In der Schule durfte gelacht werden
Wilhelm Knippler
Ob nun gelacht oder nur gelächelt wurde, einerlei, die kurze Unterrichtsunterbrechung förderte das »Betriebsklima«. Ich bringe — mit veränderten Namen — einige Beispiele, wie sie sich vor rund 30 und mehr Jahren zutrugen.
Ich vertrete die Lehrerin, und in der letzten Stunde sind nur noch die Kleinsten mit der Oberstufe zusammen. Die l-Dötze sollen einige Worte von der Wandtafel abschreiben. Plötzlich stößt mir etwas sanft gegen den Bauch. Es ist Hellas Tafei. Dabei schauen mich zwei Augen an, und ein Stimmchen flüstert: »Schreib du mir’s!« — So zwei Augen, da kannst du nichts machen als schreiben. — Ein großer Junge murmelt: »Das ist aber bei uns nicht üblich!« — Allgemeines Gelächter, besonders von den Stimmbruchgeschädigten!
Luzie, intelligent, aber ziemlich keck, zur Lehrerin: »Fräulein, haben Sie sich frisiert?« Die Angesprochene versichert, daß si$ das getan habe. Luzie konstatiert: »So? Man sieht’s aber net!«
Luzie ein andermal: »Fräulein, der Reißverschluß Ihres Rockes ist nicht geschlossen, man sieht zwar nur den Unterrock!« — Die Lehrerin: »Was soll das >Zwar< heißen?« Und Luzie erklärt: »Nun, man hätte ja auch mehr sehen können!«
Dieselbe in einer Vertretungsstunde bei mir. Sie sitzt in der ersten Bank, und dort hatte ich die eingegangene Post abgelegt, obendrauf eine Modezeitschrift, deren Titelbild ein hübsches Mädchen mit Idealmaßen zeigt, von Luzie interessiert gemustert. Ich frage: »Na, Luzie, wäre dieses Kleid etwas für meine Frau?« — Ihre Antwort folgt rasch und ohne Hemmungen: »Dieses Kleid? Das ist doch nichts für Ihre Frau! Die ist doch dafür viel zu alt!« (Die Betonung lag auf »viel«, als wäre das Wort dreimal unterstrichen). Nächstens werde ich bei Fragen an kleine Mädchen vorsichtiger sein müssen. Meister Braun, der Bläkert-Fritz aus Eichenbach, hatte für die Aremberger Kirche ein Wein-kännchen gelötet und für meine Frau den Griff eines Kaffeesiebchens — prima Inflationsware — befestigt. Die Sachen standen auf dem Lehrerpult. Klaus druckst und rückt nicht mit der Sprache heraus. Ich wiederhole meine Frage: »Hast du den Meister Braun gefragt, was die Reparatur kostet?« — »Ja!« — »Und die Antwort?« Klaus ist verlegen. Ich beruhige ihn, denn ich merke, da steckt wieder eine Bosheit dahinter. Endlich höre ich den klaren, unverfälschten Bescheid vom Bläkert-Fritz: »Dat kost neis! Der Lehrer gitt nix, un die Kirch hat nix!« Übrigens, Meister Braun machte keine Rechnung, wurde aber auf eine, nur ihm eigene Art entlohnt. Bei der nächsten Begegnung blieb er bei mir stehen und drehte sich so zur Seite, daß nur die ausgebeulte, leere Rocktasche mir zugekehrt war. Ich ließ einige Zigarren hineingleiten und Meister Braun setzte wortlos seinen Weg fort, als wäre nichts geschehen. Nun, ländlich, aber kräftig: In der Pause kommt der kleine Franz weinend zum großen Bruder und sagt: »Mein Butterstück ist in den Kuhdreck gefallen!« — Der Große gibt ihm sein Taschenmesser und sagt: »Hol dat Metz un schrabb et af!«
Makaber, aber wahrscheinlich von einem Erwachsenen übernommen: Ich frage einen Jungen, wie es seiner kranken Tante, die bei ihnen wohnt, gehe. Hier die Antwort: »Wenn us Tant Liß sich streckt (stirbt), geht’s uns besser!«
Nicht nur gelacht, getobt und gejauchzt vor Freude haben die Buben, als sie die Fortschritte der Zivilisation des damals ganz neuen Brausebades der Manderscheider Jugendherberge kennenlernten. Nur die Mädchen, die auch erstmals gebraust hatten, waren erstaunlich ruhig. Am nächsten Tag, in der kleineren Traben-Trar-bacher Herberge, wo die Bäder für Jungen und Mädchen nur durch eine Bretterwand getrennt waren, wurden meine Knaben vom Gelächter und Gebrüll der weiblichen Seite weit in den Schatten gestellt. Was war der Grund? Am Vortag hatten die Mädchen, die allein im Baderaum waren, Furcht vor den vielen blitzenden Armaturen und deshalb nur die Fußwaschbecken benutzt. Das gestanden sie später mit krebsroten Köpfen unter dem Gejohle der Buben im Tagesraum.
Der Berufsberater gibt sich Mühe, den Entlaßschülern den Weg zum Traumberuf ebnen zu können. Nur mit Felix hat er Schwierigkeiten, der möchte Flugzeugbau erlernen, und eine solche Lernmöglichkeit gibt es hier nicht. Deshalb macht der Berater den Vorschlag, zunächst Modellschreiner oder Modellschlosser zu werden und sich später umschulen zu lassen. Aber der Junge lehnt das ab. Der Berater meint, er habe ihm doch einen realisierbaren Vorschlag gemacht, weshalb er den denn nicht annehme? Ungerührt behauptet Felix seinen Standpunkt mit der Begründung: »Das ist ein Umweg!« — Wegen der allgemeinen Heiterkeit der Schüler gibt der Berater seine Versuche auf.
Nun, was wurde aus Felix? — Natürlich Flugzeugbauer— in Wahn! Heute baut er Wankelmotoren.
Der Weihbischof war zur Firmung gekommen und hielt zunächst eine kurze Katechese. Er schilderte die Angst, die Ratlosigkeit und Unbeholfenheit der Apostel nach der Auferstehung und Himmelfahrt Jesu. Dann aber seien sie mutig und glaubensstark gewesen. Was war mit ihnen geschehen? Die Antwort eines Prüflings überraschte: »Ihnen war der Groschen gefallen!«
Der Weihbischof lachte lauter als die Kirchenbesucher und gab der Hoffnung Ausdruck, daß auch bei den Firmlingen der Groschen des Heiligen Geistes fallen möge!