Mann der Steuerlist,
Gebt dem Kaiser, was des Kaisers,
Gebet Gott, was Goftes ist.
Der Steuereinnehmer:
Kimmel
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Das, was von unserer Zeit gerühmt
Der Verse bunter Reigen,
Als wahr und echt und unverblümt
Bekunden hier die Zeugen.
Dillmann, Ortsvorsteher
Salentin II.
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So manches ist wieder zerfallen, manches hat sich nach den Voraussagen erfüllt. Und nach wie vor gilt die Liebe der Bürger ihrem Schloß, das von oben herunter schaut auf das geschäftige Treiben des zwanzigsten Jahrhunderts. Trotzdem ranken sich auch im Zeitalter der Aufklärung Geschichte und Sage um das Schloß Burgbrohl. Die Sage schwebt im Schatten der alten Bäume des schönen Parks im Mondenschein einher:
„Dort schwebt eine Dame im weißen Gewand Das Antlitz von Würde und Feier,
Zwei knospende Röslein sie trägt in der Hand, Wie Lichtschein umwallt sie der Schleier. —
Am Halse doch blinkt eine rötliche Spur, Als wären’s Korallen in silberner Schnur, — Und wenn im Gerichtssaal verhallet ein Schrei Dann tagt bald der Morgen, die Nacht ist vorbei“. —
Ist auch dem Verfasser dieses Berichtes noch nie im Mondenschein dort unter den Bäumen die „Weiße Dame“ erschienen, so gibt es dennoch welche, die „sie“ gesehen haben. Und die schweigen darüber, denn wer glaubt heute noch an Geister?