Papierfabrikation in Brohl seit 1785
VON LEO STAUSBERG
Mit über 350 Beschäftigten ist die Firma „Brohl Wellpappe“ das bedeutendste Industrieunternehmen von Brohl. Als Zubringer für Rohstoffe arbeitet das Brohler „Sortierwerk“ für Altpapier mit 60 Arbeitern eng mit der Wellpappefabrik zusammen. Ein weiterer Fabrikationsbetrieb für Papier und Wellpappe in Ahrbrück, der über 100 Werksangehörige zählt, ging in den letzten Jahren aus dem Brohler Unternehmen hervor. Seit 1959 unterhält das Werk Ahrbrück einen Zweigbetrieb mit ca. 50 Beschäftigten in Fleißbach bei Dillenburg. Die Brohler Fabrik läßt sich in ihren Anfängen auf das Jahr 1785 zurückführen. Diese lange Geschichte eines wichtigen heimischen Industriebetriebes darf das Jahrbuch des Kreises Ahrweiler wohl einmal ins Licht rücken.
Viel Wasser ist zur Papierbereitung erforderlich. Vor der Erfindung der Dampfmaschine und vor der Dienstbarmachung der elektrischen Energie trieb fließendes Wasser zudem einst die Mühlen, in denen die Rohstoffe Stroh, Hadern, Lumpen, später auch Altpapier, zwischen Mühlsteinen zu Brei zerrieben wurden. So finden wir Papiermühlen an klaren, kräftig fließenden Bächen. Im Eifelgebiet entstanden sie im 18. und 19. Jahrhundert an Urft, Rur, Erft, Nims, Nette und Brohlbach, im Hunsrück an Ruwer, Dhron und Kautenbach.
Da, wo jetzt unsere Papierfabrik steht, stand im Jahre 1785 noch ein kleines Ölmühlchen, worauf aus Nüssen öl gemacht wurde. Es gehörte dem Grafen von der Leyen.“ Also beginnt ein Bericht aus dem Jahre 1858, den die damaligen Besitzer der Brohler Papierfabrik „Concordia“, die Gebrüder Mathias und Jakob Fuß, dem Heimatforscher Medizinalrat Wegeier erstatteten. Die Freiherren von der Leyen besaßen in Brohl einst viele Liegenschaften, wie wir aus überkommenen Flursteinen, die das mit fünf Zacken gekrönte Wappen dieses berühmten rheinischen Adelsgeschlechtes zeigen, schließen können. Einer steht in den Anlagen an der Kirche. Ein Holländer van der Muelen war um das Jahr 1770 aus den Niederlanden nach Neuwied gekommen, wo die wiedischen Fürsten in jenen Zeiten vielen gewerbefleißigen Emigranten bereitwillig ein Asyl gewährten. Van der Muelen erwarb 1785 die Brohler Nußölmühle und baute sie zu.einer Papiermühle um. Anfangs wurde dort „schlechtes Tüttenpapier“ hergestellt. Schon bald nach der Gründung ist van der Muelen tödlich verunglückt. Zwei seiner Söhne führten den Betrieb weiter und bauten ihn aus. Im Jahre 1791 errichteten sie das heute noch vorhandene stattliche Wohnhaus und legten den Park an, der mit seinem prächtigen Baumbestand eine Zierde Brohls ist. Auch ein im sog. „Härejarte“ aufragender Gartenpavillon im Stile des Klassizismus, dessen Kuppeldach auf sechs schlanken ionischen Sandsteinsäulen ruht, ist damals erbaut worden. Die Brüder gaben ihrer Mühle den Namen „Concordia“ (Eintracht). So hatte auch der Meister in Schillers „Lied von der Glocke“, das damals beliebt wurde, sein Werk getauft.
Wie die Arbeit in einer Papierfabrik zu Beginn des 19. Jahrhunderts ablief, möge ein Bericht aus der Franzosenzeit dartun, der sich zwar auf eine Papiermühle in Düren bezieht, aber auch für den Brohler Betrieb zutreffen dürfte;
„Die Papiermühlen sind so gebaut, daß alles in einer Länge im Hauptbau fortgeht. Auf den abgesonderten Mühlenplatz zum Mahlen kommt (d. i. folgt) das Werkhaus, wo die Bütten (für den Papierbrei) alle aufeinander folgen, und zwar so, daß neben den Werkbütten die Vorratskisten stehen, aus denen die Arbeiter den nötigen Stoff in die Werkbütten nehmen.
Brohl Wellpappe Werk 1 in Brohl – gegründet 1875
An das Werkhaus schließt sich die Leimküche . . . Die Leimküche ist separat gebaut, mit einem Kessel, worin . . . Schafsfüße gekocht wer= den . . . An diese (Leimküche) reiht sich die Verschießkammer, worin die Mädchen das Papier sondern oder ausschießen. — Bei einer solchen Einrichtung muß der Hauptbau wenigstens 100 Fuß Länge und 30 Fuß Breite haben. — Im oberen Geschoß wohnen die Knechte und Mädchen. Die Flügel des Gebäudes dienen zur Wohnung des Meisters. — Der Söller sind zwei übereinander befestigt. Von der Aufmerksamkeit der Söllerknechte hängt das gute Trocknen sowie auch das zeitige Abnehmen des Papiers in den frühen Morgenstunden, wenn es auch noch ein wenig feucht ist, und sich recht platt pressen läßt, ab. — Bei einer großen Papiermühle ist folgendes Personal angestellt: Nachtmüller, 2 Tagsmüller, 6 Büttenknechte, 3 Legejungen, 2 Söllerknechte, 1 Meister, 1 Knecht als sein Gehülfe, 1 Arbeitsmann, 6 Mädchen und 6 Lumpenschneider. Alle Arbeiter stehen im Jahreslohn (d. i. sind für ein Jahr eingestellt) und verdienen fast täglich (also im Tagelohn) 20 Stüber. Der Arbeitsmann und die Mädchen und Lumpenschneider werden per Stück (d. i. im Stücklohn) und zentnerweise (abgelieferten Materials) bezahlt. Ein Mädchen kann täglich 10, ein Lumpenschneider 24 Stüber verdienen.“ (1 Stüber = 5 Pfg.).
