Histörchen aus alter ZeitNeuerzählt

von Walther Ottendorff-Simrock

Von der edlen Malkunst

Es lebte in Neuenahr im vorigen Jahrhundert ein braver Anstreichermeister (sein Name tut nichts zur Sache). Dieser erhielt eines Tages den Auftrag, „Die sieben Schmerzen Maria“, die Kreuzwegstationen also, die an der Kirchstraße entlang bis auf den Friedhof führen, mit Farbe wieder aufzufrischen. Er hatte gerade die erste Stationstafel mit einem neuen Farbanstrich versehen und begann nun, die Inschrift neu zu malen, die da lautet: „Simeon weissagt Maria das Schwert des Schmerzes.“ Der größte Teil dieses Spruches war schon gepinselt, als ein Neuenahrer Bube vorbeikam, stehen blieb und dem emsigen Meister zuschaute. Dieser überlegte eben, wie er das letzte Wort noch auf der Tafel anbringen könnte, denn er hatte die Buchstaben etwas zu groß angelegt und kam so mit dem Platz nicht aus. Ob der zuschauende Junge nun ein leichtes Kichern nicht unterdrücken konnte — jedenfalls fuhr ihn der Meister barsch an: „Was willst du denn!“ Darauf sagte der Bengel: „Ihr könnt ja das letzte Wort um die Ecke schreiben“, worauf der Meister erst verdutzt dreinschaute, dann aber in höchstem Ingrimm seinen Pinsel nach dem Frechling ausspritzte. Es blieb ihm aber gar nichts anderes übrig, als den Rat zu befolgen.

Wenige Tage später führte der Weg den Herrn Pfarrer an den Kreuzwegstationen vorüber. Er blieb stehen und betrachtete das nicht eben sehr gelungene Werk des Meisters, wobei er ein Lächeln nicht unterdrücken konnte. „Lieber Meister“, meinte er dann zu dem etwas verlegen Dreinschauenden, „wäre es nicht doch besser, die Schrift zu übermalen und mit etwas kleineren Buchstaben neu zu schreiben? Sonst besteht die Gefahr, daß die frommen Beter an dieser Stätte von einer unwiderstehlichen Heiterkeit erfaßt werden oder sich beim Lesen gar den Hals verrenken.“ Dies sah der tüchtige Meister ein und malte die mißglückte Schrift neu.

DER WAGEN AUF DER STADTMAUER

EINE „DUFTIGE GESCHICHTE“

Mist heißt in Mayschoß „Moß“, in Rech „Mäuß“, in Dernau „Maß“, in Ahrweiler „Meß“ und in dem vornehmen Bad Neuenahr — „Mist“. So etwas nennt der Sprachforscher: Dialektverschiebung.

Von diesem für die Landwirtschaft so wichtigen Stoffe handelt die folgende kleine Geschichte, die sich in Ahrweiler abgespielt hat.

Am einem Samstagnachmittag fuhr ein Ahrweiler Winzer mit seinem Sohn auf einem Handwagen eine Fuhre Stalldünger nach seinem Weinberg, der draußen vor dem Adenbachtor liegt. Als sie am Fuße des Weinberges angekommen waren, blieb ihnen nichts anderes übrig, als den Wagen in dem Hohlweg stehen zu lassen und die Räder mit der Bremse zu schließen; es war nämlich schon Abend geworden, und der Dünger konnte vor Montag nicht in den Weinberg getragen werden.

Dies nutzten eine Anzahl Buben aus und fuhren den Wagen in der Nacht wieder bis zum Adenbachtor zurück. Dort luden sie den Dünger aus und zerlegten den Wagen in einzelne Teile, die sie auf die Mauer hinaufbrachten und dort wieder zusammensetzten. Zuletzt transportierten sie auch noch den Stalldünger nach oben und schichteten ihn kunstvoll auf dem Wagen auf.

Am Sonntagmorgen erblickten die ersten MessebesucHer zu ihrem größten Erstaunen den Düngerwagen, der hoch auf der Mauer thronte, und zerbrachen sich den Kopf darüber, wie er wohl auf seinen luftigen Standort gelangt sein könnte. Die Geschichte sprach sich in der Stadt wie ein Lauffeuer herum, und so wanderten den ganzen Tag Leute nach dem Adenbachtor, um dieses Schauspiel zu genießen.

Am nächsten Tage mußte der Winzer mit seinen beiden Söhnen sich abplagen, den Wagen mit Inhalt wieder auf die feste Erde zu bringen und anschließend noch einmal den Weg zu seinem Weinberg zurückzulegen.

Um die Geschichte aber wirklich abzurunden, soll gesagt werden, daß sie in Mayschoß als „Moß“-Geschichte, in Rech als „Mäuß“-Geschichte, in Dernau als … aber, lieber Leser, mache Dir selbst die Mühe und halte Dich dabei an das, was zu Beginn von mir gesagt worden ist!Content-Disposition: form-data; name=“hjb1969.32.1.htm“; filename=““ Content-Type: application/octet-stream