Notwendige Maßnahmen zum Wiederaufbau der Ahrtalbahn
Wolfgang Groß und Matthias Röcke
Die Ahrtalbahn ist so schwer getroffen von der Flutkatastrophe im Juli 2021, dass ein kompletter Neuaufbau im Bereich Heimersheim und zwischen Walporzheim und Ahrbrück notwendig geworden ist. Insgesamt hat die Verbindung eine Streckenlänge von 29 Kilometern und verläuft von Remagen bis Ahrbrück. Bis 1985 führte sie bis nach Adenau. Sie ist etwa zur Hälfte eingleisig, nicht elektrifiziert und verbindet Remagen, Bad Neuenahr-Ahrweiler und Ahrbrück im nördlichen Teil des Kreises Ahrweiler.
Im Abschnitt von Walporzheim bis Ahrbrück sind nahezu alle Brücken, Stützmauern, Gleis- und Signalanlagen von den Wassermassen mitgerissen und zerstört worden. Die Stellwerke in Dernau und Kreuzberg wurden überschwemmt, und eine Reparatur der technischen Einrichtungen ist nicht mehr möglich.
Der Wiederaufbau bietet auch Chancen für eine dringend notwendige Modernisierung dieser für den Kreis Ahrweiler unverzichtbaren Schieneninfrastruktur. Die Züge sollen künftig schneller und in dichtem Takt vom und ins Ahrtal durchgehend in bzw. aus Richtung Köln ohne Umsteigen in Remagen verkehren. Voraussetzung dafür ist ein hochwassersicherer Wiederaufbau mit einer durchgehenden Erhöhung der Streckengeschwindigkeit. Diese Planungen entsprechen auch den Zielsetzungen des Deutschlandtaktes. Der Deutschlandtakt ist ein Projekt für das ganze Bundesgebiet. Drei Aspekte stehen im Zentrum des geplanten Deutschlandtakts und sollen die Schiene attraktiver machen: besserer Fahrplan, kürzere Reisezeiten und häufigere Verbindungen. Um diese Zielsetzung zu erreichen, sind die infrastrukturellen Voraussetzungen auf der Ahrtalbahn zu schaffen.
Naturgewalt gegen Eisenschienen – Ahrtalstrecke im Bereich Altenahr
Brutal unterbrochen – die Bahnstrecke an den Tunneln von Altenahr
Elektrifizierung
Um durchgehende Verkehre auf die Rheinstrecke zu ermöglichen, sind entsprechende Züge für die Ahrtalbahn notwendig, die in Remagen an elektrisch betriebene Züge in Richtung Köln angekuppelt werden können. Dies könnte z.B. durch sogenannte Flügelungen (An- und Abkoppeln an einen anderen Zugteil) an Züge der Mittelrheinbahn, die von Mainz nach Köln verkehrt, erfolgen. Um dies zu ermöglichen, ist eine Elektrifizierung der Ahrstrecke oder der Einsatz kompatibler Hybridtriebwagen zu realisieren. Eine Elektrifizierung bietet die Chance, beim Fahrzeugeinsatz sehr flexibel zu sein. Dagegen schränken Hybridfahrzeuge diese Flexibilität ein, da dann ja nur solche Fahrzeuge auf der Ahrtalbahn im Regelverkehr zum Einsatz kommen können. Die Entscheidung über die Zielrichtung sollte landesseitig zeitnah getroffen werden, um beim Wiederaufbau die notwendigen technischen Voraussetzungen zu schaffen.
Weggerissen: Die Trapezbrücke östlich der Saffenburg, von Rech kommend vor dem Saffenburgtunnel bei Mayschoß
Fahrplan
Die Strecke zwischen Walporzheim und Ahrbrück war eingleisig. Es ist davon auszugehen, dass der Wiederaufbau aufgrund der Enge im Ahrtal auch wieder eingleisig erfolgen wird. Vor dem Hochwasser 2021 wurde die Strecke betrieblich in zwei Abschnitte geteilt: Walporzheim bis Dernau, Dernau bis Kreuzberg. In Dernau und Kreuzberg war es möglich, dass sich Züge kreuzen konnten. Allerdings führte der sehr lange Abschnitt zwischen Dernau und Kreuzberg mit rund zehn Minuten Fahrzeit je Richtung dazu, dass immer nur ein Zug pro Stunde je Richtung verkehren konnte. Um aber auch in diesem Bereich einen dichteren Fahrplantakt mit zwei Zügen je Stunde und Richtung zu ermöglichen, wäre im Bereich des heutigen Haltepunktes Mayschoß eine zusätzliche Kreuzungsmöglichkeit notwendig.
