Kulturgeschichtlicher Streifzug durch den Kreis Ahrweiler

Dr. Josef Ruland

Der nachfolgende Beitrag geht zurück auf einen Vortrag, den der Verfasser in Bad Neuenahr-Ahrweiler vor einem kleinen Kreis gehalten hat. Daher verstehen sich die knappen Formulierungen und die Beschränkungen auf das Wesentliche.

Vorgeschichte

Um gleich mit einer kulturellen Besonderheit unserer Heimat von europäischer Wirkung zu beginnen, die bis auf den heutigen Tag, wenn auch nicht augenfällig, aber doch allenthalben zu erkennen ist. Beim Kurbad Breisig fließt der Vinxtbach in den Rhein, der südlich der Ahrhöhen im Hohe-Acht-Gebirgsstock entspringt. Er bildete mehr als dreihundert Jahre lang die Grenze der Provinzen und damit auch der Militärbereiche des Imperium Romanum: zwischen Obergermanien im Süden und Niedergermanien im Norden. Provinzhauptstadt im Süden das „goldene“ Mainz, im Norden das „heilige“ Köln. Diese Stadt sind immer noch ganz wesentliche Faktoren unseres hiesigen Lebens. Mainz, Landeshauptstadt im Süden, Köln, kirchlicher Verwaltungsmittelpunkt des Ahrgaues im Norden von den Anfängen des Christentums bis 1804 zur Auflösung des Reiches. Die Grenze, der Vinxtbach, ist bis heute eine sprachliche und auch volkskundliche Scheide. Die Dialektvergleiche weisen es ebenso aus, wie andere Besonderheiten, etwa die Farbe des Brotes, die Bezeichnung für die Kartoffel, die Stellung des Rindes als Zugtier südlich, des Pferdes nördlich.

Diese Grenzlinie basiert letztlich auf einer alten Völkergrenze. Südlich die gallischen (keltischen) Treverer, nördlich die germanischen Ubier, was in Caesars Schrift zum gallischen Krieg nachgeprüft werden kann. Daß heute, wenn auch einige Kilometer nach Norden verschoben, die Grenzen des Trierer Bistums, des Regierungsbezirks Koblenz und jetzt des Landes Rheinland-Pfalz mit der ehemaligen Vinxtbachgrenze zusammenfallen, ist also echtes Erbe der Antike im hiesigen Raum. Gegenüber der Vinxtbachmündung bei Rheinbrohl steht heute gleichsam als Beweis eine Nachbildung des Wachtturms Nr. 1 des Limes.

Zur kulturellen Orientierung

Die kulturelle Ausrichtung des Ahrtales verlief fast ausschließlich von Süden nach Norden, also mit der Fließrichtung des Rheines. Die West-Ostausrichtung der Ahr hat daneben auch Auswirkungen gehabt, allerdings längst nicht so gravierend. Die Tallage der Mittelahr erschwerte diesen Zug bis vor 150 Jahren, als 1834 der Tunnel bei Altenahr durchbrochen wurde und erstmals eine durchgehende Straße von Remagen nach Adenau gebaut werden konnte.

Eine Zwischenstation auf dem kulturellen Wege des Ahrgaues nach Norden war Bonn, castra Verona wie es auch genannt wird, in dem später das Dekanat des Ahrgaues seinen Sitz hat, später die kurkölnische Verwaltung, jetzt die Bundeshauptstadt. So war die Ahr, wenn auch abseits liegend, an die Welt im geographisch-verkehrsmäßigen Sinne sehr gut angeknüpft. Rigomagus, römerzeitliches Hilfs-kastell, Sentiacum (Sinzig), Sigillatafabriken mit gesamteuropäischer Handelsbeziehung, vor allem nach Südfrankreich, sind die Wächter des Tales am großen Strom. Auch Breisig geht wohl auf die Römer zurück, obgleichder Name Brisiacum nicht in dieser Zeit belegt ist. Ahrweiler, wenn auch Jahrhunderte später erstmals schriftlich bezeugt, geht sicher in seinen Anfängen auf eine römische Villa, also einen großen Gutshof zurück. In den genannten Rheinorten frühe Spuren des Christentums, die ältesten in Remagen, wo sich die Pfarrkirche in einer Ecke des ehemaligen römischen Kastells erhebt.

