Mit dem „Vulkan-Expreß“ in die 90er Jahre

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Ein echtes Bergbahnerlebnis: Vom Rheintal fährt der „Vulkan-Expreß“ bis zu den Höhen der Eifel und überwindet dabei einen Höhenunterschied von 400 Meter

Zum 90jährigen Bestehen der Brohltal-Eisenbahn

Stephan Pauly

Selten sind sie geworden, die Geburtstage einzelner Eisenbahnlinien in der Eifel. Der ständige Rückgang von Fahrgästen und das unaufhaltsame Absinken des Frachtaufkommens ließ eine Eifelbahnstrecke nach der anderen zum Erliegen kommen.

Auch der Kreis Ahrweiler wurde in den vergangenen zwanzig Jahren nicht von Streckenstillegungen verschont. Im Sommer 1974 fuhr zwischen Dümpelfeld/Ahr und Jünkerath der letzte Güterzug, nachdem am 2. Juni 1973 bereits der planmäßige Personenverkehr eingestellt worden war. Welcher Neubürgerdes Landkreises Ahrweiler weiß heute überhaupt noch etwas von dieser Strecke. Nur die ehemaligen Bahnhöfe, Tunnel oder Brücken im oberen Ahrtal sind Zeugnisse der einst so reizvollen Bahnlinie. Zum 1. Juni 1985 erfolgte die umstrittene Gesamtstillegung der DB-Strecke Henningen/ Ahr-Adenau, die im Mai 1986 bedauerlicherweise abgebrochen wurde.

Im Südosten des Kreises gibt es jedoch bis heute ein Bahnlinie, die noch immer-seit ihrem Bestehen – Güter und Personen befördert: die Brohltalbahn.

Die schmalspurige Brohltal-Eisenbahn (Spurweite 1.000 mm) führte bis in den Sommer 1987 nur ein Schattendasein im Kreis Ahrwei-ler, obwohl sie eine der letzten Schmalspurbahnen in Rheinland-Pfalz ist. Sie brachte sich erstmals im Juni 1987 wieder in die Schlagzeilen und in das Gedächtnis der Ahrkreisbewoh-ner. Damals drohte der Linie zwischen Brohl/ Rhein und Engeln/Eifel das Schicksal der vorgenannten DB-Linien. Nachdem am 1. Oktober 1974 aufgrund mangelnden Verkehrsaufkommens bereits der letzte 6,3 km lange Abschnitt zwischen Engeln und Kempenich stillgelegt und 1975 abgerissen worden war, sah es im Sommer 1987 so aus, als würde auch der 17,5 km lange Streckenteil zwischen Brohl und Engeln das 90jährige Jubiläum nicht mehr erleben.

Bau der Brohltalbahn

Nach einer zweijährigen Bauzeit, beginnend 1899, wurde die 17,51 km lange Strecke entlang des Brohlbaches am 14. Januar 1901 dem Betrieb übergeben. Ein längeres Tauziehen zwischen den’am Bahnbau interessierten Industriellen und der Bevölkerung des Brohltales einserseits, den Beamten der „Königlichen Eisenbahndirection Köln“ andererseits war dem Bau vorangegangen. Die Kölner Direktion hätte 1883 lieber einer Bahnlinie von Niedermendig nach Weibern den Vorzug gegeben. So folgte der ersten Petition von 1879 eine weitere im Jahre 1883 an das Preußische Innenministerium, jedoch ohne Erfolg. In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts versuchte man, die „Königlich-Preußische Eisenbahnverwaltung“ für den Bau einer Bahn durch das Brohltal zu gewinnen. Diese interessierte sich nur für den Bau einer „Secundärbahn“ von Brohl bis Niederzissen.

Dennoch gelang es einem zu Beginn des Jahres 1895 gegründeten Komitee, einen Konzessionsantrag zum Bau und Betrieb einer Eisenbahn durch das Brohltal zu stellen. Bis zum Jahresende stand dann auch der Streckenverlauf von Brohl über Nieder- und Oberzissen nach Engeln mit späterer Weiterführung nach Kempenich über Weibern fest. Die Bahn führte in Oberzissen aus dem Brohltal hinaus nach Brenk, weil man dort den Abtransport der reichen Phonolithvorkommen gewährleisten wollte.

