„Pont de Wagram“. Anno 1813 wurde die Wagram-Brücke über den Vinxtbach eingeweiht
Wer heutzutage Bad Breisig in Richtung Vinxtbachtal über die alte Bundesstraße 9 verlässt, überquert in der Regel ohne es zu wissen die alte „Wagram-Brücke“. Dieses historische Bauwerk hat seinen Ursprung in französischer Zeit, denn 1794 wurde unser Gebiet durch französische Revolutionstruppen besetzt. Ab 1801 waren die Rheinlande dann bis 1814 französisches Staatsgebiet. Die Mairie (Bürgermeisterei) Niederbreisig lag im Departément de Rhin et Moselle, war Teil des Arrondissements Koblenz und gehörte zum Kanton Andernach. Die Franzosen errichteten hier eine moderne, streng hierarchisch aufgebaute Verwaltung, die sich u. a. um die Verbesserung der Infrastruktur kümmerte. Dazu gehörte auch der Ausbau der Straßen.
Hintergrund des Brückenbaus
Im Juli 1806 wurde die Osteifel von sehr heftigen Regenfällen heimgesucht, die u. a. den Vinxtbach so ansteigen ließen, dass die Straßenbrücke bei Rheineck völlig zerstört wurde. Damit die vielbefahrene Straße weiterhin passierbar war, wurde eine provisorische Holzbrücke über den Vinxtbach errichtet, die sich auf Dauer als unzureichend erwies. Deshalb wandte sich der Niederbreisiger Maire (Bürgermeister) Kaifenheim am 17. Juli 1808 mit folgendem Gesuch an den Präfekten des Departements in Koblenz:
Sehr geehrter Herr Präfekt,seit der großen Überschwemmung des 21. Juli 1806 ist die Brücke von Rheineck an der großen Straße zwischen Niederbreisig und Brohl durch die Gewalt der Wassermassen des Vinxtbach genannten Flüßchen zerstört und noch nicht wieder aufgebaut worden. Man hat eine provisorische Holzbrücke seitlich von der alten gebaut, die man aber mit dem Wagen nicht benutzen kann ohne große Gefahr und Angst. Es haben sich schon Unfälle ereignet. Das schwerste Unglück ist gerade passiert, als ein Bürger und Familienvater namens Schäfer aus Sinzig vom Wagen in den Bach gefallen und so schwer verletzt worden ist, daß man um sein Leben fürchten muß. Das wäre nicht geschehen, wenn die Brücke in Ordnung gewesen wäre. Andere zerstörte Brücken, auch solche minderer Bedeutung wurden instandgesetzt, nur für die Vinxtbachbrücke hat die Direktion der Straßen und Brükken noch nichts getan. Ich bitte Sie, Herr Präfekt, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um eine neue Brücke noch vor Einbruch des Winters erbauen zu lassen, damit die Bürger die Möglichkeit haben, ohne Gefahren Straße und Brücke wieder zu nutzen. Ich versichere Herrn Präfekten allergrößte Hochachtung Kaifenheim
Ausschreibung
Es wurde prompt reagiert. Am 27. Oktober 1808 veröffentlichte der Präfekt des Departements Rhein und Mosel die erste Ausschreibung zum Bau einer Brücke und Straße. Ausgeschrieben wurde der Brückbau erneut am 22. November 1808 mit folgendem Text:
Bau einer Brücke in Mauerwerk aus behauenen Steinen mit 9 Metern Spannweite zur Überbrückung des Rheinecker Thalbaches zwischen Breisig und Brohl an der großen Straße 2. Ordnung Nr. 51 von Nimwegen nach Basel.
Mit insgesamt 15 Einzelposten, die genau beschrieben sind, summieren sich die ausgeschriebenen Leistungen auf 30.844 Franken und 59 Centimes. Für den Bau der Straße ( im Bereich von Rheineck) und Herstellung des neuen Bachbettes sind 5 Einzelleistungen aufgeführt, die zusammen 7952,90 Franken ausmachen.
Das Tonnengewölbe der Wagram-Brücke über den Vinxtbach besteht aus Basaltlava.
Das ganze Vorhaben durfte 38.797,49 Franken kosten. Den Bauauftrag erhielt der Straßen-Bauunternehmer Henri Fluchard, der aus Herve im belgischen Wallonien stammte.
Im Zuge dieser Baumaßnahme wurde von den französischen Ingenieuren beschlossen, auch die Vinxtbachmündung zu begradigen und den Bachlauf etwa 50-60 Meter nach Süden zu verlegen. Gleichzeitig sollte die Straße verbreitert werden, da der Verkehr auf dieser wichtigen Nord-Süd-Verbindung zwischen Nimwegen und Basel ständig zunahm. Natürlich spielten bei dem Projekt auch militärische Belange eine große Rolle.
Für den Brückenbau, die Bachbettverlegung und die Straßenverbreiterung mussten Grundstücke aufgekauft werden. All dies ist in einem Aktenstück, das im Landeshauptarchiv Koblenz im Bestand der Bürgermeisterei archiviert ist, detailliert aufgelistet.
