Im nächsten Jahr zwei Millionen Liter Wein im Keller
Zunehmende Kapazität der Vereinigten Ahrwinzer-genossenschaften e. G. in Dernau
Harry Lerch
Vater Raiffeisen wagte davon nur zu träumen, daß aus vielen Genossenschaften eine einzige werde — damals, vor hundert Jahren. Sein Ruf, daß Gemeinsamkeit der Winzer Erfolge bringen werde, hatte an der Ahr Resonanz — zuerst übrigens von allen Weinbaugebieten unseres Landes.
So kam es denn in den Jetzigen Jahren, daß mehrere Winzergenossenschaften ihr Hundertjahrfest begingen. Da wurden schöne Faßböden geschnitzt, der Rote geprobt und gelobt, da war Jubelfeier, doch am Horizont stand längst etwas anderes: daß aus den örtlichen Weinbauvereinen und Genossenschaften eine einzige werden soll.
Die Gründe dafür: den Kenner als Kunden suchen, und das möglichst über den Weinhandel, um den im Keller gereiften Wein so rasch wie möglich umzusetzen — denn der Winzer wartet aufs Traubengeld.
Vereinigte Ahr-Winzergenossenschaften Dernau
Foto: Kreisbildstelle
Dernau war zuerst auf dem Wege. Die beiden Genossenschaften — der Weinbauverein und der Winzerverein — fusionierten im August 1970 — es war die Hochzeit des Jahres! Und sie hatten gleich zwei Präsidenten, um die 25 Jahre jung: Wilhelm Josef Sebastian und Ernst Bender. Das war der Anfang, und im Jahr darauf folgte dieser Fusion ein Zusammenschluß in größeren Dimensionen. Diese Winzergenossenschaft Dernau nahm die Ahrtalkellerei Bad Neuenahr auf, die Winzervereine von Heimersheim und Bachern, und dann folgte Rech.
Das kam natürlich nicht über Nacht. Da wurde verhandelt, widersprochen, zugeredet. Weil die Argumente aber so überzeugend waren, kamen diese Zusammenschlüsse zustande. Es bestätigte sich, was in der Satzung gewünscht war:
„Zweck der Genossenschaft ist die Erzeugung und der Absatz von Traubenmost und Wein nach Erzeugungs-, Qualitäts- und Verkaufsregeln, die ein marktgerechtes Angebot sicherstellen.“
Dazu gehören moderne Geschäftsführung und Marktforschung. Es versteht sich von selbst, daß die Geschäftsführung sich der elektronischen Datenverarbeitung, also des Computers in der Koblenzer Raiffeisenzen-trale bedient: für die Kundenbedienung, die jeweiligen Aufschlüsse über die Erfolge der Vertreter, die Lagerübersicht, den Durchschnitt und die Endsumme des Erlöses. Mit dfr notwendigen Betriebsanalyse — überall, in jedem Unternehmen, können Leerposten entstehen und zu hohe Einzelkosten — ist Hand in Hand die Erforschung des Marktes verbunden, um in Lücken vorzustoßen oder Wandlungen in Verbrauchergewohnheiten zu erfassen und sie für die eigene Betriebsführung nutzbar zu machen.
Die Modernität dieser Geschäftsführung der Vereinigten Winzergenossenschaften mit dem Status einer eingetragenen Genossenschaft ist überzeugend. Selbstredend ging damit parallel eine Aufbesserung des technischen Betriebes. Früher waren zwei Mannschaften von 24 Mann notwendig, wenn die Trauben im Herbst angeliefert wurden — heute leisten das vier Mann dank des automatischen Entlademechanismus und der Abbeermaschine, die die Beeren von den Stengeln trennt. Automatisch ist auch die Waage, übertragen werden die Ergebnisse von Gewicht und Oechslegraden auf Lochkarte, die gleichzeitig die Mitgliedsnummer des abliefernden Winzers, die Lage und die Sorte ausweist. Diese Lochkarte kann jederzeit „befragt“ werden und ist in ihren Einzeldaten automatisch addierbar. Die Datenverarbeitung bringt’s zuwege. Angeliefert wird die Ernte in Dernau sowie an der Bad Neuenahrer Heerstraße.
