INTERESSANTES aus der insektenwelt DER HOCHEIFEL
Von Theo BuschL Teil: Die auffälligsten großen Tagfalter der Heimat
In unserem Zeitalter der Technik, der Hast und der Eile wird der Blick des Menschen allzu leicht von den Lebewesen der freien Natur abgewendet. Deshalb hat man versucht, wenigstens für größere Tiere und auch für die Pflanzenwelt Beobachtungsmöglichkeiten zu schaffen in der Gestalt von zoologischen und botanischen Gärten, Aquarien und Museen der größeren Städte; doch wurde es nur selten unternommen, den in den übervölkerten Siedlungsräumen zusammengedrängten Menschen die Wunderwelt der Insekten in Insektarien zu zeigen. Vor dem letzten Kriege war das Frankfurter Insektarium ein in dieser Richtung wohlgelungener Versuch. Auch im Kölner Zoo fand sich vor vielen Jahren ein Insektenhaus, das vor allem die Pracht der tropischen Spinner zeigte. Doch haben entweder der Krieg oder der Tod jener Männer, die der Institution das Leben erhielten, der Einrichtung ein Ende gesetzt. So ist es verständlich, daß die meisten Menschen kaum mehr als eine recht oberflächliche Kenntnis des Insektenlebens ihres Lebensraumes haben. Woher sollte auch der geplagte Alltagsmensch die Zeit und die Muße nehmen, sich näher mit der oft so kleinen und unscheinbaren Insektenwelt näher zu beschäftigen! Trotzdem wird ein jeder erfahren haben, welche bedeutende Rolle Insekten aller Art im Leben der Menschheit spielen können. Es sei da nur an wenige Tiere erinnert, die hier und anderswo der Gattung des Homo sapiens Sorge machen: Kartoffelkäfer, Kohlweißling, Nonne, Kiefernspinner, Kiefern- und Frostspanner, Maikäfer, Kiefernrüßler, Buchdrucker, Wanderheuschrecke und zahllose andere Arten, die durch dauerndes oder gelegentliches Massenauftreten oft unerhörten Schaden anrichten.
Somit haben wir Grund genug, uns eingehend mit dem Leben der Insekten zu befassen. Vor allem ist es Aufgabe der Wissenschaftler der staatlichen und privaten Einrichtungen, die sich der Schädlingsbekämpfung widmen, den Schädigern der lebenden Pflanzen- und Tierwelt, der Lebensmittelvorräte, der Textilien usw. auf der Spur zu bleiben und geeignete Schutzmittel und deren Anwendung zu studieren.
Im Rahmen dieses Aufsatzes sollen nun nicht nur Tiere Erwähnung finden, die wegen Schadens oder Nutzens von Bedeutung sind; vielmehr sollen alle Insekten vorgestellt werden, die jedermann irgendwann einmal im Räume der Hocheifel, die ein außerordentlich reiches Insektenleben aufweist, beobachten kann. Von diesen Tieren wird dann ein einprägsames Lebensbild gezeichnet, wie es sorgfältige Studien im Laufe von mehr als dreißig Jahren erwiesen haben.
Beginnen wir mit den Einzelbildern der Tagfalter, der „Sommervögel“, wie sie in meiner Heimat, der Umgebung von Koblenz, genannt werden. Wenn man an heißen Juli- oder Augusttagen durch Feld und Wald streift, so mag einem leicht der Schwalbenschwanz (Papilio machaon) begegnen, der in kraftvollem Flug über ein blühendes Kleefeld dahineilt, hier und da verweilt, sich an einer Blüte mit Nektar labend. Hat man das Glück, das Tier saugend beobachten zu können, so erkennt man, wie es seinen 2—3 cm langen Rüssel aufrollt und in die Blüte senkt. Verweilt das Tier lange genug, so hat man Muße, die feine Zeichnung zu bewundern, schwarze Flecken auf gelbem Grunde, am Rande der Hinterflügel je ein rotes, von himmelblauem Halbmond umrahmtes Auge. Von diesem Auge aus zieht sich eine Reihe blauer Tupfen, die schwarz ‚umrandet sind, bis zum Vorderrand des Flügels hin, der im unteren Drittel in jenen schwarz und gelb gezeichneten Schwanz ausläuft, der der Art den Namen gegeben hat.
Wird der Falter bei der Nahrungsaufnahme gestört, so erhebt er sich in ungestümem Fluge in die Luft oder streicht in mächtigem Schwung davon, so, als ob er uns beweisen wolle, daß der Name „Ritter“, den seine Familie (Papilionidae) in der Systematik trägt, zu Recht bestehe. Ein echter Ritter der Lüfte ist er, der sich uns dartut.
Die im Juni/August fliegenden Exemplare, die der 2. Generation des Jahres angehören, sind meist von außergewöhnlicher Größe, ganz im Gegensatz zu denen der ersten Generation, die im Mai fliegen. Die Tatsache, daß der Schwalbenschwanz bei uns in zwei Generationen auftritt, ist dem unbefangenen Beobachter natürlich unbekannt. Studiert man den Ablauf der Lebensvorgänge der Art genauer, so kommt man bald dahinter, wie es sich in Wirklichkeit verhält.
