Remagens berühmter Sohn Rudolf Caracciola

So erfolgreich wie Michael Schumacher in den letzten Jahren war zu Beginn der Renngeschichte auf dem heute 75 Jahre alten Nürburgring schon einmal ein deutscher Fahrer. Sein Name: Rudolf Caracciola.

Wie der Nachname vermuten lässt, führt die Familiengeschichte der Caracciolas nach Italien, sie geht auf den Grafen Caracciolo aus Neapel zurück.

In den rheinischen Geschichtsbüchern tauchte dieser Name bereits vor mehr als 350 Jahren auf. Während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) wurde Prinz Bartolomeo Caracciolo zum Kommandanten der Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz ernannt. Angehörige des Prinzen siedelten in Niederberg, Andernach und Remagen, im Laufe der Zeit wurde aus dem Familiennamen Caracciolo dann Caracciola.

Aus diesem Zweig der Familie stammt auch Rudolf Caracciola. Er wurde am 30. Januar 1901 in Remagen geboren.

Seine Eltern betrieben dort ein Hotel und ermöglichten dem zweitjüngsten von fünf Kindern schon früh die Begegnung mit Autos. Erste Fahrversuche unternahm der künftige Champion mit einem Mercedes 16/45. Auch die hoteleigene Yacht „Fürstenberg“ nutzte er noch während des 1. Weltkrieges zu Ausflügen auf dem Rhein.

Nach dem Besuch des Gymnasiums wurde Caracciola zunächst Volontär in einer Kölner Maschinenfabrik und dann bei Fafnir, einem Hersteller in Aachen, der zwischen 1908 und 1926 Automobile baute.

Mit einem Fafnir erzielte der Hotelierssohn seine ersten Rennerfolge. So belegte er mit dem 6-PS-starken Wagen auf der AVUS in Berlin einen 4. Platz in seiner Klasse, weitere Renn-einsätze folgten.

Der Besuch einer Aachener Bar endete 1923 unverhofft: Nach einer Auseinandersetzung mit einem belgischen Offizier musste Caracciola fliehen. Aachen gehörte nach dem 1. Weltkrieg zur belgischen Besatzungszone und so drohten dem Remagener schlimme Konsequenzen. Mit einem Brief an einen Bekannten der Familie und 60000 Reichsmark in der Tasche fuhr er noch in derselben Nacht nach Dresden.

Das Hotel „Fürstenberg“, vormals „Caracciola“ in Remagen in den dreißiger Jahren

Als Verkäufer für Fafnir-Autos schlug er sich zunächst durch. Doch schon bald gab es erste Kontakte zu Mercedes. Von einem Gutsbesitzer erhielt Caracciola einen Wagen der Firma EGO zur Verfügung gestellt, den er für Rennen präparierte. Auf diesem Fahrzeug errang er noch 1923 seinen ersten Sieg.

Rudolf Caracciola im Kreise seiner Geschwister, um 1905, sitzend seine Mutter Mathilde

Den endgültigen Durchbruch erzielte er 1926, als er für die Fachwelt völlig unerwartet den Großen Preis von Deutschland auf der AVUS gewinnen konnte. Werksseitig war Mercedes nicht am Start, aber Rudolf Caracciola war es trotzdem gelungen, einen Sportwagen aus Stuttgart zur Verfügung gestellt zu bekommen. Am Ende eines turbulenten Rennens stand er als Sieger auf dem Podest.

Mit dem Preisgeld kaufte sich der frischgebackene Grand-Prix-Sieger ein Ladenlokal in Berlin und erhielt von Mercedes-Benz die dortigen Vertretungsrechte.

Als 1927 der Nürburg­ring eröffnet wurde, hieß auch hier der Sieger Rudolf Caracciola. Sein weiterer sportlicher Aufstieg vollzog sich quasi parallel zu dem des Nürburgrings, ja, die erste Ära am Ring wurde maßgeblich von ihm geprägt.

1932 und 1933 beschickte Mercedes-Benz keine Rennen, die wirtschaftliche Situation in Deutschland ließ dies nicht zu. Caracciola setzte seine Erfolgsserie auf einem Alfa Romeo fort und siegte unter anderem beim Großen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring.

