Remagen — Maisons-Laffitte
Chronik der 1 000. deutsch-französischen Städtepartnerschaft
Hans Peter Kürten
»Ohne Gemeinden kein Europa«. Unter diesem Motto hielt die Deutsche Sektion des Rates der Gemeinden Europas am 26. November 1980 ihre Mitgliederversammlung in München. In Vertretung von Bundesaußenminister Genscher überbrachte Frau Staatsminister Dr. Hildegard Hamm-Brücher seine Grüße und sagte u. a.: »Die Städte und Gemeinden Europas haben im europäischen Einigungsprozeß eine überaus wichtige Funktion. Wenn wir ein Europa der Bürger wollen, dann brauchen wir ein Europa der Städte und Gemeinden, denn die Gemeindevertretungen stehen den Bürgern am nächsten. Ihre Entscheidungen, ihr Engagement ist für den Bürger am greifbarsten nachvollziehbar. Dazu haben unsere kommunalen Körperschaften ein vorzügliches Instrument geschaffen, die Städtepartnerschaft, Diese bewirkt Entwicklungen und Erfahrungsaustausch
- nicht nur zwischen Honoratioren, sondern zwischen Gruppen und einzelnen,
- zwischen alt und jung,
- zwischen Wirtschaft und gesellschaftlichen und kulturellen Interessen.
Das ist ein realer und wichtiger Fortschritt für das Europa der Bürger.« Wie hatte eigentlich alles begonnen? Als in den fünfziger Jahren die Partnerschaftsbeziehungen zwischen europäischen Gemeinden begannen, war dies kein Thema in Remagen. Auch in den sechziger und siebziger Jahren war man im Rat der Auffassung, daß so viel Nachholarbeit in Remagen zu verrichten sei, daß man eine Partnerschaft zunächst nicht begründen solle, weil ja automatisch, wenn man einen solchen Schritt tut, auch alljährlich zur Förderung von Jugendarbeit und Partnerschaftstreffen bestimmte Geldbeträge in den städtischen Haushalt eingestellt werden müssen. Und woher sollte man das Geld nehmen.
Nach der Sommerpause 1978 beschäftigte sich der Hauptausschuß der Stadt Remagen dann aber doch in mehreren Sitzungen erneut mit dem Partnerschaftsproblem, und am 16. 10. 1978 erhielt ich den Auftrag, eine französische Partnerschaftsgemeinde für Remagen zu suchen.
Nun war guter Rat teuer. Erstens sind sehr viele Gemeinden aus Rheinland-Pfalz mit burgundischen Gemeinden verbunden. Das schien mir persönlich nicht so sinnvoll, da wir im nördlichsten Zipfel von Rheinland-Pfalz beheimatet sind und dann immer lange Fahrzeiten auf uns hätten nehmen müssen, wenn wir eine Gemeinde aus Burgund ausgesucht hätten. Also schwebte mir vor, einen Ort zu finden, der näher lag und möglichst auch in einer attraktiven Landschaft liegen sollte. Zweitens hatte ich Sorgen, ob es überhaupt noch attraktive Städte in Frankreich geben würde, die erst so spät wie wir einen deutschen Partner suchten.
Privat verbrachten meine Frau und ich mit Freunden ein paar Tage in der Champagne. Dort lernten wir einen politisch engagierten Sektkellereibesitzer kennen, den wir baten, sich doch einmal für Remagen in der Champagne umzusehen. Im Februar 1979 kam die Antwort: »Tut mir leid, bei uns gibt es keine Gemeinde mehr, mit der Remagen eine Partnerschaft eingehen könnte.«
Ein guter Gewährsmann und Freund, Dr. Cornelius Renfert, Geschäftsführer der deutschen IHK in Paris, versprach, sich einmal im Umland von Paris umzusehen. Siehe da, nach kurzer Zeit hatte ich die Chance, eine Umlandgemeinde von Paris besuchen zu dürfen. Natürlich wurde mir die Stadt gezeigt und über den Ort alles wissenswerte und notwendige erzählt, aber ich konnte mich nicht entscheiden, hier spontan zuzustimmen, da die Gemeinde doch erheblich größer als Remagen war und auch ihre finanzielle Ausstattung wesentlich besser war als die der Stadt Remagen, und ich aus diesem Grunde befürchtete, daß wir wohl kaum den Ansprüchen unserer Partner auf Dauer gewachsen wären.