Verfolgen wir nun einmal jenes Tier, das wir im Juli/August auf dem Kleefeld Nektar saugen sahen. Es reitet über den Klee dahin. Plötzlich erhebt sich ein zweites Tier seiner Art, ein Männchen. Es eilt dem Weibchen nach. Beide erheben sich hoch in die Lüfte, und in Sekundenschnelle haben sie jene kahle Bergeshöhe in der Nähe erreicht, umkreisen diese in rasendem Fluge. Andere Männchen tummeln sich hier bereits umher oder stellen sich bald ein. Jetzt erst beginnt das eigentliche Liebesspiel, hier, am höchsten kahlen Bergkopf der ganzen Umgebung. Steil steigen die Falter hoch, in einer wirbelnden Kette, ein oder mehrere Weibchen, gefolgt von einer ganzen Anzahl von Männchen. Auf und nieder gaukelt nun die Schar, in ununterbrochenem Wechsel, im Sturzflug fällt sie vom Himmel herab, vielleicht eine Viertelstunde oder länger dauert das Spiel, bis es einem der Männchen gelingt, die Spröde gefügig zu machen, die sich dann am Boden niederläßt, um hier die Verbindung einzugehen. Irgendwo ruht nun das Paar in der Kopula, die eine Viertel- bis zweidreiviertel Stunden dauern kann. Indessen setzen die übrigen Männchen, in Erwartung anderer Partnerinnen, den Tanz um die kahle Ber-geshöhe fort, um entweder zur Paarung zu schreiten, sich nach Ermüdung wieder einzeln auf Nahrungssuche zu begeben oder gegen den Abend hin einen Ruheplatz für die Nacht zu suchen. Dies alles geschieht natürlich nur bei geeignetem Wetter, bei Wärme und Sonnenschein, gewöhnlich zwischen 11 und 17 Uhr. Bei Gewittern oder anhaltendem Regen ruhen die Falter im Gebüsch oder anderen für sie geeigneten Plätzen. Das Liebesspiel der „Ritter“ finden wir überall in Europa, wo die Art auftritt, in Finnland und Skandinavien genau so wie auf dem Balkan, in den Alpen, auf den mittelmeerischen Halbinseln und Inseln, auch in England und Rußland oder gar Asien. Es findet jeweils in der Nähe einer kahlen, unbewaldeten höheren Erhebung statt, einem einzeln stehenden Berge, in den Alpen natürlich nicht um den höchsten Gipfel, sondern meist tiefer im Tal um einen Felsenvorsprung oder am Rande einer sonnigen Matte, in der Ebene auf einer Waldlichtung, über einer einzeln stehenden Hecke oder vor einer Baumgruppe. Nach Lösung der Kopula bzw. an den folgenden Tagen begibt sich das Weibchen auf den Weg, um die Eier abzulegen. Will man den Falter hierbei beobachten, so muß man wissen, welches die Futterpflanze ist und wo die Brutplätze liegen. Letztere erkennt man in seinem Gebiet erst nach langjährigen Beobachtungen. Für die Schwalbenschwanzraupe ist bei uns vor allem das Blattwerk der Mohre die Nahrung, hin und wieder auch der wilde Fenchel, selten die Petersilie, der Dill und andere Doldenblütler. Sonderbarerweise legen die Weibchen der ersten Generation, also die der im Mai fliegenden Tiere, ihre Eier an die Möhrenbeete in Garten und Feld ab, sehr selten an eine zweijährige Staude der wilden Mohre. Die Eiablage geschieht einzeln, meist auf der Unterseite der Blätter. Das Weibchen flattert unruhig über die niedere Vegetation dahin. Sobald es die Möhrenpflanze erkannt hat, biegt es den Hinterleib unter ein Blatt und fliegt schon im nächsten Augenblick weiter. Sieht man nach, findet man das zitronengelbe, kugelige, etwa 0,9 mm im Durchmesser messende Ei, das sich alsbald verfärbt, erst blau, dann schwarz wird und nach 6—12 Tagen, je nach der Witterung, die junge Raupe entläßt. Insgesamt legt ein Weibchen ca. 100—150 Eier ab. Nach vier bis fünf Wochen sind die Raupen erwachsen und verpuppen sich. Diese Raupen der ersten Generation werden, da sie schön bunt gefärbt sind — grün mit schwarzen Bändern und roten Punkten —, oft gefunden und bewundert. Berührt man sie, so zeigen sie ihre gelblichen Nackengabeln (Osmaterium) und verbreiten mit deren Hilfe einen eigenartigen, an die Nährpflanze erinnernden Geruch, was zur Abwehr von Feinden dienen soll. Die aus den Juni/Juli-Raupen des Schwalbenschwanzes resultierenden Puppen sind gelbgrün und fast unbeweglich. Die Raupen spinnen sich kurz vor der Verpuppung zwei Polster an einem Möhrenstengel, Grashalm etc.; das eine Polster dient zum Befestigen des Hinterendes, das andere als Halt für ein haardünnes Gespinnstseilchen, das sie unter bizarren Verrenkungen um die Brust herumspinnen, das später der Puppe Sicherheit gewähren soll, wie ein Gürtel demjenigen Festigkeit gibt, der einen Baum oder Mast erklettern muß, um oben bei sicherem Halt zu arbeiten. Eine derart gesicherte Puppe nennt der Entomologe „Gürtelpuppe“. Die Puppenruhe der Sommergeneration dauert 2—3 Wochen. Dann erscheint wieder ein Falter. Einen Tag vorher schon kündigt sich seine Ankunft an. Die Puppenfarbe wird erst fahl. Dann schimmern die Farben des zukünftigen Schmetterlings durch die Hülle: Gelb, Schwarz, Rot und Blau. Schließlich platzt der Chitinpanzer der Puppe in der Kopfgegend auf, und der Falter kriecht hervor, zunächst noch mit ganz kleinen Flügeln, die aber zusehends wachsen, da sie vom Falter mit Blut durchpumpt werden, bis die spätere natürliche Größe und Form erreicht ist. Erst sind die vollends durchbluteten Flügel noch ganz zart und weich. Doch in kurzer Zeit, in etwa einer halben Stunde, sind sie erhärtet; der Falter schreitet zum Flug und kann die Aufgaben seines Lebens erfüllen. Das immer wiederkehrende Wunder der Falterwerdung ist geschehen.
Unser Falterweibchen, das wir im Juli/August auf dem Kleefeld entdeckten, legt seine Eier niemals an das frische Möhrengrün der kultivierten Pflanze in Garten und Feld ab, auch nicht an die überall auf Rainen und Feldern stehenden ausgewachsenen zweijährigen Stauden der wilden Mohren. Vielmehr weiß es genau, was es zur Erhaltung der Art zu tun, wohin es zur Eiablage zu fliegen hat. Es sucht die Getreideäcker, mit Korn, Hafer oder Weizen bestanden, auf, darin und an deren Rande vor allem die jungen Blattrosetten der Wildmöhre im Schatten der Halme günstige Entwicklung fanden. Dort ist nun der Ort der Eiablage, um das Ende des Monats Juli herum und fast den ganzen Monat August hindurch. Hier kann man dann die weiblichen Falter des Schwalbenschwanzes bei der Arbeit sehen. Schon Ende August, wenn die Getreideernte vorbei ist, findet man an dieser endsommerlichen Brutstätte des Tieres, in manchen Jahren oft sehr zahlreich, die Raupen der Art. D. h., wer Augen hat zu sehen! So bunt und grell die Raupen auch gefärbt sein mögen, so schwer ist es, sie hier, so niedrig am Boden, zu finden. Da schimmern die Blattrosetten der Wildmöhre in Dunkel- und Hellgrün, in Tiefbraun und Purpurrot. Da bildet der gelbbraune Ackerboden in Licht und Schatten kontrastreichen Untergrund, und die Stoppeln selbst nebst ihren Schatten helfen mit, das Bild zu verwirren. In dieser Vielfalt von Farben, von Licht und Schatten erfährt die bunte Raupe des Schwalbenschwanzes eine vollendete Tarnung. Die Natur ist darin Meisterin. Ist der Spätnachmittag erreicht, beenden die Raupen die Futteraufnahme und begeben sich zur Ruhe. Die meisten davon kriechen etwa handbreit an einem Stoppelhalm oder Krautstengel hoch und erwarten hier die Nacht. Steht die Verpuppungsreife bevor, werden die Raupen aller Schmetterlingsarten sehr unruhig, rennen rasch und wild umher, verfärben sich und suchen einen geschützten Ort auf, so auch die des Schwalbenschwanzes, die sonst ziemlich träge ist. Instinktiv findet sie den richtigen Platz im nahen Gebüsch, am vorbeiführenden Wildzaun, im Randgehölz des unfernen Waldes usw. Hier findet dann oft bis spät in den Oktober hinein, das Anspinnen und die Verwandlung in die Puppe statt. Diese hat nun zwar die gleiche Gestalt, meist aber eine andere Farbe als die der Sommergeneration; nicht oder nur selten noch ist sie gelbgrün, meist erweist sie sich als elfenbeingelb und grau, grau und schwarz oder völlig schwarz. Es ist dies wohl ein Schutz für die Puppe durch Farbanpassung an die Umgebung, wo sie doch vom Oktober des einen Jahres bis zum Mai des nächster Jahres allen Unbilden der Witterung und allen Gefahren trotzen muß. Es ist klar, daß ohne eine solche Anpassung viele Puppen der Art umkommen müßten und nie den Falter ergäben. Ohnehin gehen viele Puppen im Laufe des Winters zu Grunde, nicht vom Frost oder Schnee, sondern durch die Gier hungriger Mäuse und Vögel. Wenn dem nicht so wäre, müßten bei einer Eizahl von 100—150 Stück je Weibchen im Frühling viel mehr Schwalbenschwänze zu sehen sein, als es der Fall ist.
