„Ire haußer und wonungh moissen verlayssen umb der gefair halber“. Kriegsnot in Antweiler anno 1594 – 1606

Der Dreißigjährige Krieg ist uns allen bekannt als eine Zeit, in der Pest, Raub und Mord die Menschen in Angst und Schrecken versetzten, in der angeblich ein Drittel der Einwohner Deutschlands ums Leben kam. Dass für die Eifel die Kriegszeit keine 30, sondern mehr als 100 Jahre dauerte, wird dabei oft vergessen. Bereits mit dem Krieg der Niederländer gegen die Spanier kam es seit etwa 1568 auch in der Eifel zu wiederholten Einfällen der sogenannten „Freibeuter“, wie man die Niederländer nannte. So belagerten Niederländer unter Wilhelm von Oranien-Nassau im August 1568 die Arenburg, konnten sie aber nicht einnehmen. Auch in den folgenden Jahren tauchten immer wieder „Freibeuter“ an der Ahr auf, vor allem auch um den Grafen, den späteren gefürsteten Grafen von Arenberg zu schaden, die als Anhänger der Spanier galten.

Ein detaillierter Bericht aus Antweiler schildert uns, wie die Ortsbewohner in den Jahren 1596 bis 1599 immer wieder unter Überfällen und Raubzügen gelitten haben. Der Bericht hat folgenden Wortlaut:

Schaden zu Antwyler anno 1596 und 1599

1598 den 29ten Martii als die zeittung kommen, daß 300 Freybeutter Statische kriegsvolck zu Lommersdorff sich eingelegt.

9. May als die Freibeutter zu Reifferscheit gelegen und Joannis Jacoben von der Ahrhütten bey sich gefangen gehabt.

10. May als die 6 Freibeutter bei Redderen sich im feldt sehen laissen und Halffen Johan u. Thonis Knecht geschlagen und ihme sein buchse abgenomen.
13. May als die Freybeutter den ranzon (= Geldforderung) zu Reifferscheid sollten empfangen von Jennis Jacoben burger, seint 48 Welsche Reutter von Cronenburg und Schleiden hiedurch Antweyler gezogen und M. Thonis gefangen genomen und ime alles abgenommen, was er gehabt, Ime doch mit dem pferd erledigt.

20. May als die Cronenburger die pferd in Mutscheit geholt und hie durch gezogen, 28 May des abendts spaet als 14 oder 15 welsche reutter von Cronenburgh langs Dorsel gezogen, durch die Honerbach, hinder dem Kirchhoffsberg nach dem Mutscher wege, und die pferdt zu Heister geholt, und den anderen morgen wiederumb kommen und hie durch gezogen. Denselben abendt 28 statische reutter langs Lommersdorff gezogen, wie die zeittung kommen und lang im waldt gehalten.

Anno 1599 den 6. Marty als 52 zu pferdt u. andere zu fueß bei innen gewesen, das Konigs kriegsvolck zu Lommerdorff sich eingelegt, die Mulheimer, Retzer und anderer benachparter dorffer dahin beschieden, angenommen dieselbige zu brandtschatzen und zu rantzionieren (= Geld eintreiben) nach irem mutwillen, als auch alle nachpauren auß Antweyler gelauffen, vermeindt, der viandt (= Feind) solle uns alle verderben. Wegen obgemelten verstörungen ahn kosten, zerungen und etliche thiener am haus (= die Arenburg) vur Salvegarde (= Schutz) zu haben in allem auffgangen, darob particular rechnung gehalten und die gemeindt auf sich genommen und under sich bezalt 31 Guld., 10 Albus.

Das ieder hausmann hat moissen flehen und lauffen mit seiner armutt und vyhe (= Vieh), ist nit zu setzen (= festzustellen), das ein verloren, das ander verdorben memorie.

Anno 1599 den 16. und 17. Augusti als das ungarische kriegsvolck zu Lommersdorff gelegen, denen nach Antwyler gesandt 14 zu pferdt und 10 jungen und ander thiener, darunter 7 persohnen von adell zusammen 14 pfert und 24 personen, so bei dem pastoir H. Conraden, Johann Mulner, Roloffen dem Halffen, Joannisen Hamburgh dem Wyrdt, Pyrotten Sarten und Gorgen auf der Hutten gelegen, dweil sie bei denen gemeynen nachpauren nit haben umb vyller wyllen sine, in allem an kosten, weyn, byr und haber verdain, lauth particular rechnungh 72 Gulden 14 Albus.

So Scheffen, Pastoir und andere undersch. beisein des Lantpotten, der von anfanck dobey gewesen und wegen der obrigkeit zugesehen, was Innen aufgetragen, und obgleich 72 Gulden 14 Albus haben die gemeynen nachpaur angenomen und under inen umgesetzt, iederen nach seiner gepur.

Was anderen schaden und verloiß angehat, so nit gerechnet, auch nit zur rechnungh hat kommen konnen, dismol wollten lieber noch contribuirt haben als den schaden geliden und die groi­ße gefair gestanden 25 Thaler.

13. May als von den welschen soldaten angegriffen und inen alles genommen, lauth der gerichtlichen attestation, domals drab (?) geben, ein zeitlanck mit seiner hausfrau haus und hoff und seine narungh moissen verlaissen, auf seine budel (= aus seinem Beutel) und kosten moissen zerren, wolt lieber schadens haben gehabt als die groiß liebs gefahr, er domals erlitten 100 thaler.

Herr Conraidt der pastoir, wie im gleichen Joannes Hamburgh der Wyrdt, ire haußer und wonungh moissen verlayssen unb der gefair halber sich auf anderen orttern moissen erhalten, hetten bisher ieder ein zimlichs zu geben gehabt, als den schaden und die gefair zu erleyden.