Am 21.5.1979 mußte ich deshalb auf Anfrage im Hauptausschuß der Stadt erklären, daß die Suche nach einer geeigneten französischen Partnerstadt noch nicht den gewünschten Erfolg gehabt habe.
In der Zwischenzeit war mir bekanntgeworden, daß in 1980/81 mit der Begründung der tausendsten Partnerschaft zwischen einer deutschen und einer französischen Stadt oder Gemeinde gerechnet werden könnte, und ich erhielt auf Bitten die Zustimmung des Rates, mich für die Stadt Remagen um die Ausrichtung der Feier zur tausendsten Partnerschaft bemühen zu dürfen.
Am 12. 6. 1980 schrieb mir die Deutsche Sektion des Rates der Gemeinden Europas aus Düsseldorf: »Die Unterlagen habe ich bereits mit Schreiben vom heutigen Tage an die Französische Sektion des Rates der Gemeinden Europas weitergeleitet. Wir hoffen mit Ihnen, daß eine baldige Kontaktaufnahme mit einer französischen Gemeinde erfolgen wird. Ihnen ist bekannt, daß die tausendste deutsch-französische Partnerschaft in absehbarer Zeit bevorsteht. Uns erscheint die Stadt Remagen im Hinblick auf ihre Struktur und ihren geschichtlichen Charakter sowie hinsichtlich ihrer kulturellen Angebote als geeignete Partnerstadt für dieses bedeutende Ereignis.«
Am 2. 7. 1980 wurden uns von der Deutschen Sektion Informationsunterlagen über die französische Gemeinde Maisons-Laffitte übersandt: »Maisons-Laffitte liegt westlich von Paris und hat 24 000 Einwohner. Die Stadt erscheint hinsichtlich der Entfernung sowie auch der schulischen Einrichtungen recht interessant für Sie zu sein. Wir dürfen Sie bitten, die Unterlagen zu prüfen und uns nach Abschluß Ihrer Beratungen Bescheid zu geben. Sollten sich diese über längere Zeit hinziehen, wären wir für einen Zwischenbescheid dankbar.» Bereits am 8. 7. 1980 befürwortete der Hauptausschuß meine Bemühungen und stellte einstimmig fest, daß die Stadt Remagen an einer Partnerschaft mit dieser französischen Stadt sehr interessiert sei und es begrüßen würde, wenn eine baldige Kontaktaufnahme erfolgen und die Städte Maisons-Laffitte und Remagen eine weitere deutsch-französische Partnerschaft, möglichst die tausendste, besiegeln könnten.
Dann ging es Schlag auf Schlag. Unser Gewährsmann in Paris bestätigte auf Anhieb, daß man sich Maisons-Laffitte nicht ansehen brauche, es sei eine zauberhafte Stadt und wir könnten unbesehen zugreifen. Am 16. 9. 1980 beschloß der Gemeinderat von Maisons-Laffitte einstimmig, der Partnerschaft mit der Stadt Remagen zuzustimmen. Der Bürgermeister wurde beauftragt, alles zur Verwirklichung dieses Partnerschaftsunternehmens zu tun. Madame Breuil wurde beauftragt, Kontakte mit den örtlichen Behörden der Stadt Remagen aufzunehmen.
Am 6. 10. 1980 besuchte Madame Francine Breuil vom Partnerschaftskomitee aus Maisons-Laffitte Remagen und wir hofften, daß es ihr gefallen möge. Es gefiel ihr. Es kam ein freundlicher Brief mit einer Einladung an mich, die ich annahm. Und so fuhr ich für den 6. und 7. 11. 1980 nach Maisons-Laffitte und harrte der Dinge, die auf mich zukommen sollten. Von Paris kommend, senkt sich die Straße zum dritten Male zur Seite ab und über der Seine erhebt sich in gerader Verlängerung der Straße von Paris Schloß Maisons-Laffitte. Majestätisch liegt es da, umgeben von einer schönen Stadt. Links ist die Altstadt, rechts die Parkstadt mit der großen Pferderennbahn. Wir wurden ungemein freundlich empfangen. Man zeigte uns bereitwilligst alles, was wir sehen wollten. Wir waren überrascht von dem, was es an sozialen und kulturellen Einrichtungen gibt und mußten feststellen, daß wir manches drüben lernen können. Und immer wieder konnten wir nur sagen: »Wunderbar, daß wir diese Stadt für unsere Bürger entdeckt haben!« Und so beschloß der Rat der Stadt Remagen am 16. 12. 1980, einen Freundschaftsvertrag mit der französischen Stadt Maisons-Laffitte im Zeichen der Völkerverständigung einzugehen und eine Partnerschaft zu begründen.