Ein anderer schöner Schmetterling unserer Hocheifelheimat, ebenfalls ein Glied der Familie der Pepilioniden, der stolzen „Ritter“, ist der Segelfalter (Papilio podalirius). Es sei vorweg genommen, daß er unter Naturschutz steht, und zwar in allen seinen Stadien, d. h. als Ei, Raupe, Puppe und Falter. Im äußeren Erscheinungsbild unterscheiden sich die Segelfalter von den Schwalbenschwänzen dadurch, daß die gelbe Farbe der ersteren heller ist, die schwarze Zeichnung keilförmig vom Vorderrand der Flügel zum Hinterrand strebt, statt von den Seitenrändern zur Flügelwurzel, wie beim Schwalbenschwanz. Die Augen der Hinterflügel sind beim Segelfalter blau und durch roten Mondfleck gegen das Gelb der Grundfarbe abgegrenzt. Die Schweife sind länger und graziöser in der Form. Der Flug ist mehr ein Segeln und eleganter als der des Schwalbenschwanzes. Das erste Auftreten des Segelfalters fällt meist mit dem Pfingstfest zusammen. Alsdann sieht man ihn früh zwischen zehn und elf Uhr an Pfützen oder kleinen Rinnsalen der Dorfstraßen sitzen, oder er fliegt umher auf der Suche nach Nektar bietenden Pflanzen, um diese Zeit vor allem dem blühenden Flieder. Flug- und Liebesspiele betreibt der Segelfalter genau so wie sein nächster mitteleuropäischer Verwandter, der Schwalbenschwanz, an den gleichen Orten, oft gemeinsam mit ihm. Dennoch kreuzen sich die Arten nie.
Da hierzulande der Schlehdorn die bevorzugte Futterpflanze des Falters ist, folgt das Weibchen den Standorten dieser Pflanze an den Wegrändern und Südhängen der Berge. Hier findet es die drei- bis vierjährigen Schlehenbüsche, die ihm allein geeignet erscheinen, und legt daran die’Eier ab, einzeln, genau wie P. machaon auf die Unterseite der Blätter, nur mit dem Unterschied, daß das Segelfalterweibchen den Leib aufwärts biegt, um die Blattunterseite zu erreichen. Die Eier sind kugelförmig, glänzend und hellgrün. Sie werden vor dem Schlüpfen erst braun, dann fast schwarz. Die erste Entwicklung der Jungräupchen geht recht langsam vor sich. Nach der letzten Häutung aber, etwa Mitte August, beschleunigt sich das Wachstum. Die vorher blattgrünen Raupen werden gelb, teils mit bräunlichen Zeichnungen. Sie sind durch Farbe und Form vortrefflich geschützt, gleichen sie doch völlig einem einzelnen Schlehdornblatt. Selten nur, und dann nur durch Zufall, findet der Laie sie. Eigentümlich ist die ruckweise Bewegung dieser Raupen, die genau wie die des Schwalbenschwanzes mit Nackelgabeln ausgestattet sind, die, bei jeder Störung hervorgestülpt, einen spezifischen Geruch aussenden. Hierdurch allein schon kann man auf die Anwesenheit der Tiere aufmerksam gemacht werden.
Auch der Segelfalter bildet zwei Generationen, in der Hocheifel meist aber nur eine, sehr selten zwei, und dann nur in heißen Sommern. Der Segelfalter ist in allen seinen Stadien recht wärmebedürftig, besonders als Falter und als Raupe. Die Puppen vertragen natürlich jeglichen Frost, wie die Puppen aller heimischen Schmetterlinge Frost brauchen, um sich richtig entwickeln zu können.
Bis Ende September haben sich in der Eifel alle Segelfalterraupen zur Puppe entwickelt. Diese hat eine eigenartige gelbe Farbe, die dem fahlen Gelb vertrockneter Gräser und Pflanzen entspricht. Die Verpuppung dieser Herbstraupen, die im nächsten Frühling die erste Generation ergeben, findet nie auf der Futterpflanze selbst statt, sondern in der Nähe des Bodens, im Bereich der Futterpflanze, an Gräsern und Stengeln von niederen Pflanzen. Sie ist schwer zu finden.
Anders ist es, wenn der Segelfalter in heißen Jahren eine zweite Generation bildet. Selbst dann ist es aber noch so, daß nur aus einem Teil der gleichzeitig abgelegten Eier eine zweite Generation entsteht, während der Rest überwinternde gelbe Puppen liefert. Die Raupen, die im gleichen Sommer eine zweite Generation bilden sollen, wachsen rascher, leben an den wärmsten Stellen des Verbreitungsgebietes und ergeben schon nach vier Wochen eine grasgrüne Puppe, die nach sechs bis acht Tagen bereits den neuen Falter entläßt. Diese grünen Puppen der zweiten Generation finden sich immer nur auf der Futterpflanze selbst, ganz nahe der letzten Fraßstelle. Man hat den Eindruck, als sei es dem Tiere bewußt, daß es keine Zeit zu verlieren habe. Die aus den grünen Puppen resultierenden Falter müssen ja alsbald die Eier legen, die noch bis Ende September gelbe, überwinternde Puppen für das nächste Ja’hr entwickeln sollen. Im Süden Deutschlands gibt es Gebiete, in denen alljährlich eine zweite Generation des Segelfalters auftritt. Dies ist natürlich auch im warmen Süden Europas allgemein der Fall. In der Hocheifel jedoch ist dies ein entomologisches Ereignis. In 33 Jahren habe ich es nur zweimal beobachten können. Im Rhein- und Moseltal hingegen ist an warmen Brutstellen eine zweite Generation fast alljährlich zu sehen.