Beim Großen Preis von Monaco 1933 prallte er nach einem Bremsversagen an seinem Alfa Romeo in eine Mauer und zog sich dabei komplizierte Oberschenkelbrüche zu. Die Heilung dauerte Monate. Als er sich auf dem Wege der Besserung befand, musste Caracciola den nächsten Schicksalsschlag erdulden: Seine Ehefrau Charlotte, „Charly“ genannt, fand bei einem Skiausflug in einer niedergehenden Lawine den Tod.

Caracciola 1934 im Mercedes: Das Foto mit dem Schirm von Auto Union war ein Scherz, führte aber dazu, dass es bisher nicht veröffentlicht wurde.

Selbst sein Freund und Förderer, der Mercedes Rennleiter Alfred Neubauer, glaubte nicht an Caracciolas Rückkehr auf die Rennpisten. Aber das Wunder geschah, der Remagener schaffte das Comeback und schrieb in der Folge weiter Sportgeschichte in der großen Zeit der Silberpfeile. Seine Duelle mit Bernd Rosemeyer, Hans Stuck, Tazio Nuvolari, Louis Chiron und Hermann Lang sind längst Legende.

Insgesamt gewann Caracciola 27 bedeutende Rennen, davon 15 Grand Prixes, allein sechsmal den Großen Preis von Deutschland. 1935, 1937 und 1938 wurde er Europameister, eine Weltmeisterschaft gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. 1930 und 1931 war er Europameister im Bergrennen für Sportwagen, 1932 dann für Rennwagen. Außerdem stellte er 17 Weltrekorde auf.

Der 2. Weltkrieg setzte seiner Karriere ein vorläufiges Ende. In den folgenden Jahren versuchte er sich nochmals auf der Piste, zunächst 1946 in den USA. Nachdem die Versuche, Mercedes-Rennwagen für das 500-Meilen-Rennen von Indianapolis 1946 zu verschiffen, am Widerstand der britischen Besatzungsbehörden gescheitert waren, nahm Caracciola das Training in einem amerikanischen Rennwagen auf. Aus ungeklärter Ursache verunglückte er damit schwer und lag 10 Tage im Koma.

Rudolf Caracciola nach seiner aktiven Zeit

Aber auch diese Erfahrung führte nicht dazu, dass Caracciola seiner lebenslangen Leidenschaft den Rücken zukehrte.

Mit 51 Jahren nahm er nochmals an der Mille Miglia in Italien teil, einem über 1000 Meilen auf öffentlichen Straßen führenden Rennen zwischen Rom und Brescia. 1931 hatte er auf Mercedes den Gesamtsieg errungen, 1952 wurde er nach einer Gesamtfahrzeit von 12 Stunden und 48 Minuten beachtlicher Vierter.

Sein letztes Rennen bestritt er beim Großen Preis von Bern 1952. Er lag in Führung, als sein Mercedes-Benz durch eine blockierende Bremse von der Strecke abkam und gegen einen Baum prallte.

Caracciola brach sich den linken Oberschenkel, zudem eine Kniescheibe und verbrachte abermals Monate im Krankenhaus. Die Verletzungen heilten aus, aber das endgültige Ende der Karriere war nun erreicht.

Bereits 1929 war der geborene Remagener in die Schweiz gezogen und wurde 1946 Schweizer Staatsbürger. Jetzt zog er sich in seine Villa nach Lugano zurück. Als Mitarbeiter von Mercedes-Benz blieb er seinem alten Team verbunden, bis er am 28. September 1959 an einem Leberleiden in einer Kasseler Klinik verstarb.

Sein Grab befindet sich auf einem kleinen Friedhof in Lugano. In Remagen erinnert seit 2001 ein Denkmal an den berühmten Sohn der Stadt. Auf seinem Sockel ist ein Zitat von Mercedes-Benz-Rennleiter Alfred Neubauer zu lesen:

„Meiner Meinung nach ist, von allen Fahrern der ganzen Welt, Rudolf Caracciola der Größte gewesen.“

Das Denkmal für Rudolf Caracciola in Remagen

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