Keine Langeweile hinter Klostermauern
Aus einem Bericht französischer Regierungskommissare über ihren Besuch im Kloster Laach aus dem Jahre 1794
P. Dr. Emmanuel v. Severus
Vorbemerkung:
Im Nachlaß des im Lande um das Kloster Laach als »Steinpater« bekannten P. Dr. Michael Hopmann, eines Petrologen von großem Ruf, fanden sich einige Blätter eines Berichts, den französische Regierungskommissare über ihre Reise nach Belgien, Holland und Italien zur Registrierung von Kunst- und Wissenschaftsobjekten unternahmen. Ihr Weg führte sie Ende 1794 auch nach Laach. Die Leitung der Reisegruppe hatte A. Thouin, der sich besonders für die landwirtschaftliche Nutzung und die Steinindustrie des Gebietes interessierte. Er schrieb über seine Reise ein Tagebuch, das 1841 in Paris im Druck erschien. Unsere Abschnitte geben Teile des 7. Kapitels aus dem 1. Band in deutscher Übersetzung wieder.
Meine Reisegefährten und ich hatten den Wunsch, die Steinbrüche zu besuchen, aus denen man die Mühlsteine, die Tröge und andere Gerätschaften gewinnt, die im Handel als Andernacher Steine bekannt sind. Ein Koblenzer Kaufmann mit Namen M. Faujas de Saint-Fonds, ein Landsmann, erbot sich, uns dorthin zu führen. Wir brachen auf, um uns zunächst zur Abtei Laach zu begeben. Die Landschaft, durch die wir reisten, stieg zwar an, bot jedoch keine abschüssigen Hänge. Das Erdreich ist gut, wenn auch etwas trocken, gelblich gefärbt und zeigt vulkanische Formen. An der Oberfläche vielfach gegliedert, ist es gelegentlich sandig, weist einige Tonschichten auf und die Erdschicht ist auch nicht sehr tief. Von der ersten Ortschaft, die wir berührten und die Weißen-thurm heißt, kamen wir in einen anderen Ort, der Kretz heißt, dessen Häuser aus Vulkangestein erbaut und mit Ziegeln gedeckt sind. Die Bewohner waren alle sauber und warm gekleidet, trugen gutes Schuhwerk und schwarze Filzhüte. Sie sind gut gebaut, hochgewachsen und von ebenmäßiger Gestalt.
Um zu einem dritten Ort namens Plaidt zu gelangen, muß man einige enge Wege passieren. Der Boden trägt jedoch Getreide und Futterpflanzen. Die Wohnhäuser sind von Obstbäumen umgeben, obwohl mir der Boden noch magerer erschien als auf dem bisherigen Reiseweg. Die Bergzüge, die wir in der Ferne liegen sahen, schienen uns höher als die auf dem Wege von Andernach und merklich näher und ausgedehnter, beherrscht von noch höheren, von denen man uns versicherte, sie reihten sich an die des Trierer und Luxemburger Landes. Ihre konische Form läßt den Schluß zu, daß ihre Lage an die Bergkränze bei Godesberg in der Nähe Bonns anschließt, aber ausgedehnter nach Basis und Höhe: die Kegelform ist vollkommen und bildet insgesamt eine Halbkugel. Es besteht kein Zweifel über ihren vulkanischen Ursprung, das Material aus den benachbarten Steinbrüchen beweist dies unwiderleglich. Deren gibt es zwölf mit je zehn bis zwanzig Gruben mit einem einer Tiefe von sechs Klaftern entsprechenden Durchmesser. Sie werden unter freiem Himmel ausgebeutet. Man steigt auf schmalen Serpentinenpfaden hinunter, die zweckmäßig für die Lagerung des Abraums sind, um zu dem harten Gestein vorzustoßen, das allein abgebaut wird.
Schließlich gelangten wir bei einbrechender Dunkelheit an die äußere Klosterpforte, wo uns einige der bedeutenderen Mönche erwarteten. Sie nahmen uns mit großer Herzlichkeit auf. Es gab einen ausreichenden, aber gesunden Imbiß, der uns nach den Anstrengungen des Tages erquickte. Nach dem Abendessen schlug ein Ordensmann das Cembalo, ein anderer spielte die Violine und wieder einer die Baßgeige, mehrere andere sangen. Das kleine, gut dargebotene Konzert enthielt deutsche, italienische und französische Musik und löste eine heitere Stimmung des kleinen Festes aus, das sich bis gegen 11.00 Uhr hinzog. Dann führte man uns auf die für jeden zubereiteten Zimmer, wo seit einigen Stunden kleine Feuerpfannen brannten, die auch nachtsüber unterhalten wurden.
