Karl Simrock und seine JLiebe zum Ahrtal
Zum 175. Geburtstag des Dichters und Gelehrten ai 28. August 1977
Walther Ottendorff-Simrock
In der Zeit der Nostalgie treten auch die Dichter des 19. Jahrhunderts aufs neue in den Blickpunkt des Interesses, und nicht nur der Literaturhistoriker beschäftigt sich eingehend mit ihnen, sondern auch der Mensch von heute, ob jung oder alt, befaßt sich intensiver mit ihnen und ihrer Zelt, die man schon abzuschreiben und abzuwerten begonnen hatte.
So wurde auch meinem Urgroßvater Karl Simrock ein Comeback beschert. Anläßlich seines 100. Todestages (18. Juli 1976) erschien eine umfangreiche Biographie des Dichters und Gelehrten aus der Feder von Professor Hugo Moser, dem Inhaber des
germanistischen Lehrstuhls an der Universität Bonn, der 1850 geschaffen und Simrock übertragen worden war. Im Sommer 1977 veranstaltete die Bonner Universitätsbiliothek zusammen mit dem Stadtarchiv und dem Germanistischen Institut der Universität Bonn eine Karl-Simrock-Ausstellung, die ein umfassendes Bild seines Lebens und Schaffens vermittelt.
Schon in seiner Jugend war Simrock dem Ahrtal eng verbunden. Gleich dem jungen Goethe — „was ich nicht erlebt habe, das habe ich mir erwandert“ — durchstreifte Karl Simrock mit offenen Augen und wachem Sinn die Landschaft. Er begegnete den Menschen des Landes an der Ahr und in der Eifel, spürte vergangenen Zeiten nach und sammelte Sagen und Märchen. Den Ahrweiler Heimatforscher Rektor Dr. Peter Joerres machte er auf ein vorchristliches Totenlied aus dem Ahrtal aufmerksam, das dieser später veröffentlichte.
Karl Simrock
Foto: Archiv
Alles, was er gesehen, erlauscht und erfahren hatte, spiegelt sich in Simrocks „Rheinsagen“ (1837) und in der bedeutenden, 1838 in Leipzig erschienenen, heute noch als Standardwerk der Rheinliteratur geltenden Darstellung. „Das malerische und romantische Rheintal“ wider. Eine tiefe Symbolik liegt in seiner Ahrsage „Die Wunderbrücke“ (Landskron und Neuenahr):
„Viel schöne Brücken schlagen sah ich in deutschem Land,
doch keinen Bogen ragen, der sich so weithin spannt.
Weil’s ewig unterbliebe, so ist wohl klar zu
schau’n,
daß Freundschaft und Liebe die schönsten
Brücken bau’n.“
Zu Karl Simrocks Ahrsagen zählen auch „Die drei Schüsse“, die sich auf die Saffenburg beziehen, und „Die Gefangenen zu Are“, nach Meister Gottfried Magens Rheinchronik gestaltet, die Altenahr, Bodendorf und Remagen zum Schauplatz haben.
Die Schilderung des Ahrtals in Simrocks Werk „Das malerische und romantische Rheinland“ — es ist übrigens unter dem Titel „Wanderungen durch das Rheinland“ neu erschienen — geht in seiner epischen Breite stark ins Detail, so, wenn er die historischen und kirchengeschichtlichen Zusammenhänge herausstellt und die „wildkühne Romantik“ der Mittelahr würdigt … „Das bekannte Walporzheim mit den steilen Grauwackenfelsen, in deren verwitterten Spalten sein tiefdunkler Rotwein gewonnen wird, die basteienartigen Terrassen und Erker, die im nackten Felsen aufsitzen, die Wanderwege zwischen Wasser und Felsen … Maler werden uns genug begegnen, denn hier, nicht in Düsseldorf, ist die hohe Schule, wo sich ihre Skizzenbücher füllen … Hoch über dem Meer seltsam gestalteter Berggipfel hebt sich der Fels, den die Ruine des Schlosses Are, der alte Grafensitz des Ahrgaus, krönt.“
Die kleinen Leseproben zeigen bereits, daß Karl Simrock seine Erlebnisse bei aller Begeisterung ohne Phrasen und Übertreibungen aufzeichnete, was der Mentalität unserer Zeit entgegenkommt. Er hat die Gabe des Schauens und des echten Erlebens; er baut von der Basis her auf und spannt die Brücke des Verstehens von sich zu seinen Lesern.
Karl Simrock ruht auf dem Bonner „Alten Friedhof“.
Das Ehrengrab der Stadt ist würdiger Dank an ihren bedeutenden Sohn und eine bleibende Erinnerung.