Kriegerische Ereignisse des 17. Jahrhunderts im Adenauer RaumKarlheinz Korden
In früheren Jahrhunderten, Adenau war bereits zu einem für damalige Verhältnisse beachtlichen Flecken herangewachsen, verlieh die stattliche und wehrhafte Nürburg und ihre ritterlichen Bewohner dem Städtchen einen gewissen Schutz, brachte andererseits aber mit sich, daß der Ort gerade in Kriegszeiten in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Im Jahre 1467 schickte Pfalzgraf Friedrich unter der Führung Martin Ruyfscheerers Söldnerscharen in die vielgeplagte Eifel und in jenem Kriege, der erbittert mit Raub und Brand geführt wurde, fiel die Nürburg in Feindeshand. Aus der Kölner Chronik ist zu entnehmen, daß die Umgebung der Nürburg durch die Streifzüge der zügellosen Horden sehr zu leiden hatte. Man vermag es sich recht gut vorzustellen, wie diese fremden Kriegsvölker sengend und plündernd auch hier wüteten. Verzweifelt versuchten die Bürger ihre bescheidene Habe, ihren kümmerlichen Viehbestand in Sicherheit zu bringen und mußten doch ohnmächtig und wehrlos zusehen, wie Reiter und Fußvolk plündernd durch die Gassen zogen, mitnahmen, was mitnehmenswert war, und Trümmer und Brand zurückließen.
Der 30jährige Krieg
Nur kurz waren die Zeiten, in denen unsere geplagten Landsleute, die ohnedies hart um ihr kümmerliches Dasein kämpfen mußten, von Kriegsgetümmel verschont blieben. Noch zeigten Balken und Mauerwerk Spuren von Feuer und Verwüstung, als der 30jährige Krieg Europa aus den Angeln zu heben schien. Bis zum Frühjahr 1632 verschonten die verschiedensten Truppen die Hocheifel. und das Ahrtal, aber dann brach auch hier das Verhängnis herein. Die gläubigen Eifeler flehten zum Himmel, aber das Rad der Geschichte war nicht aufzuhalten. Schreckensbotschaften verbreiteten sich wie ein Lauffeuer, liefen den grausamen Truppen des schwedischen Generals Baudissin voraus.
Am 11. 12. 1632 war Ahrweiler das erste Opfer. Um die Neutralität zu erwerben, zahlte die Stadt zunächst 400 Reichsthaler. Nun forderten die Schweden weitere 600 Reichsthaler, andernfalls würden die Glocken der Stadt eingeschmolzen. Auch diese Forderung erfüllte die Bürgerschaft notgedrungen. Hierauf drangen die Truppen, entgegen ihren Versprechungen in die Stadt ein und plünderten sie. Als die Schweden weitergezogen waren, rückten kurkölnische Truppen aus Bonn her über die Grafschaft heran. Ob sie die Stadt Ahrweiler der erhandelten Neutralität wegen strafen oder den Feinden in der Kriegskunst nicht nachstehen wollten, ist nicht überliefert. Die Ratsprotokolle aus jener Zeit erwähnen, daß die eigenen Landsleute in gleicher Weise wie die Schweden geplündert und dann Reißaus genommen hätten.