Für die angelieferten Trauben wird im Durchschnitt ein Traubenpreis, je nach Sorte und Oechslegrad, zwischen 1,80 DM und 2,10 DM pro kg gezahlt, sei es für Recher Herrenberg, Dernauer Hardtberg, Marienthaler Jesuitengarten oder Walporzheimer Kräuterberg, Ahrweiler Rosenthal, Bachemer Karlskopf, Neuenahrer Sonnenberg oder Heimersheimer Kapellenberg. Stetig wachsen auch die technischen Voraussetzungen für die Kellerwirtschaft. Für die Anlieferungsstelle Bad Neuenahr kam im Jahre 1975 eine Anlage hinzu, die der Erwärmung der Maische dient. Das kommt der schöneren Farbqualität zugute, Denn das Auge trinkt mit.
Die Aufnahmefähigkeit selbst ist auf Wachstum berechnet. Die Zahl ist imponierend: im Jahre 1978 werden bei den Vereinigten Ahrwinzergenossenschaften voraussichtlich zwei Mill. Liter zu verarbeiten sein, nachdem es 1975 schon ansehnliche 1,5 Mill. Liter waren.
Nebeneinander — und eigentlich auch miteinander — ging eine Unternehmung, die zusätzlich der guten Sache nützt: die Flurbereinigung. Die Jungfelder wachsen schon heran und werden die Weinernte des Jahres 1978 um diese halbe Million Liter anreichern. Man kann sogar auf größeren Umfang rechnen, falls die Genossenschaften hinzutreten sollten, die jetzt noch jede für sich arbeiten.
Die Vereinigten Ahrwinzergenossenschaften e. G. haben von der Ertragsrebfläche der Ahr (560 ha) die Hälfte unter ihrem Dach. Von 1 000 weinbautreibenden Winzern sind 567 hier Mitglied.
Ansehnlich ist die Umsatzentwicklung. Im Geschäftsjahr 1973/74 wurden für 4,3 Mill. Mark Wein umgesetzt. In 1975/76 wurde bereits die 6-Millionen-Grenze überschritten.
Das Endergebnis? Im Gespräch sagt Wilhelm Josef Sebastian: „Die Vorteile der Fusion liegen zunächst in der Rationalisierung der Produktion. Hinzu kommen bessere Vermarktungschancen, da wir genügend Wein anbieten können, um für den Weinhandel attraktiver Partner zu sein. Die Idealvorstellung wäre eine Winzergenossenschaft für die gesamte A r.“
Im übrigen wird hinausgeblickt, wird geworben um die lohnenswerte Freundschaft mit dem Roten von der Ahr, der zwei Drittel in dieser Erzeugung ausmacht, und mit den weißen Sorten. Es wirken viele Faktoren zusammen, den Absatz zu sichern. — Selbstredend sind die Vereinigten Ahrwinzerge-nossenschaften e. G. Mitglied der Gebietsweinwerbung Ahr. Daneben waren sie — oft begleitet von den Weinköniginnen — sichtbar und wirksam vertreten bei Veranstaltungen, wie Weinwochen in Hamburg, in Recklinghausen und Köln, Deutscher Fremdenverkehrstag in Bonn, in Luxemburg, im holländischen Venlo. Und getrunken wird der Ahr-wein auch bei Kanzlerfesten. Da ist er dann auf internationalem Parkett.
In den Kundenkreis gebracht werden die. Weine durch Vertreter zwischen Bodensee und Flensburg, eigene Lager stehen in Stuttgart und Hannover.
Zur schnelleren Bewältigung des Lesegutes dient die automatische Anlage, die die Trauben von den Wagen nimmt und der Weiterbearbeitung zuführt.
Foto: Kreisbildstelle
Weinlese im Herbst … die Trauben werden in Dernau angefahren. Hier ein Blick auf den Weinbergweg zu Tal. Heute sind die Wartezeiten für die Anlieferung wesentlich kürzer als früher.
Foto: Vollrath
Es geschieht selten, daß eine Frau im Vorstand einer Genossenschaft ist, sei die Genossenschaft klein oder, wie in diesem Falle, gebietsweit und großräumig. Dem Vorstand der Vereinigten Ahrwinzergenossenschaften e. G. gehören an als Geschäftsführer Wilhelm Josef Sebastian und Ernst Bender, weiterhin Frau Ursula Krupp-Groß (Bachern), Alfons Mohn (Heimersheim) und Paul Schreiner (Rech).
Der derzeitige Aufsichtsrat: Vorsitzender Josef Schreiner (Dernau), Walter Kreuzberg und Jakob Kreuzberg (beide Dernau), Willy Krieche! (Marienthal), Josef Külz und Albert Kurth (beide Bachem), Helmut Hartmann und Johannes Kratz (beide Heimersheim), Georg Dung und Ludwig Hostert (beide Rech).