»Man sollte sie Europa-Schule nennen!«
15 Jahre vorbildliches Engagement der Hauptschule Remagen für Europa
Josef Hoss
»Nachdem das Zeitalter der Macher, der Politiker, der Juristen dem Ende zugeht, wäre es wieder an der Zeit, daß echte Erzieher sich der Jugend annähmen und ihr Wege wiesen, die über den engen national-staatlichen Horizont in die Weite eines zukünftigen Europas führten, eines Europas des Friedens und der Freiheit So schrieb der Kreisvorsitzende der Europa-Union, Karl Hatwig, im Heimatjahrbuch 1983 unter der Überschrift »Aufbruch zu neuen europäischen Ufern« und berichtete, wie engagierte Jugendliche einen neuen Start für Europa im Bereich des Kreises Ahrweiler initiierten. Er hebt hervor, daß damit versucht wird, die Europa-Idee durch Jugendliche den Bürgern nahezubringen.
Seit 15 Jahren wird dies auch bei der Hauptschule Remagen mit großem Erfolg durch die Teilnahme am Europäischen Wettbewerb praktiziert. In diesem Zeitraum gab es in diesem Wettbewerb 26 Landes- und Bundessieger. Für die Grundlagen der europäischen Einigung und für die damit verbundenen Probleme will der Europäische Wettbewerb die Aufmerksamkeit bereits in der Schule wecken, so daß die Motive und Interessen für die Einigung Europas erkennbar und diskutierbar werden, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der europäischen Völker bewußt werden, die europäische Integration als Bestandteil des täglichen Lebens wahrgenommen wird. Als richtungweisende Worte sind in der Eingangshalle der Hauptschule Remagen an einer Europa-Tafel Worte von Pierre Pflimlin, Oberbürgermeister von Straßburg, aus dem Jahre 1962 zu lesen:
»Europa wird niemals zu einer lebendigen Realität werden, wenn es in den Händen einiger weniger bleibt. Nur ein fest im Volk verankertes Europa ist ein echtes Europa.« Petra Ockenfeld aus Glees, vor einigen Jahren Schülerin des freiwilligen 10. Schuljahres der Hauptschule Remagen und Bundessiegerin im Europäischen Wettbewerb, schreibt im Heimatjahrbuch 1979 dazu unter der Überschrift »Auf dem Weg nach Europa«: »Europa muß wachsen! Doch damit es wächst, brauchen wir Menschen, die sich zu Europa bekennen und sich dafür engagieren. Sonst ist Europa und unsere ganze Zukunft gescheitert!« In diesem Jahr hat sich das freiwillige 10. Schuljahr der Hauptschule Remagen mit zwei Themen am Europäischen Wettbewerb beteiligt:
1. Küsten und Uferzonen — Ihr Wert und ihre Bedrohung.
2. Was kann der Tourismus zur Einigung Europas beitragen?
Mit beiden Themen hatte die Klasse großen Erfolg: Claudio Hahn (17) aus Burgbrohl, Gaby Ernst (16) aus Remagen-Rolandseck und Astrid Marx (17) aus Remagen-Kripp wurden Landesund Bundessieger. Claudio Hahn gelang es sogar, erstmalig in die europäische Spitzengruppe vorzustoßen. Seine Arbeit wurde an die Internationale Jury in Straßburg weitergegeben. Dieses Gremium bewertet die Spitzenarbeiten aus den 13 beteiligten europäischen Ländern.
Der Erfolg der Remagener Schule ist um so höher zu bewerten, wenn man sich die Gesamtbeteiligung am 30. Europäischen Wettbewerb 1983 anschaut. Es machen mit: 1 199 Schulen mit 76 200 Schülerinnen und Schülern. Claudio Hahn behandelte sein Thema am Beispiel »Laacher-See-Gebiet« und wollte damit unterstreichen, daß der Laacher See kein Eifel-maar ist, das es dutzendfach gibt, sondern daß gerade dieser See als Ganzes besonders schützenswert ist. Der Schüler schreibt u. a.: »Die Natur, die Umwelt, in der wir heute leben, ist keineswegs unzerstörbar. Sie ist verletzlich und ihre Reserven sind nicht unbegrenzt.