Dem Siegeszug der Schweden fielen auch die Eifellande zum Opfer und Kontributionen ließen das Land ausbluten, denn die besetzten Gebiete, die selber kaum genug zum Beißen hatten, mußten die fremden Besetzer, Roß und Reiter, mit unterhalten. Das Waffengeklirr endete auch nach diesen Eroberungen noch nicht. Die Infantin Clara Isabella sandte unter dem Befehl des Grafen von Isenburg-Grenzau Spanier an den Rhein, denen zunächst Sinzig und Remagen die Tore öffneten. Graf Baudissin zog sich mit seinen Regimentern das Ahrtal hinaus und in die Eifelberge zurück. Flüchtende brachten auch die Schreckenskunde in das Adenauer Tal und bald darauf erschienen sie, verwilderte Reiter und Landsknechte zu Fuß, schwitzend und fluchend, in pludrigen Landsknechtshosen, weitgeschweiften Rök-ken und Federhüten. Um die Schultern sind die Bandeliere geschlungen; am Gürtel hängen Pulverflaschen und Kugelbeutel, Raufdegen und Dolche. An hochschäftigen. Stulpenstiefeln rasseln große Sporen. Im Heerzug knarren schwere Wagen, beladen mit Pulverfässern und Beutegut, Kanonen und Schwadronen von Reitern wirbeln gewaltige Staubwolken auf, die den Schreckensweg des Heerwurms ankündigen. Türen und
Tore werden geschlossen, man versucht seine Habe zu retten und weiß doch, daß man vergeblich auf Hilfe hofft. Unter den Hufen flattert aufgeschrecktes Federvieh, fremde Laute und für Eifeler unverständliche Kommandos bestimmen das Geschehen. Die zügellosen Truppen dringen in die Häuser und Höfe ein, nehmen, was ihnen mitnehmenswert erscheint und ihren blitzenden Degen gegenüber erstarrt man im Entsetzen, denkt niemand an Gegenwehr, die verhängnisvoll enden würde. Händeringend und in ohnmächtigem Zorn mußten die Bürger mit ansehen, wie man ihnen das Vieh davontrieb.
Graf Baudissin belagerte die Nürburg, zwang sie zur Übergabe und ließ eine schwedische Besatzung zurück. Auf dem Fuß folgte ihm im Januar 1633 Graf Ernst, der einen Teil der Gronsfeidischen Armada, sowie Neuburgische und Cölnische geworbene Truppen um sich geschart hatte. Nun lernten wieder die Schweden das Laufen, aber an ein Aufatmen war für die geplagte Bevölkerung nicht zu‘ denken.
Typisch für die Einstellung der Landsknechte war deren altes Kriegslied, das sie trunken und im Kriegsgetümmel sangen:
„Ein Soldat soll nicht trauren
und weinen, überall
hat es doch reiche Bauren
in seines Feindes Saal.
Die Bauren han gebraten
Gänß, Hühner, feiste Schwein,
der Wein ist ihn‘ geraten,
so laßt uns lustig sein.“
Man mag es nicht untersuchen, welche Sprachen diese Truppen redeten, die im dreißigjährigen Krieg unser Vaterland und auch die abgelegene Eifel heimsuchten, wer in diesem Vernichtungskrieg, in diesem Barbarismus die erste Geige spielte. Wenn die Geschichte von Greueltaten der Hunnen und Normannen berichtet, so können diese nicht schlimmer gewesen sein, wie sie der Chronist als „Schwedengreuel“ bezeichnete. Einzelheiten, wie alte Schriften sie in allen deutschen Landen verzeichneten, fehlen über die Eifel, weil die Eifel für die großen Geschichtsschreiber zu unbedeutend war, warum aber sollten jene verrohten Kriegsknechte ausgerechnet unser Bergland von ihren Gepflogenheiten verschönt haben?
Die Situation der Bevölkerung überliefert ein Gesuch der Einwohner des Amtes Nürburg aus jener Zeit: „Wir arme bedrängte Untertanen sind dergestalt erschöpft und ausgemergelt, daß wir zur Unterhaltung unser selbst, von Weib und Kind, keine Lebensmittel zu erzwingen wissen, auch die Frucht dieses Jahr mißraten, daß der 20. Untersasse nit ein Körnlein Roggen bekomme, sondern sich mit Hafer- und Buchweizenbrot säuerlich erhalten und das Leben tragen muß“.
Um die Drangsale abzurunden, tötete die grausame Pest um 1633—38 ganze Ortschaften und aus diesen schwarzen Zeiten berichtet die Chronik, daß auf der Breiten Heide bei Adenau, der letzte Bewohner eines von der Pest ausgelöschten Dorfes tot zusammenbrach.
Anno 1634 vertrieben spanische und kölnische Truppen die schwedische Besatzung von der Nürburg. In diesen Jahren hat Adenau durch die durchziehenden Truppen sehr gelitten, die immer wieder Kontributionen verlangten, plünderten und viele Häuser niederbrannten. In den Gärten um die Wim-bachstraße und hinter der Hauptstraße in diesem Bereich müssen im dreißigjährigen Krieg noch ganze Häuserkomplexe gestanden haben, da man in der Vergangenheit dort häufig Mauerreste und Münzen aus dem 16. und 17. Jahrhundert fand. Gleichfalls fand man noch in jüngerer Zeit vielfach Brandspuren an Gemäuern, die auf jene Zeit oder auf die nachfolgenden Kriegszüge Ludwigs XIV zurückzuführen sind.