Zur offiziellen Besiegelung der 1 000. deutsch-französischen Partnerschaft kam auch Ministerpräsident Dr. Bernhard Vogel nach Remagen
Am 18. 12. 1980 berichtete ich bereits meinem französischen Kollegen, daß auch Remagen die Partnerschaftsaufnahme beschlossen habe.
Am 11. 12. 1980 kam dann der langersehnte Brief aus Düsseldorf, in dem uns mitgeteilt wurde, daß wir die Feier zur tausendsten Partnerschaft ausrichten dürften. Sofort verständigten wir Herrn Ministerpräsident Dr. Vogel und Seine Exzellenz den Botschafter von Frankreich.
Der Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, Herr Dr. Bernhard Vogel, teilte auf diese Ankündigung mit:» Es ist eine hohe, aber wie ich meine, verdiente Auszeichnung, der in Rheinland-Pfalz für die deutsch-französische Verständigung geleisteten Arbeit, daß der Rat der Gemeinden Europas die Stadt Remagen für dieses besondere Ereignis und die damit verbundenen offiziellen deutsch-französischen Feierlichkeiten ausgewählt hat.«
Seine Exzellenz, Jean Pierre Brunet, Botschafter der Französischen Republik auf Schloß Ernich in Remagen, teilte der Stadt auf die Vor-Information des Geschehens mit: »Ich freue mich, daß die Wahl Remagen getroffen hat, Sitz meiner Residenz und die Stadt, die Sie verwalten.«
Stolz präsentieren die Bürgermeister Dr. Pierre Dupres und Hans Peter Kürten die Partnerschaftsurkunde
Fotos: Döhrn
Am 21722. 2. 1981 kam der Bürgermeister von Maisons-Laffitte, der Arzt Dr. Pierre Dupres, Ritter der Ehrenlegion, Mitglied des Generalrates des Departements Yvelines mit seiner Frau France nach Remagen, um unsere Stadt kennenzulernen. Er hatte die Möglichkeit, einen Teil der städtischen Einrichtungen zu besichtigen und bei einer Fahrt durch die Ortsteile der Stadt sich mit den vielfältigen Problemen Remagens, aber auch ihrer geschichtlichen Vergangenheit, vertraut zu machen. Mittags traf eine Abordnung des Rates zu einem Arbeitsessen mit Dr. Dupres zusammen. Während der ganzen Zeit hatten wir das Glück, als besonderen Kenner der französischen Situation und als Chefdolmetscher, Herrn Dr. Cornelius Renfert, Chef der deutschen IHK Paris, zur Verfügung zu haben. Vor dem Essen trug sich Bürgermeister Dr. Dupres mit seiner Frau in das Goldene Buch der Stadt ein. Bei seiner Dankansprache sagte er u. a.: »Die Partnerschaft zwischen Remagen und Maisons-Laffitte sehe ich nicht als Vernunftsehe, sondern als Liebesheirat.« Auch erdrückte aus, wie das auch von uns gesagt worden war, daß es möglichst bald zu lebendigen Kontakten zwischen den Schulen und den Vereinen kommen solle, denn nur durch einen regen Austausch zwischen den Bürgern könne die Partnerschaft zu einer echten Freundschaft wachsen und zu einer noch besseren Verständigung zwischen Frankreich und Deutschland beitragen.
Der Kommentar von Dr. Renfert lautete: »Der französische Bürgermeister und seine Frau waren sehr beeindruckt von der Herzlichkeit, mit der sie empfangen wurden und der großen Gastfreundschaft, die sie haben erfahren dürfen. Mit diesem Eindruck sind sie wieder an die Seine zurückgefahren.«
Die Bemühungen wurden vertieft.