Gerade dieser Streckenabschnitt stellte die Planer vor große Probleme. Mußten doch von Oberzissen nach Brenk und von dort weiter nach Engeln auf 5112 Kilometer langer Strecke weitere 235 der insgesamt 400 Höhenmeter überwunden werden. Dies gelang, indem man eine kühne 1:20, also 5%ige Streckenneigung wählte. Damalige Betriebsvorschriften sahen aber für die Bewältigung solcher Steigungen zwingend einen Zahnradbetrieb vor. So kam es, daß der Abschnitt Oberzissen-Kempenich bis 1934 zumindest im Güterverkehr nur von Zahnradlokomotiven befahren werden konnte. Im unteren Brohltal mußte bei Tönnisstein ein siebenbogiger, rund 120 Meter langer Backsteinviadukt zur Überbrückung des Brohltales errichtet werden. Anschließend sprengten die Mineure auf einer Länge von 96 Metern durch eine hohe Trasswand den einzigen Tunnel der Strecke. Ein weiteres Viadukt entstand in Oberzissen zur Überführung des Brenkbach. Trotz dieser und weiterer Schwierigkeiten konnte der Bahnbau zwischen Brohl und Engeln in den Jahren 1899 bis 1901 zügig vorangetrieben werden.

Nachdem am 13. Januar 1901 die landespolizeiliche Abnahme der Brohltalbahn durchgeführt wurde, brachte der 14. Januar 1901 die Geburtsstunde der Brohltalbahnstrecke. Zwischen Brohl und Engeln verkehrte der erste planmäßige Personenzug der „Brohltal-Eisen-bahngesellschaft“. Die Freude der Brohltalbe-wohner war groß. Auf jedem Bahnhof wurde der Zug mit den Ehrengästen von Blasmusik und jubelnden Menschen empfangen. Bürgermeister hielten Lobreden auf das technische Zeitalter und prophezeiten mit stolzgeschwellter Brust den wirtschaftlichen Aufschwung im Brohltal. 22 Jahre hatte es von der ersten Petition im Jahre 1879 an gedauert, bis der Traum von der „eigenen Bahn“ im Brohltal Realität geworden war.1)

Die Nachkriegsjahre

Die Brohltal-Eisenbahn überlebte schwierige Zeiten. Den Ersten Weltkrieg, die Inflation und die Jahre der Rezession. Die Jahre der Weltwirtschaftskrise äußerten sich bei der Brohltalbahn besonders drastisch. 1932 wurden nur noch 209.383 Gütertonnen befördert. Zum Vergleich: 1931 waren es immerhin 300.876 Tonnen. Ein Jahr später, 1933, sank die Fahrgastzahl mit 59.838 auf einen Rekordtiefpunkt.

1931 hatten dagegen noch 113.288 Reisende die Bahn als Beförderungsmittel benutzt. Aber auch diese Jahre wurden überwunden.

Weitaus verheerendere Auswirkungen auf die betriebswirtschaftliche sowie die betriebstechnische Situation hatte der Zweite Weltkrieg mit seinen zerstörerischen Folgen. Allein in Ober-zissen waren zwei Brücken durch Bombentreffer unbefahrbar geworden. Die meisten Fahrzeuge wiesen zwar nur leichte Beschußschä-den auf, waren aber durch die Mangeljahre im Krieg in einem technisch unzulänglichen Zustand. Dennoch gelang es in den Nachkriegsjahren, den Betrieb aufrechtzuerhalten.

Bis in die 70er Jahre ging es der Brohltalbahn wirtschaftlich einigermaßen gut. Stillegungsgerüchte hielten sich zwar hartnäckig, aber es gelang dem Schienenverkehrszweig der Brohltalbahn, den 1927 eingeführten Kraftomnibusbetrieb (KÖM) „über Wasser“ zu halten. In 63 Jahren KOM-Betrieb gab es kein einziges Jahr, in dem die Omnibusse kostendeckend gefahren sind. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies, daß die im Schienenverkehr erwirtschafteten Überschüsse die jahrzehntelangen Einbußen im öffentlichen Personennahverkehr abdeckten. Die Brohltal-Eisenbahngesellschaft betreibt bis heute flächendeckend in der Eifel mit 9 Buslinien den öffentlichen Personennahverkehr.