Die Nürburger Rentmeistereirechnungen berichten: „Ein schwedischer Rittmeister mit seiner Kompagnie verlangte vom 20. 3, 1649 bis 9. 1. 1650 im Kirchspiel Adenau an Trac-tament 2604 Gulden, an Hafer 1720 und Heu 267 Gulden. (Dies in einer Zeit, in der ein Meister, z. B. ein Dachdecker, einen Gulden Tagesverdienst bezog.) In Reifferscheid verzehrte das Militär vom 20. 3. 1649 bis 4. 4. 1649 über 150 Pfd. Kommisbrot, 150 Maß Bier usw., vom 4. 4. 1649 bis 9. 1. 1650 mußten in drei Orten dieses Kirchspiels für die Verproviantierung der Truppen 1600 Pfd.
Brot, 1260 Pfd. Fleisch und 1600 Maß Bier aufgebracht werden, in Summa 1089 Gulden“. Weitere Nachweise auch für die Vogtei Barweiler, das Schultheissenamt Orsfeld und Schuld bringt diese Rechnung. Das ganze Amt Nürburg leistete in der genannten Zeit an Kontributionen 14480 Gulden.
Das Land lag darnieder. Die Äcker, auch ohne die Drangsale mehr als karg, wurde durch die Kriegswirren nicht bestellt. Die übers Land ziehenden Werber, auf prächtig aufgeputzten Pferden, in bunten, farbenfrohen Gewändern gekleidet, hatten oft leichtes Spiel. Klingendes Handgeld und reiche Beute versprach man den verzweifelten Bauern und viele jüngere Leute widerstanden diesen Verlockungen nicht, zogen den bunten Rock an und folgten den Truppen, um der heimatlichen Armut zu entrinnen. Viele verbluteten auf fremden Schlachtfeldern, fern der Eifelheimat und für kriegerische Züge fremder Heerführer und Fürsten, für Schachzüge der Kriegsführenden, die sie nicht verstanden.
Selbst als die Schweden endgültig vertrieben schienen, war die ganze Gegend noch äußerst unsicher. Immer noch trieben sich wilde Horden herum, Marodeure und Deserteure, so daß sich niemand alleine über Land wagen konnte. Ein steinernes, mahnendes Mal an diese unglücklichen Zeiten unserer Eifelheimat stellt das Schwedenkreuz dar, weiches die Jahreszahl 1638 enthält. Die Inschrift lautet: ZO MARTY IST ALHE HANS FREDERICH DATENBERG HOLTES ZU ESBERGH UND KELLNER ZU ADENAW VERPLEPEN. Der Volksmund erzählt vom Schwedenkreuz, daß hier der damalige Kur-Kölnische Amtskellner von umherstreifenden Schwedenhorden ermordet wurde.
Ein segensreicher Lichtblick für die Bevölkerung war der Bau des Klosters ölberg In Adenau, dessen Grundstein am 10. 5. 1643 gelegt worden war. Zu diesem Zeitpunkt leisteten zahlreiche Adenauer Bürger Frondienste beim Bonner Festungsbau. Durch die Fürsprache des Kurfürsten Ferdinand konnten die Adenauer für den Bau des Klosters, wo sich heute der Friedhof ausdehnt, freigestellt werden. Adenau war zu jenem Zeitpunkt ein Städtchen mit etwa 225 Häusern und ca. 1200 Einwohnern.
Bittere Armut herrschte in den Jahren 1643 und 1644, da beständig lothringische Truppen unser Tal durchzogen, plünderten und raubten, wie es vorher die Schweden getan hatten. Vorläufige, leider allzu kurze Ruhe trat erst mit dem westfälischen Frieden im Jahre 1648 ein.