Ahrlandschaft bei Altenahr 1839 Lith.: N. Ponsart

Kirchen und Kirchenbesitz

762, also unter den Karolingern, erste Nennung von Kesseling als Besitz der Abtei Prüm, die manche Besitzung im Ahrgebiet hat. Sinzig und Remagen unter den Merowingern bereits Königsgüter, davon Sinzig lange Jahrhunderte Königspfalz, weil ab dort der Wasserweg von Süden nach Aachen zur Krönungspfalz auf dem Lande, am Rande des jetzigen Kreises, über die Grafschaft fortgesetzt wurde. 1156 Weihe von Maria Laach, ein Baudenkmal allerhöchsten Ranges, geschlossener und nie veränderter romanischer Bau, ganz sicherlich auch mit Ausstrahlungen in den heutigen Kreis Ahrweiler hinein. Wer die Romanik auf deutschem Boden studieren will, findet wenig bessere Beispiele als Maria Laach: der Eingang durch das Paradies mit Löwenbrunnen, großer, klar gegliederter Kirchenraum mit neuerer Inneneinrichtung. Der wilhelminische Altar — Stiftung des deutschen Kaisers Wilhelm II. — heute in der Rosenkranzkirche von Bad Neuenahr.

Weitere frühe Besonderheiten

Die St. Peterskirche zu Sinzig, etwa um 1225 errichtet, Einflüsse von Köln, Neuss und auch Münstermaifeld, romanischer Gesamteindruck mit gotischen Elementen, wie dem mächtigen Vierungsturm, den wir ähnlich in Heimersheim und auch in Ahrweiler finden. Chor der älteren Kirche zu Remagen 1246 geweiht, zwei Jahre bevor Köln mit dem Bau des Domes beginnt, und zwar unter dem Erzbischof Konrad von Hochstaden, einem Geschlecht, das von der Burg Are an der Mittelahr kam.

Pfarrkirche Oberbreisig Foto: Kreisbildstelle

 Von den Are-Grafen wird Kloster Steinfeld gegründet, ein Herr von Saffenburg, Mayschoß, legt den Grundstein der mächtigen romanischen Klosterkirche zu Klosterrath, heute Rolduc genannt, in der Nähe von Herzogenrath bei Aachen. Von dort wird dann im Ahrgebiet das Kloster Marienthal 1137 gegründet, ein Beispiel für eine Tochtergründung in unserem Raum. Ein Denkmal eigener Wirkung aus der romanischen Zeit ist das Pfarrhoftor zu Remagen, eine Kirche besonderer Prägung aus dieser Zeit ist die zu Oberbreisig, .das dem großen Frauenstift Essen, zugehörte. Ein Verlust für die Kunst ist der wohl nicht mehr aufzuhaltende Verfall des ehemaligen Benediktinerklosters Buchholz bei Zissen, ein Priorat der Abtei Mönchengladbach mit bedeutender Bauzier. Frühe Kirchen auch in Altenahr und Adenau.

Erste Schritte in Richtung der Gotik machen, wie gesagt, die Kirchen zu Sinzig, Heimersheim, mit den wohl ältesten Kirchenfenstern des Ahrtals, und Ahrweiler. Letztere gilt als besonders frühes Beispel einer Hallenkirche auf der linken Rheinseite, vergleichbar Mayen und St. Wendel. Die Gewölbe der Seitenschiffe sind gleichhoch dem des Hauptschiffes, wenn man auch, wie in Sinzig, links und rechts Emporen eingezogen hat. Uns ist die Kirche in Ahrweiler unter anderem wertvoll wegen der Erhaltung des Außenanstriches — der jetzige ist die Erneuerung des Überlieferten — und wegen Erhaltung der Wandgemälde im Innern, überhaupt wegen der reichen Ausstattung. 1246 kam Ahrweiler zu Kurköln und wurde eine von dessen Hauptstädten, gemeinsam mit Neuss, Bonn und Andernach.