Rückläufige Entwicklung im Güterverkehr

Dies ging bis 1987 gut, als auch die Eisenbahn – inzwischen auf einen einzigen Kunden beschränkt -, defizitäre Bilanzen aufzeigte. So konnten 1984 71.000 Tonnen Güter befördert werden, während man 1987 gerade noch 40.000 transportierte. 1988 waren es nicht einmal mehr 30.000 Tonnen Phonolith. die von Brenk über die Schiene nach Brohl an den Rhein rollten. Im ganzen Februar 1988 hatte kein einziger Güterzug den Bahnhof in Brohl verlassen – ein noch nie zuvor dagewesenes Ereignis. Der Kreis Ahrweiler, dem die Brohltal-Eisenbahn GmbH zu 56% gehört, sah sich in der Person des damaligen Landrates Dr. Plümerzum Handeln gezwungen. Um Kosten einzusparen, wurde sieben Mitarbeitern der Eisenbahnwerkstatt gekündigt und die Strecke zum 31. März 1988 vorläufig stillgelegt.

Dieses Datum verstrich jedoch, ohne daß die Bahn tatsächlich zum Erliegen kam. Zwei Gründe waren dafür verantwortlich: Einerseits hatten sich sowohl die Geschäftsführung der Brohltal-Eisenbahn, der Verwaltungsrat als auch die Gesellschafterversammlung mit der Firma Kali-Chemie, Bad Hönningen – sie ist der Betreiber des Steinbruches in Brenk – auf neue Frachtraten und Frachtsätze einigen können.

Interessengemeinschaft Brohltal-Schmalspur-Eisenbahn (IBS)

Andererseits wurde am 2. September 1987 in der Burgbrohler Bahnhofsgaststätte die „Interessengemeinschaft Brohltal-Schmalspur-Eisenbahn (IBS)“ gegründet. Rund 100 Eisenbahnfans hatten sich zum Ziel gesetzt, die Brohltalbahn unentgeltlich im Bereich der technischen Unterhaltung wie auch in der Werbung zu unterstützen. Gemeinsam bewirkten die Brohltal-Eisenbahngesellschaft und die Interessengemeinschaft durch vielfältige Aktivitäten eine Erhöhung der Fahrgastzahlen des „Vulkan-Expreß“, der seit April 1977 als touristische Attraktion die Strecke zwischen Brohl und Engeln befährt, von 7.000 Personen 1987 auf 41.000 Personen 1988.1989 konnte die Zahl der Reisenden, die dieses in Rheinland-Pfalz einmalige Freizeitangebot nutzten, sogar auf über 50.000 gesteigert werden.

In diesen Jahren des Probebetriebes gewannen die Verantwortlichen beider „Gesellschaften“ wichtige Erkenntnisse. So wurde deutlich, daß zur Steigerung der Attraktivität des Zuges weitere historische Wagen beschafft werden mußten. 1989 entschloß man sich, zwei „Dampfrösser“ anzuschaffen, die eigens aus Polen importiert werden mußten. Eine gemietete Dampflok hatte 1988 allein an den ersten beiden Oktoberwochenenden rund 20.000 Menschen im Brohltal in ihren Bann gezogen. Neben einem Wagen der Bayerischen Zugspitzbahn konnten zwei weitere Personenwagen aus dem Eisenbahnmuseum im Badenwürttembergischen Viernheim in Brohl wieder auf die Schienen gestellt werden. Die Interessengemeinschaft kaufte drei vierachsige Personenwagen aus der Schweiz, von denen zwei bereits wieder überarbeitet im Dienst stehen. Die heute seltene Spurweite von 1.000 Millimetern macht die Fahrzeugsuche sehr schwierig. Nicht alles was angeboten wird, hat die richtige Spurweite oder befindet sich in einem aufarbeitungswürdigen Zustand. Ein „Schnäppchen“ gelang der BEG dann aber im Frühjahr/Sommer 1989, als ein großer sehr leistungsfähiger Triebwagen der Württembergischen Eisenbahngesellschaft erworben werden konnte – der letzte noch käufliche seiner Art. Dieses Triebfahrzeug wurde von den IBS-Mitarbeitern in hunderten freiwillig geleisteten Arbeitsstunden aufgearbeitet. Seit dem 30. September 1989 steht das Fahrzeug im regelmäßigen Einsatz und stellt eine sinnvolle Ergänzung des Triebfahrzeugparkes dar.