Allgemein kann gesagt werden, daß der Segelfalter eine Schmetterlingsart darstellt, die sehr empfindlich gegen Veränderungen ihres Biotops, d. h. ihres Lebensraumes ist. Erscheint dieser günstig, so ist die Zahl der Falter größer, wird die Umwelt verändert, vermindert sie sich zusehends. Es sind nicht so sehr die Sammler, die die Art wesentlich dezimieren können, vielmehr sind es die Maßnahmen der Landes- und Forstkulturen. Wie das Roden der Hecken, Raine und Ödländereien gewissen Vogel- und Kleintierarten den Lebensraum nimmt, so auch dem Segelfalter. Man sollte bestimmte Berghänge und Ödländereien schützen und vor Aufforstung hüten, um den Reichtum der Heimatnatur zu bewahren, wenn man scheinbar auch nur Hecken und Gestrüpp erhält. Allzu große Gründlichkeit kann auf diesem Gebiete mehr schaden als nützen.
Aus der Familie der Weißlinge sind die dem Pflanzenanbau des Menschen schädlichen Vertreter, die beiden Arten des Kohlweißlings, hinlänglich bekannt und können im Rahmen dieser Arbeit unberücksichtigt bleiben. Ein Tier aus dieser Familie jedoch ist so interessant in seiner Lebensweise, daß es besprochen werden muß. Es ist der Baumweißling (Aporia crataegi). Zudem ist dessen Lebensraum in Deutschland durch die Intensivierung der Land- und Forstwirtschaft bereits so eingeschränkt worden, daß mir das noch verhältnismäßig reiche Auftreten der Art in der Hocheifel als eine durch die Besonderheit der Landschaftsform und des Pflanzenwuchses bedingte Tatsache erscheint, das Tier hierdurch allein der Ausrottung entgangen ist und eine Zuflucht, ein Refugium, bei uns gefunden hat. Es gibt andererseits außerhalb Deutschlands Gebiete, wo es noch in großen Mengen auftritt, z. B. in Digne, in Südfrankreich, am Westrande der Alpen. In England hingegen ist die Art bereits völlig erloschen. Das letzte Auftreten eines einzelnen Falters wird von dort aus Sussex im Juli 1926 gemeldet. Diese Feststellung macht den Engländern, da das Tier dort nie schädlich war, nicht wenig Kummer, derart, daß kein Geringerer als Churchill selbst mit Hilfe eines britischen Entomologen versucht hat, den Falter durch Einfuhr kontinentalen Lebendmaterials und Aussetzen auf seinem Besitztum in der Grafschaft Sussex wieder heimisch zu machen.
Den meisten Deutschen gilt der Falter wegen der zeitweiligen Gefräßigkeit seiner Raupen als schädlich. Dies kann man für die Hocheifel keineswegs behaupten, da die Nester — die jungen Raupen leben in Nestern — nicht oder nur ganz selten in Jahren besonderer Häufigkeit an Obstbäumen gefunden werden. Das Tier ist zu den Urfutterpflanzen zurückgekehrt, zu Schleh- und Weißdorn. Letzterer, Crataegus oxya-cantha, hat dem Baumweißling, Aporia crataegi, den Namen gegeben. In vielen Gegenden Deutschlands heißt er Heckenweißling, was viel zutreffender ist, zumindest für unser Gebiet. Die Engländer ‚haben einen sehr bezeichnenden Namen für den Falter. Sie nennen ihn den Blackveined White, den schwarzadrigen Weißling. Durch diese Bezeichnung ist er klar bezüglich des Aussehens von den übrigen Weißlingen unterschieden, durch den Namen Heckenweißling bezüglich seiner Brutstätten, durch den Namen Baumweißling wird auf seine gelegentliche Schädlichkeit aufmerksam gemacht. Im Lande Württemberg wird er hin und wieder auch heute noch an Obstbäumen schädlich, an Apfel-, Birnen-, Pflaumen-, Kirsch- und Aprikosenbäumen. Bei uns leben die Raupen fast auschließlich an Weiß- oder Schlehdorn, sehr selten an Eberesche, bevorzugt an Weißdorn, so daß der lateinische Name für die Art, Aporia crataegi, für unsere Heimat wohl sinnvoll ist.
Die Hauptflugzeit des Falters fällt in den Monat Juni und dauert etwa 14 Tage. Zu dieser Zeit blühen die Wiesen, die dann den Tummelplatz verschiedenster Falter darstellen. Im Sonnenschein eilt der Baumweißling in schwerfälligem, doch raschen Flug dahin, ähnlich dem des Großen Kohlweißlings, und ist daher schwer zu fangen. Geht man aber kurz vor oder nach Sonnenuntergang an den Wiesen entlang, so ist es ein Leichtes, die schlafenden Falter zu entdecken. Meist haben sie sich eine Margeritenblüte als Ruhestätte für die Nacht erwählt. Häufig findet man mehrere Falter auf der gleichen Blüte dicht beieinander. Auch die Blüten von Klee, Wiesenknopf und Bärenklau dienen gerne als Bett. In Jahren der Häufigkeit entdeckt man leicht ein Dutzend Falter und mehr auf einer Blüte ruhend, so sehr lieben diese Tiere die Geselligkeit. Auch verbundene Pärchen finden sich öfter. Die Morgensonne des neuen Tages erweckt sie wieder zum Leben, das für sie von so kurzer Dauer ist.. Die Weibchen erfüllen alsbald ihre Pflicht, 2—8 Tage nach der Paarung, und legen die gelben, wie eine in die Länge gezogene Eichel aussehenden Eier, die mit feinen Längs- und Querriffelungen geziert sind, ab. Sie werden dicht nebeneinander auf der Blattunterseite, oft auch auf der Oberseite, angeklebt, 20—100 Stück, meist aber in Tupfen zu 20—30 Stück. Der Klebstoff, der bei der Ablage mit ausscheidet, ist wenig klebrig und dauerhaft. Daher kann ein kräftiger Regenguß ganze Gelege, besonders die auf der Blattoberseite, abwaschen und zur Erde spülen, wo sie verkommen oder von Ameisen gefressen werden.
