Hymne der Kirche

Von Gertrud von le Fort

Ich habe noch Blumen aus der Wildnis im Arme, ich habe noch Tau in meinen Haaren
aus Tälern der Menschenfrühe,

Ich habe noch Gebete, denen die Flur lauscht, ich weiß noch, wie man die Gewitter
fromm macht und das Wasser segnet.

Ich trage noch im Schöße die Geheimnisse der Wüste, ich trage noch auf meinem Haupt
das edle Gespinst grauer Denker,

Denn ich bin Mutter aller Kinder dieser Erde: was schmähest du mich. Welt, daß ich
groß sein darf wie mein himmlischer Vater?

Siehe, in mir knien Völker, die lange dahin sind, und aus meiner Seele leuchten nach
dem Ew’gen viele Heiden!

Ich war heimlich in den Tempeln ihrer Götter, ich war dunkel in den Sprüchen aller ihrer
Weisen.

Ich war auf den Türmen ihrer Sternsucher, ich war bei den einsamen Frauen, auf die
der Geist fiel.

Ich war die Sehnsucht aller Zeiten, ich war das Licht aller Zeiten, ich bin die Fülle der
Zeiten.

Ich bin ihr großes Zusammen, ich bin ihr ewiges Einig.
Ich bin die Straße aller ihrer Straßen: auf mir ziehen die Jahrtausende zu Gott.

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