NAME UND VERMUTLICHER URSPRUNG DES DORFES RAMERSBACH

VON RUDOLF WIES

Nachdem von Rhein, Ahr und Vinxtbach her wohl die letzte Siedlungswelle der Merowingerzeit in den -dorf-Dörfern Bodendorf, Lohrsdorf, Koisdorf, Löhndorf, Gönnersdorf, Waldorf ihren Niederschlag gefunden hatte, erwies es sich bald schon als zwingende Notwendigkeit, abermals neues Siedlungsland im naheliegenden Raum zu schaffen. So erfolgte die weitere Landnahme zunächst etwa zwischen 800 und 950 entlang der uralten Völkerscheide und Straße, der Kohlstraße. In einem ungefähr 5 km breiten Band säumen sie beiderseits nun die -bach-Dörfer Schalkenbach, Dedenbach, Dürenbach, Ramersbach, Hannebach, Heckenbach, Herschbach, Lederbach, Leimbach, Siebenbach, Eschbach, Herresbach, Quiddelbach, Müllenbach, Hühnerbach.

Ramersbach, das in einem schon zur Römerzeit dichtbesiedelten Gebiete liegt, scheint mir eines der ältesten dieser Dörfer und Bachern sein Ausgangsort zu sein. Ich glaube nämlich, daß sein Ursprung am „Tiefbach“ lag. Der Name des Ortes möge uns einen Schritt weiter führen.

Sein Bestimmungswort „ramers“ finden wir nördlich der Ahr noch in „Ramersdorf“ und „Ramershofen“. Wir müssen „rammersbach“, wie es in der Urkunde von 992 heißt, als Flurnamen oder Waldbezeichnung werten. Die Mundart hat das mittelhochdeutsche Wort „ram“ = „Stütze, Gestell, Stange“ bei uns noch bewahrt in „Bunnerohm“ = Bohnenstange. „Rahmen“ nannte man früher die Weinbergpfähle. Ungeheure Mengen brauchte man davon, da man sie noch nicht zu konservieren verstand. In einem Gutachten von 1676 heißt es, daß man demjenigen, der einen Morgen Wingert um die halben Trauben pachtet, zwei Morgen Busch für die Rahmen zur Verfügung stellen müsse (Frick Nr. 1499).

So bestand der Waldbezirk südlich von Bachern größtenteils wohl aus solchen „Rahmbüschen“, und ein darin entspringender Bach wurde gar leicht zum „Ramersbach“, Dann wäre der heutige „Bachemer Bach“ dieser „Ramersbach“, der — wie viele andere Bäche — im Oberlauf eben anders hieß. Eine Siedlung daran wurde die „Siedlung am Ramersbach“.

Nun zeigen uns „am Tiefbach“, einem Quellbach des „Bachemer Baches“, deutlich unter der heutigen Erdschicht sichtbare Mauerwälie eingestürzter Gebäude in einem teilweise künstlich planierten Distrikt die einstige Existenz von zwei oder drei Höfen an. Hier vermute ich den Ursprung des Dorfes Ramersbach. Irgendwann und aus irgendeinem Grunde wurden diese Höfe Wüstung. Vielleicht aus Landmangel. In der wasserreichen Mulde, in die das heutige Dorf sich einschmiegt, begann man neu, und die Ansiedler blieben auch oben an der Höhe die, die sie unten am „Ramersbach“ waren, die Ramersbacher.

