Kirche WangEin Juwel im Riesengebirge
VON HEINRICH O. Olbrich
Östliche Landkarten bezeichnen heute das deutsche Riesengebirge als „polnischen Nationalpark“. Es liegt in unmittelbarer Nähe von Warmbrunn und Agnetendorf, der Heimat des Dichters Gerhart Hauptmann.
Die lieblichen weiten Höhen und Täler des machtvollen schlesischeii Gebirgswallcs waren seit jeher ein begehrtes und viel besuchtes deutsches Feriengebiet. Das eigentliche Riesengebirge, das durch die Bergflüsse Bober und Zacken begrenzt wird, erhebt sich über 1600 Meter.
Hoch über dem bekannten Luftkurort Brückenberg steht das berühmte Kirchlein Wang, eine Sehenswürdigkeit der einstigen schlesischen Heimat. Auf tannenumrauschter Höhe, mit dem Blick ins malerische Schlesiertal, war es viele Jahrzehnte hindurch das „Schlesische Hochzeitskirchlein“, denn es ist von anmutiger Romantik erfüllt und hat auch eine recht merkwürdige Geschichte. Es verlohnt sich, diese zu hören:
Der Chronist berichtet, daß die kleine Gemeinde Wang etwa um 1200 im südnorwegischen Valdrestal ein Holzkirchlein errichtet hat, ganz in der Art, wie es damals im hohen Norden üblich war. Sein überreiches Schnitzwerk kündet von altnordischer Kunst, und die vielen Tierornamente und Fichtenmuster weisen auf die Wikingerzeiten mit ihren zahlreichen Götter- und Heldengestalten hin. Das ganze Kirchlein war mit Holzschindeln bedeckt, und die Säulen und verlängerten Giebelbalken sowie die schweren Türen sind mit einer einmaligen reichen Ornamentik verziert, in der sich christliche und heidnische Motive harmonisch vereinigen. Wie aus dem Schnitzwerk und den Runenschriftzeichen erkennbar ist, war das Kirchlein St. Olaf geweiht.
Bei der Betrachtung dieses in sich lieblich geschlossenen Kunstwerkes bestaunt der Beschauer, lange verweilend, das sorgsam gefugte, mächtige Gebälk, ebenso die wuchtigen Beschläge und großen Schlösser; sie alle sind Zeugen nordischer Kunst und wohlgeordneter Schönheit, die zur Besinnung und stiller Andacht einladen.
Wie kommt aber dieses nordische Kleinod nach Schlesien?
Über 600 Jahre lang hat das soeben beschriebene Kirchlein den gottesdienstlichen Aufgaben seiner Gemeinde Wang gedient, bis es 1840 als zu klein befunden wurde und verkauft werden sollte. Mit dem Erlös wollte man den Grundstock für ein größeres Gotteshaus schaffen. Von diesem Vorhaben erfuhr der bedeutende Maler Kaspar David Friedrich über seinen Freund, den Maler und Altertumsforscher Christian Dahl.
Die Kunde von dem geplanten Kirchenverkauf wurde durch den Maler Friedrich an den kunstliebenden Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. gebracht. Da für den Ankauf nur 80 Speziestaler erforderlich waren, erwarb der König dieses Kunstwerk in der Absicht, es auf der Pfaueninsel bei Potsdam wieder errichten zu lassen. Von den soeben geschilderten Planungen erhielt die Gräfin Reden, die Witwe des verdienten Bergbauministers Reden, Kenntnis. Ihr fürsorgliches Herz war besonders mit der Notlage der armen Bergbewohner verbunden; sie wurde damals „Engel des Riesengebirges“ genannt. Also dachte sie im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Ankauf der Kirche an die damals notleidende Gemeinde Brückenberg, deren Einwohner bislang ohne Kirche waren und weite Wege Zu den Gottesdiensten zurücklegen mußten. Mit der ganzen Inbrunst ihres Herzens setzte sich die Gräfin beim König für das Bergdorf Brückenberg ein und erflehte schließlich seine Schenkung. Es sollten „in der großartigen Gebirgsnatur der Ruf der Glocke, die Klänge der Orgel, die Lobgesänge der Gemeinde und die Predigt des Wortes Gottes vernommen werden“.
Es erhielt Anfang 1842 der Regierungspräsident von Schlesien, Graf Stolberg-Werningerode, die Mitteilung, daß der König willens sei, besagte Kirche der Gemeinde Brückenberg zu schenken. Gleichzeitig wurde das Ersuchen ausgesprochen, die Angelegenheit bestens zu fördern.
Kirche Wang im Riesengebirge
Unter Leitung des fachkundigen Malers Dahl wurde die Kirche in Wang abgebrochen und sorgfältig verladen auf dem Wasserwege zunächst bis Stettin gebracht. Von hier ab wurde die Ladung auf der Oder bis Steinau überführt. Nun mußte der beschwerliche Landweg beschriften werden, der oberhalb Brückenberg in 900 m Höhe endete. Den Wiederaufbau übernahm der Baumeister Hamann aus Erdmannsdorf. Schadhaft gewordene Teile des Schnitzwerks wurden von dem Holzschnitzer Jakob aus Kupferberg und von der Warmbrunner Holzschnitzschule stilgerecht ersetzt. Gleichzeitig wurde neben dem Kirchlein ein Glockenturm aus Naturstein und ein Pfarrhaus errichtet.
Im Jahre 1844 konnte die Einweihung des schönen Gotteshauses unter Beisein der königlichen Familie und der Gräfin Heden vollzogen werden. Dies war ein Ereignis, das im ganzen Riesengebirge starke wohltuende Wirkung hinterließ. Genau 100 Jahre bildete dieses Stabkirchlein einen beliebten Mittelpunkt, solange, bis auch die Brückenberger den schweren Weg aus der Heimat antreten mußten. Als von dem letzten deutschen Pfarrer Ernst Passauer 1944 die Jahrhundertfeier der Kirche begangen wurde, „war der Himmel durch den zweiten Weltkrieg stark verdüstert. Und als nach dem Zusammenbruch Russen und Polen diese sonst so anmutig friedvolle Landschaft des Riesengebirges überfluteten, wurde 1946 auch Pfarrer Passauer das. Opfer polnischer Plünderer. — In polnischen Reiseführern wird heute die Kirche Wang als polnische Sehenswürdigkeit angegeben.