Bislang waren für die Sicherung der Zugfahrten sechs sogenannte mechanische Stellwerke eingerichtet. Diese befinden sich in Bad Bodendorf, Bad Neuenahr, Ahrweiler und Walporzheim. Die Stellwerke in Dernau und Kreuzberg sind durch die Fluten im Jahr 2021 komplett zerstört worden und können nicht mehr genutzt werden. Die Bedienung der Stellwerksanlagen mit Techniken aus dem Anfang des letzten Jahrhunderts erfolgte manuell, zeitaufwendig und entspricht nicht mehr dem heutigen Sicherheitsstandard. Zur sicheren und auch schnelleren Durchführung der Zugfahrten muss für die gesamte Strecke ein modernes und digitales Zentralstellwerk eingerichtet werden. Zur Verbesserung des Fahrplanangebotes ist es auch notwendig, auf der gesamten Strecke eine Höchstgeschwindigkeit auf mindestens 80 km/h zu ermöglichen. Im oberen Streckenabschnitt war an vielen Stellen bedingt durch Bahnübergänge oder enge Gleisbögen eine niedrigere Geschwindigkeit vorgeschrieben. Daher ist es notwendig, an einigen Stellen Linienverbesserungen durchzuführen und Weichen mit anderen Radien einzubauen. Zur Linienverbesserung ist aufgrund der früheren Zweigleisigkeit an vielen Stellen genügend Platz vorhanden. Bahnübergänge, die bislang über keine technische Sicherung verfügten und wo die Geschwindigkeit der Züge deutlich gesenkt werden musste, wie z.B. Pützfeld bei Ahrbrück, müssen entsprechend ausgerüstet werden.
Haltepunkte
Im Zuge des Streckenaufbaus sind auch der Neubau und Modernisierungen von Haltepunkten notwendig. Der bisherige Haltepunkt Heimersheim kann nicht mehr über eine Brücke mit dem Ort angebunden werden. Für den Übergang wurde hier sehr schnell und unbürokratisch ein barrierefreier Behelfsbahnsteig errichtet. Es bestehen Überlegungen, jeweils einen neuen Halt an der Ortslage Lohrsdorf und Heppingen anzulegen. Ein weiterer Halt bietet sich im Bereich des Bahnübergangs Nordstraße in Bad Neuenahr (Bad Neuenahr- Mitte) und Marienthal an. Auch in Dernau bestanden schon Überlegungen, einen Haltepunkt am Bahnübergang Winzerverein zu bauen. Folgende Bahnsteige sind zu niedrig und müssen dringend modernisiert werden: Bad Bodendorf, Walporzheim, Dernau, Kreuzberg, Altenahr.
Die für den Wiederaufbau verantwortliche DB-Netz arbeitet engagiert an der Planung des Wiederaufbaus, der nach ihrer Prognose bis 2025 realisiert sein soll.
Bahnhofsbauten
Nicht nur Gleis- und Signalanlagen hat die Flut im Juli 2021 verwüstet, sondern auch die Bahnhofsbauten. Dabei geht es um Empfangsgebäude und Nebengebäude, meist Lagerräume für den Güterumschlag. Architektonisch zeigen sich die Bahnhofsbauten im Ahrtal in zweierlei prägnanten Stilrichtungen. Die großen, sehr repräsentativen Empfangsgebäude in Bad Bodendorf, Ahrweiler und Bad Neuenahr sind historistisch geprägt, in Ahrweiler dabei streng neugotisch, in Bad Neuenahr mit anderen, später hinzugekommenen Elementen vermischt. Die kleineren Empfangsgebäude in Heimersheim, Dernau, Mayschoß und Altenahr spiegeln die Landschaft des Ahrtals wider, romantisch verspielt, mit Fachwerk im Obergeschoss, und viel Schnitzwerk in den Giebeln.