Am folgenden Tag teilte man uns um 9.00 Uhr mit, daß uns im Refektorium ein Frühstück erwarte. Wir begaben uns dorthin und machten uns anschließend in Begleitung zweier Mönche auf den Weg zur Besichtigung des dem Kloster gegenüber liegenden Seeufers. Der See ist ein fast rundes Becken, von hohen Bergen umgeben, die mit Wald bedeckt sind und deren Gipfel den Horizont wie festliche Laubgewinde schmücken. Der Fuß dieser Bergzüge erstreckt sich mehr oder weniger ufernah, läßt aber gelegentlich Platz für kleine Felder, deren Hänge sich hübsch zu den Ufern des Sees senken. An anderen Stellen senken sich die Berge so auf das Wasser, daß beachtliche Steilhänge entstehen. Die Hänge sind anmutig mit Roggen, Gerste und Rüben bebaut, an flachen Stellen gibt es natürliche Weiden, an anderen Stellen wachsen schlichtes Riedgras, Binsen und Pilze, die von geringer Qualität sind. Die hügeligen Teile sind bis zu den Gipfeln mit Wald bestanden, der Mehrzahl nach Buchen mit einigen Eichen, die jedoch keine ansehnliche Vegetation bilden, denn in Höhe von 40 – 50 Fuß treiben sie nur noch schwach und setzen breite Wipfel auf. Das mag für die Wiedergabe des Allgemeineindrucks genügen.
Wir wollten ein Haus, in dem wir mit so herzlicher Gastfreundschaft empfangen worden waren, nicht verlassen, ohne es auch in seinen Details zu besichtigen. Wir gingen zuerst durch die Dormitorien (die Gänge mit den Wohnzellen der Ordensleute), den Kreuzgang, der als Begräbnisstätte der Mönche dient, und dann durch die Kirche. Erbaut um 1100, unterscheidet sich ihre Architektur von der Gotik. Ihr Stil hält die Mitte zwischen den schönsten Zeiten der Romanik und Gotik. Das Innere bietet nicht sehr viele Besonderheiten außer einem sehr kühnen Gewölbe, sehr hoch gezogen und, obwohl aus Lavagestein, im vorliegenden Fall ganz verziert. In einer Nische sieht man das Grab eines Wohltäters des Klosters in einer erstaunlich leichten Pfeileranordnung. Über der Kolossalstatue des Dargestellten beim Haupteingang ist das Modell des Schlosses aufgehängt, das er bewohnte und auf der Höhe des Bergkranzes der Umgebung lag.
Der Chor ist mit einigen Tafelmalereien geschmückt, von denen man uns erzählte, es seien Kopien von Rubens. Der Chor erhebt sich über der Gruft des Gründerabtes, dessen Bild in musivischer Ausführung nicht ohne Würde dargestellt ist. In einer der für die Verwandten des Stifters als Grablege bestimmten Kapelle sieht man die Statuen von Männern und Frauen, deren Überreste dort beigesetzt sind. Tafeln an den Wänden zeigen an, daß.sie dort bestattete Herzen bedeutender Persönlichkeiten bedek-ken. Die Bibliothek ist nicht bedeutend. Sie scheint mir nur Andachtsliteratur und kirchenrechtliche Fachbücher zu enthalten.
Die großflächigen Gartenanlagen sind mit Obstbäumen bepflanzt. Ein Platz war in acht Stücke mit ebenso vielen Pavillons eingeteilt und bestimmten Ordensleuten zugeteilt, die dort Blumen heranzogen.
Das Kloster bewirtschaftet seinen Landbesitz selbst und bietet allen seinen Angestellten Kost und Wohnung frei. Auch besitzt es eine Anzahl schmuck und solide errichteter Gebäude, darunter einen Pferde-, Schaf- und Kuhstall, Scheunen und Keller. All dies macht das Haus zu einem kleinen, von Leben erfüllten Dorf.
Die Mönche von Laach befolgen die Regel des heiligen Benedikt. Es sind angenehme, gastfreundliche und mitfühlende Leute und der Mehrzahl nach von guter Bildung in Kunst und Wissenschaft. Die Mehrzahl übt Musik aus, drei oder vier sprechen französisch und fast alle fließend Latein. Einer von ihnen ist Mitglied der Akademie von Mannheim, der er ausgezeichnete Abhandlungen aus seiner Feder geliefert hat. Da sie sich alle zu beschäftigen wissen, empfinden sie auch hinter Klostermauern keine Langeweile, sind untereinander in bestem Einvernehmen und leben vergnüglich zusammen. Sie haben uns mehr Aufmerksamkeit erwiesen, als wir erwarteten und als wir selbst ihnen an Bedauern zeigten, sie wieder verlassen zu müssen.
Maria Laach (Stahlstich von Verhas/Winkles)