Da Umweltverschmutzung kein ausschließlich nationales Problem ist, müssen auf alle Fälle Lösungen auf europäischer Gemeinschaftsebene gefunden werden. Niemand wird sich sicher fühlen können, wenn man den Sicherheitsnormen des Nachbarn mißtrauen muß. Deshalb gilt es, solche grenzüberschreitenden Umweltprobleme in Europa gemeinsam anzupacken und sie zu einer endgültigen Lösung zu bringen. Als Beispiel für die Notwendigkeit der Erhaltung gesunder Zellen in Europa nehme ich Bezug auf die bedrohten Uferzonen unseres Laacher-See-Gebietes, eines Naturschutzgebietes von großer Bedeutung. An diesem Beispiel kann man sehen, wie notwendig die Verbesserung der Schutzmaßnahmen und die Schaffung eines wirksameren europäischen Naturschutzrechtes ist. Noch ist es nicht zu spät! Jetzt kann man in Mitleidenschaft gezogene Lebensräume noch in Ordnung bringen, Lebensräume, die wir zum Leben und zum Überleben in Deutschland und in Europa dringend brauchen! Man möge traurig oder zornig sein, daß die Menschheit uns in diese Schwierigkeiten geführt hat, aber keine andere Einstellung als diese bringt uns weiter: Wir müssen rasch zusammen in Europa und für Europa etwas tun! Hoffen wir, daß in meiner Heimat das Naturschutzgebiet Maria Laach als ein einzigartiges Naturschutzgebiet in Europa erhalten bleibt. Astrid Marx behandelte ihr Thema am Beispiel »Ahrmündungsgebiet« und schreibt u. a.: »Die Ahrmündung ist das jüngste Naturschutzgebiet im Bonner Raum. Von 42 Nebenflüssen des Rheins hat die Ahr das natürlichste Mündungsgebiet, da es von wasserbaulichen Veränderungen verschont geblieben ist. Die Ahrmündung ist ein Edelstein, den man leuchten lassen sollte. Deshalb sollten wir alle mithelfen, dieses Gebiet zu erhalten. Eine Landschaft braucht gesunde Zellen, Europa braucht gesunde Zellen! Ein einziges Jahr des Umweltschutzes nützt nicht viel. Es sollte immer >Jahr des Umweltschutzes< sein, bei uns und in ganz Europa!«
Die Schülerin schließt mit einem Wort von P. Bertholdy: »Da wir einzig und allein aus der Natur entstanden sind, können wir uns nicht in Gegensatz zur Natur stellen!« Gaby Ernst führt in ihrer Abhandlung u. a. aus: »Die Touristen, die mit Diplomatie und gutem Verhalten ihr Land vertreten, hinterlassen bei den Einheimischen einen guten Eindruck. Der Fremde zählt viel, denn der Einheimische lernt ihn von der Seite als Tourist kennen und stuft ein ganzes Volk danach ein. Wer sich unterordnet und freundlich verhält, findet Freunde! Der Tourismus hat große außenpolitische Bedeutung. Die Touristen tragen durch ihren Aufenthalt dazu bei, daß das andere Volk uns besser kennenlernt. Verträge zwischen Ländern nutzen wenig, wenn die Bereitschaft der Menschen dazu nicht vorhanden ist! Zur Völkerverständigung trägt die Bereitschaft bei, Tradition und Sitten als charakteristische Bestandteile des Landes zu akzeptieren. Die Erkenntnis zu gewinnen, daß nicht nur die eigene Kultur zählt, halte ich für sehr wichtig! Leider sind immer noch Touristen zu all dem nicht bereit!« Die Schülerin schließt mit einem bekannten Gebet zur Urlaubszeit:
»Ich bitte, Gott, wenn jetzt in Europa die Urlaubsvölkerwanderung wieder ausbricht, dann erfülle uns mit Deinem Geist! Schenke uns einen Blick für die Schönheiten unseres Erdteils, für die Eigenheiten der Völker und Länder!
Bewahre uns davor, mit Eurocheque und Auto die Länder Europas zu erobern, als seien wir die Herren und Meister! Als müßten die anderen von uns lernen, wie man Geld ausgibt, wie man singt und trinkt, Kirchen wie Museen absolviert und FKK-badet.
Gib, daß Europas Völker auch im Urlaub sich begegnen, daß sie sich besser verstehen lernen und daß die Urlauber nicht wie Barbaren die Nachbarkulturen verwüsten!« Regierungspräsident Heinz Korbach, der selbst im Heimatjahrbuch 1982 über »Maria Laach, Kleinod der Eitel« geschrieben hat, sprach der Klasse und besonders den Siegern seine Anerkennung dafür aus, daß man sich mit einem so wichtigen und komplexen Thema im Rahmen des Europäischen Wettbewerbs beschäftigt hat. Eine unvergeßliche Auszeichnung für die Klasse und die Schule war die zentrale Feierstunde im Plenarsaal des Landtages in Mainz mit der Ehrung der Landespreisträger durch Professor Dr. Mohr, Staatssekretär im Kultusministerium von Rheinland-Pfalz und dem Landesvorsitzenden der Europa-Union, Professor Dr. Bardong. Der große Erfolg der Remagener Schüler wurde dadurch besonders gewürdigt, daß mit Einverständnis des Kultusministeriums und durch die besondere Unterstützung der Stadt Remagen alle Schülerinnen und Schüler der Klasse an dieser Feierstunde teilnehmen konnten.
Die drei Preisträger wurden außerdem von Landrat Dr. Plümer zu einer Ehrung in den Sitzungssaal der Kreisverwaltung Ahrweiler eingeladen. Bei dieser Feierstunde waren, genau wie bei der Siegerehrung in Mainz, sechs Sieger aus den Grundschulen Ahrweiler und Sinzig anwesend, die sich am bildnerischen Wettbewerb beteiligt hatten.
Völlig unerwartet aber kam der Besuch von Dr. Alfred Klepsch, Vizepräsident des Europa-Parlaments in Straßburg, der sich den jungen Menschen in einer Diskussionsrunde zur Beantwortung von Fragen in Sachen Europa stellte. Er fand anerkennende Worte für die Hauptschule Remagen und hob hervor, daß er die Schule mit seinem Besuch habe auszeichnen wollen. Den drei Siegern überreichte er ihre Urkunden und betonte, daß er keine Schule mit so vielen Landes- und Bundessiegern im Europäischen Wettbewerb kenne.
So war es auch nicht verwunderlich, beim anschließenden Empfang in der Aula der Schule, Bemerkungen von Gästen zu hören: »Man sollte dieser Schule den Namen Europa-Schule geben!«