Nach drei Wochen etwa schlüpfen die kleinen Räupchen aus, nachdem sich vorher die gelbe Farbe der Eier in eine graue verwandelt hat. Die Räupchen leben in Gesellschaft und skelettieren zunächst die Blattoberseite, wodurch die Blätter langsam welken. Überall, wohin die kleinen Tierchen auch kriechen mögen, spinnen sie einen ‚Faden über den Weg, um Halt zu haben. So ist bald die ganze Fraßstelle weiß vom Gespinst der darin und darauf lebenden Räupchen. Man spricht von einem „kleinen Raupennest“. Hierin häuten sich die Lärvchen zweimal, ehe es Herbst geworden ist. Nun spinnt jedes einzelne Räupchen innerhalb des Nestes für sich selbst ein festes und dichtes Gespinst um den ganzen Leib, um in dessen Schutz und dem des Nestes den Winter zu überstehen. Geht man dann in der kalten Jahreszeit und nach dem Laubfall übers Land, so findet man an den leeren Büschen leicht die sogenannten „kleinen „Winternester“, wie sie in den Gartenbaubüchern heißen, vorausgesetzt natürlich, daß nicht Schnee oder Reif ein Entdecken unmöglich machen. Schon Ende März erwachen die Jungräupchen zu neuem Leben, falls nur die Sonne warm genug scheint. Die Tierchen kommen hervor, sich zu wärmen, Tau zu trinken, an den Knospen zu knabbern und bei geringstem Nachlassen der Wärme wieder ins Nest zu kriechen. Im April geht dann die Entwicklung rascher voran, besonders gegen Ende dieses Monats. Bis dahin sind die Raupen bereits halberwachsen und haben eine rotbraune Farbe angenommen. Gegen Mitte des Monats Mai zerstreuen sie sich, während sie bis dahin immer gesellig lebten, fressen noch einige wenige Tage und suchen im Unterholz einen geeigneten Verpuppungsort. Sie bilden auf gleiche Weise wie die eingangs beschriebenen „Ritter“ eine Gürtelpuppe. Die Färbung dieser Puppe ist auffallend gelbgrün mit schwarzer Zeichnung. Man findet sie trotz der verräterischen grellen Farbe in der freien Natur sehr selten, so geschützt liegt die Zufluchtsstätte.
Anfangs Juni schlüpfen die Falter, deren Weibchen kaum einen Schuppenbelag auf den Flügeln tragen und die daher fast durchscheinen, während die Männchen mit blendend weißen Schuppen bedacht sind, so daß die frischen Falter beider Geschlechter mit ihrer schwarzen Äderung trotz aller Einfachheit recht hübsch aussehen.
Nun beginnt der Lebenskreislauf des Baumweißlings, der überall nur eine Generation zeigt, von neuem. Eines Tages sind die Witterungsverhältnisse, Groß- und Kleinklima, seiner Entwicklung so außerordentlich günstig, daß er in unerhörten Mengen auftritt, die dann jedermann beobachten wird. Doch will mir scheinen, daß der Falter, dessen Art ich neben der des Apollofalters entwicklungsgeschichtlich für eine der ältesten der Erde halte, sich auf der absteigenden Linie befindet und seine Häufigkeit mehr und mehr einbüßt, besonders auch deshalb, weil vielerorts im April allgemein die Obstanlagen der Gemeinden durch Spritzkolonnen schädlingsfrei gemacht werden. Zunächst jedoch wird die Hocheifel für diese Art in Deutschland wohl das einzige Refugium bleiben.
Es ist kein Wunder, wenn Aporia crataegi zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges in unserem Lande so überhand nahm, daß jene roten Säfte, die die Falter beim Schlüpfen ausspritzten, Anlaß zu vielfältigem Aberglauben geben konnten. Damals werden Schleh- und Weißdorngebüsch vom Feldrand ‚her in die unbeackerten Felder vorgedrungen sein und den Lebensraum des Tieres damit ungemein ausgeweitet haben, was zu einer jahrelangen Massenvermehrung beitrug. Auch heute noch kann man zu Zeiten größerer Häufigkeit des Hecken-Weißlings jenen „Blutregen“ stellenweise beobachten, der die Gemüter zu Beginn des 17. Jahrhunderts so in Aufregung versetzte.
Bis jetzt wurde von Tagfaltern berichtet, von Schmetterlingen, die nur am Tage fliegen und zu sehen sind, von auffälligen und größeren Arten, von „Rittern“ und „Weißlingen“. Indes gibt es noch viele andere und schöne Tagfalterarten, deren Lebensweise sehr interessant und verschiedenartig ist, die jedoch nicht alle einzeln erwähnt werden können, da sie dem Durchschnittsbeobachter weniger auffallen, allenfalls als ein hübsches Tier, angesehen werden.
Von vier Arten jedoch, deren jeweils zwei sehr ähnliche Lebensweise haben, möchte ich noch sprechen. Zunächst sei von Trauermantel (Vanessa antiopa) und Großem Fuchs (Vanessa polychloros) die Rede. Sie gehören zur Familie der Fleckenfalter und darin zur Gattung der Zackenfalter. Diese Klarstellung verrät uns schon einiges über das Aussehen der Tiere. Zackig sind die äußeren Umrisse, gefleckt ist die Zeichnung, vor allem die des Großen Fuchses, des Vielfarbigen (polychloros). Beide Arten sind recht groß, insbesondere der .Trauermantel. Dieser Name kennzeichnet die Vornehmheit des stattlichen Tieres. Seine Grundfarbe ist ein samtenes Braunschwarz; der äußere Rand beider Flügelpaare ist gelb und mit winziger schwarzer Tüpfelung überstreut. Das Gelb des Randes ist gegen die Grundfarbe hin durch einen Kranz ‚himmelblauer Tupfen abgesetzt. Die Vorderflügel tragen zudem noch je ein Paar gelber Tupfen am vorderen Rande nach der Flügelspitze zu. Dieses schöne Tier, das die Franzosen einfach die „Trauer“ nennen, fliegt bei uns im August/September und wiederum im April/Mai des darauffolgenden Jahres. Es sind dies aber die Tiere der gleichen Generation, vielleicht gar die gleichen Individuen, die im Frühjahr fliegenden also überwinterte Stücke. Wir haben hier den in unseren Breiten seltenen Fall der Überwinterung des ausgebildeten Falters vor uns. Die meisten Schmetterlinge überwintern in den gemäßigten Zonen in der Puppe, wenige Arten als Ei oder als Raupe. Das Winterquartier für V. antiopa, ein altes Gebäude, ein hohler Baum, ein Holzstapel im Dorf oder im Walde, ein Speicher- oder Kellerraum wird sehr früh, bereits Mitte September spätestens, von dem einzelnen Falter aufgesucht. Vorher haben sich die Tiere an edelreifen Früchten oder am Saftfluß geschädigter Bäume gütlich getan. Dabei sind sie uns vielleicht in Gesellschaft anderer Vanessiden aufgefallen, die gleich Gewohnheit der Nahrungssuche haben, zusammen mit dem Admiral, dem