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Seit Herbst 1990 bietet die Brohltal-Eisenbahn mit einer Dampflok vom Typ PX4841 eine weitere Attraktion im Brohltal

Auch der Fahrplan erfuhr eine Verbesserung. Der Ausflügler kann nicht nur allein das Wochenende und den Dienstag zum Verreisen nutzen, ab Saison 1991 wird auch am Donnerstagnachmittag ein regelmäßiger Planzug von Brohl nach Engeln und zurück verkehren.

Pläne und Perspektiven

Der neue, seit dem 1. August 1990 tätige Geschäftsführer der Brohltalbahn hat viele Pläne, um die Attraktivität und die Anziehungskraft des weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannten Vulkan-Expresses zu erhöhen. So wird geprüft, auf dem Gelände des Engelner Bahnhofs ein völlig neues Empfangsgebäude entstehen zu lassen.

Viele Investitionen müssen jedoch auch in Bereichen getätigt werden, die vom Fahrgast unbemerkt bleiben. Alle drei Diesellokomotiven, die 1965 bzw. 1966 gebaut wurden und von denen mittlerweile jede einzelne eine Laufleistung von über 1 Million Kilometern auf der Brohltalbahn hinter sich gelegt hat, werden in Dortmund vollständig überholt. Die Unterhaltung der Gleisanlagen verschlingt ebensoviel Geld wie die Erhaltung der Werkstätten und ihrer Maschinen. Außerdem sollte der unentgeltliche Arbeitseinsatz der Mitglieder der Interessengemeinschaft nicht unerwähnt bleiben.

Auch im Güterverkehr will man investieren. Da absehbar erscheint, daß die Kali-Chemie ihr vulkanisches Gestein (Phonolith) in Zukunft weiter über die Schiene versenden will, muß in Brohl den geltenden gesetzlichen Emissionsschutzbestimmungen entsprechend eine Entstaubungsanlage zur Verladung des Phonolits errichtet werden.

Nicht zuletzt soll hier aber auch das „Sorgenkind“ der BEG erwähnt werden, der Busbetrieb. Denn seit Jahren sinken die Fahrgastzahlen und der Bestand der Pkw nimmt ständig zu. Bei ca. 113.000 Einwohnern im Landkreis waren 1989 über 68.000 Fahrzeuge registriert. Mit der Zunahme der Mobilität der Bevölkerung sinkt jedoch gleichzeitig die Zahl der Benutzer der Linien des Öffentlichen Personennahverkehrs. Dennoch ist gerade für den Personenkreis, der kein eigenes Fahrzeug besitzt, die Aufrechterhaltung des Linienverkehrs von entscheidender Bedeutung.

Deshalb deckt seit 1988 der Landkreis Ahrwei-ler jährlich das entstehende Defizit im ÖPNV ab. Dabei handelte es sich allein im Jahre 1989 um einen Betrag von über einer halben Million DM. Nur so konnten in den vergangenen Jahren Neuanschaffungen getätigt werden. Drei Linien- und zwei Reisebusse mit modernem Reisekomfort runden das Bild des sich wandelnden Betriebs ab.

Die Brohltal Eisenbahn-Gesellschaft und deren verantwortungstragende Aufsichtsgremien haben erkannt, daß zur Sicherung der mehr als 50 Arbeitsplätze die Hinwendung zum Tourismus zur wichtigen Aufgabe für die gesamte Region wird. So hofft man, daß die zur Saison 1991 einsetzenden Dampfzugfahrten in Kombination mit einem Komfortbus-Zubringerdienst zum Tourismusmagneten im Brohltal werden. Auf diese Weise sollten noch mehr Menschen in den Genuß einer einmalig reizvollen Landschaft kommen.

Anmerkung

  1. hierzu: Wolfgang Dietz. Zur Geschichte der Brohltaleisenbahn und ihrer Fahrzeuge. In Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 1989.