Burgen

Die Burgen unserer Heimat haben überraschend früh ihre Stellung verloren. Das beginnt mit der Tomburg, der Burg Neuenahr, die ja eigentlich nur 100Jahre ihre Aufgabe versah, die Are, die früh ihr bewohnendes Geschlecht nach Norden abgab — kurz, sie haben mit wenigen Ausnahmen nie eine kulturell wichtigere Rolle gespielt, wozu ja anderwärts Burgen bestimmt waren. Das hängt damit zusammen, daß für die hier*ansässigen Geschlechter die ernährende und mittelgebende Basis zu klein wurde. Eine Stadt wie Ahrweiler kam früh zu Kurköln, Sinzig und Umkreis fielen an Jülich. Für die Quadt von Landskron, die von der Mark, später Aremberg, und andere Geschlechter war keine Möglichkeit gegeben, Expansionspolitik zu treiben. Von Süden drückte Trier, von Norden Köln und Jülich. Man hilft sich mit Versippungen und Verschwägerungen, um eine gewisse Grundbesitzfläche zu erhalten. Aber da es weder Erz noch Silber noch Salz an der Ahr gibt, nicht einmal genügend Holz und Stein, bleibt die Ahr das, was sie diesermaßen bis auf den heutigen Tag geblieben ist: Menschenreserve, Weingut der umliegenden größeren und mächtigeren, der Klöster und Stifte, der Städte und Dynastien.

Remagen, romanisches Pfarrhoftor
Foto: Kreisbildstelle

Eine kulturelle Blüte war Blankenheim beschert, wo die Grafen von Manderscheid-Blankenheim saßen, die ersten Sammler römischen Gutes in unserer näheren Heimat. In der Burg gab es sogar ein kleines Theater und einen Tiergarten. Von der reichen Inneneinrichtung und dem Archiv befindet sich manches in Prag, wohin es vor den Franzosen 1792 gebracht wurde.

Burgruine Olbrück Foto: Kreisbildstelle

Dörfer und Klöster

Interessant sind die sogenannten befestigten Dörfer wie Heimersheim, Bodendorf, Westum, Gelsdorf, Altenahr, deren es in Deutschland nicht viele gibt. Wichtig werden auch die Klöster in vielen Orten des Kreises. Das bekannteste wird das Kloster Kalvarienberg in Ahrweiler, das Kloster Nonnenwerth nicht minder. In Adenau eine Johanniterkommende, in Remagen der Apollinarisberg, in Sinzig ein Kapuzinerkloster.

Einzelne Kunstwerke

Aus der gotischen Zeit sind einige Kunstwerke hohen Wertes bei uns erhalten geblieben. An erster Stelle ist der Altar in Kirchsahr zu nennen, ein Werk der Kölner Malerschule, etwa um 1410. Entstanden also in einer Zeit, da in Köln ein Maler Stephan Lochner wirkte, so daß immer wieder die Ansicht geäußert wird, er habe an dem Altar gemalt. Der Altar kommt nach Münstereifel in die Stiftskirche und von dort aufgrund einer Schenkung nach dem kleinen Kirchsahr. Die Darstellungen aus dem Leben Christi auf den Innenseiten der Altarflügel zählen zu dem bedeutendsten, was Deutschland zu bieten hat. Im Mittelpunkt der 18 kleineren Szenen steht die Kreuzigung, die eine Entsprechung hat in dem Wildunger Altar des Konrad von Soest. Das dreiteilige Tafelbild des Hochaltars in Sinzig stammt von 1480, enthält in der Mitte die Kreuzigung, links die Himmelfahrt und rechts den Tod Mariens. Das ehemalige Altarbild von Gimmigen, die Muttergottes, umgeben von meh-rren Heiligen, von Kennern hochgerühmt, kam in Privatbesitz.

Kloster Marienthal, barockes Äbtissinnenhaus Foto: Kreisbildstelle

Ein anderes Werk eigenartiger Schönheit ist das schwarze Marmor-Hochgrab der Katharina von der Marck, Gräfin zu Saffenburg, das 1646 in der Pfarrkirche von Mayschoß von dem trauernden Gemahl der Verstorbenen errichtet wurde. Es hat wegen der außerordentlichen bildhauerischen Qualität schon immer das Interesse der Kunsthistoriker gefunden und wegen der bürgerlichen Herkunft der Verstorbenen das Interesse der Genealogen. Auf der Tumba liegt die lebensgroße Statue der Gräfin, mit sehr schönen Gesichtszügen, das Haupt auf einem marmornen Kissen, die Hände vor dem Leib gekreuzt, gekleidet in der Tracht der Zeit.

