„Nach Meterzahl der Höhepunkt“
Der Bundespräsident besuchte Adenau und den Nürburgring
VON HARALD HÜBEL
Bundespräsident Dr. Heinemann in Adenau
Foto : H. J. Vollrath
Nach Kaiser Wilhelms II. Durchfahrt kam diesmal ein Staatsoberhaupt, das sich bewußt Adenau und den Nürburgring zum Ziel seines Besuchs setzte. Hier war die Endstation des Landesbesuchs von Bundespräsident Dr. Gustav Heinemann in Rheinland-Pfalz.
Und Adenau übte sich denn auch fleißig in der Kunst, das Staatsoberhaupt gebührend zu empfangen. Sorgfältig wurden die Getränke zusammengestellt, Sekt und ausgesuchte Rot- und Weißweine der Ahr. Die bekannte Küchenkunst des Sporthotels hatte ein gutes kaltes Büffet aufgebaut, Ostseelachs, Limfjord-Aal, Pökelrinderzunge „Karachi“, Rehrücken auf „Großherzogliche Art“ und etliches mehr. Bereits um 17.00 Uhr – um 17.45 Uhr wurde der hohe Gast erwartet – sammelte sich das Blasorchester, die Feuerwehr war angetreten, die Polizei sorgte für die Ordnung auf dem Marktplatz, im Rathaus kamen die Ehrengäste zusammen. „Er naht!“ Wie durch ein Zauberwort bewegt, schritt man gemessenen Schritts zum Marktplatz: Innenminister Schwarz, Regierungspräsident Korbach, die Bürgermeister Cremer und Gentek. Und da wieder Schneeregen drohte, folgten fünf Feuerwehrmänner im gebührenden Abstand mit Regenschirmen.
Dann war es soweit. Der Stander am Mercedes SEL zeigte an, daß der Bundespräsident eingetroffen war. Kurze Begrüßung und Vorstellung. Dann ging es zu den Klängen des Adenauer Blasorchesters durch die beifallklatschende Zuschauermenge zum Rathaus. Im Rathaus fand der Empfang der Stadt in Zimmer Nr. 13, dem Trauzimmer, statt. In Gegenwart von Bundesverkehrsminister Dr. Lauritzen, der Staatsminister Schwarz und Holkenbrink, der Bundestagsabgeordneten Josten und Professor Schweitzer, der Landtagsabgeordneten Schaaf und Dr. Moesta sowie des Regierungspräsidenten Korbach unterrichtete Bürgermeister Gen-tek den Bundespräsidenten über die historische Entwicklung Adenaus und machte ihn dann mit den gegenwärtigen Problemen bekannt. Bundespräsident Dr. Heinemann, so meinte der Bürgermeister, sei die „Klagemauer der Nation“, und da nun einmal Gelegenheit sei, daß sich das Staatsoberhaupt in Adenau befinde, wolle er sich einmal „an seiner Brust ausweinen“ und ihm die Probleme der Stadt darstellen. Der Bundespräsident hob anerkennend hervor, daß in der Stadt Geschichte noch lebendig sei, und bekannte freimütig, daß er in seinem Amt keine Direktiven an die Verwaltung geben könne, daß aber alles notiert und weitergeleitet werde und daß es nicht auf taube Ohren stoße.
Der Bundespräsident atmete dann sichtlich auf, als er sich nach der Eintragung ins Goldene Buch der Stadt Adenau endlich eine Zigarette anzünden konnte. Zuerst erschrak er über die Größe des Pokals mit Rotwein, der ihm geboten wurde, trank ihn aber mannhaft aus. Und damit er den Rotwein der Ahr nicht vergaß, überreichte ihm später im Sporthotel Landrat Dr. Stollenwerk eine Kiste ausgesuchter Kreszenzen. Im Schneetreiben ging es dann über den Nürburgring, den der Bundespräsident in seiner heutigen Gestalt erstmals sah. Vorgesehen war, daß die Fahrt in einem alten Horch eines Oltimerfreundes vonstatten gehen sollte. Doch das Wetter machte einen Strich durch die Rechnung: Just in diesem Augenblick setzte heftiges Schneetreiben ein, so daß der Präsident sich lieber einem modernen Wagen anvertraute. An Start und Ziel konnte man dann einige Wagen älteren Baujahrs begutachten. Die große Überraschung war der Benz Victoria, Baujahr 1899, dem Geburtsjahr Gustav Heinemanns. Das Präsidentenehepaar setzte sich in den Wagen, der wie eine Postkutsche mit Motor aussah, und drehte zaghaft am Steuer. Anschließend gab im Sporthotel, wo der Bundespräsident auch von Landrat Dr. Stollenwerk und Geschäftsführer Dr. Ludemann von der Nürburgring GmbH begrüßt wurde, die Verbandsgemeinde einen Empfang in Gegenwart der Bürgermeister und Abgeordneten des Eifelraums. Verbandsbürgermeister Cremer ging in seiner Ansprache auf die gegenwärtigen Probleme der Verbandsgemeinde ein: Förderung des Fremdenverkehrs und der Naherholung, Ansiedlung von Gewerbebetrieben, Aufnahme des Gebiets in das Regionalprogramm Eifel/Hunsrück. Auch Verbandsbürgermeister Cremer überreichte mit galanten Worten Frau Heinemann als Erinnerungsgabe, wie schon vor ihm Bürgermeister Gentek, einen Scheck zugunsten der Hilda-Heinemann-Stiftung.
Während des Empfangs im Sporthotel bekannte der Bundespräsident, daß er keinen Führerschein besitze, und er erinnerte sich, wie er vor 57 Jahren, 1916, zum erstenmal das Gebiet um den Nürburgring bei einer Wanderung mit Schulkameraden kennenlernte. Damals habe er bei Bauern in der Scheune übernachtet und ab und zu bei ihnen gegessen, Pellkartoffeln, etwas Schmalz und Malzkaffee. Zu dieser Zeit hätten sie den Kanonendonner von Verdun hören können. Bei seiner Rundfahrt durch Rheinland Pfalz habe er aus allen Reden immer wieder heraushören können, daß die unseligen Kriege zwischen Deutschland und Frankreich noch heute ihre Auswirkungen zeigten, denn damals sei ja dieses Gebiet Vorraum für den Kriegsaufmarsch gewesen. „Zumindest der Meterzahl (Höhenlage des Nürburgrings) nach ist das der Höhepunkt meiner Rheinland-Pfalz-Fahrt“, bemerkte Bundespräsident Heinemann, der hier den Besuch des Landes Rheinland-Pfalz abschloß und kurz nach 21.00 Uhr mit dem Auto die Heimreise antrat.