Für das neue Bett des „Fuensterbaches“ (Vinxtbach) wurden Grundstücke von folgenden Bürgern aus Rheineck benötigt: Wenzel Schourp, Joseph Mergel, André Ockenfels, Chretien Seul, Witwe Adams, Philippe Morchausen.
Außerdem kaufte man für die Verbreiterung der Straßentrasse in Richtung Brohl Grundstücke auf. Aufgeführt sind hier Familien, die bis heute wohl noch Nachfahren in Breisig und Umgebung haben. Auffällig ist auch schon die „Französierung“ der Vornamen:
Philippe Morchausen, Chretien Reifferscheid, Jean Heß, Antoine Adams, Wenzel Schourp, Joseph Mergel, Chretien Reifferscheid, Mathieu Drümmer, André Ockenfels, Conrad Courp, Wenzel Schourp.
Der Brückebau zog sich über Jahre hin.
Eine Gesamtabrechnung liegt dann erst vom 6.August 1811 vor.
Einweihung der Brücke und Namensgebung
Erstaunlich ist, dass die Einweihung erst zwei Jahre später erfolgte. Am 6. Juli 1813 wurde die neue Brücke über den Vinxtbach bei Rheineck feierlich mit der Bevölkerung von Rheineck und Niederbreisig eingeweiht. Maire (Bürgermeister) Kaifenheim und Pfarrer Peter Josef Thelen tauften das Bauwerk auf den Namen „Pont de Wagram“. Damit wurde am 4. Jahrestag der Schlacht bei Wagram an den Sieg Napoleons bei Wien am 5./6. Juli 1809 über dieÖsterreicher unter Erzherzog Karl erinnert.
Napoleon erzwang damit den Waffenstillstand und den Frieden von Schönbrunn. Wagram war bis dahin die größte Schlacht, an der rund 300000 Mann teilnahmen. Die Verluste auf beiden Seiten waren sehr groß.
Übrigens hatten an dieser Schlacht auch zwei Niederbreisiger Bürger in napoleonischen Diensten teilgenommen: Johannes Zander und Philipp Keiffenheim. Zander brachte es bis zum Unteroffizier. Er starb am 20. September 1841 in Niederbreisig. Keiffenheim war in Napoleons Armee Offiziersbewerber und fiel Ende November 1812 beim Übergang über den Bresina-Fluss in Russland.
Die Alte B9 im Bereich der Wagram-Brücke vorden Straßenbaumaßnahmen um 1980
Weitere Geschichte der „Wagram-Brück“
Die solide gebaute Straßenbrücke hat den immer stärker werdenden Verkehr auf der linksrheinischen Seite über 140 Jahre ohne Schaden getragen. Erst Anfang der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts wurde die Bundesstraße 9 auf die Rheinseite der Eisenbahnstrecke verlegt. Die Schranken südlich des Niederbreisiger Bahnhofs und am Ortseingang von Brohl entfielen, sodass der enorme Straßenverkehr ohne zeitraubende Wartezeiten besser fließen konnte.
Um 1980 wurde die Wagram-Brücke an der alten B 9 generalsaniert. Das Brückebauwerk wurde bis auf den gemauerten Gewölbebogenentkernt und durch Stahlbeton gesichert. Über das Gewölbe wurde eine Betonplatte gegossen, um die Gehwege aufnehmen zu können.
Auch der Bau der Bahnunterführung für die Landesstraße 87 in den Jahren 2000-2001 am Vinxtbach ließ der historischen Wagram-Brücke eine Daseinsberechtigung. Sie dient nun dem innerörtlichen Verkehr und der staufreien Verbindung zwischen Brohl und Bad Breisig. Seitdem liegen am Südrand von Bad Breisig zwei Eisenbahn- und drei Straßenbrücken an der Vinxtbachmündung konzentriert auf der Fläche von einem Hektar.
Fußgänger und Benutzer des Rheintal-Radweges können das technische Bauwerk aus der Nähe bewundern und sollten einen Moment anhalten, um sich der historischen Bedeutung bewusst zu werden. Eine geschichtliche Erläuterung vor Ort ist in Planung.
Quellen und Literatur:
- Landeshauptarchiv Koblenz, Bestand 256, Nr. 9535; Informationen vom Landesamt für Vermessung und Geobasisinformation Rheinland-Pfalz, Koblenz; Straßenverwaltung Rheinland-Pfalz. Unterlagen über Straßenbrücke Ko 342.
- Josef Breitbach: Vom alten Breisig. o.O. 1950.
- Philipp Bouhler: Napoleon. München 1942.
- Heino Möhring: Wegweiser durch Bad Breisig. Berlin 1990.
- Gunter Rothenberg: Die Napoleonischen Kriege. Berlin 2000.
- Leo Stausberg: Ländchen Breisig und Fürstentum Essen. Bad Niederbreisig 1963.