Barock im Ahrtal

Der Barock hat im Ahrtal nur an wenigen Stellen charakteristische Spuren hinterlassen, so etwa das ehemalige Zeughaus der Stadt Ahrweiler (Markt-), das Weinhaus St. Peter, das Äbtissinnenhaus zu Marienthal, große Pfarrhäuser und Höfe wie der z Bodendorf. Dazu kommen die vielen kleineren Kirchen mit ihrem barocken Inventar. Es hatte eben lange gedauert, bis die Wunden des Dreißigjährigen Krieges, der Kriege Ludwigs XIV. und des Spanischen Erbfolgekrieges in unserer Heimat geheilt waren. Eine schöne geschlossene Inneneinrichtung bietet die malerisch gelegene Kapelle von Pützfeld, eine Stiftung der Familie von Friemersdorf. Aber das Ahrtal gewährt schon von der Enge des Tales her barocken Anlagen nicht den nötigen Spielraum.

Die neue Zeit

Ja, und dann kam das Jahr 1815, mit ihm die Einverleibung unseres heimatlichen Raumes durch Preußen, das 1818 mit der Gründung der Universität Bonn eine neue Zeit für die Ahr beginnen ließ. Ich wage zu behaupten, daß die Ahr alles, was sie heute in unseren Augen auszeichnet, durch die ständigen Einflüsse der Universität und ihrer Forschungen behielt und zum Teil immer noch ansehnlich darbietet, Geographen, Geologen, Mineralogen, Germanisten, Kunsthistoriker und nicht zuletzt malende Künstler, haben unser Ahrbild geprägt und vorgeformt.

Neuromanik und -gotik

1839—1843 entsteht die Apollinariskirche in Remagen, das Hauptwerk der neuen rheinischen Gotik, entworfen von Zwirner, ausgeschmückt durch Gemälde der Nazarener: Brüder Müller aus Ahrweiler, Deger und Ittenbach. 1857 1<~am das Haupt des hl. Apollinaris endgültig in die jetzige Wallfahrtskirche über dem Rhein, deren Bedeutung im gesamten Rheinland sehr groß gewesen ist.

Die Rheineck, im Besitz der Familie von Bethmann-Holweg, erhielt durch J. C. von Lassaulx ihren heute noch endgültigen neuromanischen Ausbau. In der Burgkapelle malte Eduard von Steinle, ein bekannter Nazarener.

Im nahe gelegenen Sinzig baute der Dombaumeister Vinzenz Statz 1858 an der Stelle des ehemals jülichen Schlosses einen neugotischen Landsitz für die Famile Bunge aus Köln. Der Vorgängerbau war von dem großen Renaissancebaumeister Johann Pasqualini gestaltet worden. Heute ist in dem neugotischen Haus, dessen Inneres noch original erhalten ist, ein kleines Museum untergebracht.

So stehen denn diese drei Bauten als Künder einer neuen Ära und eines neuen Stils gleichsam als Wächter am Eingang des Ahrtales, das aus der Nähe zu der von den Hohenzollern favorisierten Universität Bonn, wie gesagt, viel gewann. Mai sollte nämlich nicht vergessen, daß Bonn für die großenteils aus dem Norddeutschen stammenden Professoren zu einem erhebenden Erlebnis wurde. Erinnert sei hier an das eindrucksvolle Buch von E. Moritz Arndt „Wanderungen in und um Bad Godesberg“. Die Professoren und Studenten kamen fast alle aus der Tiefebene und hatten im Siebengebirge und hier im Tale die ständige Begegnung mit den Bergen. Das Bergamt kam nach Bonn.