Vorläufiger Endpunkt der Ahrtalbahn nach der Katastrophe oberhalb des Bahnhofs Walporz- heim
Heimersheim, Dernau und Mayschoß sind nahezu baugleich, während Altenahr im selben Stil größer ausgefallen ist. Ein solcher Entwurf findet sich auch in Walporzheim am Verlauf der alten, 1912 aufgegebenen Trasse im Ort. Der heutige Walporzheimer Bahnhof liegt an der Bahntrasse oberhalb, hier hat man einen eingeschossigen Fachwerkbau errichtet, ähnlich wie in Rech. Zwischen Ahrweiler und Walporzheim liegt der einfach ausgestattete, für den Bahnbetrieb aber sehr wichtige Haltepunkt Ahrweiler Markt. Aus dem Rahmen fallen die Gebäude in Kreuzberg, es sind sachliche Zweckbauten, wohl aus der Zeit 1910/12. Ahrbrück, durch die Streckenverlängerung 1991 wieder hinzugekommen, beeindruckt mit einem zweigeschossigen Bau mit Bruchsteinsockel und historistischen Elementen, erbaut um 1888.
Von der großen Flut stark betroffen waren die Bahnhofsbauten in Heimersheim, Dernau, Mayschoß, Altenahr, Kreuzberg und Ahrbrück. Wie stark an welcher Stelle, hing sehr vom Strömungsverhalten der Ahr ab. In Heimersheim wurde im alten Empfangsgebäude das Untergeschoss komplett durchflutet, der dahinter liegende Fachwerkschuppen als Ganzes. Dass beide Häuser überhaupt stehen geblieben sind, könnte damit zusammen hängen, dass sie in Fließrichtung und nicht quer zur Ahr gebaut wurden. Ähnliches Ausmaß wie in Heimersheim haben die Zerstörungen in Dernau, Mayschoß und Altenahr. Eines zeigte sich in der Flutbilanz: Die Bruchsteinbauweise im Erdgeschoss der Hauptgebäude hat für Stabilität gesorgt und Schäden in Grenzen gehalten, wenn auch das Austrocknen länger dauerte. Die Fachwerkschuppen daneben sind wesentlich stärker beschädigt. Mit welcher Wucht die Wassermassen gewirkt haben, zeigen besonders drastisch die komplett zerstörten Gleisanlagen in Heimersheim, Dernau, Mayschoß und Altenahr.
Schnell realisiert wurde der Behelfsbahnsteig für den Haltepunkt Heimersheim.
Die Ahrtalbahnfreunde
Die zuständigen Stellen des Landes Rheinland-Pfalz haben die hier formulierten Vorschläge Ende 2021 auch von den Ahrtalbahnfreunden erhalten. Die Gruppe der regionalen Eisenbahnfreunde im Ahrtal ist seit über 20 Jahren aktiv bei Fragen und allen Themen rund um die Entwicklung der Bahnstrecke Remagen-Ahrbrück. Nach der Flutkatastrophe haben sie mit fachlicher Unterstützung von Eisenbahningenieuren Vorschläge zum modernen Wiederaufbau der Ahrtalbahn zur Weitergabe an die verantwortlichen Ministerien und Behörden des Landes Rheinland-Pfalz erarbeitet. Sie unterstützen auch die Forderung eines Wiederaufbaus der Strecke bis Adenau. Aufgrund der rasanten technischen Weiterentwicklung von modernen Schienenfahrzeugen und betrieblichen Infrastrukturen stellen solche Wiederaufbauten, wo notwendig mit teils leicht veränderten Streckenverläufen, kein Hindernis mehr dar. Um diesen neuen Herausforderungen besser entsprechen zu können, hat sich die Gruppe im April 2022 als Verein Interessengemeinschaft (IG) Ahrtalbahnfreunde neu organisiert.
Auf ihrer Webseite www.Ahrtalbahnfreunde. de finden sich Vorschläge zum Wiederaufbau, Bilder von den alten Stellwerken der Ahrtalbahn und viele Berichte über die Vereinstätigkeit.