Großen und dem Kleinen Fuchs. Am Zufluchtsort für den Winter verfällt der Trauermantel sogleich in einen Zustand der Starre, in dem er verharrt, ‚bis die warmen Strahlen der Frühlingssonne ihn wieder erwecken. Bietet die Sonne einmal im Januar oder Februar eine kurze Periode warmer Tage, so kann es vorkommen, daß ein überwinterndes Tier vorzeitig aufgeweckt wird und dann als „Redaktionsfalter“ bei irgendeiner Zeitungsredaktion auftaucht, die meist eine naturwissenschaftlich völlig schiefe Betrachtung an das unerwartete Erscheinen des Insektes anknüpft. Wenn nun der Frühling endgültig da ist, Ende April oder anfangs Mai, dann sieht man den Trauermantel in ruhigem Fluge an geschützten Stellen einherschweben, meist einzeln. Die Paarung erfolgt erst nach Überwinterung im April oder Mai, meist am späten Abend oder gar nachts. Dies ist der Grund, weshalb die meisten Naturforscher ein Eingehen der Kopula bei dieser Art noch nicht beobachtet haben. Die Vereinigung der Geschlechter dauert l — 8 Stunden, mit-, unter bis zum nächsten Morgen. Nachher schreitet das Weibchen zur Eiablage, die es aus einem Vorrat von 300—500 Stück in mehreren Etappen vornimmt, indem es sie rund um einen dünnen, weitausladenden Zweig der Pflanze dicht nebeneinander anklebt. Die Eiablage dauert vier bis acht Wochen, da immer weitere Eier heranreifen müssen. Das einzelne Ei ist länglich kugelig, hat acht, sogar neun erhabene, in der Längsrichtung verlaufende Wülste. Der Grund zwischen den Längswülsten ist quergeriffelt. Der Boden des Eies ist fest auf der Rinde des Zweiges angeklebt, so daß weder Einzelei noch Gesamtgelege durch Regen abgewaschen
werden können. Die einzelnen Ablagen enthalten 50—150 Eier. Die Futterpflanzen des Trauermantels in der Hocheifel sind vor allem Birke, Salweide und Bachweide. Wo es Trauerweiden gibt, findet man sie auch an diesen. Die Eier zu entdecken, ist schwierig, da sie weit vom Boden entfernt abgelegt werden, 3—5 m hoch. Man muß schon ein Weibchen bei der Ablage beobachten, um sie zu finden. Die Eier sehen zuerst wie mit Rauhreif überzogenes Glas aus, werden dann olivgrüngelb. Nach und nach wandelt sich die Farbe, wird braun und später, d. h. nach 14 Tagen, tief lilarot. Nach 18 Tagen werden sie dunkelbleigrau und kurz vor dem Schlüpfen prächtig silbriggraublau. Das Eistadium dauert etwa 19 Tage. Die entschlüpfenden Räupchen beginnen gleich zu spinnen und kriechen zu den äußersten Blättern des Zweiges, die sie völlig mit einem schützenden Nestgespinst umgeben. Sie häuten sich binnen vier Wochen viermal. Die Häutung der Raupen erfolgt jeweils gleichzeitig. Sie leben immer gesellig. Nach der zweiten Häutung bedürfen sie des Schutzes eines Nestes nicht mehr. Sie sind kräftig genug geworden, sich an dem Gespinstfaden, den sie auf ihrem Wege befestigen, anzuklammern, falls Gefahr im Verzüge ist oder der Wind sie herunterzuwerfen droht. Ein bis zwei Tage vor dem Verpuppen jedoch zerstreuen sie sich nach allen Richtungen, legen oft weite Strecken zurück, ehe sie einen passenden Platz zum Anspinnen gefunden haben, unter einem Mauergesims, einem Felsvorsprung, einer Brücke, in der Rindenritze eines Baumes usw., doch nicht zu weit vom Boden entfernt, etwa 1—2 m. An einem selbstgefertigten Gespinstpolster hängen sie sich dort auf, mit dem Kopf nach unten. In 1—2 Tagen wird die zusammengeschrumpfte Raupenhaut endgültig abgestreift, und die zunächst noch weiche und unförmige grüne Puppe erstarrt nach und nach, nimmt in einem weiteren Tage feste Gestalt sowie dunkle, schwarzbraune Farbe an. So hängt sie 1—2 Wochen da, sehr beweglich, bei jeder Berührung heftig schlagend, bis ein besonders schöner und warmer Tag, Mitte August etwa, den Falter aus der Puppe ruft.
Ganz ähnlich verläuft Leben und Entwicklung des Großen Fuchses, nur daß seine Lieblingsfutterpflanzen neben der Salweide die Kirsche, die Birne und die Ulme sind. Letztere Pflanze ist allerdings in der Hocheifel sehr selten, doch habe ich die Nester des „Vielfarbigen“ schon mehrmals daran gefunden.
Die Nester beider Arten kommen in unserer Heimat alljährlich noch häufig vor, im Gegensatz zu anderen Gebieten unseres Vaterlandes, wo sie nur selten mehr angetroffen werden. Wenn die Raupen fast erwachsen sind, erkennt man sie leicht am Kahlfraß und an der Häufung der auffällig gefärbten Tiere. Es ist daher leicht zu verstehen, wenn die Besitzer von Gärten mit Kirschbäumen die Raupen des Großen Fuchses, die mit Vorliebe die Gartenkirschbäume besiedeln, als Schädling betrachten und vernichten. Die Raupen des Trauermantels sind schwarz mit einer Reihe großer roter runder Flecken, die sich über die Mitte des Rückens hinziehen. Auch die Füße, mit Ausnahme der drei Paar Vorderfüße, sind rot. Bewehrt ist die erwachsen 7—8 cm messende Raupe mit ästigen spitzen Dornen. Das Gleiche gilt für die Raupen des Großen Fuchses, jedoch ist deren Farbe braungrau und graublau, mit mattgelben Rücken- und Seitenstreifen und ebenso gefärbten Dornen, dazwischen feine weiße Härchen. Seine Puppe ist rötlich, mit scharfen Kopfspitzen versehen und meist mit Gold- und Silberflecken geziert. Der Große Fuchs verbringt das Puppenstadium in einer ebensolchen Stürz- oder Hängegruppe wie der Trauermantel. Der einzige Unterschied in der Lebensweise der beiden Vanessiden ist der, daß die Entwicklung ‚des Großen Fuchses früher einsetzt als die des Trauermantels. Der Falter erscheint daher 14 Tage früher, paart sich entsprechend früher und legt die Eier früher ab. So kommt es, daß man zu der Zeit, da man Ende Juli die erwachsenen Rupen des Trauermantels an Birken und Weiden sieht, keine Nester des Großen Fuchses mehr entdecken kann, wohl aber auf Kleefeldern die ersten Falter seiner Art saugend findet.
Die Schilderung des Lebens der Tagfalter unserer Heimat, derer, die jedem unbefangenen Naturbeobachter auffallen müssen, sei abgeschlossen mit der Beschreibung von Schillerfalter und Eisvogel, jenen prächtigen und großen Faltern, die wie die Vanessiden zur Familie der Fleckenfalter gehören und hierin die Gattungen der Schillerfalter bzw. Eisfalter oder Eisvögel darstellen.