Armin Renker (+), dessen Aufsatz dieser Bericht entnommen ist, schreibt u. a. über die Brohler Mühle: „Die Papiermühle zu Brohl hat in den darauffolgenden Jahrzehnten in steigendem Maße die rheinischen Behörden und Druckereien beliefert. Be= sonders in den Akten der Stadt Köln findet sich in den Schriftstücken dieser Zeit (d. i. in der, ersten Hälfte des 19, Jahrhunderts) sehr häufig der ausgeschriebene Name „Van der Muelen & Co.“ oder auch nur die Anfangsbuchstaben „v. d. M. & Co.“ Dieser Namenszug wurde als Wasserzeichen zusammen mit den verschiedenartigsten Bildzeichen im Bogen angewendet. Wir finden ihn mit dem preußischen Adler, der gekrönten Lilie, dem Wappen von Straßburg, der Hollandia, dem Einhorn, dem Meerweib u. a.“
2 Fotos: Buschmann
Papierfabrik Ahrbrück 1962 – Besitzer Fritz Boltersdorf, Brohl
In dem eingangs erwähnten Bericht der Gebrüder Fuß aus dem Jahre 1858 sagen diese weiter: „Von der Zeit (1791) an haben diese (Gebrüder van der Muelen) das Papiergeschäft in grauen Papieren, Pappdeckel, Tabakspapieren (Tabaktüten) von Jahr zu Jahr vergrößert. 1811 ließen die van der Muelen uns (Gebr. Fuß) kommen, ihre Papiermühle zu feinen und Schreibpapieren einzurichten. Von der Zeit an ist dies durch van der Meulen fortgesetzt worden bis 1841, (da) haben wir (Gebr. Fuß) van der Muelen die ganze Fabrik abgekauft und gleich mit Maschinen eingerichtet.“ — Hierzu meint die Brohler Schulchronik, daß der Erwerb seitens ger Fabrikmeister Fuß „als Lohn für die treue Dienste zu einem billigen Preise geschehen“ sei. 1838 setzten sich die Gebrüder van der Muelen „im hohen Alter“ in Koblenz zur Ruhe, „um dort ihre Tage zu beschließen“. — Die Umstellung der Handfabrikation auf maschinelle Fertigung geschah 1842. Dadurch gelang es den zweifellos tüchtigen Brüdern Fuß, ein „Papier von gutem Ruf“ herzustellen.
Durch Erbschaft kam das Unternehmen in der Folge an einen Josef Merzbach und 1884 durch Verkauf an die Gebrüder Wente, welche die Fabrik vergrößerten. Die Wentes verpachteten im Jahre 1895 die Fabrik an die Firma Holtzmann & Co., die ihren Stammbetrieb in Weisenbach im Murgtal (Baden) besaß. Von dieser Firma wurde im Jahre 1898 eine Firma Milchsack in Bergisch-Gladbach aufgekauft, deren Fertigungsmaschinen in Brohl montiert wurden. Damit wurden zur Hauptsache Luftschlangen (für Karneval) und Telegrafenpapier (für Morse-Apparate) produziert. Aber schon 1902 verpachteten Gebr. Wente den Brohler Betrieb ein zweites Mal, und zwar an Gebr. Schmitz aus Merken bei Düren. Diese Firma stellte Pergaminpapier her und beschäftigte bei eingeschränktem Betrieb etwa 80 Arbeitskräfte. Bei Ausbruch des Krieges 1914 wurde die Fabrik ganz geschlossen und im Oktober 1915, nach Angabe der Schulchronik, wieder in Gang gebracht.
Kurz nach dem Weltkrieg kauften die Gebrüder Boltersdorf aus Kreuzau bei Düren das ziemlich in Umstand geratene weitläufige Anwesen im Jahre 1919,
Alleininhaber war seit 1936 Josef Boltersdorf. Wieder wurde das Unternehmen Brotgeber für viele Familien. Josef Boltersdorf stiftete für die Brohler Pfarrkirche einen „Altar der Heiligen Familie“, den der heimische Bildhauer Hans Matschulla aus dem Eichenholz einer alten Weinkelter schuf. Nach seinem 1952 erfolgten Tode übernahm der Sohn Fritz Boltersdorf den Betrieb. Dieser leitete die Umstellung der Fabrikation auf die Herstellung von Wellpappe ein und liierte sich zu diesem Zweck mit einer Wellpappenfabrik aus Nordbaden. Diese Verbindung bestand von 1954 bis Anfang 1962. Nunmehr ist das Unter= nehmen wieder im alleinigen Besitz der Familie Fritz Boltersdorf in Brohl, von wo aus auch die Zweigbetriebe in Ahrbrück und Fleißbach geleitet werden.