Das Tal und die Landschaft

All das wurde aber übertroffen durch die Begegnung der bildenden Kunst mit dem Ahrtal. Von Düsseldorf aus, wo die neue Akademie ihren Sitz hatte, kamen dei Maler mit dem Dampfer und bald danach mit der Eisenbahn nach Bonn, um von hier den Landweg an die Ahr anzutreten. Da fallen Namen wie Lessing, Schirmer, Scheuren, Heunert und viele andere, die sich gar nicht alle behalten lassen. Die bizarren Felsformationen der Mittelahr, das enge Tal mit den kleinen Dörfern, spitzen Kirchtürmen und Fachwerkhäusern zogen ebenso an wie der rote Wein, den man hier zu einem Spottpreis haben konnte. Hier trafen die Besucher noch auf eine Frömmigkeit in der Bevölkerung, die ihnen aus den Orten, aus denen sie kamen, meist ungewohnt war.

Das ergab denn ein Bild der Ahr, das wohl Züge der Idylle und der stehengebliebenen Zeit zeigte, aber auch Züge der Armut und Ärmlichkeit nicht verbergen konnte.

Gottfried Kinkel, Bonner Revolutionär von 1848, evangelischer Theologe und Dichter, hat in den vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts all diese Züge in seinem bekannten Werk über die Ahr festgehalten, die schönen wie die weniger schönen. Dieses Buch gilt heute noch als die Bibel des Ahrtales, denn immer noch gehen die Besucher aus aller Welt auf den Kinkelschen Pfaden.

Das Bad in Neuenahr

Dabei erleben wir ein merkwürdiges Phänomen. Von Remagen taleinwärts hier und da noch zu sehen die Einwirkungen der preußischen Bauordung. In den Kirchen die neue Gotik, wie sie der Apollinarisberg begonnen hatte, in den weltlichen Bauten den Klassizismus mit den Gebäuden im Stile eines römischen Landhauses. Ein sehr schönes Beispiel dieser Art das Bild der Gesamtanlage des Apollinaris-Brunnens.

So müssen wir uns auch die älteren Brunnenanlagen von Bad Neuenahr vorstellen, die Trinkhallen, das Kurhaus. Selbst die einschlägigen Pensionen und Hotels der ersten Ausbaustufe des Badeortes zeigten diesen Charakter. Als Beispiel diene das neben dem Maschinenhaus der Kurverwaltung stehende Haus an der Beethovenstraße/Ecke Mittelstraße. Um diese Bauten herum diejenigen Anlagen, die der preußische Generaldirektor für alle Gärten, Peter Joseph Lenne, geschaffen hatte. Auch das war ja eine Auswirkung der Universität und ihrer Gelehrten. Und es war eine Auswirkung, die bis heute fortwirkt und dafür gesorgt hat, daß dieses Ahrtal das Tal der Bäder wurde. Das planmäßige Erbohren der Quellen durch Kreuzberg und andere, der Zusammenschluß der drei Winzerdörfer, der Aufstieg zum Weltbad unter der preußischen Krone. Das war Neuenahr, das heute jedoch bauliche Dimensionen bekommen hat, die absolut nicht zu den Konturen und topographischen Gegebenheiten des Ahrtals passen.

Das romantische Ahrweiler

Und gleich dahinter Ahrweiler, bis zu dem dieser eben genannte preußische Einfluß nicht gedrungen ist. Das ist die zweite Seite des Phänomens. Ab Ahrweiler beginnt das Mittelalter, bereichert um einige Züge der barocken Fürstenherrlichkeit. Nach meiner Meinung sind es solche Züge, die heute wie ehedem das Publikum anziehen. Wir haben eine Zeitlang geglaubt, suggeriert von ganz bestimmten politischen wie künstlerischen Kreisen, nur das absolut Neue sei noch akzeptabel. Nun, wir haben im Kreis Ahrweiler das absolut Neue nicht, wenn man nacht den ungeheuren und auch ungeheuerlichen Landschaftsverbrauch im Raum Heppingen-Heimersheim als das absolute Neue ansehen will. Auf die Dauer, das ist interessant, wird vom nahen Bonn ein Einfluß ausgehen, dem sich dieser Kreis nicht entziehen kann. So wie Bonn weiter an sich arbeitet, Bundeshauptstadt im echtesten Sinne zu werden, so wird nolens volens sein Einfluß in kultureller Hinsicht zunehmen. Aber das Paradoxe ist, daß die Bundeshauptstädter an der Ahr das suchen, was in Bonn verloren geht.