Betrachten wir nun zunächst den Schillerfalter (Apatura iris). Es gibt davon zwei Arten, den Großen Schillerfalter (Apatura iris) und den Kleinen Schillerfalter (Apatura ilia). Schon Karl Kollbach, früher Kreisschulinspektor des Kreises Ahrweiler, erwähnt, neben vielen anderen interessanten naturwissenschaftlichen Feststellungen, für unser Gebiet das jahrweise häufige Auftreten von Schillerfalter (A. iris) und Eisvogel (L. populi); für den kleinen Schillerfalter nennt er als Fundort der seltenen gelben Varietät (Apatura ilia f. clythie) die Gegend der „Hohen Acht“. Er tut dies in seiner Broschüre „Heimatkunde von Remagen“, die im Verlage von Karl Kollbach jr. in Remagen erschienen ist, leider ohne Jahresangabe. Ich vermute als Erscheinungsjahr 1910 etwa, In dieser Schrift findet sich ein Anhang unter dem Titel „Insekten“, der dem Kenner wertvolle Hinweise bietet. Die Zeit des Auftretens für den Großen Schillerfalter ist mit dem Monat Juni/Juli gekommen. Wandert man dann in den frühen Vormittagsstunden eines schönen Sommertages die stillen Waldwege entlang, so mag es geschehen, daß mitten auf dem Wege ein solcher „Blauschiller“ mit hochgeklappten Flügeln sitzt, ohne‘ zunächst von uns bemerkt zu werden. Seine Unterseite ist auch zu geschickt in Tarnfarben und Zeichnungen aufgegliedert, zu sehr den Farben des Waldweges, dem Licht- und Schattenspiel der leicht im Winde schwankenden Zweige der nahen Bäume und Sträucher angepaßt, als daß sie ein lebendiges Wesen verraten könnte. Schreiten wir voran, so schlägt der Falter die Flügel nieder, sie so aufklappend und die Oberseite zeigend, und wir stehen überrascht vor einem Wunderwerk der Natur. Wir erkennen den sanften blauen Schiller, der auf den Flügel liegt, der nur zu erblicken ist, wenn die Flügel im geeigneten Sehwinkel zum Auge und zum einfallenden Lichte stehen. Deshalb nennen ihn die Franzosen den „changeant“, d. h. den „Wechselnden“, den in der Farbe wechselnden, je nachdem von welchem Standpunkte aus man ihn betrachtet. Bald erscheint er schwarz, bald tiefblau schillernd. Es ist eine Pracht, die sich unserem Blick da entfaltet, die in unseren Breiten einzigartig ist, die allenfalls noch mit dem Feuerglanz des Dukatenvogels verglichen werden ‚kann, die in den Tropen Indiens und Brasiliens jedoch verbleichen würde vor der Fülle an Falterschönheit, die dort alltäglich ist. Für uns aber ist die Begegnung mit dem Schillerfalter immer wieder ein Erlebnis. Schreiten wir weiter, so erhebt sich das herrliche Tier behend in die Lüfte und entschwindet über den Wipfeln der Bäume. Vielleicht aber kehrt es, wenn es ein gar heißer Tag ist, zurück auf den schattigen Waldweg, der sein Lieblingsaufenthalt ist, womöglich angelockt durch den Geruch unseres Schweißes, den er liebt. Dann setzt er sich auf unseren Handrücken, rollt den Rüssel auf, streckt ihn in die Schweißtropfen und saugt begierig das salzige Naß, ohne sich im geringsten stören zu lassen. Dann hat man noch mehr Muße, die schillernde Pracht zu bewundern.
Der Entomologe, der Insektenkundige, fragt sich jedesmal, wenn er eine Art genauer kennen lernen will, wo, wann und wie sich ihr Lebenskreislauf abwickelt. So wollen auch wir die Stadien des Schillerfalters zu erkunden versuchen. Es liegt nahe, den Falter bei der Eiablage zu beobachten. Das Tier, das uns auf dem einsamen Waldwege durch seinen prachtvollen, hochblauen Schiller überraschte, war ein männliches Tier. Wir müssen nach einem Weibchen Ausschau halten, das hellbraun und völlig ohne Schiller ist, sonst aber wie ein Männchen aussieht, nur etwas größer ist. Die Gelegenheit bietet sich bald. Das Kuhgespann eines Bauern hat seine Spur hinterlassen in der Gestalt frischer Kuhfladen. An der nächsten Wegbiegung erkennen wir, daran sitzend, ein frisches, saugendes Weibchen. Seine Tätigkeit wird durch unsere Schritte unterbrochen. Sogleich erhebt es sich in die Luftregion, kreuzt hin und her, kommt auf einem nahen Salweidenbusch zur Ruhe, krümmt den Hinterleib zur Eiablage, wiederholt diese Arbeit auf anderen Blättern und fliegt dann auf Nimmerwiedersehn davon, anderswo vielleicht das gleiche zu tun. Nun kennen wir die Futterpflanze der Art: an schattigen Waldwegen stehende Saldweidenbüsche. Gehen wir nun dem Ei nach. Bald haben wir es gefunden, jeweils nur ein Ei auf demselben Blatt. Es ist etwa l mm hoch, von abgestumpft konischer Gestalt, die größte Weite in der Nähe der Basis zeigend, fest ans Blatt angeklebt: 14 Längswülste, von der Krone zur Basis hinziehend, zieren das winzige, zunächst völlig grüne Ding. Am fünften Tage nach der Ablage erscheint an der weitesten Stelle nahe der Basis ein schmaler purpurfarbiger Ring um das ganze Ei herum, während die Grundfarbe unverändert bleibt. Doch am zehnten Tage wechselt auch diese, wird dunkler, schließlich grau und zuletzt schwarz, bis endlich am 14. Tage das kleine Räupchen schlüpft und zu fressen beginnt. Recht seltsam und unerklärlich erscheint es, wenn man unter Freilandeiern von A. iris leere Stücke findet, die, unter dem Mikroskop betrachtet, völlig intakt sind, weder Öffnung noch sonstige Schädigungen aufweisen, auch nicht im geringsten eingeschrumpft aussehen wie unbefruchtete ‚Eier, natürlich auch keine Räupchen entlassen können. Eine andere seltsame und kaum erklärliche Eigentümlichkeit findet sich bei dieser Art mit Bezug auf die Stelle des Blattes, auf die das Weibchen das Ei klebt. Es ist dies stets die Oberseite rechts der Mittelrippe nach dem Vorderrande des Blattes zu. Das junge Räupchen befreit sich selbst aus dem Ei, indem es etwas unterhalb der Krone ringsum mit den Freßwerkzeugen einen Einschnitt vornimmt, doch so, daß zwei oder drei der erwähnten Eiwülste nicht durchbissen werden. Dann drückt es den losen Kronendeckel, der nachher zurückschnellt, hoch und schlüpft heraus, begibt sich zur Eibasis und tut das, was die Jungräupchen vieler Schmetterlingsarten tun, frißt die leere Eihülle auf bis auf jene Stelle, mit der das Ei angeklebt