Die andere nachpauren auch der ursachen halben mit der starcker wacht des hauses beschwert, zu den schutzen und anderer wechter desto mehr moissen contribuiren.

Überfall auf Landleute, Radierung von H. U. Franckh 164

Der Bericht nennt in der Überschrift als den Beginn der Bedrohung das Jahr 1596, allerdings beginnt die Auflistung der Ereignissen erst im März/Mai 1598. Die Anwesenheit der Niederländer in der Nordeifel ist allerdings auch für das Frühjahr 1596 aus anderen Quellen bezeugt. So überfielen die Freibeuter im Mai 1596 den Echternacher Abt Bertels in seinem Kloster und führten ihn als Gefangenen ab, um ein hohes Lösegeld zu erpressen. Auf ihrem Rückzug durch die Eifel überfiel dieselbe Truppe die Stadt Prüm und nahm den Sohn des Schultheißen ebenfalls als Gefangenen mit, weil die Stadt nicht in der Lage war, auf der Stelle einen Betrag von 1000 Reichstalern zu zahlen. Erst nach Zahlung von hohen Summen konnten der Abt und der Prümer Bürger, die lange in Maastricht fest saßen, wieder in die Eifel zurückkehren. Auch an der Ahr scheinen die Niederländer es 1598 vor allem auf die Eintreibung von Geld abgesehen zu haben. Reiche Bürger, vermutlich vor allem die Betreiber der Eisenwerke an der Ahr, Wirte oder Geistliche wurden als Gefangene oder Geiseln genommen, um Geld zu erpressen. Auch auf den Diebstahl von Pferden hatten sie es offenbar abgesehen. Der Pfarrer von Antweiler, Konrad Jacklen, war nicht nur in dem oben abgedruckten Bericht das Ziel der Freibeuter. Sie hatten ihn bereits 1594 heimgesucht und damals, wie es heißt, ihm alle Bücher genommen und verdorben. Alles, was sie an Wertsachen finden konnten, nahmen sie damals schon als Beute mit. Vor allem die katholischen Gotteshäuser waren 1594 Ziel der Niederländer gewesen. So entwendeten sie damals aus der Kirche Mülheim eyn silbernen Kelch, 1 Meßgewand, 1 golden kreutz, 12 hültzerne bilder, das Glockenseil schnitten sie ab. Das hatte natürlich für sie den Vorteil, dass die Gemeinde nicht mehr durch Läuten der Glocken den anderen Gemeinden die drohende Gefahr ankündigen konnte. 

Bei dem Raubzug 1594 hatten sie auch die Kapelle in Reetz heimgesucht und dort ein seiden meßgewandt, 1 kruzifix, bilder und engel gestohlen. Wie man aus solcher Gefahr heil heraus kommen konnte, hatte 1594 Barbara Kohlhaasen Witwe aus Lommersdorf bewiesen. Auch sie lebte angeblich in steter Gefahr, konnte aber mit geld und liebens einen Statischen gewinnen, daher nicht so viel schaden genommen.

Es fällt auf, dass die nahe Arenburg mit ihrer schwachen Besatzung den Untertanen in den umliegenden Dörfern keinen Schutz bieten konnte. Lediglich der am Fuße des Burgberges gelegene Ort Arenberg/Aremberg blieb von den umherziehenden Räubern verschont. Nur wer rechtzeitig in Antweiler oder Lommersdorf die Flucht ergriff, konnte damit rechnen, auf der Burg aufgenommen zu werden. In einem Bericht des Jahres 1592/3 heißt es sogar, dass Michel von der Eichenbach kein kriegsvolck gehat, weil nahe bey Arenberg gelegen. Er habe Flüchtlinge aus dem Land aufgenommen, andere Landbewohner hätten sich in büschen und hecken versteckt gehalten. Tatenlos musste man von der Burg aus zusehen, wie in den umliegenden Dörfern geraubt und geplündert wurde. Wie der Bericht von 1599 zeigt, wurde der Landbote sogar nach Antweiler gesandt, um zu registrieren, wie hoch der Schaden war und um zu sehen, wie die Bürger des Ortes die geforderte Summe unter sich aufteilten.

Nicht nur Niederländer waren es, die beutesuchend um 1600 in der Eifel auftauchten. Auch königliche Truppen und ungarische Soldaten werden erwähnt. Bei den königlichen Truppen handelt es sich zweifellos um Soldaten der spanischen Könige Philipp II. (+ 1598) oder Philipp III. († 1621), bei dem ungarischen Militärhaufen vermutlich um eine von Spanien angeworbene Mannschaft. 

Mit dem Jahre 1599 hörte keineswegs die Bedrohung in der Eifel auf. Amtmann Reinhard Beissel von Gymnich, der Amtmann der Arenberger, berichtete im Dezember 1606 aus Aachen seinem Herrn, dem gefürsteten Grafen Karl von Arenberg, dass etwa 800 Reiter und eine große Zahl von Fußsoldaten das Arenberger Land in Angst und Schrecken setzten. Alle stünden sie unter dem Kommando des Niederländers Johann von Nassau. Er bat den Fürsten dringend um militärische Unterstützung, denn er wolle mit Waffengewalt das Stammland in der Eifel verteidigen. Karl von Arenberg weilte in dieser Zeit in der Nähe von Brüssel. Zu einer allgemeinen Mobilmachung oder Verteidigung aber kam es auch damals nicht. Bis man einen Entschluss gefasst hatte, war Johann von Nassau bereits längst wieder abgezogen. 

Quellen:

Arenberger Archiv Enghien, Akten D 1202 – 1204, D 3222, D 4009.