Die alte, 1895 angelegte Schulchronik verzeichnete, der Sage nach sei Ramersbach aus Hansenhof, Halfenhof und Mertenhof entstanden. Die um 1850 ausgestorbene Familie Hansen gehörte zu den ältesten Stämmen in Ramersbach, und die Katasterkarte verzeichnet noch den „Hansenbungert“. Auch ein „Halfenbungert“ ist festgehalten, und im Jahre 1750 bringt das Barbara-Bruderschaftsbuch von Ramersbach als allereinzig-sten Namensbeleg überhaupt eine „Anna Magdalena Halfens aus Ramersbach“. Wenn nun die in der alten Chronik erwähnten Namen dieser drei sagenhaften Ursprungshöfe auch einer späteren Zeit entstammen mögen — man unterschob wohl die damals als älteste Geschlechter geltenden Familien — so gibt doch die Tatsache zu denken, daß die Sage an drei Entstehungshöfen festhält. Möglicherweise wurzelt sie in der Geschichte der untergegangenen Höfe am Tiefbach und könnte dann als weiterer Beleg für die Ursprungstheorie gelten.

Auffallend ist auch, daß der Ramersbacher Wald sich so weit talabwärts gegen Bachern erstreckt. Eine alte, in Ramersbach gern erzählte Sage — die Sage von den „Schinne-bröhde“ — zeigt, daß diese Tatsache früher schon auffiel, und legt dar, auf welche Weise man sie zu erklären versuchte:

Zwischen Neuenahr (Wadenheim-Beul) und Ramersbach bestand einmal ein Streit über den Verlauf der Gemeindegrenzen. Die Ramersbacher behaupteten, der Tiefbach sei seit alters die Grenze. Die Wadenheimer dagegen wollten wissen, daß sie noch auf ein viel höher aufwärts reichendes Stück Anrecht hätten. Keine Partei gab nach. Da schlug irgend ein Pfiffikus vor, Schultheiß und Scheffen sollten als die berufenen Vertreter an einem bestimmten Tage zusammenkommen. Man würde sich um ein Feuer lagern. Die Partei, die es am längsten an der Glut aushielte, sollte im Recht sein. Gesagt, getan! Der festgesetzte Tag sah alle zur Stelle und noch manchen Schaulustigen mehr. Siehe daJ Die Neuenahrer brachten Schutzschilde mit. Und die Ramersbacher? Die hatten sich vor ihre Schienbeine, vor Oberschenkel, Bauch und Brust, um Ober- und Unterarme Eichenrinden gebunden, den ändern gar nicht sichtbar. Nur kleine Schalen trugen sie mit sich, um die unbedeckten Hände und das Gesicht zu schirmen. Feierlich lagerte man sich um das Feuer. Alsbald begannen auf beiden Seiten auch schon die Sticheleien. Ja, der Spott der „schlauen“ Bürger über die „dummen“ Bauern wollte schier kein Ende nehmen. Doch schon bald flauten die siegesgewissen Reden auf der Wadenheimer Seite merklich ab. Die mit Blech beschlagenen Schilde wurden immer ungemütliche, und dann verschlug es den Spöttern die Sprache. Tapfer verbissen sie die stärker werdende Pein. Aber — zu allem Schmerz auch noch die Schadenfreude und das Hohngelächter der Ramersbacher ertragen, das — hol’s der Teufel! — das war wirklich nicht auszuhalten. So gaben sie es auf und eilten schleunigst heim. Wer aber den Schaden hat, braucht bekanntlich für den Spott nicht zu sorgen: „Schinnebröhde! Schinnebröhde!“ schallte es hinter ihnen her, und „Schinnebröhde“ heißen die Badestädter in Ramersbach bis auf den heutigen Tag.

Und heute noch folgt jeder Erzählung das gleiche herzhafte Lachen, dem der Stolz zugrunde liegt: Man soll sich nur ja nicht an uns „dummen Bauern“ verschauen! Diese schmale Grenzausdehnung gegen Bachern und die Tatsache, daß der „Vinxter Marktweg“ — in Wirklichkeit „Markweg“ = „Weg an der Grenze“ schnurgerade zur Wüstung am Tiefbach hinunterführt, erscheinen als weitere Belege für die Vermutung, daß die Vorfahren der Ramersbacher von dort, dem ehemaligen „Ramersbach“ in den „Ramersbüschen“, herkamen, daß dort also der Ursprung des Dorfes Ramersbach liegt.

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