Die Zeit Ludwig XIV
Noch war die Erinnerung an die Schreckenszeit der Schweden im Herzen der Hocheifel lebendig, als im sogenannten zweiten Eroberungskrieg Ludwigs XIV der Durchzug der Franzosen am 4. 10. 1672 begann. An diesem Tage erschienen die ersten Truppen des Sonnenkönigs, der für die Eifel nur dunkle Schatten brachte, Nürburg und auch Adenau wurden wieder Standort für große Truppenteile. Im November des gleichen Jahres erschienen Holländer von Maastricht aus und brannten die Ortschaft Hoffeld vollständig nieder. Der bekannte französische Marschall Turenne bezog mit seinen Truppen in Adenau Quartier. In alten Unterlagen hierüber wird der Ort seines Winterquartiers „Aldenau an der Ahr“ genannt, woraus man zunächst auf Altenahr schloß. In alten Karten jener Zeit findet man jedoch die Schreibweise „Aldenau“ für Adenau und die größere Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß der Herzog de Turenne in Adenau residierte.
In diesen Zeiträumen hatte die Bevölkerung besonders unter der Willkür der Besatzer zu leiden. Plünderungen waren an der Tagesordnung, das Vieh wurde davongetrieben und Höfe gingen in Flammen auf. Als die Franzosen endlich abzogen, ließen sie eine böse Seuche zurück, der alleine in der Pfarrei Adenau von Januar bis März 1674 etwa 300 Menschen zum Opfer fielen. Anno 1674 hausten die Kaiserlichen und Lothringer hier, wie der Chronist schreibt, schlimmer als in Feindesland. Das geknechtete Volk und insbesondere die Landbevölkerung brachte in ihrer Verzweiflung ihre Habe auf der Nürburg in Sicherheit, wähnten dort ihr Getreide, die Hausgeräte und Vorräte geborgen. Am 3. 11. 1674 besetzten die Kaiserlichen die Nürburg, nahmen alles weg,
und was übrig blieb, vernichteten sie. Nach ihnen kamen zwei lothringische Regimenter unter den Obersten Dalmont und de Hui. Was von den Österreichern übrig gelassen war, richteten ihre Nachfolger endgültig zu Grunde. Sie warfen selbst die Glocken von den Türmen, um das Metall einzuschmelzen. Das Vieh wurde geschlachtet, die allerletzten Pferde mitgenommen. Sie richteten Schäden an, von denen sich das Amt auf Jahre nicht wieder erholte. Auch das Kloster Olberg in Adenau blieb von diesen Horden nicht verschont. Auch hier hatte die Bevölkerung Adenaus ihre Habe in Sicherheit gebracht und Oberst Dalmont sandte im März Offiziere in das Kloster, um die Habe zu beschlagnahmen. In der Nacht zum 19. März stiegen die Lothringer mit Leitern in den Klostergarten, erbrachen die Gebäude, raubten und stahlen, was nur zu finden war. Erst am 2. April zogen die Regimenter wieder ab. Im Jahre 1688 wüteten die Franzosen wieder schrecklich im Ahrtal und brannten am 1. Mai 1689 Ahrweiler zum größten Teil nieder. Sie durchzogen wiederum unser Tal, verwüsteten und verbrannten viele Ortschaften und belagerten schließlich mehrere Monate die Nürburg. Durch Verrat gelang es den Truppen, die stolze Eifelburg zu nehmen und diesmal nachhaltig zu zerstören.
Im Oktober 1689 vertrieben dann Truppen unter dem Befehl des Kurfürsten von Brandenburg die feindliche Besatzung, die immer wieder von Mont-Royal (bei Traben-Trarbach) aus, die hiesige Gegend heimgesucht hatte. Doch die eigenen Landsleute brachten nicht den ersehnten Frieden, denn auch diese Truppen verlangten ihrerseits Kontributionen, Quartiere sowie Verpflegung für Soldaten und Futter für die Pferde.
Der spanische Erbfolgekrieg ließ das Land weiter nicht zur Ruhe kommen. Im Winter 1703/04 zogen Truppenkontingente der englischen Heerführer Marlborough und Tayilard durch das Adenauer Tal.
Die Ruhe kehrte erst mit dem Frieden von Rastatt 1715 ein. Man konnte sich kaum noch vorstellen, ungestört den Acker zu besteilen. Einige Jahrzehnte war nun dem geplagten Land Ruhe gegönnt, Ruhe, die man so nötig zum Aufbau brauchte.