war. Diese bleibt wie ein kleiner Diskus auf dem Blatt zurück. Der Kopf der jungen Schillerfalterraupe ist ‚unverhältnismäßig groß und schwarz gefärbt. Die Körperfarbe ist hellgrün, der Farbe des Salweidenblattes angepaßt. Das Räupchen spinnt sich alsbald ein Seidenpolster, genau über der Mittelrippe, von wo aus es an den Rand des Blattes kriecht, um dort zu fressen, wenn es hungrig ist. Nach Sättigung kehrt es jeweils zum Polster zurück. Dies Geburtsblatt stellt für die nächsten 2—3 Wochen die Wohnung des Tierleins dar. Dann häutet es sich, an seinem Polster haftend, zum ersten Mal und bezieht dann ein neues Blatt, die Wohnung wiederum mit einem Polster einrichtend. Nach weiteren vier Wochen erfolgt die zweite Häutung. Inzwischen ist der Herbst gekommen, und das Tierlein, das in den 6—7_ Wochen seines bisherigen Raupendaseins nur sehr langsam gewachsen ist, muß sich nach einem Winterquartier umsehen und es einrichten. Gewöhnlich kriecht es an dem Zweiglein, an dem seine letzte Blattwohnung haftete, abwärts bis zur nächsten Astgabelung, wie sie durch zwei Zweige gebildet wird. Hier spinnt es ein dichtes und festes Polster, klammert sich daran an, streckt sich gerade und lang aus und preßt sich ganz dicht gegen den Zweiig. So verweilt es unbeweglich und starr fast fünf Monate bis Ende März in seinem Hibernaculum. Wenn sich im Herbst die Blätter der Salweide bunt färben, ändert sich die grüne Raupenfarbe in eine bunte, jeweils die Farbnuance zeigend, die Blattwerk oder Zweige der Ruhepflanze auch haben, dem Tiere dieserart vollendeten Schutz gegen Sicht gewährend, selbst gegen die scharfen Augen der Meisen. Diese Farbanpassung geht soweit, daß Ende März wiederum das frühere Gelbgrün erscheint, in dem Maße, in dem im Frühling die Knospen der Futterpflanze ergrünen. Zudem strecken sich die Knospen der Salweide im Frühling in die Länge und haben dann eine der Schillerfalterraupe sehr ähnliche , Gestalt. Mit zunehmendem Frühling schreitet das Wachstum der Raupen rascher voran. Noch zwei Häutungen sind zu überstehen. Nun ist die Zeit der Verpuppung nicht mehr fern. Die Raupe sucht sich in der Nähe der letzten Fraßstelle ein unbeschädigtes Blatt aus und spinnt um Blattstiel und Zweig, woran das Blatt festgewachsen ist, ein festes Haftgespinst, um das eventuelle spätere Herabfallen des Blattes, das als Verpuppungsort gewählt wurde, zu verhindern. Erscheint ihr das Gespinst dicht genug, kriecht sie gewöhnlich auf die Unterseite des Blattes und spinnt hier das eigentliche Haftpolster, genau auf der Hauptrippe, nahe der Blattwurzel. Die Spinnarbeit wird sehr sorgfältig durchgeführt und scheint das Tier gänzlich schachmatt gesetzt zu haben. Daher ruht es nun zwei Tage aus, auf dem Polster haftend, den Kopf zum Zweig hin. Dann dreht es sich herum, wendet den Kopf zum Blattende, hakt die Afterfüße im Haltepolster fest und ruht so weitere zwei Tage. Erst dann ist es in der Lage, die Raupenhaut abzustreifen, und es erscheint die Puppe. Diese ist, wie immer, erst weich und unförmig, nimmt aber innerhalb weniger Stunden die rechte Gestalt und Farbe an, wird weißlichgrün, genau so wie die Unterseite des Salweidenblattes. Sie gleicht damit sehr der Puppe des Zitronenfalters in Gestalt und Farbe. Da sie nun grün unter einem grünen Blatt hängt, ist sie für Mensch und Tier schwer auffindbar. Der Raupenzustand, der etwa 300 Tage gedauert hat, ist beendet. Das Puppenstadium währt nur 14 Tage. Am Ende dieser Zeit erwacht der Falter, der „Purpur-Kaiser“ der Engländer, zum Leben und befreit sich selbst aus der Hülle, um alsbald in sein Reich der Lüfte hinaufzusteigen, sich seines kurzen, nur 4—5 Wochen dauernden Falterdaseins zu erfreuen.
Der Große Eisvogel (Limenitis populi) hat vieles mit dem Großen Schillerfalter gemeinsam. Er fliegt an den gleichen Orten und um dieselbe Zeit. Seine Entwicklung erfolgt auf niedrigem Buschwerk der Zitterpappel (daher der lateinische Name „populi“, „auf der Pappel lebend“) am schattigen Waldweg oder am Waldesrand. Leider ist das Tier inzwischen hier sehr selten geworden. Man hat daher kaum Gelegenheit, es mit dem Schillerfalter zu vergleichen. Im allgemeinen erscheint der Eisvogel größer, besonders das Männchen, also betreffs der Größenverhältnisse der Geschlechter umgekehrt wie beim Blauschiller. Beide Geschlechter des großen Eisfalters sind ohne den prächtigen blauschillernden Glanz des männlichen Schillerfalters. Das Weibchen von L. populi gleicht sehr einem solchen ohne Schiller. Dem männlichen Eisvogel fehlt jegliches Weiß auf den Hinterflügeln.
Da die Raupen der verschiedenen Eisvogelarten ein ganz anderes Aussehen haben wie die der Schillerfalterarten, hat man sie in eine besondere Gattung gestellt. Die Lebensweise der Eisvogelraupen jedoch ist fast die gleiche wie die der Schillerfalter. Sie überwintern auf der Futterpflanze, spinnen aber nicht nur ein Haltepolster, sondern ein kleines Winterhäuschen, das nach vorne zu offen ist.
Wir haben nun die heimische Tagfalterwelt in ihren schönsten und auffälligsten Vertretern betrachtet, in Arten, die glücklicherweise in unserem schönen Heimatland immer noch alljährlich, wenn auch mehr oder weniger häufig, beobachtet werden können. In ausführlichen Lebensbeschreibungen haben wir ihre oft so verschiedenen Gewohnheiten kennen gelernt, haben erkannt, daß jeder der sieben besonders behandelten Arten vom Schöpfer der Dinge ein bestimmter Lebensraum, eine festbestimmte Lebensweise zugeteilt wurde, die wir nun staunend verfolgen können, wohl wissend, daß wir nichts Besseres zu erfinden vermocht haben würden. Möge diese kleine Arbeit dazu beitragen, den Menschen unserer Heimat den Blick zu öffnen auch für die kleinen Lebewesen der Insektenwelt, deren Lebensgewohnheiten zu studieren oder sich ihrer zu erfreuen.
Diesem hiermit abgeschlossenen Beitrag über die interessantesten Tagfalter der Hocheifel sollen später ärmliche folgen über Nachtfalter, Käfer, Hautflügler, Zweiflügler, Netzflügler usw.