Briefe gingen hin und her, Telefonate wurden getätigt, von Mal zu Mal wurde es freundschaftlicher und menschlicher. Und nun konnte der Partnerschaftstag kommen. Die Urkunden waren miteinander abgestimmt und von der Stadt Remagen vorbereitet. Der Unterzeichnung des nachstehenden Wortlautes stand nichts mehr im Wege:
Eid
Die Städte Maisons-Laffitte und Remagen versprechen feierlich, durch diesen Vertrag beständige Freundschaftsbande einer Städtepartnerschaft zu gründen.
Sie liegen beide in unmittelbarer Nähe der Hauptstädte Paris und Bonn; sie haben die gleichen Nöte und verfolgen die gleichen Ziele.
Als Erben reicher geschichtlicher Vergangenheit und abendländischer Kultur verbürgen sie sich, freundschaftliche Bande zu knüpfen und die Friedensideale und das Wohl ihrer Bürger zu verteidigen.
Sie werden Begegnungen zwischen ihren Einwohnern und den Repräsentanten ihrer Gemeindevertretungen und ihrer Vereine fördern, um die Achtung und das gegenseitige Verständnis zu vertiefen und zu verstärken.
In diesem Rahmen werden sie den Austausch im familiären, schulischen, künstlerischen, intellektuellen, religiösen und sportlichen Bereich entwickeln, um für immer die Toleranz, die Freiheit und den Frieden zu schützen und zu bewahren.
Maisons-Laffitte, den 12. 8. 81 Remagen, den 12. 8. 81
Das Festprogramm im Zeichen der deutschfranzösischen Verständigung erfüllte höchste Ansprüche und sah im einzelnen folgendes vor:
Freitag, 11. September 1981
Eintreffen der Gäste an der Rheinpromenade; Verteilung der Gäste auf die Gastfamilien; Fahrt in die Quartiere.
Konzert des Musikkorps der Stadtsoldaten Remagen auf der Rheinpromenade. Gala-Abendfahrt mit der KD im Zeichen der deutsch-französischen Verständigung mit Abendessen an Bord eines großen Dampfers der Köln-Düsseldorfer Schiffahrtsgesellschaft zum näheren Kennenlernen. Es ist jeder zur Mitfahrt eingeladen.
Für die musikalische Unterhaltung sorgen: »Musiccompany« (bestehend aus sieben Musikern der Big Band der Bundeswehr) und »Gru-po de accion instrumental Buenos Aires« Samstag, 12. September 1981 Stadtbesichtigung und Treffen in den verschiedenen Arbeitsgruppen zur Kontaktaufnahme und Vorbereitung von Begegnungen in den nachfolgenden Jahren. Mittagessen bei den jeweiligen Gastfamilien.
Offizieller Festakt im Bahnhof Rolandseck mit anschließendem Empfang. Showprogramm der Re-Top-Band am Feuerwehrgerätehaus; gemeinsames Abendessen im Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr in Remagen für Gäste und Gastgeberfamilien, wozu auch die Bevölkerung herzlich eingeladen ist.
Es spielen: »The Shipsy Boys« Sonntag, 13. September 1981 Kranzniederlegung am Kriegerdenkmal unter Beteiligung des Spielmannszugs »Rheinklänge« und der St.-Sebastianus-Schützengesell-schaft Remagen.
Feierlicher Gottesdienst in der Pfarrkirche St. Peter und Paul mit Mozarts Spatzenmesse und evangelischer Gottesdienst in der evangelischen Friedenskirche.
Platzkonzert der »Rheinklänge« Remagen auf der Rheinpromenade.
Frohes Kaffeetrinken mit Musik und Unterhaltung auf der Remagener Rheinpromenade, Radballdemonstration und Volksliedersingen mit Roswitha Scheer.
Jazzkonzert des deutsch-französischen Jugendwerkes im Bahnhof Rolandseck mit Albert Mangelsdorff und Henry Texier und den Teilnehmern des 1. deutsch-französischen Jazzworkshops in Dinard, Bretagne.